Sinnlos-Märchenbuch Vol. 2 - Steffen Lukas - E-Book

Sinnlos-Märchenbuch Vol. 2 E-Book

Steffen Lukas

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Beschreibung

Hier kommt Band 2 mit den witzigsten Märchenparodien aus dem sächsischen Märchenwald! Als Schnapsidee im ersten Corona-Lockdown entstanden, wurde der "Sinnlos-Märchen Podcast" des sächsischen Privatradiosenders Radio PSR schnell zu einem großen Publikumserfolg - und auch das erste Buch zum Podcast wurde zum Bestseller! Weil der Fachkräftemangel auch an den Gebrüdern Grimm nicht spurlos vorübergeht, ist das Märchenpersonal im sächsischen Märchenwald chronisch unterqualifiziert und kann sich einfach nicht benehmen. Prekäre Proletenprinzen, die verfressenen Geschwister Hänsel und Brezel, schwer erziehbare Zwerge, Hase und Mettigel und prächtige, pralle Prinzessinnen stolpern durch rasant erzählte Abenteuer voll witziger Wendungen und abstruser Pointen. Im Sinnlos-Märchenbuch Vol.2 sind jetzt die neuesten Geschichten aus dem Radio PSR Sinnlos Märchen Podcast, allesamt Neufassungen der größten Märchenklassiker, als lustige Lektüre versammelt. Zum Lachen, Lesen und auch ideal zum Verschenken! Enthaltene Märchen: - Hänsel und Brezel - Das tapfere Webdesignerlein - Fränky, der Froschkönig - Klappstuhl und Rosenrot - Doofröschen - Honk im Glück - Der Hase und der Mettigel - Vom Baggerfahrer Fischer und seiner Frau

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Inhalt

Vorwort

Hänsel und Brezel

Das tapfere Webdesignerlein

Fränky, der Froschkönig

Doofröschen

Klappstuhl und Rosenrot

Honk im Glück

Der Hase und der Mettigel

Vom Baggerfahrer Fischer und seiner Frau

Vorwort

der Gebrüder Wilhelm und Jacob Grimm

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Herzlichen Glückwunsch zum Kauf des neuen »Sinn-losmärchenbuch Vol. 2«!

Ihr Vertrauen bestärkt uns in unserem Bemühen, »Grimms Märchen« – die beliebteste Märchenmarke auf dem sächsischen Globus – für Sie stetig weiterzuentwickeln und Ihr Märchennutzererlebnis zu verbessern.

Viel ist seit der letzten Ausgabe geschehen: Wir haben zahllose Säcke voll Gold und überquellende Schatzkisten voll wertvollem Plunder und Gelumpe investiert, um uns den Herausforderungen der Zukunft, wie dem Märchenwaldsterben, der Klimaverwünschung und der Carola-Krise, zu stellen.

So haben wir die bis dato mechanischen Server der Märchenmatrix, die noch mit dem Betriebssystem »Butzenfenster 1695« liefen, gegen nagelneue Geräte aus Silicon-Valley-Herzegowina ausgetauscht.

Unseren Märchendioxidaustoß konnten wir um 84 % verringern, indem wir von Holzvergaser auf einen zeitgemäßen Wichtelmannantrieb umgestellt haben.

Auch bei der Bekämpfung der Carola-Krise konnten wir Fortschritte machen: Wir haben z. B. den bösen Wolf verpflichtet, einen partikelfilternden Maulkorb zu tragen. Einzig die sieben schwer erziehbaren Zwerge halten es noch nicht für nötig, sich öfter als einmal im Leben die Hände zu waschen und die ACHWAS?!-Regeln einzuhalten. Hier müssen wir noch viel handgreifliche Überzeugungsarbeit (notfalls auch mit dem Klappspaten) leisten!

Bitte bedenken Sie, dass sich die neu ausgerollte Märchenmatrix 3.0 noch in einem Beta-Stadium befindet. Sollte es an der einen oder anderen Stelle zu intellektuellen Ausfällen der Märchendarsteller kommen, bitten wir, dies zu entschuldigen! Wenn die technischen Probleme überhandnehmen, schließen Sie bitte das Buch und starten es einfach neu.

Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann können Sie jetzt anfangen, zu lesen!

