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Paracelsus' Werk 'Sieben Verteidigungsreden' ist ein bedeutendes Werk der Renaissance-Medizin und -Alchemie. In diesem Buch verteidigt der Autor seine revolutionären medizinischen Theorien und Praktiken, die von der traditionellen Medizin seiner Zeit stark abwichen. Paracelsus schreibt in einem kraftvollen und überzeugenden Stil, der seine Leidenschaft für die Wissenschaft und die Verbesserung der menschlichen Gesundheit zeigt. Seine Verteidigungsreden sind sowohl eine intellektuelle Herausforderung als auch ein historisches Dokument über den Konflikt zwischen alten und neuen medizinischen Ansätzen im 16. Jahrhundert.
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Seitenzahl: 60
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Leser, damit ich dir berichte, warum diese defensiones von mir geschrieben worden sind, merke dies: Gott hat den Geist der Arznei durch Apollinem, durch Machaonem, Podalirium und Hippocratem gründlich angefangen werden lassen, und hat das Licht der Natur ohne einen verfinsterten Geist wirken lassen, und es sind trefflich wunderbare große Werke, große magnalia, große miracula aus den mysteriis, elixiriis, arcanis und essentiis der Natur vollendet worden, und ist in etlichen frommen Männern, wie obgemeldet, die Arznei wunderbarlich empfangen worden. Weil uns aber der böse Feind mit seinen Raden und Unkraut nichts im lauteren Weizenacker wachsen läßt, ist die Arznei von dem ersten Geist der Natur verfinstert worden und in die Widerärzte gefallen und mit Personen und Sophistereien hin und wieder so verhaspelt worden, daß niemand dahin, in das Werk, hat kommen können, in welches Machaon und Hippocrates gekommen sind. Und was in der Arznei nicht mit Werken probiert, das ist erprobt, wird, das hat seine Disputation, das sind Geltungsgründe, verloren und gewinnt im Arguieren, das ist im Beweisgespräch, noch minder. Nun, mein Leser, merke auf! Wenn sich wider die sophistische Legion eine wirkende Doktrin setzte, ob die nicht billig (geeignet) wäre, daß das Werk das Schwätzen zu Boden legte? Rat, Leser, auf wen rede ich? Auf die Heiligen, die nicht Zeichen tun. Der Zulauf und concurs, das ist Zusammenlauf, könnte manchen erschrecken, daß er davon abstünde, dem Klapperer sein Maul zu verstopfen. Aber der Ausgang und der recurs, das ist Zurücklauf, beweisen, daß auf den concurs nichts zu halten ist. Aus dem selbigen entspringt der Irrtum, daß der Hippocrates ein Geschwätz sein muß, und der Geist der Wahrheit in der Arznei muß durch diese Sophisten ein Klapperer werden. Denn was ist, das einem Schwätzer zu viel sei?
Aus dieser Rotte haben sich etliche von ihrem Maul übereilen lassen und sich mit Schändworten verteidigt, denn weil sie die Arznei in das Maul gebracht haben, haben sie sich mit dem Maul, das nichts anderes denn Schänden und Lästern kann, verteidigen müssen. Solche lingua dolosa, das ist trugvolle Sprache, hat auch wider mich gestochen. Es ist aber von nöten, dieweil sie nit auf den ersten Felsen der Arznei gebaut sind, sondern haben sich auf einen Küchenfelsen gesetzt, die Wahrheit der arzneiischen Kunst vergessen haben, und mit ihren sophistischen fabulis mich und andere in ihren Larven umtragen, ihnen solches nit ohne Antwort zu lassen. Wäre aber einer auf das erste Zentrum gewidmet, das ist: ihm zugeordnet, solche Scheltworte gingen von ihm nicht aus. Ihre beste Kunst ist ihre Rhetorik und die Gevatterschaft derselben, und die Tugend, die den pseudomedicis anhangt. Drum, Leser, folgen hernach auf sie die Antworten, auf daß du dich in den selbigen zu bescheiden wissest, das ist: auskennst. Obwohl die Sachen solcher Leute zu verantworten nit not wäre; man ließe sie einfach poetische Ärzte bleiben, rhetorische Rezeptschreiber und nebulonische Praeparierer; mit der Zeit würde man ihrer müd werden, – aber damit das verstanden werde, daß ein Arzt ohne Werk nichts taugt und daß das Werk der Arzt sei, nicht das Schwätzen, hier zu einer Unterrichtung, ist solches von mir geschehen. – Darum, lieber Leser, bin ich auch gehindert worden, daß meine Schriften nicht an den Tag kommen sollten. Habe jedoch Kärnten, das Erzherzogtum, mit ihnen verehrt. Wenn es durch die selbigen löblichen Herren an dich gelangen wird, wo du auch in der Welt solches empfängst, ohne diese Landschaft käme es dir, Leser, nit in die Hand. Liebe deshalb die theoricam in diesem Werk, ja noch viel mehr die Werke der Kunst. Gegeben zu Sant Veit in Kärnten am 19. Tag augusti der mindern Zahl 38.
Daß ich hie, in diesem Werk, eine neue theoricam, auch physicam, mit samt neuen rationibus, welche von den philosophis, astronomis auch medicis bisher nie gehalten noch verstanden wurden hereinbringe, geschieht aus der Ursachen, deren ich euch jetzo unterrichten werde. Eine nämlich, die sich genugsam beweist, ist, daß die alten theorici die rationes und causas morborum ungewiß und ungerecht beschrieben haben, und damit einen solchen Irrsal eingeführt und denselben dermaßen bestätigt haben, daß er für recht und unwidersprechlich gehalten und geachtet worden ist, und ist so eingewurzelt und dermaßen gehalten und erhalten, daß keiner weiter ein anderes suchte, oder das selbige ein Irrsal zu sein geschätzt hat. Solches darf ich euch wohl zu erkennen geben, denn ich muß es eine große Torheit zu sein urteilen, alldieweil der Himmel für und für, im Lichte der Natur, ingenia, neue inventiones, neue artes, neue aegritudines gebiert und macht, – ob dieselben nicht auch sollten gelten? Was nutzt der Regen, der vor tausend Jahren gefallen ist? Der nützt, der jetzt zugegen, fällt. Was nützt der Sonnenlauf vor tausend Jahren dem jetzigen Jahr? Sagt nit Christus die Auslegung, wie wir das beurteilen sollen, so sprechend: es ist genug, daß der Tag sein eigen Joch trage, das ist so viel geredet: es ist genug, daß du das tust, das der selbige Tag gibt, und weiter beschließt, der morgige Tag trägt auch seine Sorge, für sich selbst. Wenn nun die Sorge für sich selbst geht, und ein jeglicher Tag hat zwölf Stunden, und eine jegliche Stunde ihre besondere Wirkung, was schadet die zwölfte Stunde da der ersten? Oder welcher Nachteil ist der ersten die zwölfte, wenn ein jeglich Ding nach seiner Zeit in seine eigene monarchiam gesetzt ist? Auf das jetzige sollen wir sorgen und nit auf das vergangene. Und eine jegliche monarchia ist mit vollkommenem Licht der Natur versorgt. Und so sind die Wunderwerke Gottes: daß das Licht der Natur in den vielen monarchias zwischen dem Anfang und dem Ende der Welt sich ändert, was vielfach übersehen worden, und nit nach Inhalt dieser Monarchien gehandelt worden ist. Drum will ich, aus Kraft des jetzigen Lichts der Natur und aus praedestinierter Ordnung der jetzigen Monarchie in meinem Schreiben von männiglich ungestraft sein, und noch minder will ich wegen der Sophisterei, die ich ein Irrsal in der Arznei nenne, angetastet und auch behindert sein.