Sherlock Holmes - Sechsmal Mord - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes - Sechsmal Mord E-Book

Arthur Conan Doyle

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das gelbe Gesicht Auch um Eheprobleme muss sich Holmes kümmern: Seit der Ankunft neuer Nachbarn ist Grant Munros Frau nicht wiederzuerkennen, und als er ein gelbes Gesicht im Fenster seines Hauses erblickt, ist er überzeugt, er werde betrogen. Die Lösung liegt in der Vergangenheit seiner Frau – und ist weitaus komplizierter als ein bloßer Seitensprung. Der Teufelsfuß Bei einem Erholungsurlaub mit Dr. Watson auf dem Land stößt Holmes auf einen seltsamen Fall. Nachdem er am Abend zuvor noch mit ihnen Karten gespielt hat, kehrt ein Mann zum Haus seiner Geschwister zurück, um die Schwester tot und die beiden Brüder verrückt aufzufinden. Bei solch einem rätselhaften Fall kann es Sherlock Holmes natürlich nicht lassen... "Abbey Grange" Einbrecher sollen einen ungeliebten Adligen ermordet haben, so der Verdacht. Holmes lässt sich natürlich nicht lange täuschen, doch könnte es gute Gründe geben, die Sache ruhen zu lassen. Das leere Haus Ein Adeliger wurde erschossen, doch niemand hat einen Schuss gehört. Dr. Watson beginnt zu ermitteln und stößt auf ein viel größeres Rätsel: Sherlock Holmes, und zwar lebendig! Ganz der Alte, rächt er sich für die Ereignisse am Reichenbachfall - und findet ganz nebenbei auch noch den lautlosen Mörder. Das gefleckte Band Wenige Tage vor ihrer Hochzeit verstarb Helen Stoners Schwester unter mysteriösen Umständen. So soll in ihren letzten Nächten ein seltsames Pfeifen gehört haben. Als Helen, die selbst bald heiraten wird, nachts plötzlich dasselbe Geräusch vernimmt, wendet sie sich verzweifelt an Sherlock Holmes. Der verkrüppelte Mann Ein Mann ist tot. Er befand sich zur Tatzeit in einem verschlossenen Raum mit seiner Frau, doch die ist schwerstbehindert. Kann sie es gewesen sein oder war noch jemand im Raum?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 253

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Informationen zum Buch

Das gelbe Gesicht

Auch um Eheprobleme muss sich Holmes kümmern: Seit der Ankunft neuer Nachbarn ist Grant Munros Frau nicht wiederzuerkennen, und als er ein gelbes Gesicht im Fenster seines Hauses erblickt, ist er überzeugt, er werde betrogen. Die Lösung liegt in der Vergangenheit seiner Frau – und ist weitaus komplizierter als ein bloßer Seitensprung.

Der Teufelsfuß

Bei einem Erholungsurlaub mit Dr. Watson auf dem Land stößt Holmes auf einen seltsamen Fall. Nachdem er am Abend zuvor noch mit ihnen Karten gespielt hat, kehrt ein Mann zum Haus seiner Geschwister zurück, um die Schwester tot und die beiden Brüder verrückt aufzufinden. Bei solch einem rätselhaften Fall kann es Sherlock Holmes natürlich nicht lassen …

»Abbey Grange«

Einbrecher sollen einen ungeliebten Adligen ermordet haben, so der Verdacht. Holmes lässt sich natürlich nicht lange täuschen, doch könnte es gute Gründe geben, die Sache ruhen zu lassen.

Das leere Haus

Ein Adeliger wurde erschossen, doch niemand hat einen Schuss gehört. Dr. Watson beginnt zu ermitteln und stößt auf ein viel größeres Rätsel: Sherlock Holmes, und zwar lebendig! Ganz der Alte, rächt er sich für die Ereignisse am Reichenbachfall – und findet ganz nebenbei auch noch den lautlosen Mörder.

Das gefleckte Band

Wenige Tage vor ihrer Hochzeit verstarb Helen Stoners Schwester unter mysteriösen Umständen. So soll in ihren letzten Nächten ein seltsames Pfeifen gehört haben. Als Helen, die selbst bald heiraten wird, nachts plötzlich dasselbe Geräusch vernimmt, wendet sie sich verzweifelt an Sherlock Holmes.

Der verkrüppelte Mann

Ein Mann ist tot. Er befand sich zur Tatzeit in einem verschlossenen Raum mit seiner Frau, doch die ist schwerstbehindert. Kann sie es gewesen sein oder war noch jemand im Raum?

