So finden Sie den passenden Coach - Martin Pichler - E-Book

So finden Sie den passenden Coach E-Book

Martin Pichler

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Beschreibung

Die Zahl der Coaches steigt ständig und der Markt wird von Jahr zu Jahr unübersichtlicher. Für Menschen, die für berufliche Fragen eine professionelle Begleitung suchen, ist es nahezu unmöglich, aus dieser Masse an Informationen im Internet den für sie passenden Coach herauszusuchen. Dieser Ratgeber schafft endlich Abhilfe. Er liefert einen sehr guten und strukturierten Überblick darüber, wann sich ein Coaching lohnt, welche Stolpersteine es gibt und bei welchen Versprechungen man misstrauisch werden sollte. Martin Pichler gibt klare Ratschläge, mit denen auch ein Laie leicht den für sein Anliegen besten Coach finden kann.

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Über das Buch

Die Zahl der Coaches steigt ständig und der Markt wird von Jahr zu Jahr unübersichtlicher. Für Menschen, die für berufliche Fragen eine professionelle Begleitung suchen, ist es nahezu unmöglich, aus dieser Masse an Informationen im Internet den für sie passenden Coach herauszusuchen. Dieser Ratgeber schafft endlich Abhilfe. Er liefert einen sehr guten und strukturierten Überblick darüber, wann sich ein Coaching lohnt, welche Stolpersteine es gibt und bei welchen Versprechungen man misstrauisch werden sollte. Martin Pichler gibt klare Ratschläge, mit denen auch ein Laie leicht den für sein Anliegen besten Coach finden kann.

Vita

Martin Pichler war über zwei Jahrzehnte Chefredakteur der Zeitschrift Wirtschaft + Weiterbildung und arbeitet nun als freier Journalist. Die Coaching-Szene betrachtet er seit über 20 Jahren, beobachtet laufend aktuelle Entwicklungen und bewertet sie aus Sicht der Praxis.

Inhalt

Einleitung

Wer einen Coach sucht,will sich verändern

Coach – ein Beruf ohne festgeschriebene Regeln

Kapitel IGrundlagen

1 Die Anfänge des Coachings

2 Warum es beim Coaching keine Ratschläge gibt

3 Beim Coaching geht es immer auch um Gefühle

4 Was Coaching leisten kann

5 Kein Coaching ohne Konzept

Kapitel IIDer Coaching-Markt

1 Ausnahmeerscheinung: Ein Markt ohne Regeln

2Des einen Kosten sind des anderen Verdienst: Die Honorarfrage

3 Mehr Frauen als Männer

4 Der deutsche Coaching-Markt in Zahlen

5 Coaching-Verbände

6 Blick in die Zukunft

Kapitel IIISieben goldene Regeln für die Auswahl eines Coaches

1 Die Chemie muss stimmen

2 Ein Coach sollte ein gewisses Alter haben

3 Ein Coach muss fördern, aber auch fordern können

4 Ein Coach sollte wissen, wie es in Unternehmen zugeht

5 Ein Coach muss eine Coaching-Ausbildung haben

6 Keine Angst vor dem Online-Coaching

7 Lerne die Regeln und brich sie

Kapitel IV So finden und kontaktieren Sie den richtigen Coach

1 Lassen Sie sich einen geeigneten Coach empfehlen

2 Stöbern Sie in neutralen Datenbanken

3 Die Website des Coaches analysieren

4 Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken

5 Online-Bewertungen

6 So treten Sie mit dem Coach in Kontakt

7 Das Kennenlerngespräch und dessen Auswertung

8 Bevor es ernst wird: Sind Sie bereit für ein Coaching?

Kapitel V Spezielle Coaching-Ansätze

1 Coaching ist nicht gleich Coaching

2 Systemisches Coaching

3 Der personenzentrierte Ansatz

4 Lösungsorientiertes Coaching

5 Positive Psychologie

6 Den Methodenstreit überwinden

Kapitel VI Die digitale Zukunft des Coachings

1 Internet-Plattformen: Hier läuft der komplette Coaching-Prozess

2 Coaching-Roboter mit künstlicher Intelligenz verändern den Markt

3 Karrierecheck mit Sally

4 Selbstcoaching-Apps

Kapitel VII Coaching light

1 Podcasts: Coaching verstehen lernen und anderen beim Coaching zuhören

2 Apps zum »Runterkommen« als Coaching-Alternative

Kapitel VIII Vorsicht vor Schwätzern, Scharlatanen und Coach-Rankings

1 Eigenlob stinkt – Fremdlob duftet

2 Umstrittene Coach-Rankings

3 Coaches stehen zu möglichen Kunstfehlern

Kapitel IX Coaching im Mittelstand

1 Auch Unternehmen brauchen ein Coaching-Gesamtkonzept

2 Coaching-Zielgruppen und -Anlässe festlegen

3 Wie kleine und mittlere Unternehmen ihre Coaches auswählen

4 Den Coaching-Auftrag klären

5 Der Coaching-Vertrag

6 Die Evaluation des Coaching-Erfolgs

7 Coaching-Plattformen auch für den Mittelstand?

Anhang

Was beim Business-Coaching anders ist

Fünf »dumme« Fragen an einen Coachund mögliche sinnvolle Antworten

Marktübersicht »Coaching-Verbände«

Digitale Coaching Provider (DCP)im Überblick

Martin Pichler

SO FINDEN SIE DEN PASSENDEN COACH

Der Wegweiser zum Erfolg – Antworten, die das Internet nicht gibt

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Einleitung

Wer einen Coach sucht,will sich verändern

Sie haben Ziele, die Ihnen wichtig sind, aber Sie haben wenig Erfahrung, wie man Ziele erreicht, und andere lassen Sie allein damit. Ein Coach kann Ihr Partner sein. Er hilft Ihnen, die eigenen Stärken zu aktivieren, und überlegt mit Ihnen, wo Sie Unterstützung herbekommen könnten, so dass Sie Ihre Ziele erreichen.

