Sherlock Holmes – Sein letzter Fall und andere Geschichten - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes – Sein letzter Fall und andere Geschichten E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Vollständig überarbeitete, korrigierte und illustrierte Fassung Mit 35 Illustrationen Wie kann man Sherlock Holmes nicht kennen? Den berühmtesten Detektiv der Geschichte, der mit seinem messerscharfen Verstand und seiner Ermittlungsart als Vorlage für fast alle kriminalistischen Nachfolger diente. Dieser Band beinhaltet folgende Kurzgeschichten: - »Fünf Apfelsinenkerne« (»The Five Orange Pips«) Sherlock Holmes und Dr. Watson werden von dem jungen John Openshaw um Hilfe gebeten. Sein Onkel und sein Vater starben nach dem Erhalt fünf getrockneter Apfelsinenkerne. - »Der Katechismus der Familie Musgrave« (»The Musgrave Ritual«) Holmes erzählt Watson von einem seiner ersten Aufträge: Reginald Musgrave, ein Bekannter aus Sherlocks College-Zeiten, bat ihn damals um Hilfe. - »Die Gutsherren von Reigate« (»The Reigate Puzzle«) Holmes befindet sich zur Erholung auf dem Lande. Der Einbruch bei einem der Gutsherren weckt sein Interesse und gegen Dr. Watsons Rat macht er sich auf, den Fall zu lösen. - »Der Krüppel« (»The Crooked Man«) Colonel Barclay wird in einem verschlossenen Raum tot aufgefunden, neben ihm seine ohnmächtige Frau. Ist sie die Schuldige? - »Der Doktor und sein Patient« (»The Resident Patient«) Der junge Arzt Percy Trevelyan wendet sich an Sherlock Holmes, da er sich um seinen Dauerpatienten Blessington sorgt. Kurz darauf wird dieser in seinem Zimmer gefunden, er hat sich offenbar erhängt. - »Der Marinevertrag« (»The Naval Treaty«) Percy Phelps, ein ehemaliger Schulkamerad Dr. Watsons, erbittet Hilfe. Dem Regierungsangestellten wurde ein brisantes Dokument gestohlen. - »Sein letzter Fall« (»The Final Problem«) Professor James Moriarty, der »Napoleon des Verbrechens« droht seinem Widersacher Holmes mit Vergeltung. Holmes sieht ein, dass eine finale Konfrontation zwischen den beiden genialen Widersachern unausweichlich ist. Null Papier Verlag

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Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Sein letzter Fall und andere Geschichten

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Sein letzter Fall und andere Geschichten

Vollständige & Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Sydney PagetÜbersetzung: Margarete Jacobi EV: Stuttgart, Verlag R. Lutz, 1905 5. Auflage, ISBN 978-3-954181-92-6

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Die ein­zel­nen Ge­schich­ten

Fünf Ap­fel­si­nen­ker­ne

Der Ka­te­chis­mus der Fa­mi­lie Mus­gra­ve

Die Guts­her­ren von Rei­ga­te

Der Krüp­pel

Der Dok­tor und sein Pa­ti­ent

Der Ma­ri­ne­ver­trag

Sein letz­ter Fall

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Sher­lock Hol­mes bei Null Pa­pier

Die Aben­teu­er des Sher­lock Hol­mes

Der ster­ben­de Sher­lock Hol­mes und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Der Hund von Bas­ker­ville

Sher­lock Hol­mes – Das Zei­chen der Vier

Sher­lock Hol­mes – Der Bund der Rot­haa­ri­gen und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Eine Stu­die in Schar­lach­rot

Sher­lock Hol­mes – Der Vam­pir von Sus­sex und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Sein ers­ter Fall und an­de­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Sein letz­ter Fall und an­de­re Ge­schich­ten

Sher­lock Hol­mes – Der er­bleich­te Sol­dat und wei­te­re De­tek­tiv­ge­schich­ten

und wei­te­re …

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

Al­le Ro­ma­ne, alle Kurz­ge­schich­ten

Ü­ber 400 Zeich­nun­gen

null-pa­pier.de/371

Die einzelnen Geschichten

»Fünf Ap­fel­si­nen­ker­ne« (»The Five Oran­ge Pips«), 1891

»Der Ka­te­chis­mus der Fa­mi­lie Mus­gra­ve« (»The Mus­gra­ve Ri­tu­al«), 1893

»Die Guts­her­ren von Rei­ga­te« (»The Rei­ga­te Puzz­le«), 1893

»Der Krüp­pel« (»The Croo­ked Man«), 1893

»Der Dok­tor und sein Pa­ti­ent« (»The Re­si­dent Pa­ti­ent«), 1893

»Der Ma­ri­ne­ver­trag« (»The Na­val Trea­ty«), 1893

»Sein letz­ter Fall« (»The Final Pro­blem«), 1893

Fünf Apfelsinenkerne

Über­bli­cke ich mei­ne Be­rich­te und No­ti­zen über die von Sher­lock Hol­mes be­han­del­ten Fäl­le aus den Jah­ren 1882-90, so tre­ten mir so vie­le ab­son­der­li­che, in­ter­essan­te Züge ent­ge­gen, dass es mir schwer wird, die bes­ten aus­zu­su­chen. In­des­sen sind ei­ni­ge be­reits durch die Zei­tun­gen be­kannt ge­wor­den, wäh­rend an­de­re zur Ent­fal­tung ge­ra­de der­je­ni­gen Ei­gen­schaf­ten, wel­che mei­nen Freund in so ho­hem Gra­de aus­zeich­ne­ten, kei­ne rech­te Ge­le­gen­heit dar­bo­ten. In ei­ni­gen Fäl­len schei­ter­te so­gar sei­ne Kunst, und die Er­zäh­lung der­sel­ben wür­de sich nicht loh­nen, wäh­rend an­de­re nur teil­wei­se auf­ge­klärt wor­den sind, so­dass ihre Lö­sung mehr auf Ver­mu­tung und Wahr­schein­lich­keit be­ruht als auf je­nem ab­so­lut lo­gi­schen Be­weis, an dem Sher­lock Hol­mes sei­ne ganz be­son­de­re Freu­de hat­te. Ei­ner die­ser letz­te­ren Kri­mi­nal­fäl­le war je­doch in sei­nen Ein­zel­hei­ten so merk­wür­dig, so schreck­lich in sei­nen Fol­gen, dass ich da­von be­rich­ten möch­te, ob­wohl man­cher Punkt dar­in nicht auf­ge­klärt wur­de und sich wohl nie völ­lig auf­klä­ren wird.

