Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Die erste Sherlock-Holmes-Geschichte erstmals ungekürzt und illustriert (24 hochauflösenden Zeichnungen) als digitale Ausgabe. In "Eine Studie in Scharlachrot" treffen Holmes und Watson das erste Mal aufeinander. ... Stamford sah mich über sein Weinglas hinweg mit bedeutsamen Blicken an. "Wer weiß, ob du Sherlock Holmes zum Stubengenossen wählen würdest, wenn du ihn kenntest", sagte er. "Ist denn irgend etwas an ihm auszusetzen?" "Das will ich nicht behaupten. Er hat in mancher Hinsicht eigentümliche Anschauungen und schwärmt für die Wissenschaft. Im übrigen ist er ein höchst anständiger Mensch, soviel ich weiß." "Hast du ihn nie nach seinem Beruf gefragt?" "Nein - er ist kein Mensch, der sich leicht ausfragen lässt; doch kann er zuweilen sehr mitteilsam sein, wenn ihm gerade danach zu Mute ist." "Ich möchte ihn doch kennen lernen", sagte ich ... Der Rest ist, wie man so schön schreibt: Legende. Null Papier Verlag

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Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot

Vollständige & Illustrierte Fassung

(A Study in Scarlet)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Margarete JacobiIllustrationen: Richard Gutschmidt EV: Stuttgart, Verlag R. Lutz, 1894 8. Auflage, ISBN 978-3-954181-49-0

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Ar­thur Co­nan Doy­le & Sher­lock Hol­mes

Aus Wat­sons Erin­ne­run­gen

Ers­tes Ka­pi­tel – Sher­lock Hol­mes

Zwei­tes Ka­pi­tel – Die Kunst der Schluss­fol­ge­rung

Drit­tes Ka­pi­tel – Brix­ton Street Num­mer drei

Vier­tes Ka­pi­tel – Was uns John Ran­ce er­zähl­te

Fünf­tes Ka­pi­tel – Wir be­kom­men Be­such

Sechs­tes Ka­pi­tel – To­bi­as Gregson tut große Ta­ten

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Es kommt Licht in das Dun­kel

Im Lan­de der Hei­li­gen

Ach­tes Ka­pi­tel – Auf der großen Al­ka­li Ebe­ne

Neun­tes Ka­pi­tel – Die Blu­me von Utah

Zehn­tes Ka­pi­tel – John Fer­ri­er spricht mit dem Pro­phe­ten

Elf­tes Ka­pi­tel – Eine Flucht auf Le­ben und Tod

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Die Ra­cheen­gel

Fort­set­zung von Dr. Wat­sons Erin­ne­run­gen

Die Auf­lö­sung

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Sher­lock Hol­mes bei Null Pa­pier

Die Aben­teu­er des Sher­lock Hol­mes

Der ster­ben­de Sher­lock Hol­mes und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Der Hund von Bas­ker­ville

Sher­lock Hol­mes – Das Zei­chen der Vier

Sher­lock Hol­mes – Der Bund der Rot­haa­ri­gen und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Eine Stu­die in Schar­lach­rot

Sher­lock Hol­mes – Der Vam­pir von Sus­sex und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Sein ers­ter Fall und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Sein letz­ter Fall und an­de­re Ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Der er­bleich­te Sol­dat und wei­te­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

und wei­te­re …

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

Al­le Ro­ma­ne, alle Kurz­ge­schich­ten

Ü­ber 400 Zeich­nun­gen

null-pa­pier.de/371

Arthur Conan Doyle & Sherlock Holmes

Wo­mög­lich wäre die Li­te­ra­tur heu­te um eine ih­rer schil­lernds­ten De­tek­tiv­ge­stal­ten är­mer, wür­de der am 22. Mai 1859 in Edin­bur­gh ge­bo­re­ne Ar­thur Igna­ti­us Co­nan Doy­le nicht aus­ge­rech­net an der me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät sei­ner Hei­mat­stadt stu­die­ren. Hier näm­lich lehrt der spä­ter als Vor­rei­ter der Fo­ren­sik gel­ten­de Chir­urg Jo­seph Bell. Die Metho­dik des Do­zen­ten, sei­ne Züge und sei­ne ha­ge­re Ge­stalt wird der an­ge­hen­de Au­tor für den der­einst be­rühm­tes­ten De­tek­tiv der Kri­mi­nal­li­te­ra­tur über­neh­men.

Ge­burt und Tod des Hol­mes

Der ers­te Ro­man des seit 1883 in South­sea prak­ti­zie­ren­den Arz­tes teilt das Schick­sal zahl­lo­ser Erst­lin­ge – er bleibt un­voll­en­det in der Schub­la­de. Erst 1887 be­tritt Sher­lock Hol­mes die Büh­ne, als »Eine Stu­die in Schar­lach­rot« er­scheint. Nach­dem Co­nan Doy­le im Ma­ga­zin The Strand sei­ne Hol­mes-Epi­so­den ver­öf­fent­li­chen darf, ist er als er­folg­rei­cher Au­tor zu be­zeich­nen. The Strand er­öff­net die Rei­he mit »Ein Skan­dal in Böh­men«. Im Jahr 1890 zieht der Schrift­stel­ler nach Lon­don, wo er ein Jahr dar­auf, dank sei­nes li­te­ra­ri­schen Schaf­fens, be­reits sei­ne Fa­mi­lie er­näh­ren kann; seit 1885 ist er mit Loui­se Hawkins ver­hei­ra­tet, die ihm einen Sohn und eine Toch­ter schenkt.

