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Vollständig überarbeitete, korrigierte und illustrierte Fassung Mit 18 Illustrationen Wie kann man Sherlock Holmes nicht kennen? Den berühmtesten Detektiv der Geschichte, der mit seinem messerscharfen Verstand und seiner Ermittlungsart als Vorlage für fast alle kriminalistischen Nachfolger diente. Hier lernen Sie das lesenswerte Original kennen. Dieser Band beinhaltet folgende Kurzgeschichten: "Des Löwen Mähne" ("The Lion's Mane"), 1926 Holmes im Ruhestand, ohne Watson als fleißigen Chronisten. Aufzuklären gilt es die rätselhaften Umstände, die sich um den Unfalltod von Fitzroy McPherson ranken, eines ruhigen, heimlich verlobten Lehrers. War es wirklich ein Unfall? "Shoscombe Old Place" ("Shoscombe Old Place"), 1927 John Mason, Cheftrainer des Gestüts von Shoscombe Old Place, wendet sich an Sherlock Holmes. Er ist in Angst um seinen Arbeitgeber, Sir Robert Norberton. Dieser versucht, seine Schulden mit einer waghalsigen Pferdewette zu tilgen. "Der Mann mit dem geduckten Gang" ("The Creeping Man"), 1923 Trevor Bennett kontaktiert Sherlock Holmes, um ihm von dem seltsamen Verhalten seines zukünftigen Schwiegervaters und Dienstherrn, des angesehenen Professors Presbury, zu berichten. Dieser verhält sich in letzter Zeit sehr exentrisch. "Seine Abschiedsvorstellung" ("His Last Bow"), 1917 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs trifft sich der deutsche Botschaftssekträter Baron von Herling mit von Bork, dem Kopf der Deutschen Spionage in England. Beide feiern ihren Erfolg, der Britannien im Zuge der anstehen Auseinandersetzungen schwer zu schaffen machen soll. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 152
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Arthur Conan Doyle
Sherlock Holmes – Seine Abschiedsvorstellung und andere Detektivgeschichten
Vollständige & Illustrierte Fassung
Arthur Conan Doyle
Sherlock Holmes – Seine Abschiedsvorstellung und andere Detektivgeschichten
Vollständige & Illustrierte Fassung
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Illustrationen: Kurt Lange, Alfred GilbertÜbersetzung: J. Schulze, Eve Fritsche EV: Hugo Wille, Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1928 4. Auflage, ISBN 978-3-954182-59-6
www.null-papier.de/holmes
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Die Sherlock Holmes-Sammlung
Die einzelnen Geschichten
Arthur Conan Doyle & Sherlock Holmes
Des Löwen Mähne
Shoscombe Old Place
Der Mann mit dem geduckten Gang
Seine letzte Vorstellung – Sherlock Holmes’ Dienst im Krieg
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»Des Löwen Mähne« (»The Lion’s Mane«), 1926
Holmes im Ruhestand, ohne Watson als fleißigen Chronisten. Aufzuklären gilt es die rätselhaften Umstände, die sich um den Unfalltod von Fitzroy McPherson ranken, eines ruhigen, heimlich verlobten Lehrers. War es wirklich ein Unfall? Welche Rolle spielt der angeblich beste Freund? Und wieso hat die Verlobte ihre Absichten vor der eigenen Familie geheim gehalten?
»Shoscombe Old Place« (»Shoscombe Old Place«), 1927
John Mason, Cheftrainer des Gestüts von Shoscombe Old Place, wendet sich an Sherlock Holmes. Er ist in Angst um seinen Arbeitgeber, Sir Robert Norberton. Dieser versucht, seine Schulden mit einer waghalsigen Pferdewette zu tilgen. Welche Rolle spielt seine Schwester, von deren finanzieller Unterstützung er abhängig ist, in dem Spiel? Und wieso hat Norberton den Hund der Schwester verschenkt?
»Der Mann mit dem geduckten Gang« (»The Creeping Man«), 1923
Trevor Bennett kontaktiert Sherlock Holmes, um ihm von dem seltsamen Verhalten seines zukünftigen Schwiegervaters und Dienstherrn, des angesehenen Professors Presbury, zu berichten. Dieser verhält sich in letzter Zeit sehr exentrisch. Er klettert nachts am Hause hoch, läuft auf allen Vieren und benimmt sich auch sonst wenig gentlemanlike.
»Seine Abschiedsvorstellung« (»His Last Bow«), 1917
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs trifft sich der deutsche Botschaftssekträter Baron von Herling mit von Bork, dem Kopf der Deutschen Spionage in England. Beide feiern ihren Erfolg, der Britannien im Zuge der anstehen Auseinandersetzungen schwer zu schaffen machen soll. Von Bork erwartet seinen besten Zuträger, dessen Verrat den Krieg entscheidend beeinflussen soll.
Womöglich wäre die Literatur heute um eine ihrer schillerndsten Detektivgestalten ärmer, würde der am 22. Mai 1859 in Edinburgh geborene Arthur Ignatius Conan Doyle nicht ausgerechnet an der medizinischen Fakultät der Universität seiner Heimatstadt studieren. Hier nämlich lehrt der später als Vorreiter der Forensik geltende Chirurg Joseph Bell. Die Methodik des Dozenten, seine Züge und seine hagere Gestalt wird der angehende Autor für den dereinst berühmtesten Detektiv der Kriminalliteratur übernehmen.
Geburt und Tod des Holmes
Der erste Roman des seit 1883 in Southsea praktizierenden Arztes teilt das Schicksal zahlloser Erstlinge – er bleibt unvollendet in der Schublade. Erst 1887 betritt Sherlock Holmes die Bühne, als »Eine Studie in Scharlachrot« erscheint. Nachdem Conan Doyle im Magazin The Strand seine Holmes-Episoden veröffentlichen darf, ist er als erfolgreicher Autor zu bezeichnen. The Strand eröffnet die Reihe mit »Ein Skandal in Böhmen«. Im Jahr 1890 zieht der Schriftsteller nach London, wo er ein Jahr darauf, dank seines literarischen Schaffens, bereits seine Familie ernähren kann; seit 1885 ist er mit Louise Hawkins verheiratet, die ihm einen Sohn und eine Tochter schenkt.
Ginge es ausschließlich nach den Lesern, wäre dem kühlen Detektiv und seinem schnauzbärtigen Mitbewohner ewiges Leben beschieden. Die Abenteuer der beiden Freunde nehmen freilich, wie ihr Schöpfer meint, zu viel Zeit in Anspruch; der Autor möchte historische Romane verfassen. Deshalb stürzt er 1893 in »Das letzte Problem« sowohl den Detektiv als auch dessen Widersacher Moriarty in die Reichenbachfälle. Die Proteste der enttäuschten Leserschaft fruchten nicht – Holmes ist tot.
Die Wiederauferstehung des Holmes
Obwohl sich der Schriftsteller mittlerweile der Vergangenheit und dem Mystizismus widmet, bleibt sein Interesse an Politik und realen Herausforderungen doch ungebrochen. Den Zweiten Burenkrieg erlebt Conan Doyle seit 1896 an der Front in Südafrika. Aus seinen Eindrücken und politischen Ansichten resultieren zwei nach 1900 publizierte propagandistische Werke, wofür ihn Queen Victoria zum Ritter schlägt.
Eben zu jener Zeit weilt Sir Arthur zur Erholung in Norfolk, was Holmes zu neuen Ehren verhelfen wird. Der Literat hört dort von einem Geisterhund, der in Dartmoor1 eine Familie verfolgen soll. Um das Mysterium aufzuklären, reanimiert Conan Doyle seinen exzentrischen Analytiker: 1903 erscheint »Der Hund der Baskervilles«. Zeitlich noch vor dem Tod des Detektivs in der Schweiz angesiedelt, erfährt das Buch enormen Zuspruch, weshalb der Autor das Genie 1905 in »Das leere Haus« endgültig wiederbelebt.
Das unwiderrufliche Ende des Holmes
Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1906 und der Heirat mit der, wie Conan Doyle glaubt, medial begabten Jean Leckie befasst sich der Privatmann mit Spiritismus. Sein literarisches Schaffen konzentriert sich zunehmend auf Zukunftsromane, deren bekanntester Protagonist der Exzentriker Professor Challenger ist. Als populärster Challenger-Roman gilt die 1912 veröffentlichte und bereits 1925 verfilmte Geschichte »Die vergessene Welt«, die Conan Doyle zu einem Witz verhilft: Der durchaus schlitzohrige Schriftsteller zeigt im kleinen Kreis einer Spiritistensitzung Filmaufnahmen vermeintlich lebender Saurier, ohne zu erwähnen, dass es sich um Material der ersten Romanverfilmung handelt.
Die späte Freundschaft des Literaten mit Houdini zerbricht am Spiritismus-Streit, denn der uncharmante Zauberkünstler entlarvt zahlreiche Betrüger, während der Schriftsteller von der Existenz des Übernatürlichen überzeugt ist. Conan Doyles Geisterglaube erhält Auftrieb, als sein ältester Sohn Kingsley während des Ersten Weltkriegs an der Front fällt.
Noch bis 1927 bedient der Autor das Publikum mit Kurzgeschichten um Holmes und Watson; zuletzt erscheint »Das Buch der Fälle«. Als Sir Arthur Conan Doyle am 7. Juli 1930 stirbt, trauern Familie und Leserschaft gleichermaßen, denn diesmal ist Holmes wirklich tot.
Von der Bedeutung eines Geschöpfes
Oder vielmehr ist Holmes ein ewiger Wiedergänger, der im Gedächtnis des Publikums fortlebt. Nicht wenige Leser hielten und halten den Detektiv für eine existente Person, was nicht zuletzt Conan Doyles erzählerischem Geschick und dem Realitätsbezug der Geschichten zu verdanken sein dürfte. Tatsächlich kam man im 20. Jahrhundert dem Bedürfnis nach etwas Handfestem nach, indem ein Haus in der Londoner Baker Street die Nummer 221 b erhielt. Dort befindet sich das Sherlock-Holmes-Museum.
Conan Doyles zeitgenössischer Schriftstellerkollege Gilbert Keith Chesterton, geistiger Vater des kriminalistischen Pater Brown, brachte das literarische Verdienst seines Landsmanns auf den Punkt: Sinngemäß sagte er, dass es nie bessere Detektivgeschichten gegeben habe und dass Holmes möglicherweise die einzige volkstümliche Legende der Moderne sei, deren Urheber man gleichwohl nie genug gedankt habe.
Dass der Detektiv sein sonstiges Schaffen dermaßen überlagern konnte, war Conan Doyle selbst niemals recht. Er hielt seine historischen, politischen und später seine mystizistisch-spiritistischen Arbeiten für wertvoller, während die Kurzgeschichten dem bloßen Broterwerb dienten. Vermutlich übersah er bei der Selbsteinschätzung seiner vermeintlichen Trivialliteratur deren enorme Wirkung, die weit über ihren hohen Unterhaltungswert hinausging.
So wie Joseph Bell, Conan Doyles Dozent an der Universität, durch präzise Beobachtung auf die Erkrankungen seiner Patienten schließen konnte, sollte Sherlock Holmes an Kriminalfälle herangehen, die sowohl seinen Klienten als auch der Polizei unerklärlich schienen. Bells streng wissenschaftliches Vorgehen stand Pate für Deduktion und forensische Methodik in den vier Romanen und 56 Kurzgeschichten um den hageren Gentleman-Detektiv. Professor Bell beriet die Polizei bei der Verbrechensaufklärung, ohne in den offiziellen Berichten oder in den Zeitungen erwähnt werden zu wollen. Die Ähnlichkeit zu Holmes ist augenfällig. Wirklich war in den Geschichten die Fiktion der Realität voraus, denn wissenschaftliche Arbeitsweise, genaue Tatortuntersuchung und analytisch-rationales Vorgehen waren der Kriminalistik jener Tage neu. Man urteilte nach Augenschein und entwarf Theorien, wobei die Beweisführung nicht ergebnisoffen geführt wurde, sondern lediglich jene Theorien belegen sollte. Zweifellos hat die Popularität der Erlebnisse von Holmes und Watson den Aufstieg der realen Forensik in der Verbrechensaufklärung unterstützt.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Erzählungen betrifft Conan Doyles Neigung, seine eigenen Ansichten einzuarbeiten. Zwar bevorzugte er zu diesem Zweck andere Schaffenszweige, aber es finden sich gesellschaftliche und moralische Meinungen, wenn Holmes etwa Verbrecher entkommen lässt, weil er meint, dass eine Tat gerecht gewesen oder jemand bereits durch sein Schicksal genug gestraft sei. Gelegentlich ist dabei festzustellen, dass er Angehörige niedriger Stände gleichgültiger behandelt als die Vertreter der »guten Gesellschaft«.
Fiktive Biografien des Detektivs, Bühnenstücke, Verfilmungen und zahllose Nachahmungen, darunter nicht selten Satiren, von denen Conan Doyle mit »Wie Watson den Trick lernte« 1923 selbst eine verfasste, künden von der ungebrochenen Beliebtheit des kriminalistischen Duos, ohne das die Weltliteratur weniger spannend wäre.
berüchtigtes, britisches Gefängnis in einer Moorgegend gelegen <<<
Es ist sehr eigentümlich, dass mir ein Problem, das wohl ebenso seltsam und ungewöhnlich war wie irgendeiner der vielen merkwürdigen Fälle, die ich während meiner langjährigen berufsmäßigen Tätigkeit bearbeitet habe, jetzt, nachdem ich mich ins Privatleben zurückgezogen hatte, in den Weg kam, und dass sich dasselbe in unmittelbarer Nähe meines Hauses abspielte.
Ich hatte mich in meine kleine Villa in der Grafschaft Sussex zur Ruhe gesetzt, um mich vollständig dem nervenberuhigenden Naturleben hinzugeben, nach welchem ich mich so oft während der langen Jahre im Trubel Londons gesehnt hatte. Während dieses Abschnittes meines Lebens war der gute Watson fast ganz aus meinem Gesichtskreis verschwunden. Ein gelegentlicher Wochenendbesuch war das einzige, was mich mit ihm in Berührung brachte. Darum muss ich selbst mein Geschichtsschreiber sein.
Wenn er doch nur hätte bei mir sein können. Wie wunderbar würde er die Begebenheit geschildert haben, und wie würde er meinen Erfolg, den ich schließlich trotz aller Schwierigkeiten hatte, ausgeschmückt haben! Wie die Verhältnisse jedoch liegen, bleibt mir nichts weiter übrig, als die Geschichte in meiner eigenen schlichten Art wiederzugeben und in meiner Darstellung Schritt für Schritt des beschwerlichen Weges, den ich zu gehen hatte, um das Geheimnis der Löwenmähne zu enthüllen, zu zeigen.
Meine Villa liegt auf dem südlichen Abhang der Downs und gestattet einen weiten Überblick auf die unendliche See. An dieser Stelle besteht die Küste ausschließlich aus Kreidefelsen, von denen man nur auf einem einzigen langen, steilen und beschwerlichen Fußsteig zum Meer gelangen kann. Am Ende des Steiges liegen selbst zur Zeit der Flut, in einer Breite von etwa hundert Metern, Kiesel und Tang. Hier und da jedoch sind Einbuchtungen und Vertiefungen, welche prachtvolle Schwimmbassins darstellen, da sie durch jede Flut frisch gefüllt werden. Dieser wundervolle Strand erstreckt sich kilometerweit in beiden Richtungen und wird nur an der Stelle unterbrochen, wo die kleine Bucht und die Siedlung von Fulworth liegen.
Mein Haus steht einsam. Ich, meine alte Haushälterin und meine Bienen haben unser Reich für uns allein. Ungefähr einen Kilometer von mir entfernt befindet sich Harold Stackhursts wohlbekanntes Bildungsinstitut. »Die Giebel« war ein großer Bau, in dem sich eine Anzahl junger Leute für verschiedene Berufe, unter der Leitung eines Stabes Lehrer, vorbereiteten. Stackhurst selbst, der über eine ausgezeichnete Bildung verfügt, war früher ein wohlbekannter Sportsmann. Wir verstanden uns gut vom ersten Tage an, an dem ich mich an der Küste ansiedelte, und er war der einzige Mensch, mit dem ich so zwanglos verkehrte, dass er bei mir und ich bei ihm ohne Einladung des Abends vorsprach.
Gegen Ende Juli 1907 wehte ein so starker Sturm, dass die See bis an die Klippen rollte, wodurch bei Eintritt der Ebbe eine Lagune entstand. An dem Morgen, von dem ich spreche, war der Wind abgeflaut, und die ganze Natur erschien erfrischt und neu geboren. Es war unmöglich, an solch einem wundervollen Morgen seine alltägliche Arbeit aufzunehmen, und so machte ich schon vor dem Frühstück einen Spaziergang, um die herrliche frische Luft in vollen Zügen zu genießen. Ich wanderte den Klippenweg entlang, der zu dem zum Strand führenden Abhang leitete. Während ich rüstig ausschritt, hörte ich hinter mir einen Anruf, und wie ich mich umdrehte, sah ich den lustig winkenden Harold Stackhurst.
»Was für ein herrlicher Morgen, Mr. Holmes! Ich dachte es mir schon, dass ich Sie draußen treffen würde.«
»Sie wollen schwimmen gehen, wie ich sehe?«
»Ja! Sie sind und bleiben Detektiv«, rief er lachend und klopfte auf seine ungewöhnlich dicke Tasche, die sein Badezeug enthielt. »McPherson ist schon sehr früh aufgebrochen, er wird wohl schon unten am Strand sein.«
Fitzroy McPherson war der wissenschaftliche Lehrer, ein stattlicher junger Mensch, dessen Gesundheit durch ein Herzleiden, dem ein rheumatisches Fieber folgte, gelitten hatte. Trotzdem war er von Natur ein Athlet und war bei jedem Sport und Spiel, die nicht zu große körperliche Anforderungen an ihn stellten, der Besten einer. Sommer und Winter ging er schwimmen, und da ich selbst Schwimmer bin, habe ich mich ihm oft angeschlossen. In diesem Augenblick sahen wir den Mann selbst. Sein Kopf wurde oberhalb der Spitze der Klippe, wo der Weg endet, sichtbar. Dann erschien er in seiner ganzen Gestalt – taumelnd, als ob er betrunken wäre. Im nächsten Augenblick warf er die Arme hoch und fiel mit einem schrecklichen Schrei auf das Gesicht. Stackhurst und ich stürmten vorwärts – es mögen fünfzig Meter gewesen sein, die uns von ihm trennten und drehten ihn auf den Rücken. Er lag offensichtlich im Sterben. Die glasigen eingesunkenen Augen und schrecklich erbleichten Wangen konnten nichts anderes bedeuten. Ein schwaches Lebenszeichen kam für einen Augenblick in sein Gesicht, und er stammelte ein paar Worte, in einer Art, als ob er eine dringende Warnung aussprechen wollte. Sie waren unklar und unverständlich, aber meinem Ohr klangen die letzten Worte, die sich wie ein Schrei seinen Lippen entrangen, wie: »Des Löwen Mähne.« Diese Worte schienen durchaus sinnlos und waren nicht zu deuten, aber ich konnte die Laute trotz allem Grübeln nicht in andere Form kleiden. Dann richtete er sich noch einmal halb vom Erdboden auf, warf die Arme in die Luft und fiel auf die Seite. Er war tot…
Mein Gefährte war durch den plötzlichen Schreck wie gelähmt, ich selbst aber beachtete, wie man sich wohl denken kann, jede Einzelheit äußerst aufmerksam. Und das war nötig, denn es lag klar auf der Hand, dass wir es hier mit einem ganz außergewöhnlichen Ereignis zu tun hatten. Der Mann war nur mit seinem Burberry-Überzieher, Hosen und ungeschnürten Leinenschuhen bekleidet. Als er hinsank, war sein Mantel, der nur einfach um die Schultern geworfen war, herabgefallen, seinen Oberkörper entblößend. Wir starrten ihn verblüfft an. Sein Rücken war mit dunklen roten Striemen bedeckt, als ob er mit einer dünnen Drahtrute entsetzlich geschlagen worden wäre. Das Instrument, mit welchem diese Verletzung ausgeführt wurde, war augenscheinlich sehr biegsam, denn die langen bösen Striemen bedeckten bogenförmig seine Schultern und Rippen. Blut tropfte von seinem Kinn herab, denn er hatte in seiner Qual die Unterlippe durchbissen. Sein entstelltes und verzerrtes Gesicht legte Zeugnis davon ab, wie entsetzlich diese Qualen gewesen sein müssen. Ich kniete, und Stackhurst stand bei der Leiche, als uns plötzlich ein Schatten darauf aufmerksam machte, dass Ian Murdoch neben uns stand. Murdoch war der Mathematiklehrer des Institutes, ein hochgewachsener, dunkler, schlanker Mann, so schweigsam und sonderlich, dass von niemand gesagt werden konnte, er sei sein Freund. Er schien in einer höheren Region, in einer anderen Welt zu leben und wenig Verbindung mit dem täglichen Leben zu haben. Seine Schüler betrachteten ihn als ein Original und hätten vielleicht ihren Spott mit ihm getrieben, wenn sie nicht gewusst hätten, dass in den Adern dieses Mannes ein seltsames, fremdländisches Blut floss, das sich nicht allein in seinen kohlschwarzen Augen und seiner dunklen Gesichtsfarbe, sondern auch in gelegentlichen Temperamentsausbrüchen, die man nur als wild bezeichnen konnte, zeigte.
Als er einmal von einem kleinen, dem McPherson gehörenden Hund belästigt wurde, packte er einfach das Tier und warf es glatt durch das Spiegelglasfenster. Stackhurst hätte ihn deshalb sicher entlassen, wenn er nicht ein so vorzüglicher Lehrer gewesen wäre. Das war der fremde eigenartige Mann, der an unserer Seite aufgetaucht war. Er schien von dem Anblick, der sich ihm darbot, ehrlich entsetzt zu sein, obgleich der Vorfall mit dem Hunde als Beweis dafür gelten dürfte, dass zwischen den beiden Männern, dem Toten und ihm, keine allzu große Sympathie bestanden hatte.
»Armer Kerl! Armer Kerl! Was kann ich tun? Wie kann ich helfen?«
»Waren Sie bei ihm? Wissen Sie, was hier geschehen ist?«
»Nein, ich hatte mich heute Morgen verspätet, ich war überhaupt noch nicht am Strand. Ich komme direkt von den ›Giebeln‹. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Eilen Sie sofort zur Polizeistation Fulworth und berichten Sie, was hier geschehen ist.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begab er sich in größter Eile auf den Weg, und ich machte mich daran, den Fall zu untersuchen, während Stackhurst, der durch die Tragödie vollständig niedergeschmettert war, bei dem Toten blieb. Meine erste Aufgabe war natürlich, festzustellen, wer am Strande war. Vom Anfang des Fußweges aus konnte ich die ganze Küste übersehen; alles war vollständig öde und verlassen, nur ganz weit entfernt waren die Umrisse einiger Gestalten sichtbar, die sich in der Richtung auf das Dorf Fulworth bewegten. Nachdem ich diese Feststellung gemacht hatte, wanderte ich langsam den Fußweg hinab. Lehm und leichter Mergel und hin und wieder etwas Kreide bildeten den Boden, und dieselbe Fußspur aufwärts und abwärts des Weges war deutlich erkennbar. Niemand anders als McPherson war an jenem Morgen auf diesem Wege nach dem Strand hinabgestiegen. An einer Stelle gewahrte ich den Abdruck einer geöffneten Hand mit leicht nach innen gekrümmten Fingern. Hieraus konnte man nur schließen, dass der arme McPherson beim Hinaufsteigen des Weges gefallen war. Auch sah ich hie und da runde Eindrücke. Er war also mehrere Male auf die Knie gefallen. Am Ende des Weges befand sich die ziemlich große Lagune, die die Ebbe hinterlassen hatte. Am Rande derselben hatte sich McPherson entkleidet, denn sein Handtuch lag noch auf dem Felsen. Es war zusammengefaltet und trocken, sodass es den Anschein hatte, dass er gar nicht im Wasser gewesen war. Ein- oder zweimal, während ich so in dem Steingeröll herumspürte, fand ich kleine Sandstellen, auf denen die Spur seiner Strandschuhe und auch des bloßen Fußes sichtbar war. Diese letztere bewies, dass er bereits zum Baden fertig war, während man aus dem trockenen Handtuch wohl schließen konnte, dass er noch nicht im Wasser gewesen war.