Das Jahr 1887 war be­son­ders reich an in­ter­essan­ten Fäl­len, über wel­che ich mir Auf­zeich­nun­gen ge­macht habe. Ich fin­de dar­un­ter Be­rich­te über die schwin­del­haf­te Bett­ler-Ge­sell­schaft, die einen lu­xu­ri­ösen Klub in den Kel­ler­räu­men ei­nes La­ger­hau­ses hat­te, über die Tat­sa­chen, die sich auf den Un­ter­gang des bri­ti­schen Seg­lers ›So­phie An­der­son‹ be­zie­hen, über die merk­wür­di­gen Er­leb­nis­se der Pa­ter­sons auf der In­sel Uffa und schließ­lich über den Cam­ber­well­schen Gift­mord. Be­kannt­lich hat Sher­lock Hol­mes in dem letzt­ge­nann­ten Fal­le durch das Auf­zie­hen der Uhr des Ver­stor­be­nen fest­zu­stel­len ver­mocht, dass die­se zwei Stun­den vor­her auf­ge­zo­gen, und je­ner dem­nach um die­se Zeit zu Bett ge­gan­gen war – ein Be­weis­mit­tel, das sich zur Auf­klä­rung des Tat­be­stan­des von großer Wich­tig­keit er­wies. Auf alle die­se Fäl­le kom­me ich viel­leicht ein an­der­mal aus­führ­li­cher zu­rück, aber kein ein­zi­ger ist in sei­nem Ver­lauf so ei­gen­tüm­lich wie der, den ich mir für dies­mal zur Wie­der­ga­be aus­ge­wählt habe.

Es war in den letz­ten Sep­tem­ber­ta­gen, und die Herbst­stür­me tob­ten mit un­ge­wöhn­li­cher Macht. Vom Mor­gen an heul­te der Wind, der Re­gen schlug der­ma­ßen an die Fens­ter, dass wir auf Au­gen­bli­cke von un­serm ge­wohn­ten Tun und Trei­ben ab­ge­zo­gen wur­den und uns selbst hier, in­mit­ten des großen von Men­schen­hand er­bau­ten Lon­don, ge­zwun­gen sa­hen, die Ge­walt je­ner Na­tur­kräf­te an­zu­er­ken­nen, wel­che durch die künst­li­chen Schran­ken der Zi­vi­li­sa­ti­on hin­durch die Mensch­heit an­to­ben und an­brül­len wie un­ge­bän­dig­te Tie­re im Kä­fig.

Im­mer hef­ti­ger wur­de der Sturm, als der Abend her­ein­brach, und im Ka­min seufz­te und stöhn­te es wie ein kla­gen­des Kind. Ver­drieß­lich saß Sher­lock Hol­mes am Feu­er und be­schrieb die Rücken­schil­der sei­ner Kri­mi­nal­ak­ten, wäh­rend ich mich ihm ge­gen­über in einen der treff­li­chen See­ro­ma­ne Clark Rus­sells ver­tief­te.1 Das To­ben drau­ßen stimm­te völ­lig mit dem Text über­ein, und im Pras­seln des Re­gens wähn­te ich das lang hin­ge­zo­ge­ne Rol­len der Mee­res­wo­gen zu ver­neh­men. Mei­ne Frau war bei ih­rer Tan­te auf Be­such, und so hat­te ich wie­der ein­mal mein frü­he­res Heim in der Ba­ker Street be­zo­gen.

»Was?«, sag­te ich, auf mei­nen Freund bli­ckend, »es hat wirk­lich ge­klin­gelt. Wer mag das sein heu­te Abend? Vi­el­leicht ei­ner dei­ner Freun­de?«

»Au­ßer dir, Wat­son, habe ich kei­nen; ich lade nie­mand ein«, gab er zu­rück.

»So ist’s ein Kli­ent.«

»Ist’s ei­ner, so ist die Sa­che wich­tig. Ge­rin­ges führt kei­nen Men­schen bei sol­chem Wet­ter und zu sol­cher Stun­de her. Aber wahr­schein­lich ist’s eine alte Base der Wir­tin.«

Sher­lock Hol­mes hat­te sich ge­irrt. Drau­ßen lie­ßen sich Schrit­te ver­neh­men, und es klopf­te an die Tür. Er streck­te den lan­gen Arm aus, um das Lam­pen­licht von sich hin­weg nach dem lee­ren Stuhl zu rich­ten, auf den sich der An­kömm­ling set­zen muss­te.

»He­rein«, rief er dann.

Der Ein­tre­ten­de, ein jun­ger Mann von un­ge­fähr 22 Jah­ren, war wohl ge­baut, gut ge­klei­det, ja sei­ne Er­schei­nung zeig­te eine ge­wis­se Ge­wandt­heit und Ele­ganz. Der trie­fen­de Schirm in sei­ner Hand und der lan­ge, glän­zen­de Gum­mi­man­tel leg­ten vom Wet­ter drau­ßen, das er nicht ge­scheut, be­red­tes Zeug­nis ab. Er blick­te, vom Lam­pen­licht ge­blen­det, un­ru­hig um­her; sei­ne Wan­gen wa­ren blass, und es lag ein Druck auf sei­nen Au­gen, wie das bei Men­schen vor­kommt, auf de­nen schwe­re Be­sorg­nis las­tet.

»Ich muss um Ent­schul­di­gung bit­ten«, sag­te er und setz­te sei­nen gol­de­nen Klem­mer auf. »Hof­fent­lich stö­re ich nicht. Ich be­dau­re, die Spu­ren des Wet­ters in Ihr be­hag­li­ches Zim­mer ge­bracht zu ha­ben.«

»Ge­ben Sie mir Schirm und Man­tel«, bat Hol­mes, »hier am Ka­min trock­net bei­des schnell, Sie kom­men von Süd-West, wie ich sehe.«

»Ja, von Hors­ham.«

»Die Mi­schung von Ton und Kalk an Ihren Stie­fel­spit­zen lässt dar­an nicht zwei­feln.«

»Ich kam, mir Rat zu ho­len.«

»Den sol­len Sie gern ha­ben.«

»Auch Hil­fe!«

»Die lässt sich nicht im­mer so leicht ge­wäh­ren.«

»Ich hör­te von Ih­nen, Herr Hol­mes. Ma­jor Pren­d­er­gast er­zähl­te mir, wie Sie ihn aus dem Tan­ker­ville-Club-Skan­dal ret­te­ten.«

»Al­ler­dings. Irr­tüm­lich wur­de er falschen Kar­ten­spiels be­schul­digt.«

»Er sagt, Sie be­kämen al­les her­aus.«

»Da sagt er zu viel.«

»Sie lie­ßen sich nie hin­ters Licht füh­ren.«

»Vier­mal ist mir das pas­siert – drei­mal von Män­nern, ein­mal von ei­ner Frau.«

»Was ist das im Ver­gleich zu Ihren Er­fol­gen?«

»Al­ler­dings hat­te ich meist Er­folg.«

»Hof­fent­lich wer­den Sie den auch in mei­nem Fall ha­ben.«

»Bit­te, rücken Sie Ihren Stuhl nä­her an das Feu­er, und tei­len Sie mir lie­bens­wür­di­ger­wei­se mit, um was es sich han­delt.«

»Es ist nichts All­täg­li­ches, was mich her­führt.«

»In ge­wöhn­li­chen Fäl­len wen­det man sich auch nicht an mich. Ich bin die letz­te In­stanz.«

»Und den­noch zweifle ich, ob Sie bei all Ih­rer Be­rufs­er­fah­rung je ei­ner dunk­le­ren und un­er­klär­li­che­ren Ver­ket­tung von Um­stän­den be­geg­ne­ten, als die sind, wel­che ich aus mei­ner Fa­mi­lie zu be­rich­ten habe.«

»Sie we­cken mein In­ter­es­se«, ver­setz­te Hol­mes; »bit­te, nen­nen Sie uns die Haupt­punk­te von An­fang an, dann kann ich Sie über die Ein­zel­hei­ten be­fra­gen, die mir am wich­tigs­ten er­schei­nen.«

Der jun­ge Mann rück­te sei­nen Stuhl nä­her und streck­te die nas­sen Füße nach dem Feu­er aus.