Oder Ihre Ziele beschäftigen Sie sehr, aber ein Wust an Emotionen steht Ihrer Zielerreichung im Weg. Deshalb wollen Sie entspannter werden. Mit einem Coach arbeiten Sie an widersprüchlichen Gefühlen und an Strategien, um mehr Zuversicht zu erreichen.

Ihre Ziele sind Ihnen klar, doch der Weg zur Zielerreichung ist es nicht. Mit einem Coach entwerfen Sie einen Plan, wie Sie zu Ihren Zielen kommen können, und der Coach begleitet Sie wohlwollend kritisch bei der Umsetzung.

Sie wollen Ihre Ziele rasch erreichen. Wenn das nicht möglich sein sollte, würden Sie viele Chancen verschenken. Ihr Coach analysiert mit Ihnen, welche Menschen Sie von sich überzeugen müssen, und gibt Ihnen Feedback. Außerdem bekommen Sie Übung darin, gelassen mit Druck umzugehen.

Oder auch Sie hat es vielleicht schon erwischt: Wir alle stehen gelegentlich vor Hindernissen, die wir für zu groß für uns halten. Ein Beispiel:

Viele Unternehmen stecken einen Teil ihrer Nachwuchskräfte regelmäßig in ein Assessment-Center, weil sie herausfinden wollen, wer das Zeug zu einem guten Topmanager hat. Jeder, der zum Assessment gebeten wurde, sieht sich schon als Kronprinz, aber nur sehr wenige werden für höhere Positionen ausgewählt. Der Rest bleibt in seiner angestammten Abteilung. Obwohl jedem klar ist, dass es bei solch einem Auswahlverfahren Verlierer gibt, fühlen sich die Aussortierten dann doch sehr schlecht – zumal es sich in jedem Unternehmen sehr schnell herumspricht, wer das Assessment »bestanden« hat und wer nicht. In solch einer Situation wird sich jeder sehnsüchtig einen Coach wünschen, der mit ihm die Ursachen der Ablehnung reflektiert, der ihm hilft, herauszufinden, warum er sich so gekränkt fühlt, und der mit ihm aus neutraler Sicht die Vor- und Nachteile einer Kündigung diskutiert.

Kennen Sie dieses Gefühl: Wir wissen nicht, was gerade mit uns passiert, und wir haben keine Ahnung, was wir tun sollen. Freunde und Freundinnen sind auch überfragt. Aber ein Coach könnte helfen – vorausgesetzt, wir finden den passenden.

Coach – ein Beruf ohne festgeschriebene Regeln

Leider ist es für einen Ratsuchenden nicht so einfach, einen Coach zu finden, der ihn in einer angemessenen Art und Weise unterstützen kann. Das größte Hindernis bei der Suche besteht darin, dass der Beruf des Coaches nicht staatlich geschützt ist, er also keine bestimmte Aus- oder Weiterbildung verlangt. Auch Ernährungsberater, Journalist oder Tätowierer sind keine geschützten Berufe. Theoretisch kann sich jeder Coach und sogar Business-Coach nennen. Etwa die Hälfte der Coaches hat sich in Deutschland in mehreren Berufsverbänden organisiert, aber auch dadurch wurde der Coaching-Markt nicht sehr viel transparenter. Und die Stiftung Warentest hat zuletzt im Jahr 2014 darüber geschrieben, wie man einen Coach findet. Es wurde also Zeit für dieses Buch.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach dem passenden Coach.

Ihr Martin Pichler

PS: Ich möchte in diesem Buch alle weiblichen, diversen und männlichen Menschen gleichermaßen ansprechen. Um es aber so lesefreundlich wie möglich zu gestalten, verwende ich manchmal nur die männliche Form – meine aber selbstverständlich alle Gender und Geschlechter.

PSS: Die Digitalisierung bringt es mit sich, dass Teile des Coaching-Markts derzeit einem schnellen Wandel unterworfen sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die in diesem Buch erwähnten Anbieter von digitalen Coaching-Plattformen und Coaching-Apps bereits kurz nach Veröffentlichung dieses Buchs ihre Firmierung, ihr Angebot und ihre Preise verändert haben.

Kapitel IGrundlagen

1 Die Anfänge des Coachings

»Boris Becker hat einen Coach. Warum sollten Sie nicht auch einen Coach haben?« Mit diesem lockeren Spruch warben in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts viele Kommunikations- und Managementtrainer für »Coaching« als neue Form, Menschen beruflich weiterzuentwickeln.

Man hätte sich kein besseres Vorbild aussuchen können: Boris Becker gewann 1985 im jugendlichen Alter von 17 Jahren als erster Deutscher das Finale der Wimbledon Championships im Herreneinzel. Sein persönlicher Coach war der bekannte Günther Bosch, der zeitweise auch als Bundestrainer des Deutschen Tennisbunds fungierte.

