Single in the City - Andrea Saggau - E-Book

Single in the City E-Book

Andrea Saggau

4,8

Beschreibung

Haben sich Ihre Blind-Dates bisher wie eine Begegnung mit der dritten Art erwiesen? Und entpuppte sich der Supermarkt bisher auch nicht als klassischer Heiratsmarkt? Wie schwierig es ist, aus einem Meer an Singles den für sich passenden Partner herauszuangeln, wissen die Hauptfiguren dieses Streifzugs durch den Großstadtdschungel. Begleiten Sie die beiden charmanten Protagonistinnen durch Kneipen, Partys, Chatrooms und finden Sie Ihren Weg zu Mr. Right.

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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2005

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Andrea Saggau, Susanne Wernstedt

Single in the City

Für unsere Mütter Ingrid und Lisa und all die Männer, die den Stoff für dieses Buch geliefert haben.

Andrea Saggau

Susanne Wernstedt

Single in the City

Auf der Suche nach Mr. Right

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]@mvg-verlag.de

Die gebundene Ausgabe erschien unter der ISBN 3-478-73100-3

Nachdruck 2013 © 2005 bei mvgVerlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Atelier Seidel, Altötting Satz: Redline GmbH, J. Echter Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86882-382-0 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-029-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Siewww.mvg-verlag.de Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhalt

Einleitung

Jagdreviere

Weiblich, ledig, jung sucht

One-Night-Stand

Sex beim ersten Date

Treue

Vier Paare und ein Single

Mythos Single

Das Beste am Single-Leben

Weihnachten als Single

Männer, auf die wir nie wieder hereinfallen!

Zusammen leben

Glücklich sein

Danksagung

EINLEITUNG

Tina über Anne

Ich kenne Anne jetzt bereits seit drei Jahren. Wir sind nicht nur Kolleginnen, sondern vor allem Freundinnen. Die allerbesten sogar. Eine gute Freundin ist viel wert. Auf sie ist immer Verlass, was ich von den Männern in meinem Leben nicht gerade behaupten kann. Anne musste mich schon über so manchen Liebeskummer hinwegtrösten. Natürlich stehe ich ihr auch bei, wenn sie mal wieder enttäuscht worden ist. Wir sind beide Singles. Und obwohl wir schon häufig eines Besseren belehrt worden sind, glauben wir immer noch an den Mann fürs Leben.

Schon komisch, dass wir so eng befreundet und doch so unterschiedlich sind. Anne geht liebend gern auf Vernissagen oder ins Theater. Ich hingegen ziehe Pop- und Rockkonzerte vor. Einmal hat sie mich überredet, mit ihr eine postmoderne Aufführung zu besuchen. Nie wieder, habe ich hinterher beschlossen. Das Leben ist schon schwierig genug. Im Anschluss an das Stück sind wir in unsere Lieblingsbar gegangen. Sie trinkt zwei Gläser Wein und wird müde, ich werde von dieser Menge erst so richtig wach.

Und dann ihre Wohnung. Ein Musterbeispiel für „Schöner Wohnen“. Jedes Mal, wenn ich sie besuche, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil bei mir zu Hause das Chaos eingezogen ist. Anne kann hervorragend kochen, bei mir deckt meistens „Erasco“ den Tisch. Sie hat ein Faible für die deutsche Dichtung der Romantik, in meinem Bücherregal stehen überwiegend Krimis. Sie träumt von einer Hochzeit in Weiß. Wenn ich einmal heiraten sollte, dann nur heimlich. Ja, wir sind schon sehr unterschiedlich und passen trotzdem wunderbar zusammen. Mit echter Freundschaft verhält es sich schließlich so wie mit der Liebe: Sie sind beide unerklärliche Phänomene.