»Mein Name«, hub er an, »ist John Opens­haw, doch ha­ben mei­ne ei­ge­nen Ver­hält­nis­se mit der ent­setz­li­chen Ge­schich­te, so­viel ich sehe, we­nig zu tun. Es han­delt sich um eine Erb­schafts­an­ge­le­gen­heit, und so muss ich et­was zu­rück­grei­fen, um Ih­nen die Sach­la­ge zu er­klä­ren: Mein Groß­va­ter hat­te zwei Söh­ne – mei­nen Oheim2 Eli­as und mei­nen Va­ter Jo­seph. Mein Va­ter be­saß eine klei­ne Fa­brik in Co­ven­try, die er zur Zeit, wo das Rad­fah­ren auf­kam, ver­grö­ßer­te. Er war der In­ha­ber des Pa­tents für die Opens­haw­schen Si­cher­heits-Rä­der, was ihm großen Ge­winn brach­te, so­dass er sein Ge­schäft ver­kau­fen und von sei­nen Ren­ten le­ben konn­te.

Mein Oheim Eli­as wan­der­te in jun­gen Jah­ren nach Ame­ri­ka aus und wur­de in Flo­ri­da Pflan­zer. Es soll ihm sehr gut ge­gan­gen sein. Wäh­rend des Krie­ges kämpf­te er in Jack­sons Ar­mee, dann un­ter Hood, wo­bei er zum Obers­ten avan­cier­te. Als Lee die Waf­fen streck­te, kehr­te mein Oheim auf sei­ne Plan­ta­gen zu­rück, wo er drei bis vier Jah­re blieb. 1869 oder 70 kam er wie­der nach Eu­ro­pa und kauf­te ein klei­nes An­we­sen in Sus­sex, in der Nähe von Hors­ham. Er hat­te drü­ben in den Staa­ten ein sehr be­deu­ten­des Ver­mö­gen er­wor­ben, ver­ließ je­doch Ame­ri­ka, weil er die Ne­ger ver­ab­scheu­te und sich mit der re­pu­bli­ka­ni­schen Po­li­tik, die ih­nen die Frei­heit gab, nicht be­freun­den konn­te. Er war ein Son­der­ling, von hef­ti­gem und lei­den­schaft­li­chem We­sen und auf­fal­lend men­schen­scheu. Ich glau­be kaum, dass er wäh­rend der vie­len Jah­re, die er in Hors­ham leb­te, je den Fuß in die Stadt setz­te. Er hat­te einen Gar­ten und ei­ni­ge Fel­der am Hau­se; dort mach­te er sich die nö­ti­ge Be­we­gung, ver­ließ aber oft wo­chen­lang nicht sein Zim­mer. Er trank viel Brannt­wein, rauch­te tüch­tig, woll­te kei­nen Men­schen se­hen, be­durf­te kei­ner Freun­de, ja, auch nicht sei­nes ei­ge­nen Bru­ders. Ge­gen mich hat­te er nichts, ja, er fand Ge­fal­len an mir, als er mich als un­ge­fähr zwölf­jäh­ri­gen Jun­gen zum ers­ten Mal sah. Es mag dies wohl im Jah­re 1878 ge­we­sen sein, und er leb­te da­mals schon seit 8-9 Jah­ren in Eng­land. Er bat mei­nen Va­ter, mich bei ihm woh­nen zu las­sen, und auf sei­ne Wei­se zeig­te er sich im­mer gut ge­gen mich. War er nüch­tern, so spiel­te er gern Back­gam­mon oder Dame mit mir. Dienst­bo­ten und Ver­käu­fer wies er mit ih­ren An­lie­gen stets an mich, und so war ich mit 16 Jah­ren Herr im Hau­se.

Ich hat­te alle Schlüs­sel, konn­te tun und las­sen was ich woll­te, wenn ich ihn nur nicht stör­te. Es gab hier­von nur eine ein­zi­ge Aus­nah­me: oben auf dem Bo­den war eine stets ver­schlos­se­ne Rum­pel­kam­mer, de­ren Zu­tritt we­der mir noch sonst je­mand ge­stat­tet wur­de. Mit kna­ben­haf­ter Neu­gier guck­te ich oft durchs Schlüs­sel­loch, konn­te aber nie et­was an­de­res er­spä­hen als alte Kof­fer und Bün­del, wie sie meist an sol­chem Ort vor­han­den sind.

Ei­nes Ta­ges – im März 1883 – lag ein Brief mit aus­län­di­schem Post­stem­pel vor dem Tel­ler des Obers­ten. Brie­fe er­hielt er sel­ten, denn sei­ne Rech­nun­gen be­zahl­te er bar, und Freun­de ir­gend­wel­cher Art hat­te er nicht. ›Aus In­di­en!‹, sag­te er, in­dem er den Brief nahm, ›der Stem­pel von Pon­dit­scher­ri!3 Was kann das sein?‹ Er riss den Um­schlag hef­tig auf, und fünf klei­ne, tro­ckene Ap­fel­si­nen­ker­ne fie­len her­ab auf sei­nen Tel­ler. Ich muss­te dar­über la­chen, doch erstarb das La­chen auf mei­nen Lip­pen, als ich den Aus­druck in den Zü­gen mei­nes Oheims ge­wahr­te. Sein Mund war ver­zerrt, die Au­gen tra­ten her­vor, sei­ne Far­be war asch­grau ge­wor­den, und noch im­mer starr­te er auf den Um­schlag in sei­ner zit­tern­den Hand. ›K.K.K.!‹, stieß er her­vor, ›mein Gott, mei­ne Sün­den kom­men her­ab auf mein Haupt!‹

›Was be­deu­tet das, On­kel?‹, rief ich aus.

›Den Tod‹, sag­te er, stand auf, zog sich in sein Zim­mer zu­rück und ließ mich ent­setzt und schau­dernd al­lein. Ich nahm den Um­schlag und sah an der in­ne­ren Sei­te der Klap­pe, ge­ra­de über dem gum­mier­ten Strich, mit ro­ter Tin­te drei­mal den Buch­sta­ben K ge­krit­zelt. Sonst war nichts dar­in als die fünf tro­ckenen Ker­ne. Was moch­te der Grund solch über­wäl­ti­gen­den Schre­ckens sein? Ich ver­ließ den Früh­stücks­tisch, und als ich hin­auf ging, kam mein Oheim die obe­re Trep­pe her­ab. In der einen Hand hielt er einen ver­ros­te­ten, al­ten Schlüs­sel, der zu der Rum­pel­kam­mer ge­hö­ren muss­te, in der an­de­ren trug er ein Me­tall­käst­chen, das wie eine Geld­kas­se aus­sah.