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Sechsmal Mord

Sechs Krimis in einem E-Book

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Das gelbe Gesicht

Der Teufelsfuß

»Abbey Grange«

Das leere Haus

Das gefleckte Band

Der verkrüppelte Mann

Informationen zum Autor

Impressum

Arthur Conan Doyle

Das gelbe Gesicht

Die Memoiren von Sherlock Holmes

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Alice und Karl Heinz Berger

Es ist nur natürlich, wenn ich mich bei der Veröffentlichung dieser Skizzen, die auf zahlreichen Fällen fußen, mit denen mein Gefährte mich durch sein ungewöhnliches erzählerisches Talent bekannt gemacht hat und in denen ich manchmal Mitspieler war, eher auf die Erfolge als auf die Mißerfolge konzentriere. Das geschieht nicht so sehr wegen des guten Rufs meines Freundes – gerade wenn er an das Ende seiner Weisheit gelangt war, entfaltete er seine ganze Tatkraft und Vielseitigkeit –, sondern es geschieht, weil die ungelösten Geschichten keinen Abschluß haben; denn da, wo er scheiterte, sind meist auch andere ohne Erfolg geblieben. Dennoch ergab es sich hin und wieder, daß nach seinem Versagen die Wahrheit ans Licht kam. Ich besitze Aufzeichnungen von ungefähr einem halben Dutzend solcher Fälle, und unter ihnen sind die Affäre mit dem zweiten Blutfleck und die Sache, von der ich hier berichten will, diejenigen, die auf das stärkste Interesse rechnen können.

Sherlock Holmes betrieb körperliche Übungen kaum einmal um ihrer selbst willen. Nur wenige übertrafen ihn an Muskelkraft, und er war zweifellos einer der besten Boxer in seiner Gewichtsklasse, die ich je gesehen habe; aber ziellose körperliche Anstrengungen suchte er zu vermeiden; er betrachtete sie als Kraftvergeudung und nahm sie nur auf sich, wenn es der Lösung einer beruflichen Aufgabe dienlich schien. Dann war er unermüdlich und unverdrossen. Daß er unter diesen Umständen im Training blieb, war beachtlich; er ernährte sich gemeinhin äußerst karg, seine Lebensweise war einfach, fast schon enthaltsam zu nennen. Außer dem gelegentlichen Genuß von Kokain hatte er keine Laster, und er griff auch nur zur Droge als Protest gegen die Eintönigkeit des Daseins, wenn die Fälle rar und die Zeitungen unergiebig waren.

Eines Tages im Vorfrühling war er so weit entspannt, daß er mit mir im Park spazierenging; auf den Ulmen sproß das erste blasse Grün, und die klebrigen Kastanienknospen fingen an, sich zu ihren fünffingrigen Blättern zu entfalten. Zwei Stunden lang streiften wir umher, vorwiegend schweigend, wie es zwei Männern geziemt, die einander sehr vertraut sind. Es war schon fast fünf, als wir in die Baker Street zurückkamen.

»Verzeihung, Sir«, sagte unser junger Diener, der die Tür öffnete, »ein Gentleman hat nach Ihnen gefragt, Sir.«

Holmes sah mich vorwurfsvoll an. »Das hat man von Nachmittagsspaziergängen«, sagte er. »Ist der Gentleman wieder gegangen?«

»Ja, Sir.«

»Haben Sie ihn nicht hereingebeten?«

»Doch, Sir. Er wollte warten.«

»Wie lange hat er gewartet?«

»Eine halbe Stunde, Sir. Der Herr war sehr unruhig, Sir, ging die ganze Zeit über hin und her. Ich stand draußen vor der Tür und konnte ihn hören. Schließlich trat er auf den Korridor und rief: ›Kommt denn der Mann nie?‹ Genau das hat er gesagt, Sir. ›Warten Sie doch noch ein bißchen‹, sagte ich. ›Dann warte ich in der frischen Luft. Ich ersticke hier drinnen. Ich bin bald zurück‹, sagte er. Und damit ist er raus, ich hätte ihn nicht halten können, egal, was ich gesagt hätte.«

»Gut, gut, Sie haben Ihr Bestes getan«, sagte Holmes, und wir gingen in unser Zimmer. »Es ist aber trotzdem sehr ärgerlich. Ich brauche dringend einen Fall, und das hört sich an, als ob es etwas von Wichtigkeit sei, nach der Ungeduld, die der Mann an den Tag legte. Hallo! Die Pfeife auf dem Tisch gehört doch nicht Ihnen. Die muß er vergessen haben. Ein schönes Stück aus altem Bruyère mit langem Bernsteinmundstück. Ich frage mich, wie viele echte Bernsteinmundstücke es in London wohl geben mag. Manche glauben, daß eine Fliege im Bernstein Echtheit verbürgt. Dabei gibt es einen Zweig in dem Gewerbe, wo man künstliche Fliegen in künstlichen Bernstein praktiziert. Nun, er muß verstört gewesen sein, wenn er eine Pfeife vergaß, die er offensichtlich sehr schätzt.«

»Woher wissen Sie, daß er sie sehr schätzt?«

»Nun, ich nehme an, die Pfeife hat einmal sieben Shilling sechs Pence gekostet. Sie ist aber, wie Sie sehen, zweimal repariert worden: am hölzernen Schaft und am Bernsteinmundstück. Jede dieser Reparaturen – wie Sie bemerken, wurden silberne Ringe angebracht – wird teurer gewesen sein als die Pfeife selbst. Der Mann muß also die Pfeife sehr schätzen, wenn er es vorzieht, sie flicken zu lassen, als sich für dasselbe Geld eine neue zu kaufen.«

»Gibt es noch etwas?« fragte ich, denn Holmes hatte die Pfeife in der Hand behalten, wandte sie um und um und betrachtete sie mit dem ihm eigentümlichen nachdenklichen Blick.