Dass man auf Boris Becker verweisen konnte, war ein echter Glücksfall für die recht junge Coaching-Branche. Denn damals wurde Coaching oft noch mit »Couch« und mit Sigmund Freud, dem Erfinder der Psychoanalyse, in Verbindung gebracht. Dank Boris Becker klang das Wort Coaching plötzlich sportlich und nach optimaler Vorbereitung. Becker war Profi und konnte alles, was ein Tennisspieler können musste. Coaching half ihm, im entscheidenden Moment sein Können nervenstark in einen Sieg zu verwandeln. Die Bedeutung des Begriffs Coaching drehte sich von »verkappter Therapie« hin zum mentalen Fitness-Parcours für alle, die ohnehin schon gut waren.

Boris Becker lieferte zwei Jahre nach seinem ersten Wimbledon-Sieg aber auch den Beweis dafür, dass man Metaphern nicht überstrapazieren sollte.

Im Jahr 1987 trennte sich der Tennisstar von seinem Coach Günther Bosch mit der Begründung, er brauche niemanden, der Tag und Nacht auf ihn aufpasse. Außerdem dämmerte es vielen Managern, dass sie von Sportlern eh nicht so viel lernen können. Während die einen sich zielstrebig auf wenige, entscheidende Wettbewerbe vorbereiten, haben die anderen die Aufgabe, permanent Entscheidungen zu treffen und diese auch noch gegenüber Mitarbeitern und Öffentlichkeit vernünftig zu begründen. Und wenn ein Manager sich von einem Sportler Zielstrebigkeit abschauen sollte, dann bleibt immer noch die Frage offen, ob das nur seiner Karriere oder auch dem gesamten Unternehmen dient.

Vom inneren Durcheinander zu Problemen mit anderen Menschen

Dass Coaching im Business immer mehr akzeptiert wurde, lag neben den plakativen Parallelen zum Spitzensport auch an innovativen Psychologen und Psychotherapeuten wie dem aus Österreich stammenden Amerikaner Paul Watzlawick. Er wurde in Deutschland bekannt durch sein ironisch gemeintes Buch Anleitung zum Unglücklichsein, in dem er beschreibt, wie man sich selbst ungewollt ein Bein stellen kann.

Während frühere Seelenkundler hauptsächlich damit beschäftigt waren, herauszufinden, welches Kuddelmuddel in einem Menschen selbst herrscht, wies Watzlawick auf das Unglück hin, das entsteht, wenn zwischen den Menschen etwas schiefläuft. Dieses »Dazwischen« nannte er Kommunikation. Sein berühmtester Satz lautet in diesem Zusammenhang: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« Das bedeutet, dass man auch beim Schweigen eine Botschaft ausstrahlt und deshalb kommuniziert – auch ohne Worte.

Watzlawicks Forschungsergebnisse sind längst in die Alltagssprache eingeflossen. An Begriffen wie Beziehungsebene, blinder Fleck oder selbsterfüllende Prophezeiung kommt heute keine Führungskraft mehr vorbei.

Vor allem der Begriff »Feedback« wurde durch Paul Watzlawick berühmt und zu einer zentralen Begründung, warum Coaching so wichtig ist. Schließlich ist es eine Binsenweisheit, dass jeder Mensch die Welt immer nur durch seine eigenen Augen sieht und sich dabei seine ganz individuelle Weltsicht »konstruiert«, die überhaupt nichts mit der Sicht anderer Menschen zu tun haben muss. Diese Subjektivität macht es erforderlich, dass man sich einer Selbstreflexion unterzieht und die eigenen Annahmen durch Gespräche mit anderen Menschen überprüft, um durch die Hinzufügung von »Außenperspektiven« der Wirklichkeit näher zu kommen.

Bei beidem, der Selbstreflexion und dem Sammeln von Perspektiven, kann ein Coach wertvolle Unterstützung anbieten. Die Arbeit an den eigenen »blinden Flecken« hat wesentlich die Akzeptanz von Coaching gefördert – nicht zuletzt, weil Einteilungen wie »krank« und »gesund« dabei überhaupt keine Rolle spielten.

Was ist »Business-Coaching«?

Einer der Gründerväter des Business-Coachings war der Brite Sir John Whitmore, der nach seiner Karriere als Rennfahrer als Sport- und Wirtschaftspsychologe arbeitete und mit seinem 1992 erschienenen Buch Coaching for Performance (deutsch: Paderborn 2014) der Coaching-Branche international zum Durchbruch verhalf.

Zu den deutschen Business-Coaching-Pionieren gehört Dr. Wolfgang Looss aus Weiterstadt. Der Diplom-Kaufmann arbeitete unter anderem als Managementtrainer und seit 1985 auch als Business-Coach. Über seine Coaching-Erfahrungen mit den Vorständen deutscher Unternehmen berichtete er im Jahr 1986 im Manager Magazin in einem vielbeachteten Artikel mit dem Titel »Partner in dünner Luft«. Im Jahr 1991 veröffentlichte er sein Buch Coaching für Manager (Gevelsberg 2008). Es wurde zum Grundlagenwerk und ist heute noch im Buchhandel erhältlich. Allerdings wurde 1997, als die vierte Auflage erschien, der Titel in Unter vier Augen: Coaching für Manager geändert, um deutlich zu machen, dass es beim Coaching wirklich um etwas Neues, um eine individuelle Einzelberatung, geht.

In diesem Buch geht es um »Business-Coaching«: Ein Mensch (Klient genannt) spricht freiwillig und eigenverantwortlich mit einem Coach über berufsbezogene Themen, die ihn belasten. Aus der Vielzahl der Coaching-Definitionen habe ich die wichtigsten Merkmale eines Business-Coachings herausgefiltert:

Es werden keine Ratschläge erteilt.

Es gibt ein konkretes, berufliches Anliegen und einen Zeitplan.

Es geht nicht nur um »die Sache«, sondern immer auch um Gefühle.

Es bleibt immer eine Distanz zwischen Coach und Klient.

Diese vier Merkmale dürften für viele Leser rätselhaft klingen. Deshalb sollen sie ausführlich erklärt werden.

2 Warum es beim Coaching keine Ratschläge gibt

Viele Berufstätige sagen, sie würden aus ihren Erfahrungen lernen. Das stimmt leider nicht. Es gilt als Binsenweisheit, dass man unter anderem den offenen Austausch mit anderen Menschen braucht, um aus seinen Erfahrungen zu lernen. Im Coaching geht es in erster Linie genau darum: Ein Klient wird beim Nachdenken über sich und seine Erfolge beziehungsweise Misserfolge unterstützt. Alleine kommt man wegen seiner blinden Flecken und der verbreiteten Tendenz zum Selbstbetrug, nämlich andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen, nicht weit.

Die Aufgabe des Coaches ist es, in die Rolle eines »Geburtshelfers« zu schlüpfen und zielführende (manchmal auch unbequeme) Fragen zu stellen sowie ehrlich auszusprechen, welchen Eindruck der Klient im Verlauf des Gesprächs gerade auf ihn macht. Der Coach flüstert bei einem Problem weder eine Lösung ein noch trainiert er mit dem Klienten fehlende Fertigkeiten.

Beispiel

Ein Verwaltungsangestellter ist entsetzt: Nach einer Stunde Arbeit im Homeoffice sieht sein Schreibtisch völlig chaotisch aus. Bei seiner Arbeit erlebt er sich als restlos verzettelt. »Was kann ich tun?«, fragt er seinen Coach. Der beruhigt: Jeder hat ein bevorzugtes Verhalten, das unter bestimmten Umständen sinnvoll ist und nicht verteufelt werden sollte. Andererseits ist es möglich, ein neues Verhalten zu lernen. Der Coach bittet den Klienten, sich folgende Fragen zu beantworten: Welche Kollegen bewundere ich, weil sie so strukturiert sind? Was machen diese Menschen anders als ich? Was möchte ich mir von ihnen abschauen? Letztlich erarbeitet sich der Klient Schritte, um seinem Tagesablauf mehr Struktur zu geben, die aber immer noch zu ihm als geborenen »Hans Dampf« passen. Der Klient lernt so, sich besser zu verstehen und bewusst sein Handlungsspektrum zu erweitern.

Manchmal kann es vorkommen, dass der Klient beim Reflektieren »auf dem Schlauch steht«, weil das benötigte Fachwissen in einer bestimmten Sache fehlt. Dann darf der Coach externes Wissen beisteuern und auch Handlungsalternativen vorschlagen – aber immer verbunden mit der Aufforderung, der Klient möge alles kritisch prüfen und sich eigenständig zwischen den vorgestellten Alternativen entscheiden.

Beispiel

Eine Abteilungsleiterin hat sich seit Wochen beobachtet und festgestellt, dass sie sich bei ihrer Arbeit viel zu oft von ihren Mitarbeitern unterbrechen lässt und abends immer das Gefühl hat, nichts Wesentliches geleistet zu haben. Sie arbeitet mit einem Coach daran, ihre Führungsaufgaben und ihre fachliche Mitarbeit in wichtigen Sonderprojekten unter einen Hut zu bringen. Überdies hat sie auch zu Hause Probleme. Sie geht an drei Tagen eine Stunde früher als sonst heim, um mit ihrem 13-jährigen Sohn Mathematik zu pauken. Seit ihr Mann eine Geliebte hat und Hals über Kopf aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, geht es mit den schulischen Leistungen des Sohns rasant abwärts. Der Coach muss sich jetzt erst einmal um den Notfall kümmern, bevor es mit der ursprünglichen Frage weitergehen kann. Der Coach erklärt seiner Klientin, dass ihr Sohn sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befindet und schon rein hirnphysiologisch überhaupt nicht daran zu denken ist, dass er normal lernen kann, als ob nichts wäre. Der Coach verlässt seine Rolle als Coach und steuert die Information bei, dass seelisch belasteten Schülern von Schulleitern eine mehrwöchige Befreiung vom Unterricht zugestanden werden kann. Die Abteilungsleiterin beschließt, sich Rat bei einer schulpsychologischen Beratungsstelle zu holen und dann zu überlegen, wie sie ihrem Sohn am besten helfen kann, bevor sie mit ihrem ursprünglichen Coaching weitermacht.