Anne über Tina

Tina zeigte mir an meinem ersten Arbeitstag die Poststelle, verriet mir, wo es mittags die besten Nudeln gab, und besorgte mir meine ersten Büroklammern. Das war nett. Noch sympathischer wurde sie mir, als ich bemerkte, dass sie nach den Wochenenden nur von sich statt von „wir“ sprach. Schließlich ist für einen Single nichts schlimmer als eine Kollegin, die gleich am Montagmorgen davon schwärmt, dass ihr Freund am Sonnabend für sie gekocht und den Tisch mit Rosenblättern dekoriert hat. Ich fand schnell heraus, dass Tina ebenso wie ich Single ist. Und als sie mir in der zweiten Woche die Abteilungen aufzählte, in denen gut aussehende Männer arbeiten, wusste ich: Wir können wahre Freundinnen werden.

In den folgenden drei Jahren ist Tina dann zur Konstante in meinem Leben geworden. Nicht, weil sie so bodenständig ist. Nein, sie ist eher das personifizierte Chaos. Sie bringt Verabredungen durcheinander, verpasst Flüge und vergräbt auf ihrem Schreibtisch die wichtigsten Unterlagen unter einem Berg staubigen Papiers. Ihr Kühlschrank ist bis auf ein paar Weinflaschen immer leer, aber der Mülleimer läuft trotzdem stets über. Ohne jeden Sinn für Gemütlichkeit stopft sie ihre Wohnung mit Gegenständen voll, die sie nie braucht. Sie sammelt alles und verliert es sofort wieder. Selbst Telefonnummern von Männern, die sie abends an der Bar kennen lernt. Na ja, meistens sind es eh die Falschen. In all den Jahren ist Tina immer Single geblieben. So wie ich. Und wann immer ich ihr etwas erzählen möchte, kann ich sie anrufen, ohne dass es einen Mann in ihrem Bett gibt, der sich darüber beschwert. Nur wenn sie mal wieder ihr Handy verloren oder die Telefonrechung nicht bezahlt hat, ist Tina für mich nicht erreichbar. Das kommt zum Glück nicht allzu oft vor, deshalb ist Tina so beständig für mich. Und weil wir die meisten Single-Geschichten zusammen erleben, sagen wir am Montagmorgen längst zusammen „wir“!

JAGDREVIERE

Zwischen Tango, Tresen und Theater: Anne sucht ihr Glück auf Vernissagen, und Tina lässt sich zu einem Tango-Kursus überreden ...

Anne

Tina, sage ich immer, so wird das nichts. Der Mann fürs Leben, der lehnt nicht einfach mit einem Bier in der Hand an einem Tresen. So lässig sind sie nicht zu haben, die Guten. Du musst nach ihnen suchen, und das solltest du ganz theoretisch angehen. Dein Leben braucht einen Entwurf, dazu musst du dir selbst tausend Fragen beantworten. Will ich Kinder haben oder Karriere machen? Im Landhaus oder einer Stadtwohnung wohnen? Will ich frei sein oder abgesichert? Trinke ich lieber Bier oder Wein und wenn Wein, dann rot oder weiß ... ?

Zugegeben, du kannst da schon vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Aber bevor du dich auf die Suche begibst, musst du doch wissen, was du willst und wo du es findest. Schließlich gehst du ja auch nicht einkaufen, ohne zu wissen, was du kochen willst und wo der Supermarkt ist ... „Tina! Hörst du mir überhaupt zu?“

Ich weiß längst, was ich will. Ich möchte mal heiraten, in Weiß, und die Feier soll unter Apfelbäumen stattfinden. Danach soll er mich auf Händen in die 5-Zimmer-Stadtwohnung plus Ankleidezimmer mit Platz für mindestens 100 Paar Schuhe tragen und dann gefälligst durch das ganze Leben. Und wenn er nicht mehr kann, darf er mich eine Weile auf einem Bett aus Rosen ablegen. Am liebsten in einem Haus in der Toskana, mit einem eigenen Pferd vor der Tür oder einem ganzen Gestüt. Also gut, man kann nicht alles haben. Aber Gemeinsamkeiten, die über eine Nacht hinaus reichen, die müssen sein – da bin ich mir sicher.

Also sage ich immer zu Tina: Erst musst du Interessen entwickeln, ihnen dann auch wirklich nachgehen, und dann findet sich auch jemand, der sie mit dir teilt. Sex ist eben nicht alles, wie meine Mutter immer so schön sagt. Mich zum Beispiel interessiert alles Kulturelle. Film, Bücher, Theater und Kunst. Ich gehörte schon in der Schule zu den Mädchen, die sich in ihre Deutsch- und nicht in die Sportlehrer verliebt haben.

