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Daisy würde alles für ihren Bruder tun! Auch die unermesslich kostbare Uhr zurückschmuggeln, die er Playboymilliardär Connor Fleming gestohlen hat. Doch leider wird sie dabei von Connor persönlich ertappt - und eiskalt erpresst: Er verzichtet auf eine Anzeige, wenn sie ihn heiratet! Denn für einen wichtigen Deal braucht er unbedingt eine Scheinehefrau. Verzweifelt sagt Daisy Ja, obwohl sie Connor für seine Skrupellosigkeit hasst. Aber warum spürt sie dann diese erregende Sehnsucht, als er sie in die Arme zieht, um einen verliebten Kuss zu proben?
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Louise Fuller Originaltitel: „Blackmailed Down the Aisle“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2327 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Anja Görgens
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710019
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Die Party im Fleming Tower war in vollem Gange: Die Gäste drängten sich zu lauter Musik auf der Tanzfläche oder standen in kleinen Grüppchen zusammen, tranken und lachten. Alle schienen sich bestens zu amüsieren – alle, bis auf Daisy Maddox. Sie lehnte etwas abseits der Menge an einer Wand und ließ den Blick gedankenverloren durch den Saal schweifen. Die Strahlen der Discokugeln zauberten goldene Sprenkel in ihre langen blonden Haare.
Nirgendwo auf der ganzen Welt tobte das Leben mehr als an einer Samstagnacht in Manhattan, und nirgendwo sonst ging es glamouröser zu als im Fleming Tower. Der elegante Wolkenkratzer aus glänzendem Stahl und Glas gehörte dem Immobilienmogul und Milliardär Connor Fleming. Er war der Chef ihres Bruders David und Gastgeber der heutigen Party.
Daisy seufzte leise. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Zumindest für die Gäste. Sie unterdrückte ein Gähnen und sah an ihrer Kellnerinuniform herunter. Ihr Job war es, sich um das Wohlergehen der Gäste zu kümmern. Und Daisy hasste ihre Arbeit, daran konnte auch die prunkvolle Umgebung nichts ändern oder das gute Aussehen der Gäste.
Sie sah zu dem jungen Mann hinüber, der den ganzen Abend kaum von ihrer Seite gewichen war. Er war attraktiv – schlank und dunkelhaarig –, und er hatte Charme. Eigentlich genau ihr Typ. Normalerweise hätte sie gern mit ihm geflirtet, aber heute konnte sie sich nicht einmal seinen Namen merken.
„Jetzt kommen Sie schon!“, bettelte er. „Ein Gläschen kann doch nicht schaden.“
Hinter seinem Rücken verdrehte ihre Kollegin Joanne die Augen. Daisy atmete langsam aus. Vor sechs Monaten hatte sie mit ihrem Gepäck in der Hand vor Davids Tür gestanden, weil sie ihr Glück am Broadway probieren wollte. Doch wie so oft in ihrem Leben war es anders gekommen, als sie es sich vorgestellt hatte. Vorsprechen hatte sich an Vorsprechen gereiht, Absage an Absage. Ganz umsonst sollten die Jahre auf der Schauspielschule aber nicht gewesen sein, sagte sie sich nun und zauberte ein bedauerndes Lächeln auf ihre Lippen. Dann wandte sie sich mit gespielter Enttäuschung ihrem Verehrer zu.
„Das ist wirklich nett gemeint, Tim, aber ich darf während der Arbeit nichts trinken.“ Demonstrativ sah sie an ihrer schwarz-weißen Uniform herunter, doch er wollte sich nicht geschlagen geben.
„Ich heiße Tom, nicht Tim. Jetzt kommen Sie schon. Nur ein Glas, ich verrate Sie auch nicht.“ Aufmunternd grinste er sie an. „Und heute kann der Big Boss Sie ja gar nicht erwischen.“
Der Big Boss. Connor Fleming. Bei dem Gedanken an den gut aussehenden, wenngleich kühl wirkenden Mann, dessen Gesicht ihr durch die Website seiner Firma nur zu vertraut war, schlug ihr Herz vor Nervosität ein paar Takte schneller. Aber es stimmte, denn obwohl diese Party in seinem Gebäude und für seine Angestellten stattfand, glänzte Connor mit Abwesenheit.