Er hielt die Pfeife hoch und beklopfte sie mit seinem langen, dünnen Zeigefinger wie ein Professor, der einen Vortrag über einen Knochen hält. »Pfeifen sind manchmal höchst interessant«, sagte er. »Nichts besitzt mehr Individualität als Pfeifen – Uhren und Schnürsenkel vielleicht ausgenommen. Die Merkmale sind zwar wenig ausgeprägt und auch nicht sehr wichtig. Aber der Besitzer ist augenscheinlich ein muskulöser Mann, Linkshänder, verfügt über ein ausgezeichnetes Gebiß, ist ein wenig nachlässig und hat es nicht nötig, sparsam zu sein.«

Mein Freund warf diese Informationen wie nebenbei hin, doch ich bemerkte, wie er mich anblinzelte, um festzustellen, ob ich seinen Schlußfolgerungen gefolgt war.

»Sie glauben, ein Mann muß wohlhabend sein, wenn er eine Pfeife zu sieben Shilling raucht?« sagte ich.

»Das hier ist Grosvenor-Mixtur für acht Pence die Unze«, antwortete Holmes, indem er ein bißchen von dem Tabak auf die Handfläche klopfte. »Da er hervorragenden Tabak auch für den halben Preis kaufen könnte, hat er es nicht nötig, sparsam zu sein.«

»Und was ist mit den anderen Punkten?«

»Er hat die Gewohnheit, die Pfeife an Lampen und Gasflammen anzuzünden. Sie sehen, daß sie an einer Seite ganz verrußt ist. Das schafft man nicht mit Streichhölzern. Warum sollte jemand ein Streichholz seitlich an die Pfeife halten? Wenn Sie eine Pfeife aber an der Lampe anzünden, bleibt es nicht aus, daß der Kopf verrußt. Und der Ruß klebt hier rechts. Daran lese ich ab, daß er Linkshänder ist. Halten Sie einmal Ihre Pfeife zum Anzünden an eine Lampe, und Sie werden sehen, wie Sie als Rechtshänder ganz von selbst die linke Seite an die Flamme halten. Es ist möglich, daß Sie es auch einmal andersherum machen würden, aber nicht regelmäßig. Diese hier ist immer so gehalten worden. Dann ist das Bernsteinmundstück durchgebissen. Dazu braucht es einen muskulösen, kraftvollen Burschen, ein gutes Gebiß obendrein. Aber wenn mich nicht alles täuscht, höre ich ihn auf der Treppe, und wir werden bald Interessanteres zu betrachten haben als eine Pfeife.«

Gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und ein großer junger Mann betrat das Zimmer. Er war gut, aber unauffällig gekleidet, trug einen grauen Anzug und hielt einen braunen Schlapphut in der Hand. Ich hätte ihn auf dreißig geschätzt, aber in Wirklichkeit war er einige Jahre älter.

»Entschuldigen Sie«, sagte er ziemlich verlegen, »ich hätte wohl klopfen sollen. Ich bin ein wenig durcheinander, das müssen Sie mir zugute halten.« Er strich sich mit der Hand über die Stirn wie einer, der halb benommen ist, und ließ sich dann in einen Sessel fallen.

»Ich sehe, daß Sie ein paar Nächte nicht geschlafen haben«, sagte Holmes in seiner sorglos heiteren Art. »Das greift die Nerven mehr an als Arbeit, sogar mehr als Vergnügen. Darf ich fragen, wie ich Ihnen helfen kann?«

»Ich brauche Ihren Rat, Sir. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein ganzes Leben scheint mir zerstört.«

»Sie möchten mich als beratenden Detektiv engagieren?«

»Nicht nur das. Ich möchte Ihre Meinung, die Meinung eines Mannes mit Urteil – eines Mannes von Welt. Ich möchte wissen, was ich als nächstes tun soll. Ich hoffe nur, Sie sind dazu in der Lage.«

Er sprach schnell und stoßweise, und mir kam es vor, als wäre es ihm peinlich zu reden, als müsse er sich dazu zwingen.

»Es ist eine sehr delikate Angelegenheit«, sagte er. »Man spricht nicht gern zu Fremden über Dinge des eigenen Hauses. Es ist schrecklich, die Beziehungen der eigenen Frau zu zwei Männern zu bereden, und dabei habe ich den anderen noch nicht einmal gesehen. Ja, das ist furchtbar. Aber ich bin am Ende meiner Kraft. Ich brauche dringend Rat.«

»Mein lieber Mr. Grant Munro …«, begann Holmes.