Später waren es die Professoren. Meistens in jedem Semester ein anderer, nur einen verfolgte ich das ganze Studium hindurch in jedes seiner Seminare. Er trug eine Brille mit schwindelerregend dicken Gläsern. Schwer waren die, denn die Brille rutschte immer seinen Nasenrücken herunter. Er schob sie mit dem Zeigefinger hoch, aber das Gestell fand dort keinen Halt und glitt erneut Richtung Nasenspitze. Meistens trug er Breitkordhosen, die am Hintern und an den Knien abgewetzt waren. Zugegeben, er war kein schöner Mann, aber wenn er anfing zu reden, herrschte Stille. Niemand malte auf Unterlagen oder las die neueste Ausgabe des Stadtmagazins. Seinen Worten wurde Respekt gezollt, vor seinem Wissen hatte man Ehrfurcht. Ich folgte seinen Ausführungen still, soweit ich überhaupt mitkam. Niemals stellte ich Fragen. Überhaupt habe ich nie ein Wort verloren, schon gar nicht über meine heimliche Leidenschaft.

Heute bin ich froh, dass es eine stille Liebe war und niemals etwas daraus wurde. Schließlich war er 40 Jahre älter als ich. Wahrscheinlich ist er längst im Altersheim. Sein Geist ist verwirrt, die Sehschwäche noch schlimmer geworden, und die Breitkordhose von damals trägt er bestimmt noch immer.

Ich habe mich gebessert. Ich projiziere nicht mehr in jeden vergeistigten Oberlehrer den potenziellen Vater meiner Kinder hinein. Aber ich weiß, ich will einen, der sensibel und geistreich zugleich ist. Den finde ich bestimmt nicht in einer Szenebar. Dort, wo Tina am liebsten hingeht. Meines Wissens trifft sie dort nur große Jungs. Solche, die nicht erwachsen werden wollen. Die haben Plattensammlungen, tragen Trainingsjacken im Retro-Look und wollen keine Verantwortung übernehmen. Schon gar nicht für eine feste Beziehung. Aber Smalltalk halten, das können sie schon. Sagt Tina. Dabei erwartet sie viel mehr. Aber Tina ist in ihrer Spontanität manchmal etwas planlos. Das zeigt sich nicht nur bei der Suche nach einem Mann.

Neulich fiel ihr 20 Minuten vor Geschäftsschluss ein, dass sie ein neues Telefon braucht. Das alte hat ein Rauschen in der Leitung gehabt, und schließlich wollte heute Abend einer dieser Nick-Hornby-Typen anrufen. Also hetzt sie los. Abends telefoniert sie dann im Stehen vor dem Wohnzimmerregal, weil sie sich ein Gerät mit integriertem Fax gekauft hat. 30 Zentimeter breit, 20 Zentimeter hoch und schätzungsweise 10 Kilo schwer.

Sie hatte sich vergriffen, denn eigentlich braucht sie ein federleichtes Schnurloses, mit dem sie sogar vom Bett aus telefonieren kann. Aber so ein monströses Faxgerät mit einer zwei Meter langen Schnur trägt sich eben verdammt schlecht durch die ganze Wohnung. So etwas kann Tina auch mit den Männern passieren. Sie greift einfach zu, und am Ende hat sie einen zu Hause, mit dem sie gar nichts anfangen kann.

Einmal überredete ich sie zu einem Tango-Kurs. Tango ist ein klasse Hobby, dachte ich, das hat Schwung, ist emotional und passt zu Tina, weil sie so gern tanzt. Sie willigte ein, natürlich mit der Aussicht auf ein gut gebautes, glutäugiges Model mit stählernen Muskeln als Tanzpartner. Stattdessen wurde ihr ein untersetzter Immobilienmakler zuteil. Seine Zähne haben sie wohl am meisten gestört, ich dagegen fand die feuchten Froschhände schlimmer. Tina schmiegte sich auch nicht zum feurigen Rhythmus in seine Arme, sondern wirkte wie in einen Schraubstock gezwängt. Und sehr, sehr unglücklich. Jedenfalls war sie nicht mehr gewillt, mitzukommen. Ich konnte es schon verstehen. Also war ich ab sofort wieder allein unterwegs.