Es kursierte das Gerücht, dass er unangekündigt auftauchen würde. Irgendjemand wollte ihn sogar im Foyer gesehen haben, aber Daisy wusste genau, dass er heute nicht kommen würde. Connor Fleming war auf Geschäftsreise in Washington. Und bis er zurück in New York war, würden auch die letzten Partygäste nach Hause gegangen sein. Verstohlen sah sie auf die Uhr.
„Dann arbeiten Sie also für ihn?“
Daisy fuhr herum und sah, dass Joanne Tom neugierig betrachtete.
Er nickte. „Ja, seit etwa einem Jahr jetzt.“
„Wirklich?“ Joannes Augen wurden groß. „Er sieht echt scharf aus. Wie ist er denn so?“
Ihre Frage war an Tom gerichtet, aber Daisy musste sich auf die Zunge beißen, um nicht an seiner Stelle zu antworten. Stundenlange Internetrecherchen hatten sie zu einer wahren Fleming-Expertin gemacht. Nicht, dass es viel zu erfahren gegeben hätte – Interviews gab er nur selten, und abgesehen von ein paar Fotos, die ihn ausnahmslos in Begleitung von umwerfend schönen Models zeigten, war über sein Privatleben wenig bekannt.
Eine Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung huschte über Toms Gesicht, als er mit den Schultern zuckte und sagte: „Persönlich kenne ich ihn nicht besonders gut, aber wenn es ums Geschäft geht, ist er unschlagbar. Und er hat immer die schönsten Frauen.“
Er dachte kurz nach. „Aber er ist auch reichlich furchteinflößend. Fleming arbeitet wie ein Besessener und ist ein Kontrollfreak. Und er weiß über alles Bescheid, was in seinem Unternehmen vor sich geht – und ich meine alles. Und er hasst Unaufrichtigkeit. Einmal habe ich in einem Meeting mitbekommen, wie einer seiner Mitarbeiter versuchte, ein Problem zu vertuschen und … Na ja, ich will es mal so ausdrücken: Zum Feind möchte man Fleming nicht haben.“
Daisy fühlte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Toms Worte bestätigten alles, was David ihr auch erzählt hatte: Fleming war ein erbarmungsloser Workaholic und beziehungsunfähiger Frauenheld. Im Grunde genommen eine gesteigerte Version ihres Ex-Freundes Nick – und genau der Typ Mann, den sie verabscheute.
Beim erneuten Blick auf die Uhr zuckte sie zusammen. Ihre Schicht näherte sich dem Ende. An jedem anderen Abend wäre sie froh darüber gewesen, aber nicht heute. Heute war das erste und hoffentlich letzte Mal, dass sie sich entscheiden musste, ob sie sich an ein Versprechen oder an das Gesetz halten wollte.
„Geht es dir gut?“, fragte Joanne besorgt. „Du siehst schlecht aus.“
Daisy schluckte. Ihr war schlecht. Allein bei dem Gedanken an ihr Vorhaben drehte sich ihr der Magen um.
Sie lächelte schief. „Ich hab in letzter Zeit wohl einfach zu wenig geschlafen.“
„Jetzt komm …“ Joanne sah sich vorsichtig um und senkte ihre Stimme. „Geh nach Hause. Ich schaff den Rest hier schon alleine.“
Daisy schüttelte den Kopf. „Kommt gar nicht infrage, dass ich dich hier im Stich lasse. Ich bin nur müde.“
„Bist du nicht. Hör auf, mir etwas vorzumachen.“
Daisy zögerte. Joanne war so hilfsbereit, dass es ihr zuwider war, ihre Kollegin anzulügen. Aber die Wahrheit konnte sie ihr wohl kaum sagen.
Bedrückt dachte sie an den Moment vor vier Tagen, als sie nach Hause gekommen war und David völlig aufgelöst vorgefunden hatte. Erst nachdem sie ihm lange gut zugeredet hatte, war er endlich mit der Wahrheit herausgerückt: Er hatte mit dem Online-Glücksspiel angefangen. Nachdem es einige Zeit gut gegangen war, hatte er, je länger er spielte, immer mehr Geld verloren, doch er konnte nicht aufhören. Er hatte die Kontrolle verloren. Daisy, die nicht einmal gewusst hatte, dass er spielte, hatte die Höhe seiner Spielschulden die Sprache verschlagen.