Dass Fachwissen in einen Coaching-Prozess von außen hereingeholt wird, ist also durchaus möglich und widerspricht nicht dem Grundsatz, dass ein Coach keine Ratschläge gibt. Es bleibt aber dabei: Im Coaching gibt es »nur« mehrere Impulse, aus denen der Klient auswählen muss. Karin Kiesele, Führungskräfte-Coach aus Berlin, berichtete in der Zeitschrift Praxis Kommunikation (3/2021) davon, dass Klienten sie gelegentlich auffordern: »Sagen Sie mir doch, was ich machen soll. Sie wissen es aufgrund Ihrer Erfahrung doch schon längst.« Ihre Antwort lautet dann: »Aber das hieße doch, ich steuere Ihr Lebensauto, und Sie wären bloß Beifahrer. Was, wenn Ihnen mein Fahrstil und mein Ziel am Ende missfallen? Besser, wir schauen gemeinsam, wie es für Sie am besten passt. Ich unterstütze Sie beim Prüfen und Abwägen der verschiedenen Möglichkeiten.«

Den Klienten bei dessen eigener Veränderungsarbeit unterstützen

Die Abwesenheit von Ratschlägen, Bewertungen, Instruktionen und Normen ist keine Erfindung einer Schmusepädagogik, sondern eine Notwendigkeit, die sich aus der Hirnforschung ableiten lässt: Menschen ändern sich grundsätzlich nur aus sich selbst heraus – und dazu brauchen sie eine zwanglose Situation, in der sie wohlwollende Anregungen für eine Veränderung aufnehmen können.

Früher nannte man wegen der strikten Zurückhaltung des Coaches ein Coaching auch »Beratung ohne Ratschlag«. Heute spricht man gelegentlich von »Hilfe zur Selbsthilfe« – wobei das nicht ganz passend ist, denn Hilfe, egal mit welcher Absicht sie erfolgt, bedeutet immer, dass es einerseits einen überlegenen Helfer und andererseits einen Hilfsbedürftigen gibt. Coaching bedeutet letztlich nur, dass sich zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen: Der eine ist Experte für seine Arbeit und sein Leben und der andere ist Experte fürs Nachdenken – über sich selbst und die Beziehung zu anderen.

Beispiel

Viele Ratsuchende, die zum ersten Mal hören, dass eine der wichtigsten Tätigkeiten eines Coaches das Zuhören ist, staunen ungläubig. Schließlich hört uns ein guter Freund abends beim Bier auch zu, wenn wir von unseren Sorgen erzählen. Dass zuhören und zuhören durchaus zwei verschiedene Paar Stiefel sein können, wird klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, was der bekannte Schriftsteller Michael Ende über seine Romanfigur »Momo« schrieb: »Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Sie konnte so zuhören, dass ratlose und unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz und gar verfehlt und bedeutungslos …, dann wurde ihm auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte. So konnte Momo zuhören. «

Ein weiteres zentrales Element beim Coaching ist neben dem Zuhören das gemeinsame Nachdenken. Gemeinsam mit einem Coach zu reflektieren, bringt in der Regel mehr, als sich mit seinen Problemen im stillen Kämmerlein im Kreis zu drehen. Das führt nur zu oft zu frustrierenden, schlaflosen Nächten, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Ein Coach ist ein neutraler Partner, der keine Eigeninteressen hat und jeder Art von Lösung offen gegenübersteht. Sein einziges Interesse besteht darin, seinen Klienten auf Augenhöhe durch Fragen und Denkanstöße zu unterstützen. Coaching bietet einen geschützten Raum, in dem der Denkprozess strukturiert und der Klient in die Lage versetzt wird, Gefühle auszudrücken, Blockaden zu lösen, eigenständig passende Lösungen zu finden und voranzukommen.

Denkanstöße für ein konkretes Anliegen

Über sich und seine Situation nachzudenken, darf nicht in eine lang anhaltende Grübelei ausarten. In der Regel kommt der Klient mit einem konkreten Anliegen ins Coaching. Etwas sollte sich seiner Meinung nach zum Besseren wenden. In der Regel beginnt der Klient mit dem Satz: »Ich möchte gerne Klarheit darüber haben, warum ausgerechnet mir dies oder jenes passiert.«

Oft will sich der Klient anders verhalten (besser Grenzen setzen, klarer entscheiden, eindeutiger kommunizieren oder Ähnliches), und er bekommt es einfach nicht hin. Manchmal denkt der Klient in eine falsche Richtung, ist gefangen in den eigenen Vorurteilen, übersieht wichtige Faktoren oder missversteht andere Menschen.

Der Coach stellt Fragen, um die Situation zu klären, und bringt mit den Fragen gleichzeitig den Klienten dazu, sich Maßnahmen vorzunehmen und sie umzusetzen. Oft ist es leicht, sein Verhalten zu verändern, wenn man einen sinnvollen Denkanstoß erhält.

Beispiel

Die persönliche Assistentin des alten Chefs wird auch die persönliche Assistentin des neuen Chefs. Der neue und der alte Chef arbeiten ein halbes Jahr gleichzeitig in der Firma, damit die Übergabe in Ruhe ablaufen kann. Leider reden der alte und der neue Chef nicht miteinander und treffen zum Teil widersprüchliche Entscheidungen. Die Inhaberfamilie hält sich aus der Sache raus. Viele Mitarbeiter heulen sich bei der Chef-Assistentin aus und klagen, dass sie plötzlich nicht mehr wüssten, was sie nun eigentlich zuerst erledigen sollten. Die Chef-Assistentin weiß natürlich auch nicht, in welche Richtung der Hase läuft. Da sie es aber gewohnt ist, zu allen nett zu sein, tröstet sie jeden, der zu ihr kommt, bis zur Erschöpfung. Im Coaching will sie Klarheit darüber, wie sie sich aus ihrer Rolle als Trösterin befreien kann. Der Coach lässt die Klientin auf einem Blatt Papier aufzeichnen, wie sie glaubt, dass auf der Führungsebene des Unternehmens die Kommunikation verläuft. Ihr wird klar, dass sie der Mittelpunkt ist und das System, so wie es ist, stabilisiert. Mit dem Coach erarbeitet sie sich Strategien, wie sie die Kollegen davon abhält, sich bei ihr über die Situation auszulassen.

