SNAKE 03: Todeskommando Syrien - G.G. Grandt - E-Book

SNAKE 03: Todeskommando Syrien E-Book

G. G. Grandt

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Beschreibung

Mitten im Herzen Deutschlands, auf dem Alexanderplatz in Berlin, sprengen sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft und reißen zahlreiche Menschen mit in den Tod. Hunderte werden verletzt, darunter auch eine israelische Reisegruppe. Gleich danach reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat den Anschlag für sich.Die deutschen Politiker und Behörden verschweigen, dass die beiden syrischen Terroristen, die als psychisch kranke Einzeltäter dargestellt werden, bereits 2015 mit dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland kamen. Der israelische Geheimdienst Mossad hingegen engagiert das Global Diplomatic Bureau, um die Hintermänner des Anschlags ausfindig zu machen und zu liquidieren. So verfolgt Snake, der beste und härteste Agent des GDB, die Spur der Terror-Flüchtlinge über die Balkanroute zurück bis nach Syrien. Undercover schleust er sich dort in ein IS-Camp ein, um die Verantwortlichen des Berliner Anschlags zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses Todeskommando führt Snake direkt in die Hölle auf Erden.

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G. G. GrandtTODESKOMMANDO SYRIEN

In dieser Reihe bisher erschienen

1601 G. G. Grandt Terror-Hölle Kenia

1602 G. G. Grandt Hexenkessel Ukraine

1603 G. G. Grandt Todeskommando Syrien

G. G. Grandt

TodeskommandoSyrien

SNAKEBand 3

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannSerienkonzept: Guido GrandtUmschlaggestaltung: Mario HeyerTitelbild: 184550759 (Shutterstock)Logogestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-353-7Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1. Kapitel

Berlin, Ortsteil Mitte, Deutschland

Es waren nur noch wenige Minuten bis zum größten Massaker in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Doch niemand ahnte etwas davon ...

An diesem sonnigen Freitag im Juni verließen kurz vor zwölf Uhr zwei arabischstämmige Männer mit weiten Jacken, unter denen sie Sprengstoffwesten trugen, die S-Bahn- und U-Bahnstation in der Dircksen­straße. Mit schnellen Schritten gingen sie zum berühmten Alexanderplatz, der eingeklemmt zwischen der Karl-Liebknecht-Straße und der Grunderstraße lag. Dort befand sich neben dem schicken Galeria-Kaufhof-Komplex das Hotel Park Inn, die Weltzeituhr, der Brunnen der Völkerfreundschaft sowie der Berliner Fernsehturm, der mit 365 Metern das höchste Gebäude des Landes war.

Die Araber wussten nichts von der historischen Bedeutung des Alexanderplatzes, der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vom Militär als Parade- und Exerzierplatz genutzt wurde. 1848 war es dort während der Märzrevolution zu schweren Straßen­kämpfen gekommen, und im Herbst 1989 fanden hier die Demonstrationen gegen das DDR-Regime ihren Höhepunkt. Dabei verdankte der Alexanderplatz seinen heutigen Namen König Friedrich ­Wilhelm III., der ihn anlässlich des Besuchs des Zaren Alexander Ende des Jahres 1805 umbenannt hatte. Aber selbst wenn die Araber von diesen epochalen Geschichten gewusst hätten, wäre es ihnen egal gewesen, waren sie doch mit einer ganz bestimmten Mission unterwegs.

In weniger als zwei Minuten würden sie Tod, Zerstörung, Feuer und Blut auf den mit zahlreichen Touristen bevölkerten Platz bringen. So Allah wollte.

Beim Brunnen der Völkerfreundschaft blieben die beiden Männer stehen. Das äußere Wasser­becken besaß einen Durchmesser von dreiundzwanzig Metern. Die Wasserspirale war über sechs Meter hoch und bestand aus getriebenem Kupfer, Glas, Keramik und Emaille. Das Wasser, das aus dem Springbrunnen schoss, floss gleich darauf spiralförmig über siebzehn Schalen abwärts, wurde dann vom Mosaik des unteren Brunnenbeckens aufgenommen, dessen umlaufender Fries mit Pflanzen- und Tiermotiven gestaltet war.