Ihr lief es kalt den Rücken herunter. Die Schulden waren noch Davids geringstes Problem. Es sollte noch viel schlimmer kommen. An dem Tag, als sie ihn so erbärmlich vorgefunden hatte, hatte er vormittags ein paar Unterlagen in Connor Flemings Büro abgeben wollen. Dabei hatte er auf dem Fußboden eine Armbanduhr gefunden. Nicht irgendeine Uhr, sondern ein exklusives Designerstück. Und er hatte sie nicht nur gefunden, sondern auch eingesteckt. Eingesteckt, um sie zu verkaufen und so seine Schulden bezahlen zu können.
Zu Hause angekommen war ihm klar geworden, was er getan hatte, und er war komplett zusammengebrochen. Und so hatte Daisy ihm versprochen, die Armbanduhr an den Fundort zurückzuschmuggeln.
Dieser Gedanke katapultierte sie in die Gegenwart zurück. Sie sah Joanne an und sagte. „Mir ist wirklich nicht gut. Vielleicht sollte ich doch besser gehen. Danke Jo, du bist ein Engel.“
Joanne nickte. „Das bin ich vermutlich. Aber freu dich nicht zu früh, denn du musst Dienstag für mich einspringen.“ Sie lächelte verträumt. „Cam lädt mich zum Essen ein. Wir sind jetzt seit sechs Monaten zusammen.“
Ein Anflug von Neid durchfuhr Daisy, als sie sich ihren Weg durch die Menge betrunkener Partygäste in das verlassene Treppenhaus bahnte. Eine Verabredung, um mit dem Freund einen besonderen Anlass zu feiern. Aber dafür bräuchte sie erst einmal einen Freund.
Der letzte Mann, mit dem sie zusammen gewesen war, hatte ihr vor fünf Wochen eröffnet, dass er mehr Freiraum brauchte. Freiraum, dass sie nicht lachte. Als ob Romeo seine Julia jemals sitzen gelassen hätte, um mehr Zeit für sich selbst zu haben.
Entweder waren alle Männer unzuverlässige und egoistische Idioten, oder – was wahrscheinlicher war – sie hatte einfach nicht die geringste Menschenkenntnis. So oder so hatte sie die Nase voll, und die nächste Zeit würde sie als glücklicher Single genießen.
Daisy griff in die Tasche ihrer Schürze, zog eine laminierte Karte hervor und blickte auf das Gesicht ihres Bruders. Sie war so dankbar, dass sie David hatte. Er war immer für sie da, teilte seine Wohnung mit ihr, übte mit ihr für die Vorsprechen und tröstete sie bei Absagen. Selbst diesen Job hier hatte sie ihm zu verdanken.
Sie zog die Karte über das Lesegerät und hielt für einen Moment den Atem an, als das Licht auf Grün schaltete und die Türen des Aufzugs sich öffneten.
Sie stand tief in Davids Schuld und hatte jetzt die Gelegenheit, sich zu revanchieren. Trotzdem zitterten ihre Finger, und für einen Moment zögerte sie. Dann gab sie sich einen Ruck. David wartete in der Lobby auf sie, und der Gedanke an die Erleichterung, die sich bei ihrer Rückkehr in seinem Gesicht abzeichnen würde, trieb sie voran.
Als der Aufzug endlich oben angekommen war, trat sie mit wild pochendem Herzen auf den spärlich beleuchteten Flur. David hatte ihr beschrieben, wo sie Connors Büro finden würde, und mit leise klappernden Absätzen huschte sie über das teure Parkett durch den Empfangsbereich, bis sie vor einer schlichten Holztür stehen blieb. Nicht einmal ein Namensschild unterschied diese Tür von den anderen auf der Etage. Diese unerwartete Bescheidenheit verwirrte sie – der Mann hatte schließlich Milliarden auf dem Konto und betrachtete sich nicht nur als Geschäftsmann, sondern vor allem als Herrscher über sein Imperium.
Andererseits: Ein Mann wie Connor Fleming brauchte kein Türschild. Schon gar nicht in dem Wolkenkratzer, der seinen Namen trug.