Grenzen zu setzen, ist eine Fertigkeit, die man recht schnell erlernen und umsetzen kann. Manche Verhaltensweisen sträuben sich jedoch hartnäckig gegen Veränderungen. Der Wunsch der Chef-Assistentin, zu allen nett zu sein, könnte so eine festgefahrene Sache sein. Hartnäckiges Verhalten hat häufig etwas mit inneren Konflikten und unbewussten Motiven zu tun. Wenn die Chef-Assistentin zum Beispiel berichtet, dass ihr es jetzt schon beim dritten Arbeitgeber passiert, dass alle sich bei ihr ausweinen wollen und sie als Postbotin missbrauchen, um einer höhergestellten Person Nachrichten zukommen zu lassen, dann wäre (falls die Klientin einverstanden ist) ein Coaching fällig, das sich ausführlicher mit unbewussten Motiven befasst und der Klientin hilft, ihre eigenen Prioritäten besser wahrzunehmen.

Worum geht es im Coaching? Und geht es wirklich darum?

Es ist allerdings auf keinen Fall so, dass nur der Coach weiß, was Ihnen guttut. Das wäre falsch, da Coaching nicht in die Unmündigkeit führen darf, sondern Autonomie fördern soll. Richtig bleibt aber, dass viele Schwierigkeiten und Probleme von Managern auf einem weitverbreiteten Irrtum beruhen – nämlich auf der Annahme, zu wissen, was ihnen selbst, den Mitarbeitern und der Firma guttun würde.

Das Anliegen, von dem der Klient berichtet (»Ich möchte mich verändern, weil ich einfach zu undiszipliniert bin und meine Arbeit nicht schaffe!«) wird im Business-Coaching erst nach dem Kennenlerngespräch und nach eingehender Analyse zum Ziel. Dass diese Analyse heikel sein und von einem guten Coach trotzdem gut gehandhabt werden kann, zeigt folgendes Beispiel:

Beispiel

Ein Teamleiter kommt ins Coaching, weil er sich von seinen Kollegen gemobbt fühlt: Sie machen öfter einmal Anspielungen, er trinke gerne über den Durst. Er will Strategien sammeln, um die Teamleiterkollegen zum Schweigen zu bringen. Im Laufe der ersten 15 Minuten gewinnt der Coach den Eindruck, dass er möglicherweise doch einen Alkoholiker vor sich sitzen hat. Er will den Klienten ordentlich provozieren – nach dem Motto »Stehen Sie endlich zu Ihrer Sucht«. Doch dann tut er es nicht, weil ihm einfällt, dass Verleugnung zu jeder Sucht dazugehört wie weißer Rum zum Cuba Libre. Immerhin traut sich der Coach, dem Klienten zurückzumelden, was sich gerade vor seinem geistigen Auge abspielt: »Mein Eindruck ist einerseits, Ihre Kollegen hänseln Sie und Sie wollen mit mir zusammen überlegen, wie sie sich gegen ungerechtfertigte Beschuldigungen wehren können. Auf der anderen Seite könnte etwas an den Beschuldigungen dran sein und wir sollten dann zusammen ergründen, warum es Ihnen so wichtig ist, nicht darüber zu sprechen. Was denken Sie, wobei ich Ihnen helfen kann?«

Coaching ohne Zeitplan ist wie eine Reise ohne Uhr

Der Coach ist zwar nicht der Fachmann, der Probleme für seinen Klienten löst, aber er ist der Experte, der die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Coaching-Prozess bestimmt. Aufgrund seiner Ausbildung und erst recht aufgrund seiner Erfahrung hat jeder Coach seine ganz persönlichen Vorstellungen, wie ein Coaching-Prozess je nach Problem ablaufen muss, um für den Klienten erfolgreich zu enden. Das heißt, dass der Coach zu Beginn die Anzahl und die Dauer der jeweiligen Treffen sowie die Abstände zwischen den Treffen und die Gesamtdauer des Coaching-Prozesses vorgibt. Natürlich ist jeder Coach bereit, seine Vorgaben anzupassen, wenn sich die Umstände ändern, aber ein Klient wird wohl nicht in der Lage sein, einen Coach, der aus methodischen Gründen zweistündige Treffen bevorzugt, auf 30-minütige Treffen »herunterzuhandeln«.

Da der Beruf des Coaches nicht staatlich reglementiert ist, gibt es auch für den einzelnen Coach keinen Zwang, sich bei der Durchführung eines Coaching-Prozesses an offizielle Regeln zu halten. In der Praxis haben sich laut Handbuch Coaching (4. Auflage, Göttingen 2021) im Business-Coaching, bei dem es schließlich darum geht, dass ein Ziel erreicht wird, folgende zeitlichen Eckdaten herauskristallisiert:

Die Dauer einer einzelnen Coaching-Sitzung liegt zwischen 45 Minuten und 120 Minuten. Je komplexer das Anliegen, desto länger kann die Sitzung werden.