›Sie mö­gen tun, was sie wol­len, ich füh­re sie alle ab!‹, rief er mit ei­nem Fluch. ›Sa­ge Mary, sie soll heu­te ein Feu­er in mei­nem Zim­mer ma­chen, und schi­cke hin­un­ter zu Ford­am, dem Ad­vo­ka­ten von Hors­ham.‹

Ich tat, wie er be­foh­len; als der Ad­vo­kat kam, wur­de ich hin­auf in das Zim­mer ge­ru­fen. Das Feu­er lo­der­te hell, und auf dem Rost lag di­cke, schwar­ze Asche wie von ver­brann­tem Pa­pier – da­ne­ben stand der Me­tall­kas­ten of­fen und leer. Ich fuhr zu­sam­men, als ich auf dem De­ckel das­sel­be drei­fa­che K be­merk­te, das ich am Mor­gen auf dem Brief­um­schlag ge­se­hen.

›John‹, sag­te mein Oheim, ›ich will mein Te­sta­ment ma­chen, und du sollst Zeu­ge sein. Ich ver­ma­che mei­nen Be­sitz mit all sei­nen Vor- und Nach­tei­len mei­nem Bru­der, dei­nem Va­ter, der ihn zwei­fel­los der­einst auf dich über­ge­hen las­sen wird. Kannst du das Erbe in Frie­den ge­nie­ßen, so ist al­les in Ord­nung. Siehst du aber ein, dass das nicht geht, dann, mein Jun­ge, höre auf mich, über­las­se es dei­nem Tod­feind. Es tut mir leid, dir solch ein zwei­fel­haf­tes Ver­mächt­nis zu hin­ter­las­sen, doch weiß ich nicht, wie sich die Din­ge ge­stal­ten wer­den. Bit­te, un­ter­zeich­ne das Pa­pier, wo Herr Ford­am es dir zeigt.‹

Ich un­ter­schrieb nach Wunsch, und der Ad­vo­kat nahm das Schrift­stück mit. Der merk­wür­di­ge Vor­fall mach­te, wie Sie wohl den­ken kön­nen, einen tie­fen Ein­druck auf mich, und ich grü­bel­te und grü­bel­te, ohne mir dar­über klar zu wer­den. Den­noch ver­moch­te ich nicht, ein un­be­stimm­tes Ge­fühl von Ban­gig­keit ab­zu­schüt­teln, wel­ches auch zu­rück­b­lieb, ob­wohl sich die­se Emp­fin­dung ab­schwäch­te, als Wo­chen ver­stri­chen und nichts den ge­wohn­ten Gang un­se­res Le­bens stör­te. Bei mei­nem Oheim nahm ich je­doch eine Ver­än­de­rung wahr: er trank mehr denn je und zeig­te sich jeg­li­chem Ver­kehr noch ab­hol­der als sonst. Die meis­te Zeit brach­te er in sei­nem Zim­mer hin­ter fest ver­schlos­se­ner Tür zu; dann und wann stürz­te er, in ei­ner Art trun­ke­nen Wah­nes, aus dem Hau­se in den Gar­ten, hielt einen Re­vol­ver in der Hand und schrie da­bei, ihm sei vor kei­nem Men­schen ban­ge, und kei­ner – auch nicht der Teu­fel – wer­de ihn wie ein Schaf in die Hür­de sper­ren. Wa­ren die­se An­fäl­le vor­über, dann stürm­te er wie­der her­ein, schloss und ver­ram­mel­te die Tür hin­ter sich, wie ein Mensch, der die Schre­cken ei­nes pei­ni­gen­den Ge­wis­sens nicht län­ger zu er­tra­gen ver­mag. In sol­chen Stun­den war sein Ge­sicht, selbst an kal­ten Ta­gen, ge­ra­de­zu in Schweiß ge­ba­det.

Ich eile zum Schluss, um Ihre Ge­duld nicht zu sehr in An­spruch zu neh­men, Herr Hol­mes. Ei­nes Nachts ver­fiel er wie­der in solch einen trun­ke­nen Wu­t­an­fall, aus dem er nicht wie­der zu sich kam. Als wir nach ihm such­ten, fan­den wir ihn, mit dem Kopf nach un­ten, in ei­nem klei­nen, schmut­zi­gen Teich, der am Ende des Gar­tens liegt. Kein Zei­chen von Ge­walt­tat lieh sich wahr­neh­men; das Was­ser war nur zwei Fuß tief, und so lau­te­te der Wahr­spruch4 der Ge­schwo­re­nen – in An­be­tracht sei­ner be­kann­ten Ex­zen­tri­zi­tät – auf Selbst­mord.

Mir aber fiel es schwer, mich von die­sem Auss­pruch über­zeu­gen zu las­sen, wuss­te ich doch, wie sehr ihm stets vor dem blo­ßen Ge­dan­ken an den Tod ge­graut hat­te. Doch, es blieb da­bei; mein Va­ter erb­te die Be­sit­zung und un­ge­fähr 14000 £, die zu sei­ner Ver­fü­gung auf der Bank la­gen.«

»Ei­nen Au­gen­blick!«, un­ter­brach ihn Hol­mes. »Ihr Be­richt ge­hört, – so viel ist ge­wiss – zu den merk­wür­digs­ten, die ich je ver­nom­men. Ge­ben Sie mir das Da­tum des Ein­gangs je­nes Brie­fes an Ihren Oheim an, so­wie das Da­tum sei­nes ver­mut­li­chen Selbst­mor­des.«

»Der Brief traf am 10. März 1883 ein, sein Tod er­folg­te sie­ben Wo­chen spä­ter, in der Nacht vom 2. Mai.«

»Dan­ke; bit­te wei­ter.«

»Da­mals, als mein Va­ter die Be­sit­zung in Hors­ham über­nahm, durch­such­te er, auf mei­ne Bit­te, die so sorg­sam ver­schlos­sen ge­we­se­ne Bo­den­kam­mer sehr ge­nau. Wir fan­den den Me­tall­kas­ten, ob­wohl der In­halt ver­nich­tet wor­den war. An der in­ne­ren De­ckel­sei­te kleb­te ein Zet­tel, aber­mals mit K.K.K.; dar­un­ter stand: ›Brie­fe, Mit­tei­lun­gen, Quit­tun­gen und Re­gis­ter‹ Of­fen­bar wa­ren dies die von mei­nem On­kel ver­nich­te­ten Pa­pie­re. Im üb­ri­gen fand sich nichts von Wich­tig­keit in der Kam­mer, es sei denn eine große Men­ge von Pa­pie­ren und No­tiz­bü­chern, die sich auf das Le­ben mei­nes Oheims in Ame­ri­ka be­zo­gen. Man­che stamm­ten aus der Kriegs­zeit und be­wie­sen, dass er sei­ner Pf­licht treu­lich nach­ge­kom­men war und den Ruf ei­nes tap­fern Sol­da­ten ge­nos­sen hat­te; an­de­re, aus der Zeit des Wie­der­auf­le­bens der süd­li­chen Staa­ten, be­zo­gen sich haupt­säch­lich auf Po­li­tik; au­gen­schein­lich hat­te er ge­gen die Wan­dera­gi­ta­to­ren, die vom Nor­den aus­ge­sandt wur­den, ent­schie­den Par­tei er­grif­fen.