Sie straffte die Schultern, bevor sie die Höhle des Löwen betrat. Aber der Löwe war in Washington, und lange vor seiner Rückkehr würde sie schon das Weite gesucht haben. Daisy atmete tief durch, ließ die Karte über das Lesegerät gleiten und öffnete die Tür.
Drinnen war es still und dunkel, doch konnte sie durch die großen Fenster die hell erleuchtete Skyline von New York sehen. Connor Fleming hatte den wohl spektakulärsten Ausblick auf die Stadt, den man sich denken konnte. Sie musste sich zwingen, den Blick abzuwenden, denn mit jeder Sekunde, die sie in diesem Raum verbrachte, wuchs die Gefahr, dass sie entdeckt wurde.
Vorsichtig machte sie einen Schritt nach vorne und stieß prompt mit dem Knie gegen einen schweren Gegenstand.
„Autsch!“
Doch sie vergaß ihren Schmerz sofort, als sie feststellte, dass das Hindernis in Bewegung geraten war. Panisch griff sie ins Dunkel, doch es war zu spät. Ein lautes Krachen schien das Büro erbeben zu lassen.
„Super, Daisy“, flüsterte sie. „Setz doch gleich den Feueralarm in Gang.“
Sie biss die Zähne zusammen, rieb ihr schmerzendes Knie – und erstarrte, als sie Schritte auf dem Flur hörte. Vor der Tür verstummte das Geräusch. Ihr Herz raste so schnell, dass sie fürchtete, es würde ihren Brustkorb sprengen. Die Tür wurde geöffnet wurde und grelles Licht durchflutete den Raum.
Als Kind hatte sie geglaubt, dass auch sie unsichtbar wäre, wenn sie niemanden sehen konnte, und so kniff sie auch in diesem Augenblick die Augen zu.
Es half nicht. Eine kühle, schroffe und extrem männliche Stimme riss sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ich hatte einen langen und frustrierenden Tag, also hoffe ich zu Ihrem eigenen Besten, dass Sie einen guten Grund für Ihr Eindringen in mein Büro haben.“
Blinzelnd öffnete Daisy die Augen. Seine Worte hatten gereicht, um ihr Angst einzujagen, aber die war nichts im Vergleich zu dem Entsetzen, das sie empfand, als sie den Mann im Türrahmen erkannte.
Connor Fleming war in Washington.
Auf Geschäftsreise.
Hatte sie jedenfalls geglaubt. Aber anscheinend hatte sie sich geirrt, denn jetzt stand er leibhaftig vor ihr. Hätte sein blendendes Aussehen sie nicht so vollständig in Bann geschlagen, wäre sie vor Schreck in die Knie gegangen.
Es war weit mehr als die Attraktivität eines Hollywoodschauspielers auf den Seiten eines Hochglanzmagazins. Flemings gutes Aussehen paarte sich mit einer Mischung aus Männlichkeit und Machtausstrahlung, die ihr die Sprache verschlug.
Er ist nicht mein Typ, dachte Daisy eilig. Sie stand nicht auf blond, arrogant und dominant. Es musste an dem Schock liegen, dass sie den Blick nicht von ihm abwenden konnte.
Seine Haut schimmerte golden, und mit seinen scharf geschnittenen Gesichtszügen und dem kurzen blonden Haar sah er eher wie ein römischer Gladiator als ein milliardenschwerer Immobilienmogul aus. Nur der dunkle und extrem teuer aussehende Anzug ließ erahnen, dass der Mann in Geld schwamm.
Sein Blick war eisig und direkt, seine Augen ungewöhnlich grün und klar. Doch war es der sanfte Schwung seiner Lippen, der ihre Sinne gefangen nahm. In ihrer Fantasie umspielte ein verführerisches Lächeln seinen Mund und …
Ihr Herz machte einen kleinen Sprung.
Doch leider lächelte er nicht. Stattdessen presste er die Lippen zusammen, während er feindselig die Tür blockierte. Nervös suchte sie nach einem anderen Fluchtweg. Aber obwohl das Büro groß wie eine Scheune war, gab es nur den einen Ausgang. Dafür aber viele teure Designermöbel.
Sie war gefangen.
Ihr Puls raste. So war es nicht geplant gewesen, sie hatte keinen Plan B! Jetzt konnte sie nur noch improvisieren.
Ich … ich kann das hier erklären“, stammelte sie.
„Dann würde ich vorschlagen, dass Sie damit anfangen.“
Seine Miene war unbewegt, doch Daisy bemerkte einen gefährlichen Unterton in seiner Stimme, der ihr Angst einjagte.
„Fassen Sie sich kurz. Wie gesagt, es war ein langer Tag … Daisy.“
Er sprach ihren Namen so sanft und beinahe liebevoll aus, dass sie fast vergaß sich zu fragen, woher er ihn kannte. Verunsichert hob sie den Blick, nur um zu sehen, dass er frostig den Kopf schüttelte und das laminierte Namensschild an ihrer Bluse fixierte.
„Dann ist das also wirklich Ihr Name. Ich dachte schon, Sie hätten es unten irgendeiner armen Kellnerin geklaut.“
Die Verachtung in seiner Stimme war nicht zu überhören, und reflexartig versuchte Daisy, das Namensschild zu verdecken. Allmählich begann ihre Wut über seine Überheblichkeit ihre Angst zu verdrängen.
„Habe ich nicht. Ich heiße wirklich Daisy. Und nur zu Ihrer Information: Ich bin eine von den armen Kellnerinnen da unten. Deshalb bin ich ja hier.“
Ihr Blick hielt dem seinem stand. In ihrer Schürzentasche strich sie über die Zugangskarte ihres Bruders, und sie spürte das dringende Bedürfnis, David unter allen Umständen zu beschützen.
„Ich habe auf der Party unten gearbeitet und wollte aus der Küche Servietten holen“, log Daisy. „Da habe ich im Aufzug wohl den falschen Knopf gedrückt.“
Connor bedachte sie mit einem kalten Blick und zog die Tür hinter sich zu. Er brauchte nur Sekunden, um das Büro zu durchqueren und sich vor ihr aufzubauen.
„Ich habe gesagt, dass Sie sich kurz fassen sollen. Nicht, dass Sie mir einen Haufen Lügen auftischen sollen.“ Sein Blick wurde noch härter. „Beleidigen Sie nicht meine Intelligenz, indem Sie mir etwas von einem falschen Knopf erzählen.“
Daisy hatte das Gefühl, dass die Wände sich auf sie zubewegten. Mit seinen breiten Schultern und seiner Selbstsicherheit beherrschte er den gesamten Raum. Sie durfte nicht zulassen, dass er auch sie beherrschte. Denn dann würde Fleming die Wahrheit herausfinden und Davids Leben wäre ruiniert.
Sie versuchte ruhig auszuatmen.
„Sie sind nicht der Einzige, der einen langen Tag gehabt hat“, hob sie an. „Ich bin auch seit Stunden auf den Beinen und müde. Da unterläuft einem schon mal ein Irrtum.“
Connor schüttelte den Kopf.
„Ich würde Einbruch kaum als Irrtum bezeichnen. Und ich denke, die meisten Geschworenen würden mir da zustimmen.“ Wut verhärtete seine markanten Gesichtszüge. „Hören Sie also auf, mir etwas vorzumachen und sagen Sie mir, was Sie um ein Uhr nachts in meinem Büro zu suchen haben.“
„Ich wusste nicht, dass das Ihr Büro ist.“ Daisy zwang sich ihn anzusehen. „Woher auch, ich weiß ja nicht einmal, wer Sie sind.“
Ungläubig erwiderte er ihren Blick. „Sie arbeiten unten und behaupten, nicht zu wissen, wer ich bin?“
Daisy funkelte ihn an. Sein herablassender Tonfall, gepaart mit der Tatsache, dass er recht hatte und sie sehr wohl wusste, mit wem sie es hier zu tun hatte, machten sie wütend.
„Ich arbeite für viele Leute und kann ich mir nicht jedes Gesicht und jeden Namen merken“, behauptete sie stur.
Mit Genugtuung erkannte sie an dem verkniffenen Zug um seinen Mund, dass sie seinen Stolz getroffen hatte.
Nach einem Moment der Stille zuckte Connor mit den Schultern und bemerkte bissig: „Und genau deshalb sind Sie wahrscheinlich nur eine kleine Kellnerin.“
Blut schoss in Daisys Wangen. Seine Worte trafen sie wie Giftpfeile.