Unser Besucher fuhr vom Stuhl hoch. »Wie!« rief er. »Sie kennen meinen Namen?«

»Wenn Sie Ihr Inkognito wahren wollen«, sagte Holmes lächelnd, »würde ich Ihnen empfehlen, Ihren Namen nicht ins Hutfutter schreiben zu lassen, oder Sie sollten wenigstens Leuten, mit denen Sie reden, nicht die Innenseite des Hutes zukehren. Ich wollte aber sagen, mein Freund und ich haben schon so manches seltsame Geheimnis in diesem Zimmer zu hören bekommen und zu unserem Glück mancher geprüften Seele ihren Frieden zurückgeben können. Ich bin sicher, es wird uns auch bei Ihnen gelingen. Dürfte ich Sie bitten, da die Zeit sich als wichtig herausstellen könnte, mir die Tatsachen Ihres Falls ohne Verzögerung mitzuteilen?«

Wieder fuhr sich unser Besucher mit dem Handrücken über die Stirn, als fände er es hart, mit dem Reden zu beginnen. An jeder Geste, jeder Miene erkannte ich, daß er ein zurückhaltender, beherrschter Mann mit einem gewissen Stolz war, der seine Wunden eher verbarg, als sie zu zeigen. Dann begann er plötzlich zu sprechen, und seine geballte Hand vollführte eine ungestüme Bewegung, so als wolle er alle Zurückhaltung in den Wind schlagen.

»Das sind die Tatsachen, Mr. Holmes«, sagte er. »Ich bin verheiratet, seit drei Jahren. All die Zeit haben meine Frau und ich uns so herzlich geliebt und lebten glücklich miteinander wie nur je ein Paar. Wir hatten keine Differenzen, nicht eine, weder im Denken, in Worten noch im Handeln. Und jetzt, seit letztem Montag, steht plötzlich eine Barriere zwischen uns, und ich fühle, daß es etwas in ihrem Leben und Denken gibt, über das ich sowenig weiß wie bei einer Frau, die auf der Straße an mir vorüberstreift. Wir sind einander entfremdet, und ich will wissen, warum. Eines möchte ich noch versichern, ehe ich fortfahre, Mr. Holmes: Effie liebt mich. In dem Punkte darf es kein Mißverständnis geben. Sie liebt mich von ganzem Herzen und mit ganzer Seele und hat mich nie mehr geliebt als jetzt. Das weiß ich, das fühle ich. Dafür brauche ich keine Gründe anzuführen. Ein Mann weiß, ob eine Frau ihn liebt. Aber nun steht dieses Geheimnis zwischen uns, und ehe es nicht gelüftet ist, können wir nicht wieder sein, die wir früher waren.«

»Bitte, kommen Sie zu den Tatsachen, Mr. Munro«, sagte Holmes etwas ungeduldig.

»Ich werde Ihnen aus Effies Vergangenheit berichten, was ich weiß. Als wir uns kennenlernten, war sie Witwe, eine recht junge Witwe von fünfundzwanzig Jahren. Sie hieß Mrs. Hebron. Sie war nach Amerika ausgewandert und hatte sich in Atlanta niedergelassen, wo sie Mr. Hebron heiratete, einen Rechtsanwalt mit gutgehender Praxis. Sie hatten ein Kind, aber das gelbe Fieber brach aus, und der Mann und das Kind starben daran. Ich habe seinen Totenschein gesehen. Diese Geschehnisse erfüllten sie mit Widerwillen gegen Amerika; sie kam zurück und lebte mit einer unverheirateten Tante in Pinner, Middlesex. Ich sollte noch erwähnen, daß ihr Mann sie in guten Verhältnissen zurückgelassen hatte, sie besaß ein Kapital von ungefähr viertausendfünfhundert Pfund, und es war von ihm so gut angelegt, daß es einen durchschnittlichen Ertrag von sieben Prozent jährlich abwarf. Als ich sie kennenlernte, lebte sie erst sechs Monate in Pinner. Wir verliebten uns und heirateten nach einigen Wochen.

Ich bin Hopfenhändler, und da ich ein Einkommen von sieben- oder achthundert Pfund habe, ging es uns finanziell sehr gut, und wir konnten eine hübsche Villa in Norbury beziehen, die achtzig Pfund Miete im Jahr kostet. Norbury ist ein recht ländlicher Ort, wenn man bedenkt, daß er so nahe bei London liegt. Es gibt einen Gasthof und zwei Häuser ein Stück oberhalb unserer Villa und ein Landhaus hinter dem Feld uns gegenüber. Dann liegen Häuser erst wieder auf halbem Weg zum Bahnhof. Zuzeiten muß ich geschäftlich in die Stadt, aber sommers habe ich weniger zu tun, dann waren meine Frau und ich in unserem Haus auf dem Lande so glücklich, wie man es sich nur wünschen kann. Ich versichere Ihnen, daß nie ein Schatten über unserer Ehe lag, bis diese verfluchte Geschichte anfing.