Vor allem um diesen künstlerisch gestalteten Brunnen war der Alexanderplatz um diese Zeit dicht bevölkert. Menschen aller Nationen und Hautfarben fanden sich hier ein, machten Selfies oder Gruppenfotos, um sie in den sozialen Netzwerken zu posten. Unter ihnen fielen die arabischstämmigen Männer nicht auf.

Als der große Zeiger der Weltzeituhr auf zwölf Uhr sprang, brüllten die beiden Araber plötzlich lauthals „Allahu Akbar“. Nahezu gleichzeitig zündeten sie den Sprengstoff an ihren Westen unter den Jacken, um sprichwörtlich die Hölle auf Erden zu bringen.

Mit einem ohrenbetäubenden Detonationsknall explodierten die Nagelbomben. Dem blendend weißen Lichtblitz, der damit einherging, folgte eine glühend heiße Druckwelle, die wie ein Wüstensturm über den Platz fegte.

Nicht nur die beiden Attentäter, sondern weitere Menschen in ihrem Umkreis wurden zerfetzt, zerrissen oder von den umherfliegenden Nägeln grausam verstümmelt. Gliedmaßen, Fleischstücke und blutgetränkte Kleidung wirbelten wie blutiges Potpourri durch die Luft. Der ekelerregende Gestank nach Sprengstoff, brennendem Holz und verkohltem Menschenfleisch breitete sich aus. Vom Explosionsherd stieg eine pilzförmige schwarze Rauchwolke in den Himmel. Die Bäume in seiner unmittelbaren Umgebung waren entblättert und verbrannt. Sogar hoch oben in den Ästen hingen blutzerfranste Leichenteile.

Es war das reinste Chaos. Schreie gellten auf, Weinen, Wimmern und Husten erfüllte den Alexanderplatz. Überall lagen Tote und Schwerverletzte. Es sah aus, wie auf einem Schlachtfeld.

Der verheerende Terroranschlag hatte Deutschland mitten ins Herz getroffen.

*

Es kam nicht oft vor, dass Prinz Silko von Nake, genannt Snake, den Sommer in seiner kleinen Schlossresidenz in der Nähe von Berlin verbrachte. Als er jedoch vom letzten Einsatz in der Ukraine, bei dem er Kopf und Kragen riskiert hatte, in seine exklusive Villa in Brüssel zurückkehrte, sehnte er sich nach der Ruhe, die er in Brüssel so nicht finden würde. Deshalb suchte er seinen ersten Wohnsitz in Deutschland auf. Leider musste er Scarlett zurücklassen, weil ihr vierzig Jahre älterer Mann, Herzog Herbert von Markson, ein Pferderennen ausrichtete, bei dem sie ihm zur Seite stehen musste.

Die äußerst attraktive Frau war nicht nur Snakes beste Freundin und Geliebte, sondern war auch als eine von wenigen Personen über seinen wahren Job als Spezialagent des Global Diplomatic Bureau informiert. Das GDB war eine getarnte „­Geheimdienstagentur“ mit Hauptsitz in der belgischen Hauptstadt, die ihre vielseitig einsetzbaren „Kontrakt-Agenten“ an verschiedene Geheimdienste „auslieh“, wenn diese selbst nicht aktiv werden sollten, konnten oder durften. Die wenigsten wussten überhaupt etwas von seiner Existenz. Oft nicht einmal die nationalen Parlamente, sondern lediglich die Innenminister und Außenminister der jeweiligen Länder, die das GDB aus den unterschiedlichsten Gründen für ihre Dienste heranzogen. Überwiegend wurden die Agenten jedoch für Einsätze im Ausland angeheuert. Dabei war ihr Wirkungsfeld global, also auf die ganze Welt ausgedehnt, getreu der Losung des GDB: „Spionage ist die einzig intelligente Form der Kriegsführung“.