Ich suche mit „Kultur“. Immer gern auf Vernissagen. Da träume ich von einem mit Klavierhänden, der auf mich zukommt und so etwas Feingeistiges sagt wie: „Finden Sie nicht auch, dass das ambivalente Verhältnis zwischen dem Künstler und seiner Mutter in diesem abstrakten Werk besonders deutlich wird?“ Meine Antwort wird mich dann selbst überraschen.

So wie neulich im Englischen Theater. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denke ich mir. Einerseits mein desolates Englisch aufbauen und gleichzeitig Ausschau halten. Ich habe mich durch ein paar Texte von Shakespeare gequält und heimlich in der Buchhandlung im Univiertel die Interpretation von „Die Tragödie des König Lear“ besorgt – und gelesen. Regisseur, Schauspieler und sogar der Bühnenbildner waren mir nach ausführlicher Recherche bestens bekannt. Ich bin also auf mögliche Gespräche über das Stück bestens vorbereitet.

In der Pause bemühe ich mich um Haltung. Gar nicht so einfach auf sieben Zentimeter Absatz. Der Teppich ist sehr weich, bei jedem Schritt sinke ich tief ein. Der unebene Boden erschwert mir zusätzlich den Weg zur Bar. Trotzdem lege ich den Lady-Diana-Blick auf, so von unten nach oben, und schon bald steuert ein attraktiver Kandidat auf mich zu. Ich ziehe den Bauch noch weiter ein und strahle ihm entgegen, bis er vor mir Halt macht. Er eröffnet das Gespräch mit so etwas wie „An eloquent approach at the contemporary idiosyncrasies of the court’s interpretation of etiquette among the gentry. Wouldn’t you quite agree?“

Agree was??? Schlagartig vergesse ich fast jede englische Vokabel, die ich jemals gelernt hatte. „Sorry, where are the toilets?” Mehr fällt mir nicht ein. Ich eiere über den blöden, weichen Teppich zur Toilette und schließe mich in eine Klozelle ein.

Ich schäme mich zutiefst. Gleichzeitig ärgere ich mich über mich selbst. So ein feiner Brite. Bestimmt hätte er mich nach der Vorstellung ausgeführt und mich zum Abschied geküsst. Später hätten wir geheiratet, wären zusammen nach London gezogen. Notting Hill natürlich. Nachdem wir im „Harrods“ shoppen waren, würden wir im „Savoy“ unseren Tea trinken und uns auf einen Abend in der „English National Opera“ freuen. Das wäre es gewesen. Aber vorher hätte ich noch einen Englisch-Kurs an der Volkshochschule belegen müssen. Nach dem Pausengong schleiche ich mich davon.

Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Auf der Doppellesung der beiden jungen deutschen Literaten hat es schon viel besser geklappt. Unheimlich gut aussehende Männer sitzen da. Viele tragen legere Anzüge, halblange Haare und haben leider meistens eine Frau an ihrer Seite. Wenn der eine Autor liest, muss ich mich nicht konzentrieren. Sein Buch habe ich bereits gelesen. So lächle ich gelegentlich durch die Reihen. Der neben mir ist auch nicht schlecht. Er ist jung, allein und trägt eine Brille mit dickem schwarzem Rand. Ich mag diese Brillen. Sie lassen jeden Mann intelligent aussehen. Von Zeit zu Zeit wechselt er seine Sitzposition. Mal schlägt er die Beine übereinander, dann stützt er das Kinn auf seinen Daumen. Dabei steift er versehentlich meinen Unterarm. Meine Chance ist gekommen. Ich lächle ihn an. Sein Blick erforscht mein Gesicht und bleibt für einen kurzen Moment an meinem Mund mit dem neuen kirschfarbenen Lippenstift hängen. Wenn jetzt nichts verschmiert ist, habe ich gewonnen.