Zwischen den einzelnen Coaching-Sitzungen liegen Pausen von 14 bis 30 Tage. Mit der Anzahl der absolvierten Sitzungen kann der Abstand zwischen den Sitzungen größer werden. Zu Beginn sind manchmal je nach Anliegen wöchentliche Sitzungen sinnvoll.

Man braucht in der Regel zehn Coaching-Sitzungen, um ein Anliegen zu bearbeiten. Ein Coaching-Prozess dauert also ein halbes Jahr.

Um die Freiwilligkeit des Coachings und die Akzeptanz des Coaches sicherzustellen, steht dem Klienten üblicherweise die Möglichkeit offen, das Coaching zu beenden. Er bezahlt nur für die durchgeführten Sitzungen. Es sollte aber ein Abschlussgespräch geben, um mögliche offene Themen zu schließen.

Die jährlich durchgeführte »Coaching-Umfrage« (www.coaching-​umfrage.de) schreibt in ihrer Ausgabe vom Sommer 2021, dass ein durchschnittlicher Business-Coaching-Prozess aus 10,5 einzelnen Treffen besteht, wobei die Dauer der jeweiligen Treffen im Durchschnitt 1,5 bis 2,0 Zeitstunden beträgt. Die Umfrage geht von einem Trend zu immer kürzeren Coaching-Sitzungen aus, weil Coachings immer öfter ins Internet verlagert werden.

In der Praxis hängt die Dauer von Coaching-Prozessen oft von der Hierarchieebene des Klienten ab. Man geht dabei davon aus, dass die Selbstorganisationsprobleme eines Buchhalters schneller bearbeitet werden können als die Probleme, die ein Geschäftsführer hat, virtuelle Teams zu motivieren. Als Faustregel gilt:

Coachings für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung umfassen in der Regel mindestens drei Treffen, verteilt auf drei Monate. Gearbeitet wird an individuellen Entwicklungsthemen mit dem Ziel, Maßnahmen für den beruflichen Alltag abzuleiten.

Coachings für Bereichs-, Abteilungs- oder Teamleiter umfassen mindestens sechs Treffen, verteilt auf sechs Monate. Es geht darum, die eigene Führungspersönlichkeit zu stärken und Verbesserungen für den Führungsalltag festzulegen.

Coachings für Geschäftsführer und Topmanager umfassen in der Regel mindestens neun Treffen, verteilt über zwölf Monate. Der Coach steht auch als Sparringspartner für Fragen der Unternehmensstrategie zur Verfügung. Ansonsten wird zielorientiert an individuellen Entwicklungsthemen gearbeitet.

Hier noch zwei Beispiele aus der Welt der Konzerne. Der deutsche Ableger der International Coaching Federation (ICF) verleiht jedes Jahr einen berühmten Coaching-Award. Im Jahr 2020 erhielt ihn das Softwareunternehmen SAP in Walldorf. Nach Angaben von Unternehmensvertretern, die den Award entgegennahmen, dauern bei SAP im Mittelmanagement die Coaching-Prozesse im Durchschnitt ein halbes Jahr und umfassen drei bis sechs Treffen. Aber es gibt auch thematische Ausnahmen: Das so genannte »Karriere-Coaching«, das den eigenen Mitarbeitern angeboten wird, besteht nur aus einem einzigen Treffen von ein bis zwei Stunden Dauer. Die Adidas AG in Herzogenaurach, die den ICF-Award im Jahr 2019 zugesprochen bekam, berichtete auf der Preisverleihungsgala, dass bei ihr ein firmeninterner Coaching-Prozess aus acht Treffen von je einer Stunde Dauer besteht.

In der professionellen Szene der Business-Coaches ist man sich durchaus einig, dass Coaching »Hilfe zur Selbsthilfe« sein soll und dass ein Coach deshalb die Aufgabe hat, sich überflüssig zu machen. Die Angst potenzieller Klienten, Coaches würden es darauf anlegen, einen Coaching-Prozess möglichst in die Länge zu ziehen, um mehr Stunden als nötig abzurechnen, dürfte deshalb nur in extremen Ausnahmefällen berechtigt sein. Wahrscheinlicher ist, dass ein Coach alles daransetzt, um einen Klienten mit guter Arbeit für sich zu begeistern, weil Weiterempfehlungen für Coaches der mit Abstand wichtigste Grund sind, im Geschäft zu bleiben.

3 Beim Coaching geht es immer auch um Gefühle

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland das »Wirtschaftswunder«. Damals und noch bis in die Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts ernteten Berater in der Regel nur Kopfschütteln, wenn sie den Führungskräften sagten, sie sollten Rücksicht auf die Gefühle ihrer Mitarbeiter nehmen. »In unserem harten Business haben Gefühle nichts zu suchen«, war die Antwort. Und in der Tat: Ohne Gefühle konnte man damals in der Arbeitswelt gut »funktionieren«. Wenn man sein Verhalten ändern oder wichtige Entscheidungen treffen musste, dann wurde dazu der Verstand benutzt und sonst nichts. Da Männer das »starke Geschlecht« sein wollten, unterdrückten sie zwangsläufig ihre Gefühle. Schließlich durften sie keine Schwäche zeigen – frei nach dem Motto: »Ein Indianer kennt keinen Schmerz.« Natürlich gab es gelegentlich »Bauchgefühle«, aber allein schon das Wort schob Gefühle in den Unterleib, während die Gedanken und die Logik im Kopf Platz fanden.

Im Vorwort seines Buchs Coaching für Manager wies der bereits erwähnte Wolfgang Looss darauf hin, wie schwierig es für ihn im Rahmen seiner frühen Coachings immer gewesen sei, die Bedeutung von Emotionen und die Tiefe menschlichen Erlebens den doch sehr »technologisch orientierten« Managern zu erklären. Doch die Zeiten änderten sich.

Um deutlich zu machen, dass Fühlen auch im Business dazugehört, hat der Executive-Coach Klaus Eidenschink sich einmal die Mühe gemacht, in einem Zeitschriftenartikel (Wirtschaft + Weiterbildung, Heft 5/2019) aufzulisten, wie Emotionen täglich das Geschäftsleben beeinflussen und schon immer beeinflusst haben. Er fragt seine Leser: Was wird im Geschäftsleben nicht alles …

vermieden aus Angst,

erstrebt aus Gier und Eifersucht,

unterbunden aus Schuld,

untersagt aus Furcht,

verfolgt aus Zorn und Wut,

erduldet aus Liebe,

verleugnet aus Scham,

geglaubt aus Unsicherheit,

ertragen aus Stolz,

abgelehnt aus Unterlegenheit,

fokussiert aus Eitelkeit,

bekämpft aus Minderwertigkeit,

verzögert aus Vorsicht,

abgelehnt aus Kränkung,

angestrebt aus Begeisterung,

gut gemacht aus Freude,

übertrieben aus Leidenschaft,

genossen aus Lust?

Eidenschink schlussfolgert daraus, dass kein Business-Coaching ohne den kompetenten Umgang mit Gefühlen auskommt. Unterstützt wird er dabei von den modernen Neurowissenschaften, die sehr viele Belege dafür geliefert haben, dass sich Menschen nicht ändern können, ohne dass Gefühle aktiviert werden. Es kommt im wahrsten Sinn des Wortes auf das »Aktivieren« an, denn bei einem, der nur über Gefühle spricht, aber nichts spürt, wird sich nichts ändern. Auch diese Erkenntnis verdanken wir der Hirnforschung: Nur wer in frühere unangenehme Gefühle noch einmal eintaucht, sie also noch einmal »erspürt« oder »erfühlt«, kann sie abschwächen oder »überschreiben« (wenn auch nicht gänzlich tilgen).

Da viele Menschen eher zurückhaltend sind, wenn sie sich auf ihre Gefühle einlassen sollen, brauchen sie Unterstützung – am besten durch Coaches, die mit den eigenen Gefühlen gut umgehen können, was sie spätestens in einer Coaching-Ausbildung gelernt haben sollten. Und natürlich darf ein Coach die Gefühle seines Klienten nicht bewerten. Jedes Gefühl ist willkommen zu heißen, gerade auch unangenehme, denn die weisen in der Regel auf das hin, was im Unbewussten vor sich hin köchelt und die Motive eines Menschen beeinflusst.

Viele Coaches sind überzeugt, dass es durchaus sinnvoll ist, zu Beginn eines Coachings »erst einmal« auf der kognitiven Ebene zu starten und durch das Abwägen von Zahlen, Daten, Fakten an kurzfristigen Erfolgen zu arbeiten. Der Grund: Besonders zahlenorientierte Menschen müsse der Coach oft erst einmal von seiner generellen Beratungskompetenz überzeugen, bevor er sie auf ihre Gefühle ansprechen könne.

Andere Coaches stören sich an der Formulierung »erst einmal«. Denn der Klient kommt ja, weil er sich verändern will, und wann sollte man sonst in die Welt der Gefühle eintauchen, wenn nicht gleich? Auf der kognitiven Ebene hilft man Menschen, die gestolpert sind, wieder aufzustehen. Auf der emotionalen Ebene sorgt der Coach dafür, dass nicht mehr gestolpert wird. Der Klient kommt ins Coaching, weil er mit seinen Möglichkeiten, die Wirklichkeit zu verstehen, an Grenzen gestoßen ist. Er sucht nun einen kompetenten Reiseführer für das ihm Unbekannte.

Im Unerwarteten liegen eine Entwicklungschance und eine Lernmöglichkeit. Es gilt die Forderung eines erfahrenen Psychologen: Coaches sollten im Kontakt mit ihrem Klienten immer auch die emotionale Dimension bereitstellen.

Beispiel

Der Filialleiter einer Sparkasse kommt ins Coaching, weil er nach Ansicht seines Chefs zu wenig delegiert und deshalb ständig überarbeitet ist. Ein erstes Gespräch zeigt dem Coach, dass der Mann weiß, wie man beim Delegieren vorgeht. Aber dem Filialleiter ist es unangenehm, mit den Mitarbeitern, an die er wichtige Aufgaben übertragen hat, so genannte Zwischengespräche zu führen. Mit ihnen soll überprüft werden, ob die übertragenen Arbeiten rechtzeitig fertiggestellt werden können. Der Filialleiter hasst es, solche Gespräche festzulegen, und weiß nicht, wie er reagieren soll, wenn die Mitarbeiter ihm Kontrollwut vorwerfen. Der Filialleiter entschließt sich, solch ein Gespräch mindestens einmal pro Woche zu führen und am Ende der Woche dem Coach telefonisch von seinen Fortschritten in Sachen Zwischengespräch zu berichten. So wird auf der Verhaltensebene geübt, das Erreichen von »Meilensteinen« auf dem Weg zum Ziel zu überprüfen.