Da gibt es noch etwas, das ich Ihnen erzählen sollte, ehe ich fortfahre. Als wir heirateten, überschrieb meine Frau mir ihr ganzes Vermögen, eigentlich gegen meinen Willen, denn ich sah voraus, wie fatal das sein konnte für den Fall, daß mein Geschäft einmal schlecht gehen sollte. Sie hatte es so haben wollen, und also war es so geregelt worden. Jetzt, vor sechs Wochen, kam sie zu mir.

›Jack‹, sagte sie, ›als du mein Geld annahmst, hast du gesagt, ich sollte zu dir kommen, wann immer ich Geld brauche.‹

›Gewiß‹, sagte ich, ›es gehört dir.‹

›Nun‹, sagte sie, ›ich möchte hundert Pfund.‹

Ich war ein wenig verdutzt, denn ich hatte geglaubt, sie wollte nur ein neues Kleid oder dergleichen.

›Wozu, um alles in der Welt?‹ fragte ich.

›Oh‹, entgegnete sie wie im Scherz, ›du hast einmal gesagt, du wirst nur mein Bankier, und Bankiers stellen nie Fragen.‹

›Wenn du es wirklich willst, sollst du selbstverständlich das Geld haben‹, sagte ich.

›Ja, ich will es wirklich.‹

›Und du willst mir nicht sagen, wozu du es brauchst?‹

›Eines Tages vielleicht, jetzt nicht, Jack.‹

So mußte ich mich zufriedengeben, obwohl es das erste Mal war, daß ein Geheimnis zwischen uns trat. Ich gab ihr einen Scheck und dachte nicht mehr an die Sache. Das alles hat möglicherweise nichts mit dem zu tun, was sich später ereignete, aber ich wollte es erwähnen.

Ich habe Ihnen von dem Landhaus nahe unserer Villa erzählt. Es liegt zwar nur von uns zu dort ein Feld dazwischen, aber um hinzukommen, muß man ein Stück die Landstraße hinuntergehen und dann in einen Feldweg einbiegen. Hinter dem Landhaus beginnt ein kleines Gehölz mit Schottischen Tannen, und es bereitete mir immer viel Freude, da spazierenzugehen, denn Bäume sind mir stets etwas Vertrautes. Das Landhaus hatte acht Monate leergestanden, und es war eine Schande, denn es ist ein schöner, zweigeschossiger Bau mit einer altmodischen, von Geißblatt umrankten Vorhalle. Ich habe oft davor angehalten und gedacht, was für eine nette kleine Heimstatt das ist.

Letzten Montagabend ging ich wieder hinüber, unterwegs begegnete mir ein Lastwagen, und auf dem Rasen neben der Vorhalle sah ich Teppiche und andere Einrichtungsgegenstände liegen. Offensichtlich hatte das Landhaus endlich einen Mieter gefunden. Ich ging vorbei, blieb dann aber stehen, wie ein Müßiggänger wohl tut, schaute zurück und fragte mich, was für Leute das sein mochten, die jetzt so dicht bei uns wohnten. Als ich so schaute, wurde ich plötzlich gewahr, daß mich aus einem der oberen Fenster jemand beobachtete.

Ich weiß nicht, Mr. Holmes, was es mit dem Gesicht auf sich hatte, aber sein Anblick jagte mir einen Schauder über den Rücken. Ich war etwas weit weg und konnte die Züge nicht genau ausmachen, aber ich spürte, daß von dem Gesicht etwas Unnatürliches und Unmenschliches ausging. Das jedenfalls war mein Eindruck, und ich trat näher zum Haus, um die mich beobachtende Person betrachten zu können. Doch da verschwand das Gesicht, so plötzlich, als hätte die Dunkelheit des Zimmers es verschlungen. Fünf Minuten verharrte ich, überdachte das Erlebnis und versuchte meinen Eindrücken auf den Grund zu kommen. Ich hätte nicht sagen können, ob es das Gesicht eines Mannes war oder das einer Frau. Vor allem hat mich die Farbe beeindruckt. Das Gesicht war von einem fahlen, stumpfen Gelb und von einer Starre, die ihm ein erschreckend unnatürliches Aussehen gab. Ich war so beunruhigt, daß ich mich entschloß, die neuen Bewohner etwas näher zu betrachten. Ich ging zur Tür, klopfte, und sofort erschien eine große, hagere Frau mit einem herben, abstoßenden Gesicht.

›Was wollen Sie?‹ fragte sie mit nördlichem Akzent.

›Ich bin Ihr Nachbar von dort drüben‹, sagte ich und wies in die Richtung meines Hauses. ›Ich habe gesehen, daß Sie gerade einziehen, und so dachte ich, wenn ich Ihnen irgendwie helfen …‹

›Wir werden Sie bitten, wenn wir Sie brauchen‹, sagte sie und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Verärgert über die grobe Abweisung, kehrte ich dem Haus den Rücken und ging heim. Den ganzen Abend kamen meine Gedanken nicht los von der Erscheinung am Fenster und von der Grobheit der Frau, obwohl ich bemüht war, an anderes zu denken. Ich beschloß, meiner Frau von alledem nichts zu sagen, denn sie ist reizbar und nervlich überanstrengt, und ich wollte nicht, daß sie die unangenehmen Eindrücke, die ich empfangen hatte, teilen sollte. Dennoch machte ich vorm Einschlafen die Bemerkung, daß das Landhaus nun bewohnt sei. Aber sie antwortete nicht.