Nach der Lesung verlasse ich vor ihm den Saal. Ich laufe nicht zu schnell, damit er mir auch folgen kann. Kurz vor dem Ausgang hält er mich tatsächlich am Arm zurück und fragt „Trink mer a Glasl Wein zsammen?“ Der Abend im Literaturhaus-Café wurde romantisch. Die Kellner stellen bereits die Stühle hoch, als wir den letzten Tropfen der zweiten Flasche Rotwein tranken. Erst haben wir über die Bücher der Autoren gesprochen, am Ende sind wir bei unseren Ex und der Liebe gelandet. „Ach“, sagte er, „irgendwann, da möchte ich mal heiraten, wissen, wohin ich gehöre.“

Ich glaube, wir hätten schon ein gutes Paar abgegeben, aber leider reichten meine Gefühle am Ende doch nicht von Hamburg bis nach München.

Am nächsten Tag sitze ich bei meiner Mutter am Küchentisch. „Mama“, jammere ich, „ich habe wieder einen gehen lassen, der mich geheiratet hätte!“ Sie erkennt den dramatischen Ernst der Lage, wuchtet mir einen Bottich Fencheltee vor die Nase und rät mit der Kraft ihrer 70 Jahre Lebenserfahrung: „Kind, es muss halt auch der Richtige sein. Der kommt schon noch. Gib auch mal denen eine Chance, die nicht gleich dein Herz zum Rasen bringen.“

Ja ja, denke ich, und Sex mit weichem S – wie sie es immer spricht – ist nicht alles. Aber gut, vielleicht werde ich beizeiten mal auf ihren Rat hören. Aber Samstagnacht gehe ich erst mal auf eine Modenschau. Da gibt es eh kaum Männer, aber andere Dinge, die meinen Puls in die Höhe treiben. Klamotten. Ich liebe Mode.

Ich kaufe für mein Leben gern Kleider. Keine Röcke, keine Hosen, sondern schön feminine Kleider. Meist mit schlechtem Gewissen. Das Spiel läuft immer gleich ab.

Ich sehe ein Kleid, betrete den Laden, und obwohl ich genau weiß, dass ich es kaufen werde, drehe und wende ich mich darin mindestens eine halbe Stunde vor dem Spiegel. Die Verkäufer nervt so etwas, aber sobald die Kreditkarte durch das Gerät gezogen wird, muss ich mir zumindest sagen können: „Na ja, lange genug gehadert habe ich ja.“ Wegen des Gewissens.

Hinterher rufe ich Tina an und beklage meinen Kontostand. „Ach komm“, sagt sie dann, „wir haben keine Häuser, keine Autos und keine teuren Hobbys, da kann man sich ja wohl mal ein Kleid gönnen.“ Da hat sie Recht. Mir kommt aber oft der Verdacht, dass ich kein Haus, kein Auto und nicht einmal ein Sparkonto habe, weil ich mir immer so teure Kleider kaufe.

Aber zurück zur Modenschau. Ich trage mein neuestes Kleid im 50er-Stil, kaufe mir eine Karte, reihe mich in die Schlange ein und betrete den Showroom. Wow, kühle weiße Wände, ein roter Teppich ist in den labyrinthartigen Räumen ausgelegt, in denen lässiger Chillout läuft. Die Show lässt allerdings auf sich warten. Nach einer geschlagenen Stunde setzen sich die ersten Gäste auf den Boden, Gespräche verstummen, Warten setzt ein. Ein Typ neben mir steigt im Sekundentakt ungeduldig von einem Bein auf das andere. Deshalb fällt er mir überhaupt erst auf. Es gibt eben Männer, die sieht man nicht, selbst wenn man sieben Jahre keinen Sex hatte und zwölf Jahre keine Liebeserklärung mehr bekommen hat. Schon gar nicht, wenn sie aussehen, als ob sie von Kopf bis Fuß auf Restpostenmarkt eingestellt sind. Und das auf einer Modenschau. Ich male mir schon aus, wie ich nachher bei Tina über ihn lästern werde, als plötzlich die Worte meiner Mutter in meinem Kopf widerhallen. Vielleicht sollte ausgerechnet er die Chance bekommen, von der sie sprach!