Zu An­fang des Jah­res 1884 war mein Va­ter nach Hors­ham ge­zo­gen, und nichts stör­te un­ser Zu­sam­men­le­ben bis zum Ja­nu­ar 1885. Am vier­ten Tage im neu­en Jahr ver­nahm ich einen lau­ten Aus­ruf des Stau­nens von den Lip­pen mei­nes Va­ters, als wir eben früh­stück­ten. Da saß er mit ei­nem eben ge­öff­ne­ten Brief­um­schlag in der einen Hand und fünf tro­ckenen Ap­fel­si­nen­ker­nen auf der aus­ge­streck­ten Flä­che der an­de­ren. Er hat­te stets über ›mein Mär­chen vom Obers­ten‹, wie er es nann­te, ge­lacht, jetzt aber, als ihm die­sel­be Ge­schich­te pas­sier­te, sah er höchst be­frem­det und ver­wun­dert drein.

›Was in al­ler Welt soll das hei­ßen, John?‹, stot­ter­te er.

Mein Herz stand still. ›Es ist das­sel­be K.K.K.‹, sag­te ich.

Er blick­te in den Um­schlag. ›Wahr­haf­tig!‹, rief er aus. ›Da sind sie, die Buch­sta­ben! Was aber steht hier dar­über?‹

›Legt die Pa­pie­re auf die Son­nen­uhr‹, las ich, über sei­ne Schul­ter bli­ckend.

›Wel­che Pa­pie­re? Wel­che Son­nen­uhr?‹, frag­te er.

›Die Son­nen­uhr im Gar­ten; eine an­de­re gibt es nicht‹, ant­wor­te­te ich; ›die Pa­pie­re aber müs­sen die zer­stör­ten sein‹

›Ach was!‹, mein­te er, in­dem er sich zu fas­sen such­te. ›Wir le­ben hier in ei­nem zi­vi­li­sier­ten Land und kön­nen uns auf der­ar­ti­ge Nar­rens­pos­sen nicht ein­las­sen. Wo­her kommt das Ding?‹

›Von Dun­de­e‹, er­wi­der­te ich, den Stem­pel be­trach­tend.

›Ir­gend ein al­ber­ner Streich‹, mein­te er, ›was habe ich mit Son­nen­uh­ren und Pa­pie­ren zu schaf­fen? Ich wer­de den Un­sinn nicht wei­ter be­rück­sich­ti­gen‹

›Es wäre wohl bes­ser, die Sa­che an­zu­zei­gen‹, schlug ich vor.

›Und mich gründ­lich aus­la­chen zu las­sen. Nein – nichts da­von‹

›So lass mich es tun‹, bat ich.

›Ich ver­bie­te es dir‹, gab er zu­rück. ›We­gen sol­cher Lap­pa­lie braucht kein Lärm ge­schla­gen zu wer­den‹

Wei­te­re Er­ör­te­run­gen wä­ren ver­geb­lich ge­we­sen, denn mein Va­ter war ein un­beug­sa­mer Mann. Mich aber be­drück­ten schwe­re Ah­nun­gen.

Am drit­ten Tage nach Empfang des Brie­fes be­such­te mein Va­ter einen al­ten Freund, Ma­jor Free­bo­dy, der ei­nem der Forts auf Ports­down-Hill vor­steht. Ich freu­te mich, dass er ging, denn mich dünk­te stets, er sei aus­wärts we­ni­ger in Ge­fahr als da­heim. Doch ich täusch­te mich. Seit zwei Ta­gen war er fort, als ich vom Ma­jor te­le­gra­fisch ge­be­ten wur­de, so­fort zu kom­men. Mein Va­ter war in eine der vie­len Kalk­gru­ben der Um­ge­gend ge­stürzt und lag be­sin­nungs­los mit zer­schmet­ter­ter Hirn­scha­le da. Ich eil­te zu ihm, doch ver­schied er, ohne sein Be­wusst­sein wie­der­er­langt zu ha­ben. Wie es scheint, war er in der Däm­me­rung von Fa­re­ham heim­ge­gan­gen; er kann­te die Ge­gend nicht, die Kalk­gru­be war nicht um­zäunt, und so lau­te­te der Wahr­spruch der Ge­schwo­re­nen auf ›Tod durch Un­glücks­fall‹. So ge­nau ich jede Ein­zel­heit un­ter­such­te, die auf den Tod mei­nes Va­ters Be­zug hat­te, so fand ich nicht das Ge­rings­te, was auf Mord schlie­ßen ließ. Kein Zei­chen von Ge­walt, kei­ne Fuß­stap­fen, kein Raub, kein Frem­der, der auf den We­gen ge­se­hen wor­den war. Und doch be­grei­fen Sie wohl, dass ich mich bei dem Auss­pruch nicht be­ru­hi­gen konn­te und über­zeugt blieb, mein Va­ter sei ei­nem ver­bre­che­ri­schen An­schlag zum Op­fer ge­fal­len.

Auf die­se un­heim­li­che Wei­se ge­lang­te ich zu mei­nem jet­zi­gen Be­sitz. Sie wer­den viel­leicht fra­gen, wes­halb ich ihn nicht ver­äu­ßert habe. Da­rum, weil ich fest über­zeugt bin, dass un­ser Ge­schick ir­gend­wie mit ei­nem Vor­fall im Le­ben mei­nes Oheims ver­knüpft ist, und so blie­be die Ge­fahr in die­sem wie in ei­nem an­de­ren Haus die­sel­be.

Mein ar­mer Va­ter starb im Ja­nu­ar 1885; zwei Jah­re und acht Mo­na­te sind seit­dem ver­flos­sen. In­zwi­schen leb­te ich zu­frie­den in Hors­ham, und schon hoff­te ich, der Fluch sei mit der vo­ri­gen Ge­ne­ra­ti­on von un­se­rer Fa­mi­lie ge­wi­chen. Ich hat­te mich zu früh be­ru­higt; ges­tern Mor­gen traf mich der ver­häng­nis­vol­le Schlag, ge­nau wie er mei­nen Va­ter ge­trof­fen hat­te.«

Der jun­ge Mann hol­te einen zer­knit­ter­ten Um­schlag aus sei­ner Brust­ta­sche und schüt­tel­te fünf klei­ne, tro­ckene Ap­fel­si­nen­ker­ne, die dar­in wa­ren, auf den Tisch.

»Das ist der Um­schlag«, fuhr er fort. »Der Stem­pel ist vom Ost-Lon­do­ner Post­amt. Es steht das­sel­be dar­auf wie bei der letz­ten Sen­dung an mei­nen Va­ter: ›K.K.K.‹ und ›Legt die Pa­pie­re auf die Son­nen­uhr‹«

»Was ha­ben Sie ge­tan?«, frag­te Hol­mes.