Ihre Gebrüder

Wilhelm & Jacob Grimm

Vorstandsvorsitzende

der Gebrüder Grimm Märchenholding AG

und geschäftsführende Gesellschafter

der Märchenmatrix-BetriebsGmbH

Hänsel und Brezel

Es war einmal vor langer Zeit im sächsischen Märchenwald, da brannte die Makkaronimühle, die den sächsischen Märchenwald mit schmackhaften Hohlnudeln versorgte, bis auf die Grundmauern ab. Und es gab einen Makkaronimangel im Lande, der war so groß, dass viele ihre Tomatensoße nur noch trinken konnten.

Neben einer kleinen Apfelplantage bei Sornzig-Ablass-Herzegowina wohnte der arme, alte Apfeletikettierer Anton Angelwurm mit seiner Frau Annegret Angelwurm und seinen zwei gefräßigen Wänstern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Brezel. Die beiden waren fröhliche, übergewichtige Teenager und kullerten lustig durch die Wohnstube. Doch als die große Makkaroninot über das Land kam, mussten auch die Angelwurms am Essen sparen, um überhaupt noch Geld für Nahrung zu haben.

Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte der arme, alte Apfeletikettierer Anton Angelwurm und sprach zu seiner Frau: »Mir sin’ total gelieford! Unsere Wänsdor könn’ mehr fressen, als ’n Müllschlucker im Plattenbau! Heute gab’s ma ’ne Viertelstunde keen Nutellabrot, da ham die glei’ ’n Putz von dor Wand gefress’n!«

»Ja!«, erwiderte die Frau. »Das Beste wär’, mir stopfen die in de Babyklappe!«

»Äh! Die sin’ doch viel ze fett für die Babyklappe! Die grichsde doch nur mid dor Reddungsschere wiedor naus, wenn die sich da erschtma verkantet ham«, sprach der Mann.

»Ha!«, rief da die Frau. »Ich hab’s! Wir fahrn morschn auf ’n Rasthof Plötzetal an dor A14 un da setzen mir die aus!«

Doch der arme Apfeletikettierer Anton Angelwurm hatte ein warmes, weiches Herz und Mitleid mit seinen Kindern und er sprach: »Rasthof Plötzetal? Echt jetzt? Das is’ doch Sachsen-Anhalt! Wie kann mor nur so grausam sein? Was bist Du für ’ne Mutter? Wenn schon, dann Raststätte Muldental!«

Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können, weil sie seit dem zweiten Abendbrot nichts mehr gegessen hatten. Sie spielten gerade eine Runde spanische Inquisition auf ihrer hölzernen Playstation, als sie hörten, was Vater und Mutter planten.

Da weinte die Brezel wie ein löcheriger Weinschlauch in einer schummrigen Spelunke und sprach zu Hänsel: »Man kann bei der Auswahl seiner Verwandten nich’ vorsichtich genug sein. Jetze hammor den Salat!«

»Jetzt heul hier ne rum, Brezel!«, sprach Hänsel. »Unsere Alden sin’ doch einfach nur bescheuert. Die sin’ voll aus der technischen Steinzeit, gloobs mir! Die ham keene Ahnung, dass mir ’ne Navi im Handy ham! Also sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Google wird uns nicht verlassen!«

Und die beiden frommen Kindelein falteten ihre kleinen, speckigen Händchen und schickten noch ein Gebet zum lieben Steve Jobs im Himmel.

Als der nächste Morgen mit Grauen hereinbrach, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: »Steht auf, Ihr faulen Blagen, wir bring’ Euch jetzt zu Oma und Opa – Mami un’ Papi machen nämlich ’en Selbsterfahrungsworkshop. Vierzehn Tage Erbsenzählen in der Toskana!«

Dann gab sie ihnen eine Tüte Schokobons und sprach: »Da habt Ihr was zu picken für den Mittag, aber futtert nich’ alles auf een ma’! Nich’, dass Euch wieder auf ’n Rücksitz schlecht wird.«

Und Hänsel sprach: »Jaja.«

Doch »Jaja«, liebe Kinder, heißt bekanntlich: »Leck mich am Arsch!«

Danach stiegen Hänsel, Gretel, Annegret und der arme, alte Apfeletikettierer Anton Angelwurm in den Familienskoda und fuhren in Richtung Rasthof Muldental-Herzegowina. Kaum angekommen verlangten Hänsel und Gretel stürmisch nach einem Toilettenbesuch, da ihnen aufgrund der kompletten Tüte Schokobons inzwischen schlecht geworden war.