Gin­ge es aus­schließ­lich nach den Le­sern, wäre dem küh­len De­tek­tiv und sei­nem schnauz­bär­ti­gen Mit­be­woh­ner ewi­ges Le­ben be­schie­den. Die Aben­teu­er der bei­den Freun­de neh­men frei­lich, wie ihr Schöp­fer meint, zu viel Zeit in An­spruch; der Au­tor möch­te his­to­ri­sche Ro­ma­ne ver­fas­sen. Des­halb stürzt er 1893 in »Das letz­te Pro­blem« so­wohl den De­tek­tiv als auch des­sen Wi­der­sa­cher Mo­ri­ar­ty in die Rei­chen­bach­fäl­le. Die Pro­tes­te der ent­täusch­ten Le­ser­schaft fruch­ten nicht – Hol­mes ist tot.

Die Wie­der­au­fer­ste­hung des Hol­mes

Ob­wohl sich der Schrift­stel­ler mitt­ler­wei­le der Ver­gan­gen­heit und dem Mys­ti­zis­mus wid­met, bleibt sein In­ter­es­se an Po­li­tik und rea­len Her­aus­for­de­run­gen doch un­ge­bro­chen. Den Zwei­ten Bu­ren­krieg er­lebt Co­nan Doy­le seit 1896 an der Front in Süd­afri­ka. Aus sei­nen Ein­drücken und po­li­ti­schen An­sich­ten re­sul­tie­ren zwei nach 1900 pu­bli­zier­te pro­pa­gan­dis­ti­sche Wer­ke, wo­für ihn Queen Vic­to­ria zum Rit­ter schlägt.

Eben zu je­ner Zeit weilt Sir Ar­thur zur Er­ho­lung in Nor­folk, was Hol­mes zu neu­en Ehren ver­hel­fen wird. Der Li­te­rat hört dort von ei­nem Geis­ter­hund, der in Dart­moor1 eine Fa­mi­lie ver­fol­gen soll. Um das Mys­te­ri­um auf­zu­klä­ren, re­ani­miert Co­nan Doy­le sei­nen ex­zen­tri­schen Ana­ly­ti­ker: 1903 er­scheint »Der Hund der Bas­ker­vil­les«. Zeit­lich noch vor dem Tod des De­tek­tivs in der Schweiz an­ge­sie­delt, er­fährt das Buch enor­men Zu­spruch, wes­halb der Au­tor das Ge­nie 1905 in »Das lee­re Haus« end­gül­tig wie­der­be­lebt.

Das un­wi­der­ruf­li­che Ende des Hol­mes

Nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau im Jahr 1906 und der Hei­rat mit der, wie Co­nan Doy­le glaubt, me­di­al be­gab­ten Jean Le­ckie be­fasst sich der Pri­vat­mann mit Spi­ri­tis­mus. Sein li­te­ra­ri­sches Schaf­fen kon­zen­triert sich zu­neh­mend auf Zu­kunfts­ro­ma­ne, de­ren be­kann­tes­ter Pro­tago­nist der Ex­zen­tri­ker Pro­fes­sor Chal­len­ger ist. Als po­pu­lärs­ter Chal­len­ger-Ro­man gilt die 1912 ver­öf­fent­lich­te und be­reits 1925 ver­film­te Ge­schich­te »Die ver­ges­se­ne Welt«, die Co­nan Doy­le zu ei­nem Witz ver­hilft: Der durch­aus schlitz­oh­ri­ge Schrift­stel­ler zeigt im klei­nen Kreis ei­ner Spi­ri­tis­ten­sit­zung Film­auf­nah­men ver­meint­lich le­ben­der Sau­ri­er, ohne zu er­wäh­nen, dass es sich um Ma­te­ri­al der ers­ten Ro­man­ver­fil­mung han­delt.

Die spä­te Freund­schaft des Li­te­ra­ten mit Hou­di­ni zer­bricht am Spi­ri­tis­mus-Streit, denn der un­char­man­te Zau­ber­künst­ler ent­larvt zahl­rei­che Be­trü­ger, wäh­rend der Schrift­stel­ler von der Exis­tenz des Über­na­tür­li­chen über­zeugt ist. Co­nan Doy­les Geis­ter­glau­be er­hält Auf­trieb, als sein äl­tes­ter Sohn Kings­ley wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs an der Front fällt.

Noch bis 1927 be­dient der Au­tor das Pub­li­kum mit Kurz­ge­schich­ten um Hol­mes und Wat­son; zu­letzt er­scheint »Das Buch der Fäl­le«. Als Sir Ar­thur Co­nan Doy­le am 7. Juli 1930 stirbt, trau­ern Fa­mi­lie und Le­ser­schaft glei­cher­ma­ßen, denn dies­mal ist Hol­mes wirk­lich tot.

Von der Be­deu­tung ei­nes Ge­schöp­fes

Oder viel­mehr ist Hol­mes ein ewi­ger Wie­der­gän­ger, der im Ge­dächt­nis des Pub­li­kums fort­lebt. Nicht we­ni­ge Le­ser hiel­ten und hal­ten den De­tek­tiv für eine exis­ten­te Per­son, was nicht zu­letzt Co­nan Doy­les er­zäh­le­ri­schem Ge­schick und dem Rea­li­täts­be­zug der Ge­schich­ten zu ver­dan­ken sein dürf­te. Tat­säch­lich kam man im 20. Jahr­hun­dert dem Be­dürf­nis nach et­was Hand­fes­tem nach, in­dem ein Haus in der Lon­do­ner Ba­ker Street die Num­mer 221 b er­hielt. Dort be­fin­det sich das Sher­lock-Hol­mes-Mu­se­um.