»Nichts.«

»Nichts?«

»Of­fen ge­stan­den« – er barg das Ge­sicht in sei­ne zar­ten, wei­ßen Hän­de – »ich füh­le mich hilf­los. Mir ist wie ei­nem ar­men Ka­nin­chen zu Mute, nach dem die Schlan­ge den gie­ri­gen Ra­chen auf­sperrt. Ich muss in der Hand ei­nes un­wi­der­ruf­li­chen, un­wi­der­steh­li­chen Ver­häng­nis­ses sein, das we­der Vor­sicht noch Sor­ge ab­zu­wen­den ver­mag.«

»Un­sinn!«, rief Sher­lock Hol­mes, »han­deln müs­sen Sie, jun­ger Mann, sonst sind Sie ver­lo­ren. Nur Ener­gie ver­mag Sie zu ret­ten. Zum Verzwei­feln ist jetzt nicht die Zeit.«

»Ich habe die Sa­che bei der Po­li­zei an­ge­zeigt.«

»So?«

»Dort hör­ten sie mir lä­chelnd zu. Ich weiß, man hält die Brie­fe für einen dum­men Spaß, und die To­des­fäl­le mei­ner Ver­wand­ten gel­ten dort nach dem Auss­pruch der Ge­rich­te für Un­glücks­fäl­le, die mit der War­nung in kei­nem Zu­sam­men­hang ste­hen.«

Hol­mes er­hob sei­ne ge­fal­te­ten Hän­de: »Un­er­hör­te Bor­niert­heit!«, rief er aus.

»Im­mer­hin wur­de mir ein Schutz­mann zu­ge­wie­sen, der mit mir im Hau­se blei­ben darf.«

»Kam er heu­te Abend mit Ih­nen her?«

»Nein, sein Be­fehl lau­tet, im Hau­se zu blei­ben.«

Wie­der rang Hol­mes die Hän­de.

»Wa­rum ka­men Sie zu mir?«, frag­te er, »und vor al­lem, warum ka­men Sie nicht gleich?«

»Ich wuss­te ja nichts von Ih­nen. Erst heu­te sprach ich mit Ma­jor Pren­d­er­gast, der mir riet, Sie auf­zu­su­chen.«

»Es sind schon zwei Tage ver­flos­sen seit Empfang des Brie­fes. Wir hät­ten frü­her han­deln sol­len. Wei­te­re Be­wei­se ha­ben Sie wohl nicht als die hier vor­lie­gen­den? – ir­gend et­was, das uns auf die Spur hel­fen könn­te?«

»Doch, hier ist et­was«, sag­te John Opens­haw. Er durch­such­te sei­ne Rock­ta­sche, zog ein Stück bläu­lich ge­färb­tes Pa­pier her­vor und leg­te es auf den Tisch. »Ich er­in­ne­re mich dun­kel, dass da­mals, als mein Oheim die Pa­pie­re ver­brann­te, die schma­len, un­ver­kohl­ten Rän­der in der Asche von solch ei­gen­tüm­li­cher Far­be wa­ren. Die­ses ein­zel­ne Blatt fand ich am Bo­den in sei­nem Zim­mer, und fast ver­mu­te ich, es könn­te aus den Pa­pie­ren her­aus­ge­fal­len und so der Zer­stö­rung ent­gan­gen sein. Es sieht aus, als wäre es ein Blatt aus ei­nem Ta­ge­buch. Sie fin­den die Ker­ne dar­in er­wähnt, sonst hat es wohl we­nig Wert für uns. Die Schrift ist un­be­dingt die mei­nes Oheims.«

Hol­mes zog die Lam­pe nä­her, und bei­de neig­ten wir uns auf das Blatt, des­sen zer­ris­se­ner Rand deut­lich zeig­te, dass es zu ei­nem Heft ge­hört hat­te. ›März 1869‹ stand oben­an und dar­un­ter fol­gen­de rät­sel­haf­te No­ti­zen:

4. Hud­son ge­kom­men. Die­sel­be alte Platt­form. 7. Die Ker­ne an McCau­ley, Pa­ra­mo­re und John Swain von St. Au­gus­ti­ne auf­ge­ge­ben. 9. McCau­ley er­le­digt. 10. John Swain er­le­digt. 12. Pa­ra­mo­re be­sucht. Al­les gut.

»Dan­ke«, sag­te Hol­mes, fal­te­te das Blatt und gab es dem jun­gen Mann zu­rück. »Und nun dür­fen Sie um kei­nen Preis mehr einen Au­gen­blick ver­lie­ren. Wir ha­ben nicht ein­mal die Zeit, das Be­spro­che­ne nä­her zu er­ör­tern. Sie müs­sen so­fort nach Hau­se und han­deln.«

»Was soll ich tun?«

»Nur ei­nes ist mög­lich, und das muss so­fort ge­sche­hen: Dies Stück Pa­pier, das Sie uns zeig­ten, muss in den Me­tall­kas­ten kom­men; Sie le­gen einen Zet­tel bei, der be­sagt, dass alle an­de­ren Pa­pie­re von Ihrem Oheim ver­brannt wur­den und nur die­ses zu­rück­ge­blie­ben ist. Sie müs­sen die No­tiz so ab­fas­sen, dass sich an der Wahr­heit Ih­rer Aus­sa­ge nicht zwei­feln lässt. Dann stel­len Sie das Käst­chen auf die Son­nen­uhr, wie ver­langt wird. Ha­ben Sie ver­stan­den?«

»Voll­kom­men.«

»Den­ken Sie jetzt we­der an Ra­che noch an sonst der­glei­chen. Das wer­den wir wohl spä­ter auf ge­setz­li­chem Wege er­lan­gen kön­nen. Für jetzt ha­ben wir un­ser Netz noch zu spin­nen, wäh­rend der Feind be­reits sei­ne Beu­te um­garnt hat. Vor al­lem gilt es, der großen Ge­fahr zu ent­ge­hen, die Sie be­droht. Dann muss der Schlei­er ge­lüf­tet wer­den, und die Schul­di­gen fin­den ihre Stra­fe. Wie keh­ren Sie zu­rück?«

»Mit dem Zuge von der Wa­ter­loo-Sta­ti­on.«

»Es ist noch nicht neun Uhr. Die Stra­ßen sind jetzt be­lebt, und so hof­fe ich, Sie sind si­cher. Doch kön­nen Sie nicht vor­sich­tig ge­nug sein.«

»Ich bin be­waff­net.«

»Das ist recht. Mor­gen neh­me ich Ihren Fall in An­griff.«

»So darf ich Sie in Hors­ham er­war­ten?«

»Nein, Ihr Ge­heim­nis liegt in Lon­don ver­bor­gen; hier muss ich da­nach for­schen.«

»So wer­de ich Sie in den al­ler­nächs­ten Ta­gen auf­su­chen und Ih­nen über Kas­ten und Pa­pie­re be­rich­ten. Ihr Rat soll ge­nau be­folgt wer­den.«

Er reich­te uns die Hand und ver­ab­schie­de­te sich. Drau­ßen heul­te der Wind noch im­mer, und der Re­gen schlug an die Fens­ter. Es war, als hät­ten die ent­fes­sel­ten Ele­men­te die­se merk­wür­di­ge Be­ge­ben­heit zu uns her­ein­ge­weht – wie einen von den Wo­gen an­ge­schwemm­ten Bü­schel See­tang, den nun das to­ben­de Meer wie­der ver­schlang.