Da freute sich ihre listige Mutter und sprach: »Hier habt Ihr jeder 70 Cent, damit Ihr den beknackten Automaten für betreutes Pinkeln bezahlen könnt!«

Doch kaum hatten die beiden dicken Teenager den unvermeidlichen Pullergroschen am Toilettenautomaten entrichtet, da blieben sie im engen Drehkreuz stecken und konnten nicht mehr vor, noch zurück. Da sprang die Mutter hurtig in den Schkoda, der mit laufendem Motor gewartet hatte und der sonst eher zaghafte, arme, alte, Apfeletikettierer Anton Angelwurm gab beherzt Gas. Und wenn die rostige Hitsche auf mehr als drei Töpfen gelaufen wäre, dann hätten bestimmt die Reifen gequietscht.

Indessen mussten Hänsel und Brezel von der freiwilligen Feuerwehr Grimma-Herzegowina mithilfe des Rettungsspreizers aus den Klauen des Drehkreuzes befreit werden. Die frommen Kindelein dankten es den guten Feuerwehrmännern und schenkten ihnen ihre Sanifair-Bons im Gesamtwert von einem Märchentaler. Dann holte das Hänsel sein Handy heraus und öffnete die Navi-App, um den Weg nach Hause zu suchen. Und wie es der Zufall so wollte, hielt just zu diesem Moment ein fettleibiger Porsche-SUV an der Tankstelle, und der Fahrer mit Krawatte stieg aus, um seine Frontscheibe von festgeklebten Fußgängern zu befreien. An diesen Mann trat das Hänsel heran und fragte, ob er die beiden bis Sornzig-Ablass-Herzegowina mitnehmen könne.

Und der Mann sprach: »Ich bin der Banker Bernd Möwe in meinem fetten SUV! Und die Pfeife Möwe, das ist meine Frau! Und die sitzt im Beifahrersitz off ’m Bierkasten, damit die überhaupt zum Fenster rausgucken kann. Folgender Sachverhalt: Ich bin in Wahrheit gar kein Banker! Ich bin in Wirklichkeit ein verwunschener Rennfahrer! Und mir wurde prophezeit, dass ich vom Fluch des Bankertums erlöst werde, wenn ich zwei übergewichtige Tramper im Teenageralter nach Sornzig-Ablass-Herzegowina fahre!«

Das Hänsel sprach: »Also, das is’ jetzt aber selbst für’n Märchen e’ bissel viel Zufall auf eenma’! Das glaubt uns doch keine Sau …«, und er verdrehte genervt die Augen. »Aber was soll’s! Ich will ooch bloß heeme! Brezel! Komm steig ein, der Anzugheini nimmt uns mit!«

Doch kaum hatten sich das Hänsel und die Brezel durch die riesigen Türen des Porsche SUV gequetscht, da fiel der Anzug des Bankers in Nadelstreifen von ihm ab und darunter kam eine Formel-Eins-Rennkombi zum Vorschein. Und noch bevor Hänsel und Brezel hektisch nach den Sicherheitsgurten fingern konnten, fanden sie sich kopfüber und mit den dicken Beinen strampelnd auf der Hutablage wieder – denn der vom Fluch erlöste Rennfahrer Bernd Möwe hatte soeben mit dem glasigen Blick eines Wahnsinnigen Vollgas gegeben – und war nun auf dem direkten Weg nach Sornzig-Ablass-Herzegowina.

Ei, das war ein wilder Ritt, liebe Kinder! Das Hänsel und die Brezel klebten mit ihren dicken Backen mal rechts und mal links an der Seitenscheibe, wenn es quietschend und qualmend in die Kurven ging. Dann wieder wackelten sie mit dem Wackeldackel auf der Hutablage um die Wette, wenn der Wagen beschleunigte, und schließlich bumsten sie mit ihren Pfannkuchengesichtern gleichzeitig gegen die Vordersitze, wenn der Rennfahrer Bernd Möwe, ganz gegen seine Gewohnheit, auch einmal bremste.

Siebenundvierzig gravierende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung später hielt der fette Porsche-SUV endlich mitten im Gurkenbeet im kleinen, gepflegten Gärtlein der Familie Angelwurm. Die hinteren Türen des überdimensionierten Alltagspanzers öffneten sich, und heraus kullerten das Hänsel und die Brezel.

Und Brezel sprach: »Huaaaalp!« Und Hänsel sagte: »Wo De recht hast, haste recht …«

Aus den Gesichtern der beiden war die gesunde Röte des Lebens gewichen und hatte einem kränklichen Zombie-Grün Platz gemacht. Die Frau des Rennfahrers, Pfeife Möwe, die die Fahrweise ihres Mannes gewohnt war und während der ganzen Fahrt auf dem Bierkasten sitzend Kreuzworträtsel gelöst hatte, blickte von ihrem Rätselheft auf und sprach: »War irgendwas?« Dann erspähte sie die beiden japsenden Ruinen, die einst Hänsel und Brezel gewesen waren und sprach: »Also, da sieht mor ja glei’, dass das Anhalter sin’! Die seh’n ja total mitgenommen aus!« Und Bernd und Pfeife Möwe gaben sich gegenseitig lachend five, dass es nur so klatschte.