Ich sehe also über die offensichtliche Hilflosigkeit bei der Wahl seiner Kleider hinweg und rede ihn mir schön. Das dicke Haar, die kräftigen Hände und als Mann allein auf einer Modenschau. Das hat was. Außerdem hat so einer bestimmt Verständnis für Frauen, die gern Designer-Kleider kaufen. Ich schenke ihm also ein Lächeln. Er springt an. „Himmel, dauert das immer so lang?“, fragt er. Ich erkläre, dass es heute ungewöhnlich spät wird, und frage, ob er das erste Mal auf einer Modenschau sei. Ja, bestätigt er mir, er sei Journalist bei einer Tageszeitung. Eigentlich für das Ressort Wirtschaft zuständig, aber heute hätte sich niemand aus der Kulturredaktion gefunden, der diesen Termin übernehmen könnte. Er fühle sich auch unwohl hier, wegen seiner unpassenden Kleidung. Dann sieht er mich an, lässt seinen Blick an mir herab-gleiten und sagt: „Aber die Frauen hier tragen ja auch nicht unbedingt so teure Fummel.“ Er lächelt mich an, als habe er mir das schönste Kompliment gemacht.

Nee, Mama, beim besten Willen nicht. Einer, der blind mein schönstes Kleid beleidigt, hat keine Chance verdient. Da bin ich lieber allein. Selbst wenn ich noch weitere 1000 einsame Stunden vor unzähligen Exponaten, in Theatern oder klassischen Konzerten verbringe. Irgendwann treffe ich schon noch meinen Traummann.

Tina

Es war einer dieser kritischen Abende im November. Ich langweilte mich mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa, fühlte mich mehr denn je allein und verlassen von dieser Welt, als das Telefon klingelte. Anne! „Komm lass uns Tango tanzen lernen“, schlug sie vor. „Tango?“ – „Ja, warum denn nicht?“, entgegnete sie. „Zum einen soll es sehr viel Spaß bringen, zum anderen lernt man dort jede Menge interessanter Männer kennen.“ Das war natürlich ein Argument. „Christian ist auch mit dabei“, fuhr sie fort. Ausgerechnet Christian! Christian, ein gemeinsamer Freund von Anne und mir, gehört zu der Sorte Männer, die zu jeder Tanzfläche einen Sicherheitsabstand von mindestens fünf Meter wahren. Wie sie den wohl überredet hatte? „Und ich? Mit wem soll ich tanzen?“ – „Ach, das wird sich schon ergeben“, sagte Anne hoffnungsfroh. „Pass mal auf, das wird sogar sehr spannend werden.“ Vielleicht hatte sie ja Recht?!

Die Erinnerung an vergangene Tanzschulstunden, an verschwitzte Jungenhände, zertretene Zehen und die Gewissheit, dass der Klassenschwarm doch nur wieder die üppiger entwickelte Nachbarin auffordert, schob ich rasch beiseite. Ich war erwachsen, und Tango hörte sich an diesem kalten Novemberabend verdammt heiß an, das klang nach Temperament, nach Lust und Leidenschaft, nach Latin Lover.

Die wenigen Männer, die zu dem Kursus ohne weibliche Begleitung erschienen waren, brachten mich unwillkürlich auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir waren, wie ich feststellte, immer noch in Hamburg Barmbek und nicht in Buenos Aires. Mir spielte das Schicksal einen Tanzpartner zu, der auf den äußerst temperamentvoll klingenden Namen Jürgen hörte. Er stellte sich mir als „Makler in kleinem Rahmen“ vor und entblößte beim Lächeln eine Reihe unregelmäßiger Zähne, die darauf hindeuteten, dass seine Immobiliengeschäfte wohl wirklich nicht sehr gut gingen.