Schwei­gend saß Sher­lock Hol­mes und starr­te sin­nend in die rote Feu­er­glut. Dann steck­te er sei­ne Pfei­fe an, lehn­te sich be­quem zu­rück und blick­te den ein­zel­nen Rauch­rin­gen nach, die zur De­cke em­por­stie­gen.

»Mich dünkt, Wat­son«, be­merk­te er end­lich, »ein so fan­tas­ti­scher Fall ist uns noch nicht vor­ge­kom­men.«

»Höchs­tens der des ›Zei­chen der Vier‹«5

»Nun ja, den neh­me ich aus. Und doch glau­be ich, dass John Opens­haw in noch grö­ße­rer Ge­fahr schwebt, als da­mals die Schol­tos.«

»Hast du ir­gend­wel­che be­stimm­te Ver­mu­tung über die Art die­ser Ge­fahr?«

»Dar­über ist kein Zwei­fel mög­lich.«

»So sprich! Wer ist die­ser K.K.K., und warum ver­folgt er die un­glück­li­che Fa­mi­lie?«

Sher­lock Hol­mes schloss die Au­gen, stütz­te die El­len­bo­gen auf die Leh­nen sei­nes Stuh­les und leg­te die Fin­ger­spit­zen an­ein­an­der. »Der vollen­de­te Den­ker«, sag­te er, »müss­te ei­gent­lich im­stan­de sein an der Hand ei­ner ein­zi­gen Tat­sa­che, wel­che ihm in al­len ih­ren Be­zie­hun­gen klar ge­wor­den ist, so­wohl die Be­ge­ben­hei­ten, die dar­aus folg­ten, als auch die­je­ni­gen, wel­che vor­aus­gin­gen, zu er­mit­teln. Genau so, wie Cu­vier6 den Bau ei­nes gan­zen Tie­res bei der Be­trach­tung ei­nes ein­zi­gen Kno­chen fest­zu­stel­len ver­moch­te. Wir sind uns noch viel zu we­nig be­wusst, was wir al­les durch blo­ße Geis­tes­ar­beit er­rei­chen kön­nen. Mit Hil­fe des Stu­di­ums ver­mag man Pro­ble­me zu lö­sen, an wel­chen die­je­ni­gen ver­zwei­feln, die die Lö­sung nur ver­mit­telst ih­rer fünf Sin­ne zu fin­den trach­ten. Der Hö­he­punkt der Kunst lässt sich je­doch nur er­rei­chen, wenn der For­scher es ver­steht, alle Fak­ten zu be­nut­zen, die zu, sei­ner Kennt­nis ge­lan­gen. Das hat aber ein so uni­ver­sel­les Wis­sen zur Voraus­set­zung, wie es selbst in un­se­rer Zeit frei­er und all­ge­mei­ner Bil­dung nur we­ni­gen zu­gäng­lich ist. Da­ge­gen scheint es mir nicht so ganz un­mög­lich, dass ein Mensch al­les Wis­sen be­sitzt, das ihm in sei­nem Fach nütz­lich wer­den kann, und dies zu er­wer­ben habe ich mich red­lich be­müht. Ent­sin­ne ich mich recht, so hast du ein­mal in den Ta­gen uns­rer frühs­ten Freund­schaft die Gren­zen mei­ner Fä­hig­kei­ten sehr ge­nau ver­zeich­net.«

»Ja­wohl«, er­wi­der­te ich la­chend, »es war eine ge­lun­ge­ne Lis­te. Phi­lo­so­phie, Astro­no­mie und Po­li­tik wa­ren dar­in – wenn ich mich recht er­in­ne­re – mit ei­ner Null ver­se­hen. In Bo­ta­nik warst du un­gleich, in Geo­lo­gie da­ge­gen sehr gründ­lich, na­ment­lich mit Be­zug auf Dreck­spu­ren aus je­der be­lie­bi­gen Ge­gend im Um­kreis von Lon­don; mit Che­mie stan­d’s bril­lant; Kennt­nis­se in Ana­to­mie un­sys­te­ma­tisch; in Kri­mi­nal­li­te­ra­tur ein her­vor­ra­gen­der Ken­ner. Im üb­ri­gen gu­ter Bo­xer, Fech­ter, Ju­rist. So lau­te­ten wohl die Haupt­punk­te mei­ner Ana­ly­se.«

Hol­mes lach­te. »Und ich sage heu­te wie da­mals: Der Mensch soll sei­ne klei­nen Ge­hirn­kam­mern mit dem fül­len, was er vor­aus­sicht­lich brau­chen wird, das üb­ri­ge kann er in den dun­kels­ten Win­kel sei­ner Biblio­thek ste­cken, wo er es im Not­fall fin­det. In ei­nem Fall, wie der uns heu­te Abend vor­ge­leg­te, gilt es eine Mus­te­rung von al­lem, was uns nur ir­gend zu Ge­bo­te steht. Bit­te, rei­che mir den Buch­sta­ben K der Ame­ri­ka­ni­schen En­zy­klo­pä­die, die aus dem Re­gal hin­ter dir steht. – Dan­ke. – Nun lass uns die Sa­che nä­her be­trach­ten und se­hen, was man dar­aus fol­gern kann. Vor al­lem ist mit ziem­li­cher Ge­wiss­heit an­zu­neh­men, dass Oberst Opens­haw einen sehr trif­ti­gen Grund hat­te, Ame­ri­ka zu ver­las­sen. Män­ner sei­nes Al­ters än­dern nicht leicht ihre Ge­wohn­hei­ten und ver­tau­schen nicht gern das lieb­li­che Kli­ma Flo­ri­das ge­gen das ein­sa­me Le­ben ei­ner eng­li­schen Pro­vin­zi­al­stadt. Sei­ne über­große Zu­rück­ge­zo­gen­heit in Eng­land lässt uns ver­mu­ten, dass er sich vor je­mand oder vor et­was fürch­te­te, und dass ihn die­se Furcht aus Ame­ri­ka ver­trie­ben hat. Was dies Be­fürch­te­te war, kön­nen wir uns aus den schreck­li­chen Brie­fen fol­gern, die er und sei­ne Fa­mi­lie er­hiel­ten. Hast du die Post­zei­chen auf den Brie­fen be­merkt?«

»Der ers­te kam aus Pon­dit­scher­ri, der zwei­te aus Dun­dee und der drit­te aus Lon­don.«

»Aus Ost-Lon­don. Was fol­gerst du dar­aus?«

»Es sind drei See­hä­fen. Also war der Schrei­ber an Bord.«

»Vor­treff­lich. Da hal­ten wir schon einen Fa­den. Es ist un­be­dingt an­zu­neh­men – ja, fast zwei­fel­los, dass der Schrei­ber an Bord ei­nes Schif­fes ist. Und nun ein zwei­ter Punkt: Nach dem Brief aus Pon­dit­scher­ri ver­stri­chen sie­ben Wo­chen zwi­schen War­nung und Aus­füh­rung, nach dem aus Dun­dee nur drei bis vier Tage. Gibt uns das kei­nen An­halt?«

»Im ers­te­ren Fall war eine grö­ße­re Ent­fer­nung zu­rück­zu­le­gen.«

»Aber dies gilt auch von dem Brief.«

»Dann wer­de ich nicht klug dar­aus.«

»Es liegt we­nigs­tens die Ver­mu­tung nahe, dass der Mann oder die Män­ner an Bord ei­nes Seg­lers sind. Fast scheint es, sie schi­cken ihre ei­gen­tüm­li­che War­nung oder ihr Zei­chen vor­aus, so­bald sie sich auf den Weg ma­chen, um ihre Ab­sicht aus­zu­füh­ren. Du siehst, wie rasch die Tat auf den Brief aus Dun­dee folg­te. Wä­ren die Leu­te auf ei­nem Damp­fer von Pon­dit­scher­ri ge­kom­men, so wür­den sie fast zu­gleich mit ih­rem Brief an­ge­langt sein. Es steht aber fest, dass sie­ben Wo­chen da­zwi­schen ver­stri­chen. Mir scheint, die­se sie­ben Wo­chen bil­den den Un­ter­schied in der Zeit zwi­schen der Fahrt des Post­damp­fers, der den Brief be­för­der­te, und dem Seg­ler, der den oder die Schrei­ber brach­te.«

»Das ist mög­lich.«

»Mehr als das – es ist wahr­schein­lich. Und nun be­greifst du die Dring­lich­keit die­ses neu­en Fal­les und wes­halb ich den jun­gen Opens­haw zur Vor­sicht er­mahn­te. Der Schlag fiel stets, wenn die Zeit um war, de­ren der Ab­sen­der be­durf­te, um selbst die Ent­fer­nung zu­rück­zu­le­gen. Der letz­te Brief kommt aus Lon­don, und so ist nicht auf Auf­schub zu­rech­nen.«

»Gro­ßer Gott!«, rief ich aus, »was mag die­se er­bar­mungs­lo­se Ver­fol­gung be­deu­ten?«

»Sicht­lich sind die Pa­pie­re, wel­che Opens­haw be­saß, der Per­son oder den Per­so­nen auf dem Seg­ler von größ­ter Wich­tig­keit. Of­fen­bar sind es ih­rer meh­re­re. Ein Mann al­lein hät­te schwer­lich zwei der­ar­ti­ge Mord­ta­ten aus­zu­füh­ren ver­mocht. Es müs­sen ent­schlos­se­ne, ver­we­ge­ne Leu­te sein. Sie wol­len ihre Pa­pie­re – mag sie ha­ben, wer da will. Wie mir scheint, sind die­se drei K nicht so­wohl die An­fangs­buch­sta­ben ei­nes Ein­zel­nen, als das Kenn­zei­chen ei­ner Ver­bin­dung – aber wel­cher Ver­bin­dung? – Hast du nie«, frag­te Sher­lock Hol­mes, sich vor­beu­gend und lei­ser spre­chend, »vom Ku-Klux-Klan re­den hö­ren?«

»Nie­mals.«

Hol­mes blät­ter­te in dem Bu­che auf sei­nem Knie. »Da ist’s«, sag­te er.

»Ku-Klux-Klan. Das Wort kommt von der son­der­ba­ren Ähn­lich­keit sei­nes Klan­ges mit dem Span­nen ei­ner Feu­er­waf­fe. Die­ser schreck­li­che Ge­heim­bund wur­de von ei­ni­gen ex­kon­fö­de­rier­ten Sol­da­ten in den Süd­staa­ten nach dem Bür­ger­krieg ge­schlos­sen, und schnell ver­zweig­te er sich in ver­schie­de­nen Ge­gen­den, be­son­ders in Ten­nes­see, in Loui­sia­na, Ca­ro­li­na, Ge­or­gia und Flo­ri­da. Sei­ne Macht diente po­li­ti­schen Zwe­cken, haupt­säch­lich dazu, die Ne­ger-Wäh­ler, wel­che für die Stimm­be­rech­ti­gung der Ne­ger ein­tra­ten, zu ter­ro­ri­sie­ren und die­je­ni­gen zu mor­den oder aus dem Lan­de zu trei­ben, die sich den Prin­zi­pi­en der ge­hei­men Ge­sell­schaft wi­der­setz­ten. Ihren Ge­walt­ta­ten ging meist eine War­nung an das aus­er­se­he­ne Op­fer vor­aus, ein fan­tas­ti­sches, leicht zu er­ken­nen­des Zei­chen – ein Bü­schel Ei­chen­laub in man­chen Ge­gen­den, in an­de­ren Me­lo­nen- oder Ap­fel­si­nen­ker­ne. Nach Empfang sol­cher War­nung muss­te der Be­tref­fen­de ent­we­der sei­ne Ge­sin­nung än­dern oder die Ge­gend schleu­nigst ver­las­sen. Bot er Trotz, so war er un­rett­bar ver­lo­ren, und der Tod er­eil­te ihn meist auf son­der­ba­re, un­er­war­te­te Wei­se. Die Or­ga­ni­sa­ti­on der Ver­bin­dung war so vollen­det, ihre Metho­de so sys­te­ma­tisch, dass sich kaum von ei­nem Fall be­rich­ten lässt, wo es ei­nem Men­schen ge­lun­gen wäre, sich ihr un­ge­straft zu wi­der­set­zen oder die Ur­he­ber zu er­mit­teln. Vie­le Jah­re hin­durch nahm der Bund einen im­mer grö­ße­ren Auf­schwung trotz al­ler An­stren­gun­gen der Re­gie­rung wie der an­ge­se­hens­ten Bür­ger im Sü­den. Im Jahr 1869 ge­riet er aber ganz plötz­lich in Ver­fall, und nur ver­ein­zelt ka­men von je­ner Zeit an noch durch ihn ver­üb­te Ge­walt­tä­tig­kei­ten vor.«

»Be­ach­te wohl«, sag­te Hol­mes, das Buch bei­sei­te le­gend, »dass das plötz­li­che Auf­hö­ren die­ses Ge­heim­bun­des mit der Zeit zu­sam­men­fällt, wo Opens­haw mit je­nen Pa­pie­ren Ame­ri­ka ver­ließ. Wer weiß, ob nicht Ur­sa­che und Wir­kung hier nahe bei­ein­an­der lie­gen. Da wäre es kein Wun­der, wenn ein­zel­ne der Un­ver­söhn­lichs­ten es auf ihn und sei­ne Fa­mi­lie ab­ge­se­hen hät­ten. Du be­greifst, was von die­sen Re­gis­tern und No­ti­zen für man­che hoch­ge­stell­te Per­sön­lich­keit in den Süd­staa­ten ab­hän­gen kann, und dass da man­cher nicht ru­hig schläft, ehe die Pa­pie­re wie­der her­bei­ge­schafft sind.«

»Dem­nach ent­hiel­te das Blatt, das wir ge­se­hen ha­ben…«