Co­nan Doy­les zeit­ge­nös­si­scher Schrift­stel­ler­kol­le­ge Gil­bert Keith Che­s­ter­ton, geis­ti­ger Va­ter des kri­mi­na­lis­ti­schen Pa­ter Brown, brach­te das li­te­ra­ri­sche Ver­dienst sei­nes Lands­manns auf den Punkt: Sinn­ge­mäß sag­te er, dass es nie bes­se­re De­tek­tiv­ge­schich­ten ge­ge­ben habe und dass Hol­mes mög­li­cher­wei­se die ein­zi­ge volks­tüm­li­che Le­gen­de der Mo­der­ne sei, de­ren Ur­he­ber man gleich­wohl nie ge­nug ge­dankt habe.

Dass der De­tek­tiv sein sons­ti­ges Schaf­fen der­ma­ßen über­la­gern konn­te, war Co­nan Doy­le selbst nie­mals recht. Er hielt sei­ne his­to­ri­schen, po­li­ti­schen und spä­ter sei­ne mys­ti­zis­tisch-spi­ri­tis­ti­schen Ar­bei­ten für wert­vol­ler, wäh­rend die Kurz­ge­schich­ten dem blo­ßen Brot­er­werb dienten. Ver­mut­lich über­sah er bei der Selb­st­ein­schät­zung sei­ner ver­meint­li­chen Tri­vi­al­li­te­ra­tur de­ren enor­me Wir­kung, die weit über ih­ren ho­hen Un­ter­hal­tungs­wert hin­aus­ging.

So wie Jo­seph Bell, Co­nan Doy­les Do­zent an der Uni­ver­si­tät, durch prä­zi­se Beo­b­ach­tung auf die Er­kran­kun­gen sei­ner Pa­ti­en­ten schlie­ßen konn­te, soll­te Sher­lock Hol­mes an Kri­mi­nal­fäl­le her­an­ge­hen, die so­wohl sei­nen Kli­en­ten als auch der Po­li­zei un­er­klär­lich schie­nen. Bells streng wis­sen­schaft­li­ches Vor­ge­hen stand Pate für De­duk­ti­on und fo­ren­si­sche Metho­dik in den vier Ro­ma­nen und 56 Kurz­ge­schich­ten um den ha­ge­ren Gent­le­man-De­tek­tiv. Pro­fes­sor Bell be­riet die Po­li­zei bei der Ver­bre­chensauf­klä­rung, ohne in den of­fi­zi­el­len Be­rich­ten oder in den Zei­tun­gen er­wähnt wer­den zu wol­len. Die Ähn­lich­keit zu Hol­mes ist au­gen­fäl­lig. Wirk­lich war in den Ge­schich­ten die Fik­ti­on der Rea­li­tät vor­aus, denn wis­sen­schaft­li­che Ar­beits­wei­se, ge­naue Ta­tort­un­ter­su­chung und ana­ly­tisch-ra­tio­na­les Vor­ge­hen wa­ren der Kri­mi­na­lis­tik je­ner Tage neu. Man ur­teil­te nach Au­gen­schein und ent­warf Theo­ri­en, wo­bei die Be­weis­füh­rung nicht er­geb­ni­sof­fen ge­führt wur­de, son­dern le­dig­lich jene Theo­ri­en be­le­gen soll­te. Zwei­fel­los hat die Po­pu­la­ri­tät der Er­leb­nis­se von Hol­mes und Wat­son den Auf­stieg der rea­len Fo­ren­sik in der Ver­bre­chensauf­klä­rung un­ter­stützt.

Ein wei­te­rer in­ter­essan­ter Aspekt der Er­zäh­lun­gen be­trifft Co­nan Doy­les Nei­gung, sei­ne ei­ge­nen An­sich­ten ein­zu­ar­bei­ten. Zwar be­vor­zug­te er zu die­sem Zweck an­de­re Schaf­fens­zwei­ge, aber es fin­den sich ge­sell­schaft­li­che und mo­ra­li­sche Mei­nun­gen, wenn Hol­mes etwa Ver­bre­cher ent­kom­men lässt, weil er meint, dass eine Tat ge­recht ge­we­sen oder je­mand be­reits durch sein Schick­sal ge­nug ge­straft sei. Ge­le­gent­lich ist da­bei fest­zu­stel­len, dass er An­ge­hö­ri­ge nied­ri­ger Stän­de gleich­gül­ti­ger be­han­delt als die Ver­tre­ter der »gu­ten Ge­sell­schaft«.

Fik­ti­ve Bio­gra­fi­en des De­tek­tivs, Büh­nen­stücke, Ver­fil­mun­gen und zahl­lo­se Nach­ah­mun­gen, dar­un­ter nicht sel­ten Sa­ti­ren, von de­nen Co­nan Doy­le mit »Wie Wat­son den Trick lern­te« 1923 selbst eine ver­fass­te, kün­den von der un­ge­bro­che­nen Be­liebt­heit des kri­mi­na­lis­ti­schen Duos, ohne das die Welt­li­te­ra­tur we­ni­ger span­nend wäre.

be­rüch­tig­tes, bri­ti­sches Ge­fäng­nis in ei­ner Moor­ge­gend ge­le­gen  <<<

Aus Watsons Erinnerungen

Erstes Kapitel – Sherlock Holmes

Im Jah­re 1878 hat­te ich mein Dok­tor­ex­amen an der Lon­do­ner Uni­ver­si­tät be­stan­den und in Nel­ley den für Mi­li­tärärz­te vor­ge­schrie­be­nen me­di­zi­ni­schen Kur­sus durch­ge­macht. Bald dar­auf ward ich dem fünf­ten Fü­si­lier­re­gi­ment Nor­thum­ber­land zu­ge­teilt, wel­ches da­mals in In­di­en stand. Be­vor ich je­doch an den Ort mei­ner Be­stim­mung ge­lang­te, brach der zwei­te af­gha­ni­sche Krieg aus, und bei mei­ner Lan­dung in Bom­bay er­fuhr ich, mein Re­gi­ment sei be­reits durch die Ge­birgspäs­se mar­schiert und weit in Fein­des­land vor­ge­drun­gen. In Ge­sell­schaft meh­re­rer Of­fi­zie­re, die sich in glei­cher Lage be­fan­den, folg­te ich mei­nem Korps, er­reich­te das­sel­be glück­lich in Kan­da­har und trat in mei­ne neue Stel­lung ein.

Der Feld­zug, in wel­chem an­de­re Ehre und Aus­zeich­nun­gen fan­den, brach­te mir in­des­sen nur Un­glück und Mis­ser­folg. Gleich in der ers­ten Schlacht zer­schmet­ter­te mir eine Ku­gel das Schul­ter­blatt und ich wäre si­cher­lich den grau­sa­men Gha­zis1 in die Hän­de ge­fal­len, hät­te mich nicht Mur­ray, mein treu­er Bur­sche, rasch auf ein Pack­pferd ge­wor­fen und mit ei­ge­ner Le­bens­ge­fahr mit sich ge­führt, bis wir die bri­ti­sche Schlacht­li­nie er­reich­ten.

Lan­ge lag ich krank, und erst nach­dem ich mit ei­ner großen An­zahl ver­wun­de­ter Of­fi­zie­re in das Ho­spi­tal von Pes­ha­war ge­schafft wor­den war, er­hol­te ich mich all­mäh­lich von den aus­ge­stan­de­nen Lei­den; ich war be­reits wie­der so weit, dass ich in den Kran­ken­sä­len um­her­ge­hen und auf der Ve­ran­da fri­sche Luft schöp­fen durf­te. Da be­fiel mich un­glück­li­cher­wei­se ein Ent­zün­dungs­fie­ber und zwar mit sol­cher Hef­tig­keit, dass man mo­na­te­lang an mei­nem Wie­der­auf­kom­men zwei­fel­te. Als end­lich die Macht der Krank­heit ge­bro­chen war und mein Be­wusst­sein zu­rück­kehr­te, be­fand ich mich in sol­chem Zu­stand der Kraft­lo­sig­keit, dass die Ärz­te be­schlos­sen, mich ohne Zeit­ver­lust wie­der nach Eng­land zu schi­cken. Ei­nen Mo­nat spä­ter lan­de­te ich mit dem Trup­pen­schiff ›Oron­tes‹ in Ports­mouth;2 mei­ne Ge­sund­heit war völ­lig zer­rüt­tet, doch er­laub­te mir eine für­sorg­li­che Re­gie­rung, wäh­rend der nächs­ten neun Mo­na­te den Ver­such zu ma­chen, sie wie­der­her­zu­stel­len.

Ver­wand­te be­saß ich in Eng­land nicht; ich be­schloss da­her, mich in ei­nem Pri­va­tho­tel ein­zu­quar­tie­ren. Mein täg­li­ches Ein­kom­men be­lief sich auf elf und einen hal­b­en Schil­ling und da ich zu­erst nicht sehr haus­häl­te­risch da­mit um­ging, mach­ten mir mei­ne Finan­zen bald große Sor­ge. Ich sah ein, dass ich ent­we­der aufs Land zie­hen oder mei­ne Le­bens­wei­se in der Haupt­stadt völ­lig än­dern müs­se.

Da ich letz­te­res vor­zog, sah ich mich ge­nö­tigt, das Ho­tel zu ver­las­sen und mir eine an­spruchs­lo­se­re und we­ni­ger kost­spie­li­ge Woh­nung zu su­chen.

Wäh­rend ich noch hier­mit be­schäf­tigt war, be­geg­ne­te ich ei­nes Ta­ges auf der Stra­ße ei­nem mir be­kann­ten Ge­sicht, ein höchst er­freu­li­cher An­blick für einen ein­sa­men Men­schen wie mich in der Rie­sen­stadt Lon­don. Ich hat­te mit dem jun­gen Stam­ford wäh­rend mei­ner Stu­di­en­zeit ver­kehrt, ohne dass wir ein­an­der be­son­ders nahe ge­tre­ten wa­ren, jetzt aber be­grüß­te ich ihn mit Ent­zücken, und auch er schi­en sich über das Wie­der­se­hen zu freu­en. Bald sa­ßen wir in ei­ner na­hen Re­stau­ra­ti­on zu­sam­men bei ei­nem Gla­se Wein und tausch­ten un­se­re Er­leb­nis­se aus.

»Was in al­ler Welt ist denn mit dir ge­sche­hen, Wat­son?« frag­te Stam­ford ver­wun­dert, »du siehst braun aus wie eine Nuss und bist so dürr wie eine Boh­nen­stan­ge.«

Ich gab ihm einen kur­z­en Abriss mei­ner Aben­teu­er und er hör­te mir teil­neh­mend zu.

»Ar­mer Kerl«, sag­te er mit­lei­dig, »und was ge­denkst du jetzt zu tun?«

»Ich bin auf der Woh­nungs­su­che«, ver­setz­te ich; »es gilt die Auf­ga­be zu lö­sen, mir um bil­li­gen Preis ein be­hag­li­ches Quar­tier zu ver­schaf­fen.«

»Wie son­der­bar«, rief Stam­ford; »du bist der zwei­te Mensch, der heu­te ge­gen mich die­se Äu­ße­rung tut.«

»Und wer war der ers­te?«

»Ein Be­kann­ter von mir, der in dem che­mi­schen La­bo­ra­to­ri­um des Ho­spi­tals ar­bei­tet. Er klag­te mir die­sen Mor­gen sein Leid, dass er nie­mand fin­den kön­ne, um mit ihm ge­mein­sam ein sehr preis­wür­di­ges, hüb­sches Quar­tier zu mie­ten, das für sei­nen Beu­tel al­lein zu kost­spie­lig sei.«

»Mei­ner Treu«, rief ich, »wenn er Lust hat, die Kos­ten der Woh­nung zu tei­len, so bin ich sein Mann. Ich wür­de weit lie­ber mit ei­nem Ge­fähr­ten zu­sam­men­zie­hen, statt ganz al­lein zu hau­sen.«

Stam­ford sah mich über sein Wein­glas hin­weg mit be­deut­sa­men Bli­cken an. »Wer weiß, ob du Sher­lock Hol­mes zum Stu­ben­ge­nos­sen wäh­len wür­dest, wenn du ihn kenn­test«, sag­te er.

»Ist denn ir­gend et­was an ihm aus­zu­set­zen?«

»Das will ich nicht be­haup­ten. Er hat in man­cher Hin­sicht ei­gen­tüm­li­che An­schau­un­gen und schwärmt für die Wis­sen­schaft. Im üb­ri­gen ist er ein höchst an­stän­di­ger Mensch, so­viel ich weiß.«

»Ein Me­di­zi­ner ver­mut­lich?«

»Nein – ich habe kei­ne Ah­nung, was er ei­gent­lich treibt. In der Ana­to­mie ist er gut be­wan­dert und ein vor­züg­li­cher Che­mi­ker. Aber mei­nes Wis­sens hat er nie re­gel­recht Me­di­zin stu­diert. Er ist über­haupt ziem­lich über­spannt und un­me­tho­disch in sei­nen Stu­di­en, doch be­sitzt er auf ver­schie­de­nen Ge­bie­ten eine Men­ge un­ge­wöhn­li­cher Kennt­nis­se, um die ihn man­cher Pro­fes­sor be­nei­den könn­te.«

»Hast du ihn nie nach sei­nem Be­ruf ge­fragt?«

»Nein – er ist kein Mensch, der sich leicht aus­fra­gen lässt; doch kann er zu­wei­len sehr mit­teil­sam sein, wenn ihm ge­ra­de da­nach zu Mute ist.«

»Ich möch­te ihn doch ken­nen ler­nen«, sag­te ich; »ein Mensch, der sich mit Vor­lie­be in sei­ne Stu­di­en ver­tieft, wäre für mich der an­ge­nehms­te Ge­fähr­te. Bei mei­nem schwa­chen Ge­sund­heits­zu­stand kann ich we­der Lärm noch Auf­re­gung ver­tra­gen. Ich habe bei­des in Af­gha­nis­tan so reich­lich ge­nos­sen, dass ich für mei­ne Le­bens­zeit ge­nug dar­an habe. Bit­te, sage mir, wo ich dei­nen Freund tref­fen kann.«

»Ver­mut­lich ist er jetzt noch im La­bo­ra­to­ri­um. Manch­mal lässt er sich dort wo­chen­lang nicht se­hen und zu an­de­ren Zei­ten bleibt er wie­der von früh bis spät bei der Ar­beit. Wenn es dir recht ist, su­chen wir ihn zu­sam­men auf.«

Ich wil­lig­te mit Freu­den ein und wir mach­ten uns so­gleich auf den Weg nach dem Ho­spi­tal.

»Du darfst mir aber kei­ne Vor­wür­fe ma­chen, wenn ihr nicht mit­ein­an­der aus­kommt«, sag­te Stam­ford, als wir in die Drosch­ke stie­gen; »ich möch­te dir we­der zu- noch ab­ra­ten.«

»Wenn wir nicht zu ein­an­der pas­sen, kön­nen wir uns ja leicht wie­der tren­nen. Dei­ne Vor­sicht scheint mir fast über­trie­ben, es muss noch et­was an­de­res da­hin­ter ste­cken. Heraus mit der Spra­che, was hast du ge­gen den Men­schen ein­zu­wen­den?«

»Nichts, gar nichts; er ist nur nach mei­nem Ge­schmack sei­ner Wis­sen­schaft all­zu­sehr er­ge­ben. – Das grenzt schon an Ge­fühl­lo­sig­keit. Ich hal­te es nicht für un­denk­bar, dass er ei­nem gu­ten Freun­de eine Prie­se des neues­ten ve­ge­ta­bi­li­schen Al­ka­lo­ids ein­ge­ben wür­de – nicht etwa aus Bos­heit, nein, aus For­schungs­trieb – um die Wir­kung ge­nau zu be­ob­ach­ten. Eben­so gern wür­de er frei­lich die Pro­be an sich sel­ber ma­chen, die Ge­rech­tig­keit muss man ihm wi­der­fah­ren las­sen. Über­haupt ist Klar­heit und Ge­nau­ig­keit des Wis­sens sei­ne größ­te Lei­den­schaft; aber zu wel­chem Zweck er alle sei­ne Stu­di­en be­treibt, weiß der lie­be Him­mel.«

Vor dem Ho­spi­tal an­ge­kom­men, stie­gen wir aus, gin­gen ein Gäss­chen hin­un­ter und tra­ten durch eine Tür in den Ne­ben­flü­gel des weit­läu­fi­gen Ge­bäu­des. Hier war mir al­les wohl be­kannt und ich brauch­te kei­nen Füh­rer mehr. Es ging die kah­le Stein­trep­pe hin­auf, durch den lan­gen, weiß­ge­tünch­ten Kor­ri­dor, mit den Tü­ren auf bei­den Sei­ten, an den sich der nied­ri­ge Bo­gen­gang an­schloss, wel­cher nach dem che­mi­schen La­bo­ra­to­ri­um führ­te.

In dem großen Saal, den wir be­tra­ten, wa­ren sämt­li­che Ti­sche mit Re­tor­ten, Rea­gens­glä­sern und klei­nen Wein­geist­lam­pen be­setzt, wäh­rend rings an den Wän­den und über­haupt, wo­hin man blick­te, Fla­schen von al­len Grö­ßen und For­men um­her­stan­den. Wir dach­ten zu­erst, der Raum sei leer, bis wir an dem an­de­ren Ende einen jun­gen Mann ge­wahr­ten, der, in sei­ne Beo­b­ach­tun­gen ver­sun­ken, über einen Tisch ge­beugt da­saß. Beim Schall un­se­rer Fuß­trit­te blick­te er von sei­nem Ex­pe­ri­ment auf und sprang mit ei­nem Freu­den­ruf in die Höhe. »Vic­to­ria, Vic­to­ria«, ju­bel­te er, und kam uns, mit der Re­tor­te in der Hand, ent­ge­gen. »Ich habe das Rea­gens ge­fun­den, das sich mit Hä­mo­glo­bin zu ei­nem Nie­der­schlag ver­bin­det und sonst mit kei­nem Stoff.«

Er sah so glück­strah­lend aus, als hät­te er eine Gold­mi­ne ent­deckt.

»Mein Freund, Dok­tor Wat­son – Herr Sher­lock Hol­mes«, sag­te Stam­ford uns ein­an­der vor­stel­lend.

»Sehr er­freut, Ihre Be­kannt­schaft zu ma­chen«, er­wi­der­te Hol­mes in herz­li­chem Ton und mit kräf­ti­gem Hän­de­druck. »Sie kom­men aus Af­gha­nis­tan, wie ich sehe.«

Ich blick­te ihn ver­wun­dert an. »Wie­so wis­sen Sie denn das?«

»O, das tut nichts zur Sa­che«, rief er, sich ver­gnügt die Hän­de rei­bend; »ich den­ke jetzt nur an Hä­mo­glo­bin. Si­cher­lich wer­den Sie die Trag­wei­te mei­ner Er­fin­dung be­grei­fen.«

»Es mag wohl als che­mi­sches Ex­pe­ri­ment sehr in­ter­essant sein, aber für die Pra­xis –«

»Gera­de in der Pra­xis ist es von größ­ter Wich­tig­keit für die Ge­richt­sche­mie, weil es dazu dient, das et­wai­ge Vor­han­den­sein von Blut­fle­cken zu be­wei­sen. – Bit­te, kom­men Sie doch ein­mal her.« In sei­nem Ei­fer er­griff er mei­nen Rock­är­mel und zog mich nach dem Ti­sche hin, an wel­chem er ex­pe­ri­men­tiert hat­te. »Wir müs­sen et­was fri­sches Blut ha­ben«, sag­te er und stach sich mit ei­ner großen Stopf­na­del in den Fin­ger, wor­auf er das her­ab­trop­fen­de Blut in ei­nem Sau­g­röhr­chen auf­fing. »Jetzt mi­sche ich die­se klei­ne Blut­men­ge mit ei­nem Li­ter Was­ser – das Ver­hält­nis ist etwa wie eins zu ei­ner Mil­li­on – und die Flüs­sig­keit sieht ganz aus wie rei­nes Was­ser. Trotz­dem wird sich, den­ke ich, die ge­wünsch­te Re­ak­ti­on her­stel­len las­sen.« Er hat­te, wäh­rend er sprach, ei­ni­ge wei­ße Kris­tal­le in das Ge­fäß ge­wor­fen und goss jetzt noch meh­re­re Trop­fen ei­ner durch­sich­ti­gen Flüs­sig­keit hin­zu. So­fort nahm das Was­ser eine dunkle Fär­bung an und ein bräun­li­cher Nie­der­schlag er­schi­en auf dem Bo­den des Gla­ses.

»Se­hen Sie«, rief er und klatsch­te in die Hän­de, wie ein Kind vor Freu­de über ein neu­es Spiel­zeug. »Was sa­gen Sie dazu?«

»Es scheint mir ein sehr ge­lun­ge­nes Ex­pe­ri­ment.«

»Wun­der­voll, wun­der­voll! Die alte Metho­de, die Pro­be mit Gua­ja­cum3 an­zu­stel­len, war sehr um­ständ­lich und un­si­cher, die mi­kro­sko­pi­sche Un­ter­su­chung der Blut­kü­gel­chen aber ist wert­los, so­bald die Fle­cken ein paar Stun­den alt sind. Mei­ne Er­fin­dung wird sich da­ge­gen eben­so gut bei al­tem wie bei fri­schem Blut be­wäh­ren. Wäre sie schon frü­her ge­macht wor­den, so hät­te man Hun­der­te von Ver­bre­chern zur Re­chen­schaft zie­hen kön­nen, die straf­los da­von­ge­kom­men sind.«

»Mei­nen Sie wirk­lich?«

»Ohne Fra­ge. Bei der Kri­mi­nal­jus­tiz dreht sich ja meist al­les um die­sen einen Punkt. Vi­el­leicht Mo­na­te, nach­dem die Mis­se­tat be­gan­gen ist, fällt der Ver­dacht auf einen Men­schen, man un­ter­sucht sei­ne Klei­der und fin­det brau­ne Fle­cke am Rock oder in der Wä­sche. Das kön­nen Blut­spu­ren sein, aber auch Rost­fle­cke, Obst­fle­cke oder Schmutz­fle­cke. Man­cher Sach­ver­stän­di­ge hat sich dar­über schon den Kopf zer­bro­chen und zwar bloß, weil es an ei­ner zu­ver­läs­si­gen Be­weis­me­tho­de fehl­te. Nun man aber das Sher­lock Hol­mes­sche Mit­tel be­sitzt, ist jede Schwie­rig­keit be­sei­tigt.«

Sei­ne Au­gen fun­kel­ten, wäh­rend er sprach, er leg­te die Hand aufs Herz und mach­te eine fei­er­li­che Ver­beu­gung, als sähe er sich im Geist ei­ner Bei­fall klat­schen­den Men­ge ge­gen­über.

»Da kann man Ih­nen ja Glück wün­schen«, sag­te ich, ver­wun­dert über sei­nen Feuerei­fer.

»Hät­te man die Pro­be schon letz­tes Jahr an­stel­len kön­nen«, fuhr er fort, »es wäre dem Ma­son aus Brad­ford si­cher­lich an den Hals ge­gan­gen; auch der be­rüch­tig­te Mül­ler, so­wie Le­fe­vre aus Mont­pel­lier und Sam­son aus New-Or­leans wä­ren über­führt wor­den. Ich könn­te Ih­nen Dut­zen­de von Fäl­len nen­nen, bei de­nen mei­ne Er­fin­dung den Aus­schlag ge­ge­ben hät­te.«

»Sie schei­nen ja ein wan­deln­der Ver­bre­cheral­ma­nach zu sein«, mein­te Stam­ford la­chend; »schrei­ben Sie doch ein Buch über Kri­mi­nal­sta­tis­tik.«

»Das möch­te wohl des Le­sens wert sein«, er­wi­der­te Hol­mes, der sich eben ein Pflas­ter auf den ver­wun­de­ten Fin­ger kleb­te. »Ich muss sehr vor­sich­tig sein«, füg­te er er­klä­rend hin­zu, »denn ich ma­che mir viel mit Gif­ten zu schaf­fen.« Als er die Hand in die Höhe hielt, sah ich, dass sie an vie­len Stel­len be­pflas­tert war und von schar­fen Säu­ren ge­färbt.

»Wir kom­men in Ge­schäf­ten«, sag­te Stam­ford, und schob mir einen drei­bei­ni­gen Sche­mel zum Sit­zen hin, wäh­rend er eben­falls Platz nahm. »Mein Freund hier sucht eine Woh­nung, und da Sie gern mit je­mand zu­sam­men­zie­hen möch­ten, dach­te ich, es wäre Ih­nen viel­leicht bei­den ge­hol­fen.« Sher­lock Hol­mes ging mit Freu­den auf den Vor­schlag ein. »Ich habe ein Auge des Wohl­ge­fal­lens auf ein Quar­tier in der Ba­ker Street ge­wor­fen, das vor­treff­lich für uns pas­sen wür­de«, sag­te er. »Sie ha­ben doch nicht etwa eine Ab­nei­gung ge­gen Ta­baks­dampf?«

»O nein, ich bin selbst ein star­ker Rau­cher.«

»Das trifft sich gut. Fer­ner habe ich häu­fig Che­mi­ka­li­en bei mir her­um­ste­hen, die ich zu mei­nen Ex­pe­ri­men­ten brau­che. Wür­de Sie das be­läs­ti­gen?«

»Durchaus nicht.«

»War­ten Sie – was habe ich sonst noch für Feh­ler? Manch­mal be­kom­me ich An­fäl­le von Schwer­mut und tue dann ta­ge­lang den Mund nicht auf. Sie müs­sen mir das nicht übel neh­men. Küm­mern Sie sich nur dann gar nicht um mich, und die An­wand­lung wird bald vor­über sein. So – nun ist die Rei­he an Ih­nen, mir Be­kennt­nis­se zu ma­chen. Wenn zwei Men­schen zu­sam­men le­ben wol­len, ist es gut, wenn sie im vor­aus wis­sen, was sie von­ein­an­der zu er­war­ten ha­ben.«

Ich muss­te über die­se Ge­ne­ral­beich­te la­chen. »Ich hal­te mir einen jun­gen Bul­len­bei­ßer«4 ge­stand ich, »und kann kei­nen Lärm ver­tra­gen, weil mei­ne Ner­ven an­ge­grif­fen sind; auch schla­fe ich oft in den Tag hin­ein und bin über­haupt sehr trä­ge. In ge­sun­den Zei­ten fröh­ne ich noch Las­tern an­de­rer Art, aber für jetzt sind dies die haupt­säch­lichs­ten.«

»Wür­den Sie un­ter ›Lär­m‹ auch das Spie­len auf ei­ner Vio­li­ne ver­ste­hen?« frag­te er be­sorgt.