Nur eine kleine Kellnerin!
„Glauben Sie bloß nicht, dass Sie etwas Besseres sind!“
„Dann lügen Sie mich nicht an“, erwiderte er ruhig.
Mit glühenden Wangen sah sie an ihm vorbei ins Leere. „Na gut, dann weiß ich eben, wer Sie sind. Na und? Für mich macht das keinen Unterschied.“
„Dann sind Sie entweder außerordentlich dämlich oder ziemlich mutig, denn das hier sind mein Haus und mein Büro. Und Sie haben darin nicht das Geringste zu suchen!“
Der Zorn in seiner Stimme ließ Daisy verstummen, alle Farbe wich aus ihrem Gesicht.
Als Connor sah, wie sie erblasste, fühlte er fast Mitleid in sich aufsteigen.
Unter Daisys gespielter Aufsässigkeit verbarg sich die nackte Angst – vielleicht war sie doch nicht die eiskalte Kriminelle, für die er sie gehalten hatte.
Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass sie sich schuldig gemacht hatte.
Schuldig, weil sie um ihre Schönheit wusste und sie benutzte, um ihn zu betrügen und zu entwaffnen. Nachdenklich ließ er den Blick auf ihrem blassen Gesicht ruhen, auf ihrem leicht gesenkten Kinn und den perfekt geformten Wangenknochen. Er kannte Frauen wie sie. An eine erinnerte er sich besonders gut. Mit ihren Lügen und Manipulationen hatte sie alle, die ihr nahestanden, zu vernichten versucht und sich dann auch noch als das eigentliche Opfer aufgespielt. Daisy irrte sich gründlich, wenn sie glaubte, dass er ihrem Charme erliegen würde.
Die Stille zwischen ihnen dehnte sich unangenehm aus, bis sie schließlich mit einer Mischung aus Trotz und gespieltem Gleichmut behauptete: „Ich war neugierig und wollte mich nur mal umsehen.“
„Natürlich. Ohne das Licht anzumachen. Sie müssen bemerkenswert gute Augen haben.“ Seine Worte trieften vor Sarkasmus.
Daisy biss sich auf die Zunge. Sie hasste den Hohn in seiner Stimme, die arrogant zusammengezogenen Augenbrauen und den Spott in seinen grünen Augen. Natürlich hatte sie an die Möglichkeit, erwischt zu werden, gedacht. Aber in ihrer Fantasie war sie einem gutmütigen Wachmann in die Arme gelaufen und ganz sicher nicht Connor Fleming, dem Besitzer der Armbanduhr. Der jetzt eine Ehrlichkeit von ihr forderte, mit der sie aus Liebe zu ihren Bruder nicht dienen konnte.
„Ich habe das Licht nicht angemacht, weil ich Angst hatte, entdeckt zu werden.“
Er war jetzt so nah, dass seine Körperwärme und sein Duft sie keinen klaren Gedanken fassen ließen. Sie brachte kaum noch einen vernünftigen Satz zustande.
„Mir ist schon klar, dass ich auf dieser Etage nichts zu suchen habe, aber ich habe unten schon so oft gearbeitet, dass ich neugierig auf …“
Daisy verstummte. Auf was hätte sie in einem dunklen Büro schon neugierig sein können?
Das Blut rauschte in ihren Ohren, panisch blickte sie an Connor vorbei aus dem Fenster – und auf das Empire State Building.
„Die Skyline. Die Skyline bei Nacht.“ Sie atmete erleichtert auf. „Alle sagen, dass man von hier oben einen grandiosen Blick auf New York hat, und den wollte ich einmal mit eigenen Augen sehen.“
Connor sah sie so lange und so finster an, dass ihre Beine fast nachgaben. „Wie?“
Sie blinzelte. „Wie bitte?“
„Nicht wie bitte. Wie? Wie sind Sie in dieses Stockwerk gelangt? Servicekräfte haben nur Zugang zu den Etagen, auf denen sie arbeiten.“
Daisy schluckte. Stell dich dumm, sagte sie sich. „Ich weiß nicht“, log sie erneut. „Ich habe nur auf ein paar Knöpfe gedrückt.“
Ihr Kopf begann zu schmerzen, und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie das hier noch durchziehen konnte. Es war Zeit für einen würdevollen Abgang. David würde Verständnis haben. Sie mussten einen neuen, weniger demütigenden Weg finden, um die Uhr zurückzubringen.