Snake selbst hatte einst bei der Antiterroreinheit der Bundespolizei sowie der militärischen Spezialeinheit der Bundeswehr, dem Kommando ­Spezialkräfte (KSK)gedient. Dort wurde er unter anderem zum Scharfschützen mit Kurz- und Langwaffen ausgebildet, beherrschte die chinesische Kampfkunst Wing Tsun und war ein exzellenter Reiter, Schwimmer, Langläufer und Rallyefahrer. Neben Deutsch sprach er fließend Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch und Russisch. Über einen Freund, dessen Onkel ein hohes Tier beim Militärischen Abschirmdienst (MAD), dem Nachrichtendienst der Bundeswehr gewesen war, kam Snake schließlich zum GDB.

Doch eigentlich hatte Prinz Silko von Nake es nicht nötig, sich als Geheimdienstagent zu verdingen. Zumindest finanziell nicht. Schließlich besaß er nicht nur einen ererbten Adelstitel – derer von Nake, der sich bis auf das 14. Jahrhundert zurückverfolgen ließ – sondern auch ein beträchtliches Vermögen, das sein Vater Albert bereits zu seinen Lebzeiten ­angehäuft hatte. Obwohl die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg den Familienbesitz enteignet hatten, zeigte Albert von Nake Entschlossenheit, Mut, Willenskraft und Fleiß. Aufgrund seiner zahlreichen Kontakte in hochrangige Kreise gelang es ihm, eine der größten Stahlfabriken Deutschlands zu gründen, die schon nach kurzer Zeit beträchtlichen Gewinn abwarf. Albert zahlte alle gewährten Kredite mit Zinseszins zurück. Nach dem Tod seines Vaters verkaufte Silko das Unternehmen, weil er nicht als normaler Geschäftsmann enden wollte. Seit jeher lockten ihn das Abenteuer, ferne Länder und schöne Frauen. Als Agent des GDB erfüllten sich seine Abenteuerlust, sein Fernweh und auch das Ausleben seiner sexuellen Triebe. Natürlich hatte all das auch einen Haken. Denn bei jedem seiner Einsätze schwebte er in Lebensgefahr. Zuletzt im Hexenkessel in der Ukraine1 und davor in der Terror-Hölle in Kenia.2

An diesem heißen Nachmittag saß Snake im Schlossgarten seiner Residenz und gönnte sich einen Jameson Irish Whiskey on the Rocks. Er war ein drahtiger, durchtrainierter Mann mit kurzem schwarzem Haar und kantigem Gesicht, aus dem tiefblaue Augen herausstachen. Wie immer, wenn er um diese Jahreszeit hier war, bewunderte er die ­vielen Beete und die Rabatte der Kreisparterres, die eine große Auswahl an Blumen zeigten. Vom dreifarbigen Fuchsschwanz, der beliebtesten Zierpflanze des Barock, dem prächtig blühenden Löwenmäulchen, den blauleuchtenden Kornblumen, den betörend duftenden Kaisernelken, dem vielfarbigen Sonnenhut bis hin zu den immergrünen Vanilleblumen und der Bechermalve mit dem üppigen Blütenflor war alles vertreten.

„Sie sollten sich das einmal ansehen, Sir!“

Die Stimme, die Snake aus der harmonischen Betrachtung der Pflanzen riss, gehörte einem fünfzigjährigen, braungebrannten und muskulösen Glatzkopf, der wie ein männliches Modell aussah. Gary LaHaye war Snakes „Mädchen für alles“, ausgebildeter Einzelkämpfer, Bodyguard, Chauffeur, Koch, Gärtner und Kellner. Er kam mit einem HD-Tablett auf ihn zu, das er mit dem Halter vor ihn auf den runden Gartentisch stellte. Darauf lief eine Sondersendung des deutschen Fernsehens.

Auf dem vielfrequentierten Alexanderplatz mitten in Berlin hatte es einen verheerenden Bomben­anschlag gegeben. Die Bilder, die die Panik, die Rettungsdienste, die Sicherheitskräfte, Tote und Verletzte zeigten, waren allesamt unkenntlich gemacht. Aber dennoch sprang dem Betrachter das nackte Grauen in die Augen.