Schon beim ersten Tanz umklammerte Jürgen mich, als ginge es darum, mich aus akuter Seenot zu retten. Ich tat mir Leid. Zu allem Überfluss kam jetzt auch noch José, unser Tanzlehrer und der einzig echte Argentinier in der Runde, auf uns zu. „Du musst dieser Frau mehr Impulse geben“, hörte ich ihn zu Jürgen sagen. Um Gotteswillen, nur das nicht, dachte ich und war heilfroh, dass mein Tanzpartner hilflos hanseatisch mit den Achseln zuckte.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ein wenig neidvoll die anderen. Es gab Paare, die trotz Anfängerstatus schon recht anmutig über das Parkett schwebten. Die waren eindeutig nicht nur beim Tango ein eingespieltes Team. Mir wurde klar, dass dieser Tanz Nähe zwischen zwei Menschen erfordert. Zum Kennenlernen indes eignet er sich herzlich wenig. Es tröstete mich ein bisschen, dass es zwischen Anne und Christian auch nicht so recht klappen wollte. Jetzt hatte er ihr schon zum zweiten Mal auf die Füße getreten, die in Schuhen steckten, für die sie bestimmt einen halben Monatslohn hingeblättert hatte. Das schmerzt!

Eine Stunde kann sehr lang sein, aber irgendwann war auch sie vorbei. Jürgen bedankte sich artig und bat um eine Fortsetzung unserer gemeinsamen Tanzstunde. „Mmmh, ich glaube, Tango ist nicht so das Richtige für mich, ich versuch‘s lieber mal mit Wiener Walzer“, stotterte ich. Glücklicherweise akzeptierte er das sofort. Auch Christian war nicht zu einem weiteren Versuch zu bewegen. Sein norddeutsches Temperament käme dem Tango nicht sehr entgegen, meinte er lakonisch. Immerhin hatte er nichts gegen südamerikanischen Rotwein einzuwenden. Wir beschlossen, den Abend in unserer Lieblingsbar ausklingen zu lassen.

Ich mag Bars. Dort fühle ich mich auf vertrautem Parkett. Vertrauter jedenfalls als auf dem Tango-Tanzboden. Oder aber im Fußballstadion.

Ich hatte mir mal eine Dauerkarte für die Nordkurve gekauft. Nicht, dass mich der Sport auch nur im Geringsten interessiert hätte. Im Gegenteil: Selbst Kugelstoßen oder Kegeln finde ich reizvoller. Aber wo anders als im Stadion trifft man so viele Männer auf einem Fleck? Dass das keine besonders glorreiche Idee war, sollte ich sehr schnell feststellen. Gegen König Fußball hätte ja nicht einmal eine Verona Feldbusch in sündigen Dessous ein Bein auf den Boden bekommen.

Nun ist mir diese Vereinsduselei genauso fremd wie die Abseitsregel. Meine Sympathiebekundungen gehörten jedenfalls nicht einer Mannschaft, sondern selbstverständlich den bestaussehenden Spielern auf dem Platz. Leider hatten die Typen links und rechts von mir so gar kein Verständnis dafür. Die Blicke, die ich für meine Beifallstürme erntete, sahen nicht sehr einladend aus. Ich gab mich schließlich geschlagen und räumte das Feld. Immerhin tröstete ich mich mit der Erkenntnis, dass mir Sex in schwitziger St.-Pauli-Bettwäsche erspart geblieben ist.

Die Dauerkarte schenkte ich Christian, und die vielen freien Sonnabendnachmittage, die jetzt wieder vor mir lagen, verbrachte ich brav mit Anne in der Bauch-Beine-Po-Gruppe unseres Fitnessstudios.

Bauch-Beine-Po (BBP) ist eine der Pflichtübungen, die der freie Markt einer jeden Single-Frau abverlangt. Die Konkurrenz schläft ja nicht. In letzter Zeit trainierte ich besonders intensiv. Nicht, weil ich plötzlich Gefallen an dem Gehopse auf staubigen Turnhallenboden gefunden hatte. Nein, der Grund für meinen Eifer lebte in London und hieß Conrad.

Conrad hatte ich in einer Bar kennen gelernt. Manchmal glaube ich, dass es auf der Suche nach dem Traummann nur zwei Gesetzmäßigkeiten gibt. Die erste lautet: „Man darf nicht auf der Suche sein.“ Die zweite: „Man trägt garantiert die falsche Unterwäsche.“