„Mr. Fleming, es tut mir wirklich leid, dass ich bei Ihnen eingedrungen bin, okay? Es war eine dumme Idee – ein Versehen – und ich verspreche Ihnen, dass es nie wieder vorkommen wird. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn wir diesen kleinen Vorfall einfach vergessen könnten.“
Eine angespannte Stille trat ein, während Connor ihren Blick erwiderte.
„Daisy. Gänseblümchen. Ein hübscher Name …“, sagte er leise. „Altmodisch. Unschuldig. Anständig.“
Sein kaltes Lächeln jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
„Schade, dass er so gar nicht zu Ihnen passt.“
Daisy rührte sich nicht. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“
Langsam schüttelte Connor den Kopf. „Dann will ich es Ihnen erklären. Es war, wie gesagt, ein langer Tag …“
Er hielt inne. Der Tag war nicht nur lang, sondern vor allem frustrierend und erfolglos gewesen. Sein Angebot war mehr als großzügig und lag weit über dem Preis, den das Gebäude tatsächlich wert war. Und doch hatte James Dunmore es wieder ausgeschlagen. Und Connor wusste einfach nicht, warum.
Er verzog den Mund. Na ja, eigentlich wusste er es schon, aber er wusste nicht, was er dagegen tun konnte. Dunmore hielt einfach nichts von ihm, von ihm und seinem Ruf als rücksichtsloser Geschäftsmann und Frauenheld. Deshalb verkaufte er nicht an ihn. Connor atmete langsam aus. Seit siebzehn Jahren versuchte er nun, das Haus in seinen Besitz zu bringen. Und er würde es weiter versuchen.
Wenn er Dunmore doch nur davon überzeugen könnte, dass er sich geändert hatte …
Es war frustrierend. Und als hätte er keine anderen Sorgen, war da jetzt auch noch diese Frau, die einfach in sein Büro spaziert war, um ihn zu beklauen.
Dann ruf doch den Sicherheitsdienst an, sagte er sich gereizt. Es gab schließlich keinen Grund, sich selbst um diese Angelegenheit zu kümmern.
Als er den Blick wieder auf Daisy richtete, wurde ihm klar, dass er sich etwas vormachte. Es gab einen Grund. Und dieser Grund war atemberaubend schön, hatte braune Augen und eine Figur, die selbst die schmucklose Uniform elegant und verführerisch aussehen ließ. Bis auf den hellen Lippenstift war Daisy ungeschminkt. Ihre Schönheit kam ohne Make-up aus. Jeder ihrer Züge, von den weich geschwungenen Lippen bis zu den großen, leuchtenden Augen, war die reine Verheißung.
Sie hatte versucht, ihr langes blondes Haar in einem Pferdeschwanz zu bändigen, doch einzelne Strähnen hatten sich gelöst. Verärgert ertappte er sich bei der Vorstellung, wie er den Zopf ganz öffnete. Fast glaubte er, ihr seidiges Haar spüren zu können, wie es weich sein Gesicht streifte, während sie sich küssten.
Abrupt hob er den Kopf. „Wie gesagt, der Tag war höchst unerfreulich …“
„Dann sollte ich Sie besser in Ruhe lassen.“ Daisys Puls beschleunigte sich noch mehr, und sie trat einen Schritt zurück. „Ich muss sowieso wieder an die Arbeit.“
Sehnsüchtig blickte sie an ihm vorbei zur Tür, hinter der die Freiheit lag.
Doch Connor schüttelte langsam den Kopf, und ihre Hoffnung erstarb.
„Das glaube ich nicht.“
Sein plötzlicher Griff um ihr Handgelenk brannte auf ihrer Haut. „Sie werden nirgendwo hingehen, bevor Sie mir nicht die Wahrheit gesagt haben.“
„Lassen Sie mich los!“ Daisy versuchte, ihren Arm zu befreien und die aufsteigende Panik zu unterdrücken. „Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt!“
„Es reicht.“ Seine Stimme klang scharf und endgültig, sein Griff wurde noch fester.