„Mein Gott“, murmelte Snake mehr zu sich selbst. Im gleichen Moment klingelte sein abhörsicheres TopSec GSM-Krypto-Handy, das die Gesprächsdaten vor der Übertragung verschlüsselte. Es war Georges Claude Moreau, der Chef des GDB. Er besaß den Rang eines OF-9, der für General stand. Die Geheimdienstagentur benutzte den allgemeinen NATO-­Rangcode, der die Verschiedenartigkeit der Dienstgrade in den Streitkräften der Länder des Atlantischen Bündnisses vereinheitlichte. Snake selbst war ein OF-3, ein Major.

„Wissen Sie schon von dem Terroranschlag auf dem Berliner Alexanderplatz?“, fragte Moreau nach einer knappen Begrüßung.

„Ja, Sir. Soeben sehe ich mir die Nachrichten an. Gibt es nähere Informationen über die Hintergründe?“

Der GDB-General antwortete nicht sofort. „Die deutschen Sicherheitsbehörden halten sich bislang sehr bedeckt“, meinte er dann zögerlich. „Sämtliche Spekulationen, vor allem über die Herkunft der oder des Täters werden wie gewöhnlich unter dem Deckel gehalten, sprich staatlich zensiert. Und auch die Medien werden nur mit den allernotwendigsten Informationen gefüttert. Eine Überlebende gab an, dass sie kurz vor dem Anschlag auf zwei arabischstämmige Männer aufmerksam geworden sei, die Allahu Akbar gerufen hätten, bevor die Hölle losbrach. Vermutlich trugen sie Sprengstoffwesten. Doch auch diese Aussage findet sich offiziell nirgends.“

„Und woher haben Sie diese Information, Sir?“

„Von den Israelis.“ Damit meinte Moreau den Mossad, den israelischen Auslandsgeheimdienst, der als der beste der Welt galt.

„Aber was haben die Israelis damit zu tun, Sir?“

Wieder zögerte der General kurz. „Das werden Sie bald erfahren. Der GDB soll im Auftrag des Mossad tätig werden.“

Nun war Snake verblüfft, wusste er doch, dass die Israelis ihre Angelegenheiten normalerweise selbst regelten, ganz gleich, wie heikel die jeweilige Mission auch war.

„Ich verstehe nicht, Sir ...“

„In drei Stunden werden Sie mehr wissen.“ Moreau nannte eine Adresse in Berlin, an der sich Snake einfinden sollte, um sich dort mit einer Mossad-Agentin zu treffen, die offiziell bei der Israelischen Botschaft in der Auguste-Viktoria-Straße arbeitete.

Snakes neue Mission hatte begonnen. Noch ahnte er nicht, dass sie ihn mitten ins Fegefeuer führen sollte.

*

Bei dem verheerenden Terroranschlag auf dem Berliner Alexanderplatz starben 231 Menschen, Frauen, Kinder und Männer. Es gab 511 Verletzte, darunter 180 Schwerverletzte aus zwölf verschiedenen ­Nationen.

Der Anschlagsort wurde weiträumig abgesperrt und gesichert. Spezialkräfte suchten nach weiteren Bomben, wurden aber nicht fündig. Bei den verwendeten Sprengsätzen handelte es sich um sogenannte Improvised Explosive Devices (IED). Diese selbst gebauten Bomben konnten relativ einfach mit einer Bauanleitung aus dem Internet und herkömmlichen Mitteln aus dem Baumarkt hergestellt werden. Die Experten stellten weiterhin fest, dass Sekundär- und Tertiärsprengstoff verwendet worden war, der mit Semtex in den Zündern aktiviert wurde. Konkret handelte es sich dabei um Zündkapseln No. 8, die in einem kleinen Aluröhrchen Initial- und Sekundärsprengstoff als Booster enthielten. Die Substanzen dafür waren unter anderem Bleiazid und PETN.