Und ehe sich Hänsel und Brezel, die noch immer mit Schnappatmung über den Gartenzaun hingen, bei den Möwes bedanken konnten, hatten diese den Garten mit dem Ruf »Endlich frei! Macht’s gut, Ihr Idioten!« bereits durch das geschlossene Gartentor wieder verlassen. Und bald sah man nichts mehr von ihnen, als eine breite Reifenspur, die in Richtung Horizont-Herzegowina durch Äcker, Wiesen und unersetzliche Biotope führte.

Als Hänsel und Brezel wieder zu Kräften gekommen waren, warteten sie auf ihre Eltern und machten sich aus lauter Langeweile über die Speisekammer her. Und als alles ratzeputz aufgegessen war, bis auf eine Tüte Tiefkühlerbsen, da lutschten sie auch diese. Erst Stunden später kamen die Eltern Anton und Annegret Angelwurm nach Hause. Sie hatten so lange gebraucht, weil sie von einem geisterfahrenden Porsche-SUV in den Straßengraben gedrängt worden waren. Erst der Allgemeine Märchenwald Automobilclub hatte den Skoda der Angelwurms mit dem Abschlepp-Ochsen wieder auf die Straße ziehen können.

Der Familienskoda rollte quietschend auf den Hof und ging einfach röchelnd aus, ohne dass Anton Angelwurm den Zündschlüssel berührt hätte. Dann sahen der Vater und die Mutter ihre beiden dicken Kinder, die nach dem Genuss von jeweils fünfhundert Gramm Tiefkühlerbsen fröhlich pupsend durch den Garten tollten.

Der Mann, der ein gutes Herz hatte, freute sich, seine Kinder am Leben zu sehen, doch die böse Mutter rief: »Ich gloob, ich seh’ ne rischdsch! Die sin’ ja einfach wiedor da! Wo gibt’s ’n sowas!? Wir ham die doch … Ich wer’ glei’ bleede hier! «

Und als sie sah, dass auch die Speisekammer leer gefuttert war, da vergaß sie ihre gute Erziehung auf dem Märchenwald-Mädchenpensionat und brüllte: »Ihr verfressene Bande von halslosen Monstern! Alles habtor gefressen! Wie die Guppies! Jetze könn’ mor morgen nur noch die Gurken von mein’ Gurkenbeet essen, die ich in monatelanger Kleinarbeit … ääääääh!« Und die Frau schrie vor Schreck auf, denn sie sah, dass jemand mit Breitreifen durch ihr Gurkenbeet gefahren war und alle Gurken in Gurkensalat verwandelt hatte. Und während sie vor Wut kochte wie ein sächsischer Mutzbraten im Schnellkochtopf, da keifte sie: »So eine Scheiße, mit der Scheiße! Zweehundort Puls habbe ich, balde, doo! Sowas gibt’s doch in keen Russenfilm! … Aber für heute hab’ ich genug! Mir probiern ’s einfach morgen nochma’ …«

Dann setzten sich die Angelwurms gemeinsam auf die Couch in der Wohnstube vor den Fernseher und sahen die Nachrichtensendung »Aktuelle Märchenkamera«. Und weil die Speisekammer leer war und sie keine Chips mehr hatten, da kauten sie den ganzen Abend Fingernägel.

Als der nächste Morgen ausbrach, wollte die böse Frau es besser machen als am Tag zuvor, und sie weckte die Kinder noch früher und gab ihnen wieder eine Tüte Schokobons als Proviant. Dann machte sich die ganze Familie Angelwurm erneut mit dem schrottreifen Familienskoda auf den Weg.

Doch diesmal fuhren sie zum entlegenen Rasthof Plötzetal, mitten in der unwirtlichen Salzwüste Sachsen-Anhalts. Dem Manne war angst und bange, denn viele Reisende waren niemals, oder nur in geistiger Umnachtung, von dort zurückgekehrt. Und an den Lagerfeuern landauf, landab, raunte man zu später Stunde, hinter der sächsischen Märchenlandesgrenze öffne sich das Tor zur Hölle an der Saale.