Für gewöhnlich habe ich einen sehr tiefen Schlaf. Meine Familie macht sich schon immer darüber lustig, daß mich nachts nichts wecken könne; in dieser Nacht jedoch – vielleicht verursacht durch die leichte Aufregung, die das kleine Abenteuer in mir hervorgerufen hatte – schlief ich weit unruhiger als gewöhnlich. Halb im Traum, halb im Wachen wurde mir dunkel bewußt, daß im Zimmer etwas vorging, und allmählich wurde mir klar, daß meine Frau sich angezogen hatte und dabei war, in den Mantel zu schlüpfen und den Hut aufzusetzen. Ich öffnete schon den Mund, um schlaftrunken ein paar Worte des Erstaunens oder des Einwandes gegen diese Vorkehrungen zu solch ungewöhnlicher Stunde zu murmeln. Aber plötzlich erfaßte mein noch müder Blick ihr Gesicht, das vom Licht der Kerze beleuchtet war, und ich verstummte vor Bestürzung. Solch einen Ausdruck hatte ich nie an ihr gesehen und auch nie geglaubt, daß sie so aussehen könnte. Sie war totenbleich, atmete hastig, blickte, indem sie den Mantel zuknöpfte, verstohlen zum Bett, um festzustellen, ob sie mich geweckt hätte. Dann, da sie glaubte, ich schliefe, schlich sie geräuschlos aus dem Zimmer, und wenig später vernahm ich ein durchdringendes Knarren, das nur von den Angeln der Haustür herrühren konnte. Ich setzte mich im Bett auf und schlug mit den Knöcheln gegen das Bettgestell, mich versichernd, daß ich wirklich wach war. Dann holte ich meine Uhr unter dem Kopfkissen hervor. Es war drei Uhr morgens. Was in aller Welt hatte meine Frau um drei in der Frühe auf der Landstraße zu suchen? Ungefähr zwanzig Minuten wandte ich die Angelegenheit im Geiste um und um und versuchte eine befriedigende Erklärung zu finden. Je mehr ich darüber nachdachte, desto außergewöhnlicher und unerklärlicher erschien sie mir. Ich rätselte noch herum, als ich hörte, wie die Haustür sacht geschlossen wurde und ihre Schritte die Treppe heraufkamen.

›Wo warst du, Effie, um Gottes willen‹, fragte ich, als sie eintrat.

Sie zuckte heftig zusammen und stieß einen unterdrückten Schrei aus, und dieser Schrei und das Zusammenzucken beunruhigten mich mehr als alles andere, denn darin lag ein unbeschreibliches Schuldbewußtsein. Meine Frau war immer freimütig und offen gewesen, und der Anblick, wie sie nun in ihr eigenes Zimmer schlich und aufschrie und zusammenzuckte, wenn ihr Mann sie ansprach, ließ mich erschauern.

›Du bist wach, Jack?‹ rief sie und lachte nervös. ›Ich dachte, nichts könnte dich aufwecken.‹

›Wo warst du?‹ fragte ich strenger.

›Ich wundere mich nicht, daß du überrascht bist‹, sagte sie und öffnete mit zitternden Händen ihren Mantel. ›Ich kann mich nicht erinnern, daß ich je im Leben so etwas getan hätte. Aber mir war, als müßte ich ersticken, und ich bekam ein dringendes Verlangen nach frischer Luft. Ich glaube, ich wäre ohnmächtig geworden, wenn ich nicht hätte nach draußen gehen können. Ich habe ein paar Minuten vor der Tür gestanden, und jetzt fühle ich mich wieder wohl.‹

Während sie mir diese Geschichte erzählte, sah sie mich nicht ein einziges Mal an, und ihre Stimme klang anders als gewöhnlich. Mir war klar, daß sie log. Ich sagte nichts, starrte nur die Wand an, merkte, wie mir das Herz schwer wurde, und hatte den Kopf voller giftiger Zweifel und Verdächtigungen. Was verbarg meine Frau vor mir? Wohin hatte sie den seltsamen Ausflug gemacht? Ich spürte, daß ich keine Ruhe finden würde, ehe ich das nicht wußte, und doch schrak ich davor zurück, sie noch einmal zu fragen, nachdem sie mich angelogen hatte. Den Rest der Nacht wälzte ich mich im Bett und bildete eine Theorie nach der anderen, jede unwahrscheinlicher als die andere.

Am nächsten Tag hätte ich in die Stadt fahren müssen, aber ich war zu verstört, um mich geschäftlichen Dingen zuwenden zu können. Meine Frau schien so sehr aus der Fassung zu sein wie ich, und an den flüchtigen fragenden Blicken, die sie mir dauernd zuwarf, merkte ich, sie hatte begriffen, daß ich ihre Erklärung nicht glaubte, und nun wußte sie nicht, was sie tun sollte. Während des Frühstücks wechselten wir kaum ein Wort, und anschließend machte ich einen Spaziergang, um in der frischen Morgenluft die Angelegenheit zu überdenken.

Ich ging bis Crystal Palace, verbrachte ungefähr eine Stunde in der Umgebung und war gegen eins wieder in Norbury. Es fügte sich, daß mich mein Weg an dem Landhaus vorüberführte, und ich blieb einen Augenblick stehen, um nach den Fenstern zu blicken und zu sehen, ob sich das seltsame Gesicht wieder zeigte, das mich am Tag zuvor angestarrt hatte. Denken Sie, wie überrascht ich war, Mr. Holmes, als sich die Tür öffnete, da ich dort stand, und meine Frau herauskam!

Sie plötzlich hier vor mir zu sehen verblüffte mich sehr; ich war bei ihrem Anblick sprachlos vor Erstaunen, aber meine Gefühle waren nichts im Vergleich zu dem, was sich auf ihrem Gesicht abspielte, als unsere Blicke sich trafen. Einen Moment schien es mir, daß sie wieder ins Haus verschwinden wollte, dann aber – sie sah wohl ein, daß es nichts nützen würde, sich zu verstecken – lief sie auf mich zu; ihr Gesicht war ganz weiß, und in den Augen stand eine Angst, die das Lächeln um ihren Mund Lügen strafte.

›Hallo, Jack!‹ sagte sie. ›Ich bin hergegangen, um zu sehen, ob ich unseren neuen Nachbarn irgendwie behilflich sein könnte. Was schaust du mich so an, Jack? Du bist doch nicht wütend auf mich?‹ – ›Hier also‹, sagte ich, ›bist du in der Nacht gewesen.‹

›Was meinst du damit?‹ rief sie.

›Du warst hier, da bin ich sicher. Wer sind die Leute, daß du sie um solche Zeit besuchst?‹

›Ich bin noch nie zuvor hier gewesen.‹

›Wie kannst du behaupten, es stimmt nicht, was ich weiß?‹ rief ich. ›Sogar deine Stimme verändert sich, wenn du davon sprichst. Habe ich jemals ein Geheimnis vor dir gehabt? Ich betrete jetzt das Haus und gehe der Sache auf den Grund.‹

›Nein, nein, Jack, um Gottes willen, nicht!‹ keuchte sie in einer unbeherrschten Gefühlsaufwallung. Als ich zur Tür wollte, packte sie mich krampfhaft angestrengt am Ärmel und hielt mich mit Gewalt zurück.

›Ich flehe dich an, Jack, tu es nicht‹, rief sie. ›Ich schwöre, ich werde dir eines Tages alles erklären. Aber wenn du jetzt hineingehst, kann nur Unglück entstehen.‹ Ich wollte sie abschütteln, aber sie hängte sich in wahnsinniger Zudringlichkeit an mich.

›Vertrau mir, Jack!‹ schrie sie. ›Vertrau mir nur dieses eine Mal. Du wirst keinen Grund finden, es zu bereuen. Du weißt, ich würde kein Geheimnis vor dir haben, wenn es nicht zu deinem Besten wäre. Unser ganzes Leben steht auf dem Spiel. Wenn du jetzt mit mir nach Hause gehst, wird alles gut. Wenn du dir Einlaß erzwingst, ist zwischen uns alles aus.‹

Wie sie sich aufführte, das wirkte so ernst und so verzweifelt, daß ich unschlüssig, wie gebannt, vor der Tür stehenblieb.

›Unter einer Bedingung glaube ich dir, nur unter dieser einen Bedingung‹, sagte ich schließlich. ›Die mysteriöse Angelegenheit muß sofort aufhören. Behalte meinetwegen dein Geheimnis für dich, aber du versprichst mir, daß es keine weiteren nächtlichen Besuch geben wird und überhaupt nichts mehr, wovon ich nicht erfahre. Was gewesen ist, will ich vergessen, wenn du mir versprichst, daß in Zukunft dergleichen nicht mehr vorkommt.‹

›Ich wußte, du würdest mir vertrauen‹, sagte sie und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. ›Alles soll sein, wie du es willst. Komm fort von hier, bitte, komm mit zu unserem Haus!‹

Sie zerrte noch immer an meinem Ärmel und führte mich weg von dem Landhaus. Im Gehen blickte ich zurück, und da war wieder das fahle gelbe Gesicht oben im Fenster, und es beobachtete uns. Welche Verbindung konnte zwischen dieser Kreatur und meiner Frau bestehen? Oder zu der plumpen, groben Frau, der ich am Tag zuvor begegnet war? Das war ein ungewöhnliches Rätsel, und ich wußte, ich würde keine Ruhe finden, ehe ich es nicht gelöst hatte.

Danach blieb ich zwei Tage zu Hause, und meine Frau schien sich streng an unsere Abmachung zu halten, denn sie ging, soviel ich weiß, nicht vor die Tür. Doch der dritte Tag brachte ausreichenden Grund zu der Annahme, daß ihr feierliches Versprechen nicht stark genug war, sie dem geheimen Einfluß zu entziehen, der sie aus dem Haus und von der Seite ihres Mannes trieb.

An jenem Tag war ich zur Stadt gefahren, kam aber schon mit dem Zug um zwei Uhr vierzig statt wie üblich erst mit dem um drei Uhr sechsunddreißig zurück. Als ich in die Halle trat, eilte das Dienstmädchen mir mit verstörtem Gesicht entgegen.

›Wo ist Ihre Herrin?‹ fragte ich.

›Ich glaube, sie ist spazierengegangen‹, antwortete sie.

Sofort war ich voller Mißtrauen. Ich lief die Treppe hinauf, um mich zu vergewissern, daß sie nicht im Hause war. Oben warf ich zufällig einen Blick aus dem Fenster, und ich sah, wie das Dienstmädchen, mit dem ich soeben erst gesprochen hatte, über das Feld zum Landhaus rannte. Ich begriff natürlich gleich, was das bedeutete: Meine Frau war hinübergegangen und hatte das Mädchen beauftragt, ihr Bescheid zu sagen, wenn ich nach Hause zurückkommen sollte. Vor Wut kochend, hastete ich nach unten und lief querfeldein, entschlossen, der Sache ein für allemal ein Ende zu machen. Ich sah, wie meine Frau und die Magd über den Weg zurückeilten, hielt aber nicht an, um sie abzupassen. In dem Landhaus war ein Geheimnis verborgen, das einen Schatten auf mein Leben warf. Ich schwor mir, daß es, komme, was wolle, dieses Geheimnis nicht länger geben sollte. Ich klopfte nicht einmal, als ich davorstand, sondern drückte die Klinke nieder und stürzte in den Flur.

Im Erdgeschoß herrschte Stille. In der Küche summte auf dem Feuer ein Wasserkessel, in einem Korb lag behaglich eine große schwarze Katze. Nirgendwo eine Spur der Frau, der ich begegnet war. Ich ging in die Zimmer, aber die waren genauso verlassen. Dann jagte ich die Treppe hinauf, doch in den zwei Räumen, die ich im ersten Stock fand, war ebenfalls niemand. Im ganzen Haus kein Mensch. Die Möbel und die Bilder waren von der gewöhnlichsten und billigsten Sorte, außer in dem Zimmer, an dessen Fenster ich das seltsame Gesicht erblickt hatte. Das war gemütlich, ja elegant eingerichtet, und aller Verdacht, der in mir schwelte, schlug zu wilder Flamme hoch, als ich auf dem Kaminsims eine Fotografie meiner Frau bemerkte, die erst vor drei Monaten in meinem Auftrag gemacht worden war.

Ich blieb so lange, bis ich ganz sicher wußte, daß sich wirklich keiner in dem Haus aufhielt. Dann ging ich, und mein Herz war so schwer wie nie zuvor. Meine Frau kam in die Halle, als ich mein Haus betrat, aber ich war zu erregt und zu zornig, um mit ihr zu sprechen. Ich ließ sie stehen und ging in mein Arbeitszimmer. Doch sie folgte mir, ehe ich die Tür schließen konnte.

›Es tut mir leid, daß ich mein Versprechen gebrochen habe, Jack‹, sagte sie, ›aber ich bin gewiß, du würdest mir vergeben, wenn du alle Umstände kenntest.‹

›Dann erzähle sie mir‹, sagte ich.

›Ich kann nicht, Jack, ich kann nicht!‹ rief sie.

›Bis du mir nicht erklärt hast, wer der Mann ist, der in dem Landhaus wohnt, wer das ist, dem du die Fotografie gegeben hast, wird es kein Vertrauen mehr zwischen uns geben‹, sagte ich, riß mich los und verließ das Haus. Das war gestern, Mr. Holmes, und seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen und auch nichts weiter über die seltsame Angelegenheit erfahren. Das ist der erste Schatten über unserer Ehe, und ich bin so erschüttert, daß ich nicht weiß, was ich tun soll. Heute morgen fiel mir plötzlich ein, daß Sie der Mann wären, mir zu helfen. So bin ich hergeeilt, und ich gebe mich bedingungslos in Ihre Hand. Sollte da noch ein Punkt sein, den ich nicht ganz klar dargelegt habe, dann fragen Sie bitte. Raten Sie mir schnell, was ich machen soll, denn ich ertrage das Elend nicht länger.«

Holmes und ich waren mit der größten Anteilnahme dem außergewöhnlichen Bericht gefolgt, den unser Gast stoßweise und stockend vorgetragen hatte, eben wie jemand, den stärkste Gefühlserregungen beeinflussen. Mein Gefährte saß nun eine Weile schweigend da, das Kinn in die Hand gestützt, in Gedanken verloren.

»Können Sie beschwören«, sagte er schließlich, »daß es das Gesicht eines Mannes war, das Sie am Fenster sahen?«

»Ich habe es jedesmal aus einiger Entfernung gesehen, so daß ich es nicht behaupten kann.«