Die Bundeskanzlerin und der Bundesinnenminister gaben halbherzige und substanzlose Statements vor den Kameras ab, um die völlig geschockte Nation zu beruhigen. Doch aufgrund dessen, dass vorläufige Ermittlungsergebnisse geheim gehalten wurden, erreichten sie genau das Gegenteil. Rechte Bewegungen machten mobil, die ohnehin islamistische Attentäter vermuteten, obwohl deren Identität von den Sicherheitsbehörden ebenfalls als Top ­Secret eingestuft wurde.

Dabei wussten die Ermittler längst, dass es sich bei den Selbstmordattentätern um Firas Jenyat und Hamudi Al Sayed handelte. Die beiden Syrer waren 2015 mit dem großen Flüchtlingsstrom über die Balkanroute nach Deutschland gekommen, um hier Asyl zu beantragen.

Auf höchste Anordnung aus dem Kanzleramt wies das Innenministerium die untergeordneten Dienststellen an, den Medien und damit der Öffentlichkeit diese Informationen zu verschweigen. Selbst dem Parlament gegenüber wurden die präzisen Geheimdienstinformationen vorenthalten.

Doch dann geschah etwas, was die Berliner Politik des Verschweigens unmöglich machte. Denn über den eigenen Nachrichtenkanal DMG Wikâlat Aʿmâq li-l-Anbâʾ, kurz Amaq News Agency, verbreitete die Terrormiliz Islamischer Staat, der sich selbst Da‘esh nannte, ein Bekennerschreiben zum Alexanderplatz-Attentat. Darin hieß es neben der Namensnennung der „Angreifer“:

„Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barm­herzigen: Hunderte Ungläubige wurden von unseren gesegneten Brüdern in Deutschland getötet. Aber noch immer fliegen eure Tornados über dem Boden des Kalifats, um Muslime zu ermorden. Wir bleiben trotz eurer Siege in Syrien und dem Irak standhaft durch die Gnade Allahs. Die deutsche Kreuzfahrer-­Nation steht weiter auf der Todesliste des Islamischen Staates und zwar so lange, bis unsere Forderungen erfüllt werden: Abzug deutscher Tornados aus Syrien!“

Um diesen Supergau wenigstens einigermaßen in den Griff zu bekommen, bestellte die Kanzlerin die Spitzen der deutschen Medien ins Bundeskanzleramt ein. Kurz darauf verbreitete die auf Linie gebrachte Presse, dass das reklamierte Attentat wohl kaum von der Terror-Miliz ausgeführt worden sein konnte. Laut Gutachtern und Islamwissenschaftlern würde das Bekennerschreiben einen „untypischen Sprachgebrauch“ und „fehlende Symbole“ aufweisen und damit nicht in das Schema des IS passen. Deshalb wurde es als Fake eingestuft.

Allerdings konnte die Identität der syrischen Attentäter, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren, nicht länger verschwiegen werden, weil diese ebenfalls in der Erklärung benannt worden waren. Doch auch das wurde abgemildert. Die Sicherheitsbehörden gaben schnell bekannt, dass die beiden Syrer psychisch gestört gewesen seien und sogenannte „einsame Wölfe“ waren. Somit wurde von vornherein ausgeschlossen, dass es noch weitere Hintermänner gab.

Durch diese Politik des Verschweigens, des Manipulierens und der Fake News brannte das Pulverfass in Deutschland lichterloh und trieb die Spaltung der Nation noch weiter voran.

*

Leah Misrachi war eine Schönheit wie aus dem Bilderbuch. Sofort war Snake von der hochgewachsenen Frau mit dem langen, schwarzen Haar, das sie zu einem Zopf geflochten hatte, eingenommen. Sie besaß einen olivfarbenen Teint, riesige, ovale braune Augen, eine gerade geschwungene Nase und volle, erdbeerrote Lippen. Wenn sie sprach, entblößte sie zwei Reihen perlweißer Zähne.