»Das kommt auf den Mu­si­ker an. Gu­tes Vio­lin­spiel ist ein Ge­nuss für Göt­ter – aber schlech­tes –«

»Frei­lich, frei­lich«, rief er ver­gnügt. »Nun, ich den­ke, die Sa­che ist ab­ge­macht – das heißt, wenn Ih­nen das Quar­tier ge­fällt.«

»Wann kön­nen wir es be­sich­ti­gen?«

»Ho­len Sie mich mor­gen Mit­tag hier ab, dann ge­hen wir zu­sam­men hin und brin­gen gleich al­les ins rei­ne.«

»Sehr wohl, also Punkt zwölf Uhr«, sag­te ich, ihm zum Ab­schied die Hand schüt­telnd.

Wir lie­ßen ihn dort bei sei­nen Che­mi­ka­li­en und gin­gen nach mei­nem Ho­tel zu­rück. »Er­klä­ren Sie mir nur«, wand­te ich mich, plötz­lich ste­hend blei­bend, an Stam­ford, »was ihn auf die Idee ge­bracht ha­ben kann, dass ich aus Af­gha­nis­tan kom­me?«

Mein Ge­fähr­te lach­te ge­heim­nis­voll. »Schon man­cher hat gern wis­sen wol­len, wie Sher­lock Hol­mes ge­wis­se Din­ge aus­fin­dig macht. Er be­sitzt eben eine be­son­de­re Gabe.«

»Aha, es steckt ein Rät­sel da­hin­ter«, rief ich be­lus­tigt; »das ist ja höchst in­ter­essant. Ich bin dir sehr ver­bun­den für die neue Be­kannt­schaft. Das bes­te Stu­di­um für den Men­schen bleibt ja doch im­mer der Mensch.«

»Stu­die­re ihn nur«, ent­geg­ne­te Stam­ford. »Du wirst da­bei man­che Nuss zu knacken fin­den. Ich wet­te dar­auf, er kennt dich bald bes­ser als du ihn.«

An der nächs­ten Stra­ßen­e­cke ver­ab­schie­de­ten wir uns und ich schlen­der­te al­lein nach Hau­se.

Gha­zis, Ghāzī, manch­mal auch Gha­si (ara­bisch, »wer einen Kriegs­zug un­ter­nimmt«, An­grei­fer, Ero­be­rer) ist ur­sprüng­lich die Be­zeich­nung für einen mus­li­mi­schen Krie­ger, der »auf dem Wege Got­tes im Dschi­had kämpft«  <<<

Haupt­ha­fen der Eng­li­schen Ma­ri­ne an der Süd­küs­te.  <<<

Gua­ja­cum: Rea­genz zum Nach­weis von nicht di­rekt sicht­ba­rem Blut  <<<

Bul­len­bei­ßer wa­ren kraft­vol­le, spe­zi­ell für das »Bull­bai­ting« (Bul­len­bei­ßen) ge­züch­te­te Hun­de, de­ren Auf­ga­be es war, Bul­len nie­der­zu­rin­gen. Die­se Form des Tier­kamp­fes ge­noss im Eng­land des 16. bis 18. Jahr­hun­derts hohe Po­pu­la­ri­tät und war ein be­lieb­ter Sport für Men­schen al­ler Klas­sen, bei dem große Sum­men ge­wet­tet wur­den. Das ge­sam­te Äu­ße­re die­ser Bull­dog­gen (eng­lisch »bull­dogs«) war dar­auf aus­ge­legt, Bul­len bei der Nase zu pa­cken und zu Bo­den zu zie­hen. (Wi­ki­pe­dia)  <<<

Zweites Kapitel – Die Kunst der Schlussfolgerung

Un­se­re ver­ab­re­de­te Be­sich­ti­gung des Quar­tiers in der Ba­ker Street Nr. 221b fand am nächs­ten Tage statt. Es ge­fiel mir au­ßer­or­dent­lich; das große, luf­ti­ge Wohn­zim­mer, wel­ches sich an zwei be­hag­li­che Schlaf­stu­ben an­schloss, war freund­lich mö­bliert und sehr hell, da es sein Licht durch zwei große Fens­ter er­hielt. Un­ter uns bei­de ge­teilt, er­schi­en auch der Preis der Woh­nung so ge­ring, dass wir sie auf der Stel­le mie­te­ten und so­gleich ein­zu­zie­hen be­schlos­sen. Noch am sel­ben Abend ließ ich mei­ne Be­sitz­tü­mer vom Ho­tel hin­über­schaf­fen und Sher­lock Hol­mes folg­te bald dar­auf mit ver­schie­de­nen Kof­fern und Rei­se­ta­schen. In den ers­ten Ta­gen wa­ren wir eif­rig be­schäf­tigt, aus­zu­pa­cken und un­se­re Sa­chen auf das vor­teil­haf­tes­te un­ter­zu­brin­gen. Als dann die Ein­rich­tung fer­tig war, be­gan­nen wir uns in Ruhe an un­se­re neue Um­ge­bung zu ge­wöh­nen.