Der GDB-Agent traf sich mit ihr in einem israelischen Restaurant im Berliner Ortsteil Brenzlauer Berg. Dort saßen sie in einem hermetisch abgeschlossenen Hinterzimmer an einem Zweiertisch. Der Raum wurde wohl des Öfteren vom Mossad für Geheimgespräche benutzt. Bei Hummus, ­Kicher­erbsen, Tahini, Falafelbällchen, Kanaan-Fries und Tatbile, einer palästinensischen Knoblauch-­Zitronen-Soße, kamen sie schnell zum Wesentlichen.

Obwohl Leah offiziell bei der Israelischen Botschaft arbeitete, gehörte sie in Wirklichkeit der sogenannten Sammlungsabteilung des Mossad an, die sämtliche Spionageaktionen leitete und teils geheim, teils als Bestandteil der diplomatischen Vertretungen des Landes, Niederlassungen auf der ganzen Welt verfügte.

Die Mossad-Agentin sah ihr Gegenüber ernst an. „Die hiesigen Sicherheitsbehörden lancierten bislang nicht an die Öffentlichkeit, dass bei dem Anschlag auf dem Alexanderplatz auch zwölf Israelis aus einer Touristengruppe ums Leben kamen. Das soll wohl nicht an die große Glocke gehängt werden. Aber es ist alles andere, als das, was meine Regierung akzeptieren kann.“

Snake wirkte nachdenklich. Damit hatte Leah ein sehr heikles innenpolitisches Problem beider Länder angesprochen. „Ihr Ministerpräsident will also, dass der Tod seiner Landsleute gesühnt wird?“

Die Frau vor ihm nickte entschlossen. „Für die Deutschen scheint das Problem damit erledigt, dass die Selbstmordattentäter sich selbst in die Luft sprengten und das Bekennerschreiben des Da‘esh scheinbar gefälscht ist. Wir wissen es jedoch besser. Firas Jenyat und Hamudi Al Sayed, die 2015 mit dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland kamen, um einen Anschlag vorzubereiten, waren tatsächlich Krieger der Terrormiliz. Meine Dienststelle befand das Bekennerschreiben für echt.“

Leah hielt kurz inne, bevor sie fortfuhr. „Wir fanden die Namen der Attentäter im Zusammenhang mit einer zurückliegenden Terroraktion im Mai 2014 am Grenzübergang Bab As Salameh im syrischen Aleppo. Dort detonierte damals ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug. Bei der Explosion wurden mindestens 43 Menschen getötet und mehr als 81 verletzt. Unseren Kenntnissen nach halfen Jenyat und Al Sayed bei der Vorbereitung des Anschlags.“

„Ist der Verfassungsschutz darüber informiert?“, wollte Snake wissen.

„Wir haben den innerdeutschen Geheimdienst vor zwei Stunden davon unterrichtet.“

„Und dennoch wird diese Information nicht öffentlich werden, weil die Deutschen ein generelles Problem mit der Flüchtlingskrise haben.“

„Sie haben es erfasst! Wir aber wollen die Hintermänner für das Attentat auf dem Alexanderplatz zur Verantwortung ziehen. So hat Israel es schon immer gehandhabt und wird es weiterhin so tun. Ganz nach dem Motto des babylonischen Talmuds: Wenn jemand kommt, dich zu töten, steh auf und töte ihn zuerst.“

„Und warum erledigt der Mossad diese Angelegenheit nicht selbst? Ihre Abteilung für spezielle Operationen Kidon führt doch Anschläge, Sabotage­akte, paramilitärische Einsätze, psychologische Kriegsführung und gezielte Tötungen durch verdeckte Missionen höchster Geheimhaltungsstufe mit speziell ausgebildeten Killerkommandos in der ganzen Welt durch. Wenn ich mich recht erinnere, lautet ein anderes Motto des Mossad: Durch Täuschung sollst du Krieg führen.“

Leah lächelte, aber es erreichte ihre schönen, dunklen Augen nicht. „Wir beseitigen Individuen, die als direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit gelten, die übrigens auch im Ausland, wie etwa hier in Deutschland, verteidigt werden muss. Da gebe ich Ihnen recht. Zudem beinhalteten unsere gezielten Tötungen immer eine klare Botschaft: