So funktioniert die Naturheilkunde - Uwe Ecker - E-Book

So funktioniert die Naturheilkunde E-Book

Uwe Ecker

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Beschreibung

Die Naturheilkunde hat viel mehr zu bieten als bloß Heilpflanzen und Homöopathie. Die großen Naturheilkunden dieser Welt beruhen auf einem ganzheitlichen Denken über Gesundheit und Krankheit. Sie kennen auf die verschiedenen Menschentypen bezogene Allgemeinbehandlung, auf die jede Heilbehandlung aufbaut. Dabei geht es immer darum, Heilungshindernisse auszuräumen und die Selbstheilungskräfte des Menschen zu aktivieren, um eine nachhaltige Gesundung zu ermöglichen. Dieses ganzheitliche Denken unterscheidet die Naturheilkunde von der Alternativmedizin, den Naturheilverfahren und der Schulmedizin. Der Autor zeigt, wie verschiedene Ansätze der Naturheilkunde durch die ganzheitliche Betrachtung des Menschen verbunden und erfolgreich angewandt werden; so Pflanzenheilkunde und Homöopathie, Eigenblutbehandlung und Chirotherapie, Heilfasten und Ernährungsbehandlung, Psychosomatik und Hypnosetherapie. Im Grunde habe ich hier lediglich die Antworten auf die häufigsten Fragen aufgeschrieben, die mir meine Patienten in den letzten 30 Jahren stellten. 23 Abbildungen und zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen die ganzheitliche Arbeitsweise der Naturheilkunde. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis erleichtert das gezielte Nachschlagen. Ein Naturheilkunde-Buch vom erfahrenen Praktiker für Gesundheitsbewusste, Kranke, Einsteiger und Profis.

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Dieses Buch soll niemand von notwendigen medizinischen Behandlungen durch Fachkräfte abhalten. Auch beabsichtigt der Autor in keiner Weise, zu unangeleiteter Selbstbehandlung oder gesetzwiedriger Behandlung anderer anzuhalten.

Uwe Ecker

So funktioniert die Naturheilkunde

Inhalt

Einleitung

Meine Arbeitsweise

Was ist Naturheilkunde?

Wie erlernt man die Naturheilkunde?

Naturheilkunde gegen Naturheilverfahren

Der Facharzt für Naturheilverfahren

Grunddimensionen der Naturheilkunde

Die zentralen Begriffe der Naturheilkunde

Kühlende und erwärmende Neurotransmitter und Hormone

Der Ayurveda

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Humoralpathologie, die antike Säftelehre

Der Nutzen der naturheilkundlichen Begrifflichkeit

Wie lassen sich warm und kalt, feucht und trocken verstehen?

Die Naturheilkunde ist eine individualisierte Heilkunde

Die Wirkung der Lebensweise

Die Typologien

Die vier Temperamente

Ein Luftikus, der Sanguiniker

Der Choleriker, ein Heißsporn

Der Phlegmatiker, ein Beobachter

Der Melancholiker, ein Tiefschürfer

Die auf das Temperament bezogene Lebens- und Ernährungsweise

Die Überprüfung der Lebens- und Ernährungsweise

Die Temperamente und Lebensweise zu den Jahreszeiten

Die Normalisierung des Gewichts

Die Konstitutionen

Was heißt hier ganzheitlich?

Der Stoffwechsel und die Schilddrüse

Klimatische Einflüsse

Einige systemische Regeln in der Naturheilkunde

Zubereitung und Anwendung von Heilmitteln

Vor Nebenwirkungen wird gewarnt

Die Betrachtung der Organe in der Naturheilkunde

Die Betrachtung der Erkrankungen in der Naturheilkunde

Die Reflexologie

Die Augendiagnostik

Die blasenziehenden Verfahren

Der Aderlass

Die Zunge als Reflexzone

Die Blutegel-Behandlung

Die Urin-Diagnostik in der Naturheilkunde

Weiteres zu Zahnmetallen

Der Immunmodulations-Bluttest

Die Immunmodulation

Die Akupunktur

Der kinesiologische Muskeltest

Die Chiropraktik

Ihre Bandscheiben und deren tägliche Größenschwankung

Wirbelverlagerungen und die Störung innerer Organe

Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz ein ganz schlechter Scherz

Der Muskelhartspann und andere Muskelverspannungen

Die Eigenblutbehandlung

Pflanzenheilkunde und Pilzheilkunde

Die Lehre von den Signaturen der Pflanzen

Probieren geht über Studieren

Die Homöopathie

Nosoden

Schüsslersalze - Die Biochemie

Die Spagyrik

Die Lebensweise, Diäthetik

Bioresonanz – Alles ist Schwingung, Schwingung ist alles

Die Allgemeinbehandlung und die Heilbehandlung

Die Mitbehandlung zuarbeitender und nachgeschalteter Organe

Verschlackung, Vergiftung und Übersäuerung

Das System der Grundregulation nach Pischinger

Die Beherdung

Narben, die stören

Rheumatische und allergische Erkrankungen

Die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie

Die Vitamin-C-Hochdosis-Therapie

Das Märchen vom bösen Cholesterin

Die nächste Funktionsebene

Die vier Schritte der naturheilkundlichen Behandlung

Die Sanierung der Verdauungsorgane

Die Ermittlung der Darmpassagezeit

Die Sanierung des Darmtraktes

Die Darmreinigung

Die Darmlavage

Die Kolonhydrotherapie ist keine Reinigung des Darmes

Die manuelle Kolonbehandlung und die Bauch-Selbstmassage

Die Beseitigung von Würmern

Die Symbioselenkung der Darmflora

Die Reinigung der Gallenwege

Erkrankungen mit erheblichen Auswirkungen auf das Seelenleben

Die Toxoplasmose und psychische Leiden

Die lymphogene Enzephalopathie

Gesund durch die vier Jahreszeiten, Kuren im Jahreslauf

Die Frühjahrskur

Kuren zum Herbstanfang

Das Heilfasten

Alter Wein in neuen Schläuchen: Detox-Kuren

Die Schrothkur

Die körperlichen Vorgänge bei Vollfasten

Die Vorbereitungstage

Die Darmentleerung

Untersuchungen vor dem Heilfasten

Das Fastenbrechen

Psychologische und psychotherapeutische Aspekte des Heilfastens

Die Reduktionsdiäten

Schlaf und Schlafstörungen

Die Lebensphasen

Die Kindheit

Die Pubertät, die große Transformation

Schwangerschaft und Geburt

Das Klimakterium bei der Frau und beim Mann

Reife und Alter

Die Psychosomatik, seelische Ansätze in der Naturheilkunde

Wie man in der Industriegesellschaft überlebt

Das Rauchen

Das Dampfen

Kaffee, Kakao oder Tee?

Schwermetall ist überall

Edelstahl, die übersehene Gefahrenquelle

Aluminium irritiert das Immunsystem

Cannabis, Haschisch, Mariuhana

Schimmelpilzgifte

Mikroplastik gelangt mit der Nahrung in den Leib

Plastik-Weichmacher lösen sich in Fetten und Ölen

Polyflourierte Kohlenwasserstoffe (PFC)

1-2% der Nanopartikel bleiben im Körper

Kosmetika, Haut-, Haarpflegeund Zahnpflegemittel

Tatoo, Pircing, Cutting und Branding

Naturkosmetik statt chemischer Versiegelung

Elektrosmog

Das Problem der industriellen Nahrungsproduktion

Acrylamid

Spritzmittel, Herbizide und Pestizide

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Dick durch Kohlensäure

Chemische Süßstoffe machen fett

Öle und Fette

Transfettsäuren machen einfach krank

Obst und Gemüse -Rohes und Gekochtes

Das Wasser

Milch und Milchprodukte

Raffinierte "Lebensmittel" wie weißes Mehl und weißer Zucker

Weizen

Zucker

Fruchtzucker, Fructose und Isomalt

Eine Zwischenbilanz

Flour

Nahrungsergänzungsmittel

Der Blütenpollen, eine Vitalstoffquelle

Eier

Kombucha

Kefir

Besondere Ernährungsformen

Wie hängen Naturheilkunde und Umweltmedizin zusammen?

Über Ernährungslehren im Allgemeinen

Ernährung und Immunsystem: Die Blutgruppen-Diät

Keine für alle: Die Vollwertkost

Die Hay'sche Trennkost

Vegetarismus und Veganismus

Säuren und Basen

Das Trinken

Wohngifte

Chemische Arzneien

Zahnimplantate und Gelenkersatz

Antibiotika

Lassen Sie möglichst nie Radioaktivität in ihren Körper einbringen

Wir sind nicht „impfmüde“, wir sind nur nicht dumm!

Gegen Kinderkrankheiten impfen?

Vorsorgeuntersuchungen

Die chirurgische Entfernung der Gebärmutter

Vom Krieg gegen die Naturheilkunde

Vom Pfusch in der Forschung

Das häufigste Leiden ist die Diagnose

Kann ich meinem Arzt vertrauen?

Gefährliche Tipps

Naturheilkunde bekommt man beim Heilpraktiker

Das Verhältnis zwischen Naturheilkunde und akademischer Medizin

Selber zum Naturheilkundigen werden

Anhang l: Eine Liste zu den Lebens- und Ernährungsweisen

Anhang ll: Liste der wärmenden, kühlenden, trocknenden und befeuchtenden Heilmittel

Quellenverzeichnis

So funktioniert die Naturheilkunde

Eine Einführung in Denken, Heilen und Erfahrungsbildung der Naturheilkunde

Die Naturheilkunde ist die älteste Medizin

und auch diejenige, die wir in Zukunft am meisten brauchen werden.

Dr. G. Giraud

Einleitung

Im Rahmen meiner Diplom-Arbeit in Psychologie habe ich zum Thema „Die therapeutische Identität von Heilpraktikern“ im Jahr 1993 Interviews mit einem Dutzend Heilpraktikern geführt. Unter meinen Gesprächspartnern war auch einer, der mehrfach betonte, dass wir ja „Heil-Praktiker“ und nicht „Heil-Theoretiker“ seien. Ich war damals bereits im sechsten Jahr selber Heilpraktiker und diese Äußerung fiel mir auf, weil ich gleich den Eindruck hatte, dass diese Auffassung etwas Wichtiges hervorhebt. Zumal der Interviewte an einer Heilpraktiker-Schule lehrte. Natürlich kann man das hier einfach als einen Aufruf zu einer gesunden Bodenständigkeit auffassen. Woraus sich die Frage ergibt, ob intellektuelle Selbstbeschränkung tatsächlich als Zeichen einer ganzheitlichen Entwicklung angesehen werden kann? Aber davon ab, überlegen wir doch einmal, was es bedeutet, wenn jemand mit alternativen Heilweisen arbeitet, sich aber nicht um einen theoretischen Überbau dafür bemüht? Irgendein Verständnis vom Menschen in Gesundheit und Krankheit muss der Betreffende ja haben, schon alleine um entscheiden zu können, was er behandeln muss und was nicht. Dann natürlich auch, um zu wissen, welches Leiden er aus welchem Grunde wie behandelt.

Nun bedarf ein Heilpraktiker, um tätig werden zu können, dazu der Erlaubnis durch das Gesundheitsamt. Diese erlangt er, indem er eine Prüfung beim Amtsarzt ablegt. Gegenstand dieser Prüfung sind schulmedizinische Kenntnisse, die sicher stellen sollen, dass vom Heilpraktiker keine Gefahr ausgeht.

Wenn jemand Heilpraktiker ist und keine anderes Wissen vom Menschen hat als obiges, dann ist er auf seine Kenntnisse der akademischen Medizin zurück geworfen. Damit aber praktiziert er keineswegs Naturheilkunde, sondern schlicht und einfach Alternativmedizin1 oder aber Naturheilverfahren vor Hintergrund eines mechanistischen Bild vom Menschen! Tatsächlich fand ich in meiner Diplom-Arbeit verschiedene Gruppen von Heilpraktikern, die sich in ihrem Menschenbild grundlegend unterscheiden. Eine Gruppe nannte ich die „besseren Ärzte“. Die “besseren Ärzte“ gehen vom mechanistischen Menschenbild der akademischen Medizin aus und ergänzen dieses allenfalls um die eine oder andere ebenso mechanistische Spezialkenntnis. In ihren Praxen gibt es auch oft blinkende Maschinen, Computer und Monitore, die ihre paramedizinische Kompetenz unterstreichen. Sich selbst sehen sie als Reparierer, die auf ihre mehr oder weniger originelle Art die Krankheit, den Fehler in der biologischen Maschine Mensch, beseitigen. In diese Kategorie gehörte auch der obige Kollege, an dem ich auf die geringe Reflexion seines Menschenbildes aufmerksam wurde. Was ich an den „bes-seren Ärzten“ als einziges kritisiere, ist tatsächlich dieser Mangel an Reflexion. Dadurch wird ihre alternative Medizin zu einer bloßen Fortsetzung der Schulmedizin mit anderen Mitteln. Außer diesen „besseren Ärzten“ fand ich damals die Gruppe der „echten Naturheilkundigen“, die so viel schulmedizinisches Wissen haben, die amtsärztliche Überprüfung zu absolvieren und auch oft an den Ansichten der akademischen Medizin lebhaft interessiert sind. Vor allem aber findet man bei ihnen darüber hinaus ein völlig anderes, nicht-mechanistisches Menschenbild. Sie haben eine Kenntnis vom Menschen, die grundsätzlich anders sind, als das der medizinischen Wissenschaft. Für sie sind Menschen nicht bloß biologische Maschinen. Sondern sie haben eine alternative Vorstellung davon, wie sich das Funktionieren eines Gesunden verstehen lässt. Und sie weisen auch eine eigene Lehre vom Krankheitsgeschehen auf. Und diese wie-tere Beschreibung des Menschen erlaubt es, ganzheitlich zu heilen, Gesundheit zu bewirken, statt einfach die Krankheit ausmerzen zu wollen. Sie sind keine „Wegmacher“, die den Missstand beseitigen, sondern es geht ihnen darum, Gesundheit herzustellen, zur persönlichen Entwicklung und damit zur Heilung anzuleiten. Wichtig ist mir an dieser Stelle, deutlich zu sagen, dass diese ganzheitliche Vorstellung vom Menschen stets für einen gesunden Menschenverstand und auch für einen offenen wissenschaftlichen Sachverstand nachvollziehbar bleibt.

Darin unterscheiden sich die „Naturheilkundigen“ von den „spirituellen Heilern“, der dritten Gruppe. Sie weichen zwar auch vom mechanistischen Menschenbild ab, gehen aber nicht nur einen nachvollziehbaren Schritt über dieses hinaus. Sondern sie setzen eine insgesamt rational nicht mehr zu begründende, oft aber intuitiv eingängige Sicht der Welt und des Menschen voraus. Sie gründen damit ihre Heilkunde in religiösen oder esoterischen Spekulationen. Vertreter dieser Gruppe sind zum Beispiel sämtliche Arten von Lebensenergie-Anwendern, seien es Magnetiseure, Reiki-Eingeweihte, Orgon-Anwender, Chakra-Arbeiter, christliche oder buddhistische Therapien, Schamanismus, usw. Bitte nicht missverstehen: Ich meine keineswegs, dass die „spirituellen Heiler“ irgendwie falsch liegen. Sondern ich weise nur darauf hin, dass sie das Weltverständnis des gewöhnlichen Menschen westlicher Herkunft nicht um einen, sondern gleich um mehrere Schritte überschreiten. Was ja nicht schlecht sein muss, jedoch deutlich in den esoterischen Bereich gehört und nicht nur hohe, sondern sogar höchste Anforderungen an den Menschenverstand der Kranken und das Verantwortungsbewusstsein und die persönliche Integrität der Behandler stellt.

Bezeichnender Weise fand ich unter Heilpraktikern die ersten beiden Gruppen häufig, die letzte aber seltener vertreten. Letztere scheint eher eine Domäne von Laienbehandlern zu sein.

Wenn man, wie ich, die Naturheilkunde als eigenständige Heilkunde begreift, ergibt sich daraus die Notwendigkeit, sich gegen andere Heilslehren abzugrenzen. Schließlich ist eine Naturheilpraxis keine Missionsstation!

Damit stoßen wir automatisch auf ein Problem, das mit dem Anspruch der Naturheilkunde auf Ganzheitlichkeit verbunden ist. Der Mensch ist nicht nur ein biologisches Wesen, sondern auch ein psychisches, soziokulturelles und auch spirituelles. Jeder Mensch hat eine Spiritualität, eine Geistigkeit, jedenfalls wenn man darunter die Art und die Haltung versteht, wie er sich in die Welt einfügt. So geht zum Beispiel ein Buddhist davon aus, dass alle Existenz leidvoll ist und auch der Christ lebt im irdischen Jammertal. Der Atheist geht davon aus, dass es keine große ordnende Kraft im Universum gibt und der Materialist ordnet sich in ein stoffliches Kontinuum ein. Das alles sind spirituelle Ausrichtungen, einfach weil jeder Mensch sich zum Großen und Ganzen positionieren muss.

Wenn man also mit dem ganzen Menschen heilkundlich arbeitet, kann man den spirituellen Bereich nicht einfach ausgrenzen. Spätestens wenn eine Erkrankung den Lebensmut eines Menschen untergräbt, ein Leiden das Leben bedroht oder es um Tod und Trauer in der Familie geht, berührt man auch diesen Bereich.

Das bedeutet aber für den ganzheitlich arbeitenden Praktiker, dass er, ebenso wie er psychotherapeutische Methoden für den seelischen Bereich kennen muss, auch spirituelle Verfahren zu beherrschen hat. Diese stammen aber aus genau jenen religiösen Heilslehren, gegen die sich die Naturheilkunde abgrenzen muss, um ihre Eigenständigkeit zu wahren.

Dieses Dilemma zu lösen habe ich zwei Ansätze gefunden. Entweder definiert man sich als naturheilkundlich arbeitender Vertreter einer bestimmten spirituellen Richtung. Dann tritt man in die Fußstapfen der Naturheilkunde betreibenden Pfarrer wie Kneipp, Felke und Künzel oder anderer spiritueller Lehrer. Bei denen ist und war die Naturheilkunde eine Fortsetzung ihrer geistlichen Tätigkeit mit anderen Mitteln. Oder aber man stellt sich der Herausforderung, sich auf das spirituelle System seines Klienten oder Patienten ein zu lassen. Dann muss man in der Lage sein, die eignen Verfahren in dessen spirituellen Symbole und Metaphern zu übersetzen. Letzteres halte ich einer modernen ganzheitlichen Heilpraxis für angemessen.

Natürlich kann man an dieser Stelle sagen, dass es sich um ein Randgebiet handelt und sich die weitaus meisten Naturheilbehandlungen auf die körperliche Ebene beschränken und allenfalls die psychische Ebene mit einbeziehen. Das ist sicher richtig. Es liegt in der Natur von Grenzen, dass sie zumeist in Randgebieten verlaufen. Eine Abgrenzung der Naturheilkunde von anderen Heilslehren ist zwingend notwendig. Es gibt, wie ich noch zeigen werde, zahlreiche Vereinnahmungsversuche. Ohne die Definition des eigenen Geltungsbereichs droht der Naturheilkunde, von anderen Heilkunden und Heilslehren aufgesogen zu werden.

Worum es mir hier vor allem geht, das ist die klare und deutliche Unterscheidung zwischen der Anwendung von Naturheilverfahren vor dem Hintergrund der schulmedizinischen Vorstellung vom Menschen und seinen Erkrankungen einerseits und der Naturheilkunde mit ihrem ganz eigenen Zugang zum Menschen andererseits.

Soweit meine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Arbeit aus den frühen 1990er Jahren.

Naturheilkunde ist weit mehr als bloß das Heilen mit natürlichen Heilmitteln, sondern sie ist ein Heilen auf Grundlage der Natur des Menschen. Wir sind ein Teil der Biosphäre der Erde, wir haben uns in ihr entwickelt und Antworten auf deren Gegebenheiten gefunden.

Betrachten wir uns als Teil der Natur, dann erscheinen Krankheiten nicht als Unfälle oder Unglücke, sondern stellen oft sinnvolle Lösungen dar, die freilich für den einzelnen Menschen meist mehr oder minder hohe Einbußen der Lebensqualität mit sich bringen.

Ein wichtiges Prinzip der Naturheilkunde ist es daher, natürliche Heilungsreaktionen, und das sind häufig Ausscheidungsprozesse, nicht ohne Not zu unterdrücken, sondern, wo möglich, zu befördern und zu erleichtern. Zum Beispiel kann Appetitlosigkeit während einer Krankheit ein Hinweis darauf sein, dass ein Heilfasten angebracht sein könnte. Da, wo die Natur Fieber aufkommen oder Rotz und Wasser laufen lässt, wo Husten oder Durchfälle auftrieten und Schweiße ausbrechen, hat der Naturheilkundige diese Prozesse in aller Regel zu begleiten. Sein Ziel ist es, solche Selbstheilungsreaktionen so zu gestalten, dass sie einerseits andere Selbstheilungsprozesse, zum Beispiel den Schlaf, und auch die Lebensqualität des Kranken möglichst wenig beeinträchtigen, andererseits möglichst optimal ablaufen und zu einer restlosen Aus-heilung führen. Ein Hintergrund dieses Strebens besteht in der Beobachtung, dass unterdrückte akute Krankheitsprozesse häufig in chronische Erkrankungen über gehen. Ein unterdrückter Husten bei einer akuten Erkältung kann leicht in eine chronischen Bronchitis oder ein Asthma übergehen, die weiter bestehen, wenn die Erkältung bereits längst ausgeheilt ist.

Ein nicht ausgeheilte Infekt wie eine akute Prostataentzündung kann zu einem chronischen Leiden wie akutem Gelenkrheuma führen, das erst weicht, wenn der zurückgebliebene Ent-zündungsherd beseitigt wird. Diesen Beispielen könnte ich eine schier endlos lange Liste folgen lassen. In der Praxis führt schon die Frage nach vorhergehenden akuten Erkrankungen in der Krankengeschichte (Anamnese) meist auf die richtige Spur.

Von dieser Betrachtung der akuten Symptomatik als Heilungsgeschehen aus gelangen wir zwanglos zu dem Gedanken, ausbleibende natürliche Heilungsreaktionen künstlich hervor zu rufen. Fehlt zum Beispiel das Fieber bei einer Erkältung, lässt sich dieses oft durch stark er-wärmende Mittel wie Ingwer anstoßen oder man simuliert es durch die Sauna. Die Fähigkeit des Körpers, eine entschiedene Heilungsreaktion wie Fieber hervor zu bringen, zeigt die Schlagkraft der körpereigenen Abwehr deutlich. Sucht man in den Krankengeschichten von Menschen mit Krebserkrankungen danach, so findet man, dass diese in der Regel die beiden Jahren vor der Diagnose dieser Erkrankung keine fieberhaften Infektionen aufwiesen. So gesehen ist Fieber also etwas Wünschenswertes, das man nicht unnötig unterdrücken sollte, auch wenn man ein Überschießen dieser Heilungsreaktion vermeiden muss. Daher stehe ich Erkältungsmitteln, die zum Beispiel Paracetamol enthalten, kritisch gegenüber. Sehr gut bewährt hat sich dagegen die Kombination hoch dosierter schlaffördernder Pflanzen wie Baldrian, Hopfen, Lavendel und Melisse mit blutreinigenden und Immunsystem stimmulierenden Mitteln, wie den erwärmenden und trocknenden Sonnenhut, den man mit der befeuchtenden Parakresse balancieren kann. Insgesamt darf der Schlaf bei Bagatellinfektionen als der beste Heiler gelten.

Wir befinden uns hier im Bereich des sympathischen Heilens, also des Strebens, Gesundung zu unterstützen, indem wird die Selbstheilungskräfte wecken, fördern und leiten.

Von hier führt ein direkter Weg zum Grundgedanken der Homöopathie, nämlich, einem Kran-ken ein Heilmittel in verdünnter Form zu geben, welches beim Gesunden möglichst ähnliche Symptome hervorruft. Man versucht also, eine ausbleibende oder zu schwach ablaufende Heilungsreaktion auszulösen bzw. zu verstärken, so dass eine akute Erkrankung ausheilt oder ein chronisches Leiden wieder in ein akutes Geschehen eintritt, welches dann ausheilt.

Jede Heilkunde ist in gewissem Umfang Erfahrungsheilkunde. Das gilt für die Naturheilkunde wie für die Schulmedizin. Wenn mir also eine Ärztin, die ebenso lange wie ich in eigener Praxis praktiziert sagt, dass sie beobachtet, dass fünf bis zehn Jahre nach Operation, Chemotherapie beziehungsweise Bestrahlung der gleiche Krebs wiederkehrt, so ist das ihre Erfahrung als Ärz-tin. Oder wenn ich beobachte, dass andauernde oder immer wieder kehrende Nasenneben-höhlenentzündungen das Hormonsystem durcheinander bringen und in der Regel damit zu tun haben, dass die Betroffene irgendwo von „die Nase voll hat“.

Allerdings findet in den genannten Fällen die Erfahrungsbildung in ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen statt. Besagte Ärztin arbeitet innerhalb des Kassensystems und ist bei ihren Patienten recht beliebt. Man geht zu ihr immer wieder hin, solange man krank ist, denn die Krankenversicherungen bezahlen ja für die Behandlung von Kranken. Das bedeutet, dass ihr besonders jene Tumorpatienten wieder begegnen, bei denen ein Rückfall erfolgt. Inzwischen stellte sich heraus, dass es Krebs-Stammzellen gibt, die zum Beispiel eine Bestrahlung und auch eine Chemotherapie weitgehend unbeschadet überstehen und von denen ausgehend sich das gleiche Tumorleiden erneut ausbreiten kann. Das war zu der Zeit, wo mir besagte Frau Doktor ihre Beobachtung mitteilte, noch nicht bekannt. Dennoch muss ich davon ausgehen, dass nicht immer alle schulmedizinisch behandelten Krebspatienten einen Rückfall erleiden. Ihren Eindruck möchte ich der Eigendynamik des Kassensystems zuschreiben. Trotz-dem sieht man, dass der praktische Arzt Beobachtungen macht, die, wenn der Zufall es will, später von der Forschung untermauert werden. Ein systematisches Aufgreifen von Erfahr-ungen der Praktiker durch die Forschung erfolgt nicht. Vielmehr verhalten sich die Forscher in der akademischen Medizin wie Produktentwickler in der Industrie. Was das ergibt ist klar, eine industrielle Medizin nämlich.

Ich selbst praktiziere seit dreißig Jahre, die meiste Zeit davon in einer Großstadt. Zumeist wer-de ich in Familien herum gereicht, d.h. häufig kommt zuerst eine Frau und macht gute Erfahr-ungen mit mir. Dann empfiehlt sie mich ihrem Mann oder ihren Eltern und sie kommt auch mit ihren Kindern. Auch dabei können einem Dinge begegnen, die ich dann wiederum als Psycho-loge bemerkenswert finde. Zum Beispiel werden gar nicht selten Frauen mit einem Leiden bei mir vorstellig, die dann alsbald ihr ebenfalls krankes Kind mitbringen. Von da an dreht sich alles nur um das Kind und die Frau lässt ihre eigene Behandlung schleifen. Offensichtlich wollte sie mich als Heiler ausprobiert, bevor sie ihr Kind zu mir brachte. Mit Männern gibt es das seltener, obwohl ich das auch schon erlebt habe. Als Mensch finde ich es natürlich rührend, wenn Eltern jemand seine Heilkunst erst einmal am eigenen Leibe vorführen lassen. Aber als Heilkundiger halte ich eine solche Vorgehensweise für unnötig und würde mir auch mir mehr Offenheit wünsche. Man kann doch einfach zu mir kommen und offen sagen, dass man mich kennen lernen will, es aber eigentlich um die Behandlung des Kindes geht und man sich vorher ein paar Dinge erklären lassen möchte. Das spart den Eltern Geld und mir die Mühe, jemand, der im Grunde nicht behandelt werden mag zu motivieren. Abgesehen davon konnte ich beob-achten, dass das übervorsichtige, das Kind von der Welt abschirmende Verhalten der Eltern in solchen Fällen nicht selten Bestandteil des psychosomatischen Hintergrunds der Erkrankung des Kindes ist.

Umgekehrt ist es auch schon vorgekommen, dass es um die Behandlung eines Kindes oder eines Jugendlichen ging, und ich im Vorgespräch mit einem Elternteil überein kam, mit gutem Beispiel voran zu gehen und ihre eigenen Leiden behandeln zu lassen, um das Kind zu motivieren.

Sehr ähnliche Erfahrungen machte ich mit einem Mann, der sich bei mir als Gesunder vor-stellte und sagte, er halte es einfach für eine gute Idee, wenn ich ihn kennenlerne, solange er noch nicht krank ist. Das ist tatsächlich ein guter Gedanke, denn wenn ich jemand nicht erst als Kranken kennen lerne, habe ich bildhaft vor Augen, welchen Zustand mein Patient anstrebt. Darüber hinaus können wir dann ein allgemeines Gesunderhaltungsprogramm erstellen, können schauen, wie dieser Mensch und seine Lebensweise zusammen passen, und wo es Unpässlichkeiten gibt, die man ja nicht zu Leiden auswachsen lassen muss. Ich spreche hier übrigens ganz bewusst nicht davon, Krankheitsfällen „vorzusorgen“. Ich will gar nicht, dass sich jemand „sorgt“, ich möchte, dass Menschen auf ihre Gesundheit achten, und das ist psychologisch ein ganz wesentlicher Unterschied. Angst und Sorge sind unnötige Stressoren. Die Ausrichtung auf das Wünschenswerte, auf die Gesundheit, ist mit innerer Ruhe und Ausgeglichenheit vereinbar und daher eine viel bessere Grundlage für Gesundung und Gesunderhaltung. Nun gut, das haben wir also gemacht, und er war sichtlich zufrieden damit. In der Woche da-nach kamen dann seine Frau und seine Tochter mit ihren Leiden. Hier könnte man nun ebenfalls annehmen, dass mir jemand nicht ganz reinen Wein einschenken mochte, sondern sich dachte, bevor meine Familie zu diesem Naturdoktor geht, schaue ich mir den erst einmal selbst an. Er nahm offenbar seine Aufgabe, als Vater seine Familie zu schützen, ernst, und da ich von ihm nicht in die Irre geführt wurde, finde ich das völlig in Ordnung.

Tragisch dagegen ist der Fall eines Mannes zu nennen, der mit Schmerzen im rechten Knie zu mir kam. Mein Bluttest gab keinen Hinweis auf einen rheumatischen Prozess. Verletzungen oder vorangegangene Infektionen lagen auch keine vor. Der Knochenbau zeigte eine kleine Verlagerung, eine Subluxation, allerdings am anderen Knie. Fast schon aus Verzweiflung richtete ich ihm also das linke Knie, und, oh Wunder, der Schmerz war wie weggeblasen und der Mann nie mehr gesehen. Jahre später traf ich ihn durch Zufall wieder und wir kamen ins Gespräch. Beiläufig fragte ich, wie es denn seinem Knie ginge. Er erinnerte sich nicht, überhaupt einmal etwas an seinem Knie gehabt zu haben. Als er zu mir kam, sei seine Tochter gerade erkrankt und er wollte sich mich anschauen, bevor er mit ihr zu mir kam. Leider bekam er den Eindruck, ich fände immer etwas zu behandeln, einfach um des Behandelns willen, und das hielt ihn davon ab, sein Kind zu mir zu bringen. Das war ein schlimmes Missverständnis, das sich aus mangelnder Aufrichtigkeit des Vaters entwickelte und für die Tochter bedauer-licherweise böse ausging. Auch ein Psychologe ist kein Hellseher. Man kann zwar lernen, kleinste Veränderungen in Mimik und Gestik als Hinweise auf Unaufrichtigkeit zu erkennen, trotzdem weiß ich dann immer noch nicht, worüber ich getäuscht werde. Ich kann den Leuten auch nur vor den Kopf schauen, nicht dahinter. Daher bin ich auf die Offenheit meiner Patien-ten und Klienten angewiesen. Missverständnisse wie das obige mag ich mir einfach nicht leis-ten. Es ist auch völlig unnötig, Vorwände zu erfinden. Ich bin ein freundlicher Mensch und erkenne zumeist die gute Absicht in dem, was jemand macht. Ohne so eine verständnisvolle Haltung würde es in meinem Beruf ja auch gar nicht gehen. Die Dynamiken, aus denen heraus Menschen zu mir kommen, sind also recht bunt gemischt, und das mag ich auch so sehr an meiner Arbeit. Es wird nie langweilig und gibt immer etwas Neues zu lernen.

Auf diese Weise habe ich inzwischen mit einigen Tausend Menschen gearbeitet. Wenn man so arbeitet, hat man irgendwann sehr viel von dem erlebt, was man in einer freien Praxis überhaupt an Erfahrungen machen kann. Da ich auch insgesamt vier Jahre in Kliniken gearbeitet habe, habe ich sogar von dem, was man dort erfahren kann, zumindest einen tieferen Eindruck. Da Erfahrungsbildung Zeit braucht, und man derweilen älter wird, macht man auch Erfahrungen mit sich und der eigenen Familie. In meiner Familie verstarben die meisten Menschen in nicht zu fortgeschrittenem Alter, entweder an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder an Krebs. Daher Wandere und Walke ich und überwache die Abwehrkraft meines Immunsystems bezüglich Tumorzellen mit Hilfe meines Bluttests. Als ich Mitte Dreißig war, stellten sich Gelenkschmerzen ein. Zum Beispiel wurde mein rechtes Knie heiß und schwoll an, so dass ich nur mit einer Krücke zu laufen vermochte. Ein positiver Antistreptolysin-Titer erbrachte damals die Diagnose Rheuma2. Ich begann gar nicht erst mit einer schulmedizinischen Behand-lung, sondern laborierte rund fünf Jahre lang selbst an diesem Leiden herum. Als es auftrat, war ich ja schon ein Jahrzehnt lang Heilpraktiker und hatte Erfahrung in der Behandlung rheumatischer Leiden. Die meisten der naturheilkundlichen Vorgehensweisen, die ich im Folgenden beschreibe, habe ich am eigenen Leib erlebt, ja, zum Teil daran entwickelt. Inzwischen sind viele der Änderungen, die ich damals an meiner Lebensweise vorgenommen habe, für mich so selbstverständlich geworden, dass ich den Eindruck habe, ich mache eigentlich nichts mehr, um meine rheumatische Disposition3 unter Kontrolle zu halten. Für mich als Heilkundigen jedenfalls bedeutet diese Erfahrung mit einer chronischen und vermeintlich unheilbaren Erkrankung, dass selbst betroffen zu sein eine weitere, ganz andere Qualität der Erfahrungs-bildung eröffnet, die meist erst mit der Reife kommt.

Eins möchte ich noch anmerken, was mir beim Schreiben dieses Buches aufgefallen ist. Es han-delt sich ja ganz ausdrücklich nicht um ein Fachbuch, sondern um ein Sachbuch. Daher bemühe ich mich, Fachtermini zumindest zu erklären und so zu schreiben, dass jeder, der der deut-schen Sprache mächtig ist, verstehen kann, worum es geht4. Dabei bemerkte ich, wie einfach, ja beinahe schlicht, auch viele schulmedizinische Gedankengänge erscheinen, wenn man sie des Fachjargons entkleidet. Das erinnert mich an den Ausspruch einer meiner Heilpraktiker-Kolleginnen, die meinte, wer logisch denken kann, der kann auch heilen.

Nur um das zu veranschaulichen, möchte ich hier ein Beispiel dafür bringen. Besonders im Bereich langanhaltender körperlicher Krankheiten, aber nicht nur dort, steht man zunächst vor der Frage, um was für einen grundlegenden Krankheitsprozess es sich handelt. Ist es eine Ent-zündung, findet man die klassischen Entzündungszeichen vor. Das sind Schmerz, Schwellung, Rötung und Hitze. Betrifft die Entzündung eine Schleimhaut, so bringt diese eine verstärkte Schleimabsonderung hervor, gleich ob sie die Schleimhäute der oberen Atemwege bei einem Schnupfen oder die des Darmes beim Durchfall betrifft. Handelt es sich um eine innere Schleimhaut, so kann sich eine

Flüssigkeitsansammlung zwischen den Schleimhäuten, ein Erguss ausbilden, zum Beispiel wenn der Herzbeutel oder das Lungenfell betroffen ist.

Liegt eine Entzündung vor, so bezeichnet man die Erkrankung mit dem lateinischen Namen des betroffenen Organs und der Endung „-itis“, also im Beispiel als „Rhinitis“ bzw. als „Enteritis“. Eine Entzündung kann häufig auf die Beteiligung von Mikroben zurück geführt werden. Dann handelt es sich um eine Infektion. Sie kann aber auch auf reizende Fremdkörper, zum Beispiel einem bei der Operation im Körper vergessenen Tupfer, eine reizende Chemikalie oder auch auf eine Geschwulst, zum Beispiel im Lungenfell zurück gehen. Oder ihr liegt ein Autoimmun-prozess zugrunde, dann ist das ein allergisches oder ein rheumatisches Leiden.

Findet man keine Entzündungszeichen vor, gilt es Tumorleiden von sogenannten degenera-tiven Erkrankungen abzugrenzen. Handelt es sich um letztere, so erhalten sie die Bezeichnung des betroffenen Organs und die Endung „-ose“. Beim Gelenk nennt man das „Arthrose“, bei Blutgefäßen und Nervengewebe „Sklerose“. Am Beispiel der Diagnostik kann ich also zeigen, dass es sich ganz überwiegend um ein Denken anhand von wenigen Kriterien und im Ausschlussverfahren handelt, mit dem man bereits einen großen Teil der in der naturheilkundlichen Praxis vorkommenden Möglichkeiten abzudecken vermag. Insofern stimme ich meiner Kollegin zu. Natürlich gibt es noch eine Anzahl von Zuständen, die man erkennen muss, wie Gefäßverschlüsse, ernsthafte Verletzungen, meldepflichtige Erkrankungen sowie drohende Fremd- oder Selbstgefährdung, die man weiter überweisen muss und die daher außerhalb dessen, was im Rahmen einer Naturheilpraxis zu behandeln ist, liegen. Es gibt, wie könnte es auch anders sein, auch Bereiche wie den der Tumorleiden, wo strittig ist, wie weit sie naturheilkundlichen Behandlungen zugänglich sind.

Doch grau ist alle Theorie! Richtig interessant und richtig künstlerisch wird es abseits solcher vergleichsweise einfachen Klassifikationen.

Klassifikation ist ein gutes Stichwort für das Ende meiner Einführung. Mein Bekenntnis ist ja, dass ich Menschen behandle, und nicht Krankheiten. Im Grunde gibt es „Krankheiten“ nicht in der äußeren Wirklichkeit, sondern nur erkrankte Menschen. Man kann Menschen ohne Erkrankungen begegnen, jedoch nie Humanpathologien ohne Menschen. Es handelt sich Krankheiten also immer um Abstraktionen. Daher habe ich dieses Buch auch lieber nach Menschentypen geordnet und nicht nach Krankheiten. Das haben auch genug andere vor mir gemacht. Ich mochte lieber ein Buch vom Heilen schreiben und nicht von Krankheiten. Nun gibt es diese Abstraktionen oder Klassifikationen nicht ganz ohne Grund. Sie dienen schlicht und einfach der Informationsreduktion. Diesem berechtigten Anliegen meiner Leser möchte ich durchaus nachkommen, nur nicht im Aufbau dieses Buches. Daher möchte ich all diejenigen, die mein Werk aus ihrem Bücherschrank ziehen, mit dem Gedanken: „Was empfiehlt denn Ecker bei Heu-schnupfen/ Gelenkschmerzen/ o.ä.“ freundlich auf die Nutzung des Registers verweisen.

Es war meine Absicht, eine allgemeinverständliche Darstellung moderner Naturheilkunde in Theorie und Praxis zu schreiben. Dies ist also kein Lehrbuch der Naturheilkunde. Daher habe ich mich auf die bezeichnenden Unterschiede zur akademischen Medizin konzentriert. Medizinisches Grundlagenwissen, wie zum Beispiel, dass es vier Zeichen für Entzündungen gibt, Rötung, Schwellung, Schmerz und Hitze, zu denen bei Schleimhäuten noch eine verstärkte Sekretion, der Katarrh hinzu tritt, setze ich daher voraus.

Was den Leser vielleicht anfangs ein wenig irritieren könnte, ist die Auseinandersetzung mit der industriellen Medizin als Gegenspieler der Naturheilkunde. Meine Beschäftigung damit ist dem Umstand geschuldet, dass auch die Naturheilkunde keine Insel der Seligen ist und auch nicht in einem rechtsfreien Raum existiert. Vielmehr findet Naturheilkunde in einer Gesellschaft statt, in der verschiedene Gruppen am Krankenbett ihre eigenen Interessen vertreten. Dabei bildet die akademische Medizin mit den Herstellern von Medizingeräten und besonders mit der Pharmaindustrie eine dieser Interessengruppen, die ich als industrielle Medizin bezeichne.

Interessanter Weise ist die pharmazeutische Industrie Teil der chemischen Großindustrie, welche ja auch in der Agrarwirtschaft eine bedeutende Rolle spielen. Die gleichen Konzerne, die unsere chemischen Medikamente herstellen, beliefern auch weltweit die Bauern mit Saatgut und chemischen Pflanzenschutzmitteln. Die Agrargroßkonzerne züchten also nicht etwa Nutzpflanzen, die wuchskräftiger als der unerwünschte Bewuchs und resistent gegen Schädlinge sind. Nein, diese Industrie drängt den Bauern Saatgut für Pflanzen auf, die durchaus wider-standsfähig sind, nämlich gegen die von den gleichen Herstellern produzierten Gifte. So tragen sie nicht nur zur Vergiftung unserer Welt bei, sondern fördern den Hunger in der Welt und die Armut der von ihnen abhängig gewordenen Bauern.

Wie kommen wir eigentlich auf den Gedanken, dass gerade diese Konzerne, die reich werden, indem sie den Hunger in der Welt erhalten und verwalten, auch nur im entferntesten daran interessiert wären, uns gesund zu erhalten und unsere Krankheiten zu beseitigen?

Das ist das eigentliche Spannungsfeld, in dem sich die Naturheilkunde heute in dieser Gesellschaft bewegt. Es stellt den Hintergrund dar, vor dem immer mehr Naturheilmittel dis-kreditiert oder durch die Verschreibungspflicht vom Markt genommen werden, sobald sie in Konkurrenz zu gewinnträchtigen Mitteln der industriellen Medizin treten. Ich werde im Folgenden noch zahlreiche Beispiele dafür darstellen.

In einer Befragung im Jahr 2007 gaben mehr als 80% der Deutschen an in naturheilkundliche Arzneien zu vertrauen als in chemische Medikamente. Dennoch fühlten sich weniger als ein Drittel gut über die Naturheilkunde informiert5. Es gibt also ein Informationsbedarf in der Bevölkerung, dem ich mit diesem Buch nachzukommen hoffe.

1 Manchmal werden alternativmedizinische Behandlungen auch als „biologische“ Therapien angeboten.

2 Der Antistreptolysin-Titer gibt an, ob Abwehrstoffe gegen Streptokokken vorhanden sind. Streptokokken sind kugelförmige Bakterien, die sich strangartig aneinander anlagern. Sie sehen dann aus wie eine Perlenkette. Nur wenn ein Kranker Kontakt mit bestimmten von ihnen hatte, spricht der Rheumatologe von Rheuma, sonst von einer rheumatoiden Arthritis, also einer dem Rheuma ähnlichen Gelenkentzündung.

3 Unter dem Begriff „Disposition“, vom lateinischen „dispositio“, „Anordnung“, „Einteilung“, wird eine organische, psychische oder lebensgeschichtlich erworbene Anfälligkeit zur Ausbildung von Krankheiten verstanden.

4 Wo ich das nicht mache, empfiehlt es sich, einfach im Index nachzuschlagen. Ich habe mich bemüht, zumindest dort eine Übersetzung den Fachbegriffen zuzufügen.

Meine Arbeitsweise

Wenn man sich so lange mit leidenden Menschen beschäftigt, hat natürlich auch die Art, wie man mit ihnen umgeht, ihre eigene Geschichte. Die ersten beruflichen Erfahrungen im Umgang mit kranken Menschen machte ich mit siebzehn Jahren, das war 1978, in meiner Ausbildung zum Krankenpfleger. An den damals noch städtischen Kliniken in Duisburg waren die Rollen klar verteilt. Der Patient hatte dem Arzt Auskunft auf seine Fragen zu geben und zu tun, was der Doktor sagt, weil er gesund werden soll. Das Pflegepersonal waren Erfüllungsgehilfen dieser Rollenverteilung, und damit dem Patienten gegenüber weisungsberechtigt.

In meinem Studium der Psychologie erfuhr ich, dass diese Art, mit kranken Menschen umzugehen, in den Lazaretten der Schlachtfelder des 18. und frühen 19. Jahrhunderts entstan-den ist. Die Lazarettärzte hatten dort nur die eine vordringliche Aufgabe, nämlich verwundete und erkrankte Soldaten so schnell wie möglich wieder kampfbereit zu machen. Aus dem Militär wurde diese Arbeitsweise mit Einführung der allgemeinen Krankenversicherung nahtlos auf die Krankenhäuser übertragen. Der Hintergrund, vor dem das möglich war, bildete der Auftrag der Gesellschaft an das Gesundheitswesen, die erkrankten Arbeiter so rasch wie möglich wieder arbeitsfähig zu bekommen. Diese Darstellung aus dem Bereich der Sozialpsychologie erklärte mir die Zustände, wie ich sie in verschiedenen Kliniken erlebt habe, vollständig.

Um so mehr verwunderte mich, dass ich genau diese Rollenverteilung einerseits in der Ausbildung zum Heilpraktiker, andererseits auch bei Formen der Psychotherapie wie der Psychoanalyse wiederfand. Schließlich bedeutet das eine ungleichgewichtige Rollenverteilung in einen wissenden Behandler und einen Kranken, dem abgesprochen wird, dass er weiß, worum es geht. Mit dieser Aufteilung in die Rollen des wissenden Arztes und des unwissenden Patienten wird eine äußerst wichtige Quelle von Informationen ent-wertet und kaum genutzt, nämlich der Patient. Selbst in einer Ausbildung in Hypnosetherapie traf ich diese Arbeitsweise wieder an.

Erst als ich meine ersten Schritte in systemischer Therapie machte, lernte ich ein kooperatives Modell im Umgang mit Patienten und Beratungsklienten kennen. Hier hatte man erkannt, dass jeder Mensch mit seiner eigenen Vorstellung von der Welt lebt. Daher ist es zumeist sinnlos und zum Scheitern verurteilt, dem Patienten einfach beibringen zu wollen, wie er mit seinen Problemen umzugehen hat. Weit vielversprechender ist dagegen der Ansatz, den Patienten zu unterstützen, selbst Lösungen aus seiner eigenen Sicht der Welt heraus zu entwickeln. Dazu muss man aber die subjektive Welt dieses Menschen kennen lernen, und das geht nur, indem sich der Behandler vom Patienten in dessen Eigenwelt führen lässt. Hier begegnen sich daher der Patient bzw. der Klient und der Therapeut auf Augenhöhe. Das zu erleben, dass man mit leidenden Menschen von Mensch zu Mensch, wertschätzend und sogar mit Humor statt mit therapeutischer Leichenbittermine umgehen kann, das war wohl das, was mich an der Systemischen Therapie am meisten beeindruckte. Umso überraschter war ich dann in meinem kleinischen Jahr als frischgebackener Diplom-Psychologe, als ich in einer ausdrücklich systemisch ausgerichteten Klinik für Psychosomatik im südlichen Vorharz über genau dieses autoritäre Gefälle zwischen den Therapeuten und den Patienten stolperte. Als ich dem nachging, stellte sich heraus, dass die Versicherungen, also die Geldgeber, auf einen Arzt als Leiter der Klinik bestanden. Damit gab es eine Klinikleitung, die nur dieses autoritäre Gefälle zum Therapeuten-Team und von diesem gegenüber den Patienten kannte. Der Fisch stinkt halt immer vom Kopf her, könnte man da sagen. Doch ich wusste ja schon, dass systemische Therapie anders geht, und dass ich eine Praxis führen konnte, hatte ich ja auch schon bewiesen. Daher hielt es mich nach dieser gut einjährigen Erfahrung nicht länger in dieser Klinik.

Im Rückblick konnte es für mich gar nicht anders gehen, als den kooperativen Umgang, den ich aus der systemischen Therapie kannte, auch auf meine naturheilkundliche Arbeit zu übertragen. Mein Klientel waren damals schon zu etwa gleichen Teilen Menschen mit überwiegend körperlichen Leiden, solche mit seelischen Problemen und eben auch psychosomatisch kranke Menschen. Nun ist es überhaupt nicht so, dass jemand zum Erstgespräch kommt und gleich klar ist, in welche Gruppe er gehört. Ich brauchte also eine Arbeitsweise, die auf alle meine Patienten etwa gleich gut passt, und das konnte in einer freien Praxis nicht der autoritäre Klinikstil sein.

Heute erkläre ich den Menschen, die meine Hilfe in Anspruch nehmen, dass ich mich als Experte für den Menschen im Allgemeinen betrachte. Und dass ich ihn als Experten speziell für sein Leben ansehe. Wenn wir unsere Expertisen zusammen legen, kann für ihn etwas Gutes dabei heraus kommen. Kurz, ich gehe davon aus, dass ich es mit erwachsenen Menschen zu tun habe, die mich als Dienstleister in einem ihnen sehr nahen Bereich ihres Lebens buchen. Es kommt eher selten vor, dass mir dann jemand sagt: „Nein, das möchte ich nicht. Sagen Sie mir einfach, was ich tun muss und fertig“. Und wenn tatsächlich jemand einen Ersatzvater in mir vorfinden will, so bedeutet das einfach, dass wir da ein wichtiges Thema gefunden haben, das bearbeitet werden will.

Den meisten Menschen leuchtet jedoch ein, dass ich, trotz aller Fertigkeiten bei der körperlichen Untersuchung, bei allem Anschauen, Abtasten, Beklopfen und Messen, doch nur eine Außenansicht ihres Leibes zu einem bestimmten Zeitpunkt habe. Wo hingegen der Patient ja jeden Tag rund um die Uhr seinen Leib erlebt. Wenn das allgemeinste Behandlungsziel eine Verbesserung der Lebensqualität des Patienten ist, bin ich ganz einfach auf seine Wahrnehmungen und seine Rückmeldungen angewiesen.

Dieser Philosophie der Transparenz und der gewaltfreien Kommunikation folgt mein gesamtes Handeln in meiner Praxis. Sogar die meisten meiner Laboruntersuchungen, Blut-, Harn- und Speicheltests, sind so ausgelegt, dass der Patient dabei sein und selber sehen kann, was da passiert. Sehen heißt meist glauben und glauben, mitmachen. Durch diese Transparenz kann ich die Mitarbeit des Patienten, die Compliance, weit besser herstel-len als durch autoritäres Gehabe. Viele meiner Kuren sind so ausgelegt, dass mein Pa-tient sie eigenständig zu Hause durchführen kann. Das setzt nicht nur voraus, dass sich diese in seine Lebensweise einfügen, sondern auch, dass er das grundlegende Prinzip der betreffenden Anwendungen versteht und sich ihm deren Sinn erschließt.

Die kooperative und transparente Praxis vermittelt den meisten Menschen das Gefühl, bei mir gut aufgehoben zu sein und mit mir einfach über alles sprechen zu können. Nicht selten habe ich in meinen dreißig Jahren Praxiserfahrung von Patienten gehört, dass mir nichts Menschliches fremd sei. Das stimmt zwar so sicher nicht, doch gehe ich davon aus, dass alles, was mir jemand mitteilt, vor dem Hintergrund seines Lebens, seiner Selbst- und Welterfahrung, zumindest für ihn selbst sinnvoll ist. Mein wichtigstes Arbeitsmittel ist, das zu würdigen und zu vermitteln, dass man als Mensch einfach auch so sein kann wie er ist. Das ist für mich der Punkt, an dem wir uns begegnen können und von dem aus ein erster Schritt weiter führen kann, auf dem dann noch weitere folgen.

Die Richtung, in die es dabei gehen soll, das Ziel der Behandlung, kann nur der Patient selber bestimmen. Natürlich stehe ich ihm dabei gern mit Rat und Tat zur Seite. Doch am Ende ist er es, der sich aus freien Stücken darauf zu bewegen und der auch mit dem Resultat leben muss.

Im psychotherapeutischen Bereich ist es das, was sich der Patient wünscht und woraus das Behandlungsziel werden kann. Im naturheilkundlichen und meist auch im psychosomatischen Bereich ist es zumeist seine vordringlichste Beschwerde, aus der das Behandlungsziel abgeleitet wird. Nun könnte man meinen, das sei doch alles völlig klar, da kommt jemand, der will, dass seine Beschwerde verschwindet und fertig. Jemand, der zum Beispiel mit wiederkehrenden Infekten oder chronischem Durchfall kommt, der will einfach, dass das aufhört. Es lohnt sich trotzdem, einmal zu fragen, was sein wird, wenn dieses Behandlungsziel erreicht ist. Und auch einmal zu fragen, ob der Patient damit glücklicher wäre. Wenn die allein stehende Mittedreissigerin nicht mehr durch ihre Krankheit ans Haus gefesselt wird, kann das einfach bedeuten, dass sich auf ihren Wanderurlaub auf Zypern freuen kann. Das ist dann gut, weil es sie motiviert, das dazu notwendige zu tun. Wenn das für sie aber bedeutet, dass sie sich dann wieder mit ihrem Wunsch nach einem Kind und einer Familie auseinander setzen muss, gilt es aufzupassen, ob sie bei diesem Gedanken wirklich motiviert und strahlend wirkt. Das soll jetzt nur ein gut nachvollziehbares Beispiel sein. Ich könnte ein weiteres Buch über Einwände von Menschen gegen ihre Genesung schreiben, über den Druck, beruflich erfolgreich zu sein, den Anforderungen der Herkunftsfamilie genügen zu sollen, den Ängsten und in-neren Konflikten, die damit und mit vielem anderen einhergehen können. Nicht selten liegen schon hier Hindernisse die Heilung betreffend. Und dann muss man auch darüber offen sprechen können. Denn auch wenn Kranksein zunächst ein funktionierender Kom-promiss zwischen dem, wie man selber gern leben würde und dem, was Familie, Freun-de und Arbeitswelt von einem verlangen sein kann, gibt es fast immer Lösungen, die weit weniger hohe Kosten mit sich bringen. Ein guter Teil meiner Arbeit besteht darin, solche besseren Lösungen zu finden und bei ihrer Umsetzung zu helfen.

Wenn man Jahrzehnte lang Woche für Woche alltäglich mit leidenden Menschen zu tun hat, dann braucht man vor allem selbst ein wenig Humor. Humor in der Heilkunde ist ein ganz eigenes Thema. Auch hier wird deutlich, dass Heilen immer etwas ist, das sich zwischen Menschen ereignet. Heilen setzt daher immer eine zwischenmenschliche Beziehung voraus.

Es gibt ein ausgrenzendes Lachen, wo man über jemand lacht, sich über jemand lustig macht, welches den Betreffenden herab setzt. Dem bin ich in Schwesternund Ärztezimmern ebenso wie in Konverenzen von Psychotherapeuten begegnet. Solche Verbrüderungen von Heilberuflern auf Kosten des Patienten sind unwürdig und degradieren die therapeutische Beziehung zu einer Schmierenkomödie.

Es gibt aber auch ein verbindendes Lachen, bei dem man gemeinsam über ein Drittes lacht. Man kann mit einem leidenden Menschen über die Merkwürdigkeiten des Zeitgeschehens, über die Paradoxien menschlichen Lebens, ja sogar über die Skurrilitäten seines eigenen Leidens lachen. Besonders letzteres verändert die Beziehung des kranken Menschen zu seinem Leiden. Obwohl das im Grunde eine sehr einfache Intervention darstellt, ist das natürlich heikel. Der Patient muss sich trotz der humorigen Ader seines Behandlers angenommen und ernst genommen fühlen. Solange diese Beziehungsebene dazu tragfähig genug ist, demonstriert Humor, dass der Behandler sich nicht fürchtet. Das vermindert auch die Angst des Patienten und ist schon allein deshalb wertvoll.

Darüber hinaus gibt es noch das Lachen aus dem Mitleiden mit dem Patienten heraus, wobei man als Behandler seine Verzweiflung mitfühlt und teilt. Im gemeinsamen Lachen überwindet man zusammen die Verzweiflung und lacht dem Schicksal praktisch ins Gesicht.

Man merkt, Humor in der Heilkunde ist nicht nur etwas, das Spaß macht, sondern kann auch die Haltung dem Leiden gegenüber verändern. Andererseits berührt das Thema ethische Grenzen und verlangt, mit viel Fingerspitzengefühl gehandhabt zu werden. Schließlich handelt es sich zunächst ja einmal um das Leid eines anderen Menschen. Dessen Fähigkeit, sich dem zu stellen und damit umzugehen muss gewertschätzt und gewürdigt werden.

Andererseits hat der Kranke zumindest die Chance, gesund zu werden und seine Krankheit hinter sich zu lassen. Jeden Heilkundigen, gleich welcher Richtung, begleitet menschliches Leid sein Leben lang. Der Unterschied ist, dass das seine eigen Wahl war, während der Kranke entgegen seinem bewussten Willen in diese Lage geriet. Behandler und Patient begegnet Krankheit und Leid also von ganz unterschiedlichen Positionen aus. Ich glaube, solange man vermittelt, dass man diesen kleinen Unterschied auch weiter im Blick hat, ist Humor in der Heilkunde immer hilfreich.

5 Quelle: Geo-Themenheft „Heilpflanzen“, 2008.

Was ist Naturheilkunde?

Aus dem oben Gesagten geht bereits hervor, dass man nicht jede beliebige Anwendung von natürlichen Heilmitteln gleich als Naturheilkunde missverstehen darf. Es kann sich ja auch um die Anwendung von Naturheilverfahren vor dem Hintergrund des schulmedizinischen Menschenbild oder einer diesem nahestehenden alternativmedizinischen Vorstellung vom Menschen handeln. Wir wollen unter Naturheilkunde einzig die kunstgerechte Anwendung natürlicher Heilweisen verstehen.

Kunstgerechte im Sinne der Naturheilkunde erfolgt deren Anwendung einzig vor dem Hintergrund eines naturheilkundlichen Verständnis vom Menschen.

Unter natürlichen Heilweisen versteht man die Anwendung natürlicher Heilmittel, also pflanzliche, tierische oder mineralische Mittel, sowie reflexologische Behandlungen.

Am bekanntesten ist sicher die Verwendung von Heilpflanzen, zum Beispiel als Aufguss, Absud oder auch als Pulver, Tinktur oder öligem Auszug, sowohl zur Inneren als auch zur äußeren Anwendung.

Beispiele für tierische Heilmittel sind zum Beispiel die Quarkpackung, das Cantharidenpflaster oder auch das Ansetzen von Blutegeln.

Mineralische Heilmittel sind zum Beispiel Heilerden zur äußeren oder inneren Anwendung. Ein ganz eigentümliches Heilmittel ist das Steinöl. Es wird seit Urzeiten aus dem bitumösem Schiefer bei Seefeld und Lampersloch gewonnen. Geschichtlich nachgewiesen ist die Verwendung des durch Destillation gewonnenen Öls als Viehheilmittel, zum Beispiel innerlich bei galligen Rindern, seit 1350. Das ist schon allein deshalb bemerk-enswert, weil das zeigt, über welche beeindruckend langen Zeiträume sich bei Naturheilmitteln die Beobachtung und Erfahrungsbildung in der Anwendung an Tier und Mensch erstreckt. Traditionell verwendet man das Steinöl seit langem als Mittel bei rheumatischen Schmerzen und bestreicht erfrorene Stellen und Frostballen mit Steinöl. Paracelsus soll es bei Gicht (Podagra), Geschwülsten und Lendenschmerzen verwendet haben. Es wurde als Ichthyol-Salbe auf den Markt gebracht. Als Wirkstoff wird Ammoniumbitumosulfonat angegeben. Eine solche Salbe ist heute zur Behandlung von Furunkeln und Abszessen sowie von Gelenkverschleiß am Knie (Gonarthrose) und Prellungen zugelassen. Das Steinöl wirkt kühlend, austrocknend und somit entzündungshemmend.

Die wohl bekannteste reflexologische Behandlung ist sicher die Fußreflexzonenmassage. Zur Reflexologie lassen sich aber auch die Behandlung von Reflexzonen auf Brust und Rücken, das Schröpfen, das Baunscheidtieren und die Akupunktur zählen. Auch einige Kälte- und Wärmeanwendungen gehören hier her.

Von Naturheilkunde kann man also nur sprechen, wenn Naturheilweisen gemäß dem naturheilkundlichen Denken angewandt werden, aus dem heraus sie ja auch entwickelt wurden. Löst man sie aus dem naturheilkundlichen Verständnis des Menschen heraus, um sie aus einem anderen Bild vom Menschen heraus einzusetzen, werden sie zu bloßen Naturheilverfahren.

Das naturheilkundliche Verständnis des Menschen und traditioneller Heilweisen gründet in den Jahrhunderte langen Beobachtungen und Erfahrungen der Volksheilkunde. Überall auf der Welt entwickeln Menschen solche traditionellen Heilkunden. Bei solchen Volksheilkunden handelt es sich also um eine außerakademische Medizin, die nicht an Hochschulen gelehrt wird. Die unterste und breiteste Ebene solcher Volksheilkunde sind die Hausmittel. Dabei handelt es sich um in Familien und Bekanntenkreisen weitergegebene Erfahrungen mit dem Menschen in Gesundheit und Krankheit. Als Heilmittel werden tierische, pflanzliche und min-eralische Mittel verwendet, die gewöhnlich im Haushalt zu finden sind. Das sind zum Beispiel Gewürze wie Petersilie, Wacholder, Liebstöckel, Thymian oder Origano, aber auch Tabak, Putzmittel wie Natron oder auch Hilfsmittel wie Bindfäden oder Gummibänder. Selbst heute werden in solchen Rahmen noch Besprechungen weitergegeben, zum Beispiel zur Beseitigung von Warzen. Hier sind die Übergänge zwischen gesunder Lebensweise, Betreuung besonderer Zustände wie der Pubertät oder der Schwangerschaft, häuslicher Krankenpflege und Kranken-behandlung fließend. Die Volksheilkunde ist ein integraler Bestandteil der traditionellen Lebensweise jeder Bevölkerung. Industrialisierung und Globalisierung lassen diese zwar in den Hintergrund treten, ohne sie aber wirklich beseitigen zu können.

Aus diesem allgemein verbreiteten heilkundlichen Verständnis treten Menschen hervor, die sich besonders dafür interessieren und das volksheilkundliche Wissen ansammeln. Aus den Reihen solchen beschlagenen Leuten gehen Heiler hervor, die eine gewisse Bekanntheit erreichen. Das sind dann zum Beispiel Leute wie Magarete Flach oder Maria Treben, die vor allem durch Bücher über Naturheilkunde bekannt wurden. Ein anderes Beispiel dafür ist zum Beispiel Tamme Hanken, ein berühmter Knochenbrecher in Norddeutschland. Unter den Be-dingungen der Kurierfreiheit, wie sie ursprünglich überall galt, heute jedoch in Europa noch in Großbritannien zu finden ist, können sie ihre Kunst frei ausüben. In Deutschland muss man sich entscheiden, ob man, wie Treben, offiziell gar nicht behandelt, wie Hanken, vor allem als Tierbehandler bekannt wird, oder eine Heilpraktiker-Prüfung ablegt, um so auch die Behand-lung von Menschen zu legalisieren. An Grete Flachs Werken lässt sich noch recht gut die Weitergabe naturheilkundlichen Wissens in ihrer Familie erkennen, welches sich letztlich bei ihr konzentrierte. Am Beispiel der Maria Treben kann man sehen, wie neben der innerfamiliären Tradition auch Aufzeichnungen der Volksheilkunde integriert wurden. Hanken zeigte, wie schulmedizinische Verfahren, zum Beispiel Injektionstechniken einerseits und Be-standteile anderer Naturheilkunden wie der chinesischen Medizin von heutigen Naturheil-kundigen aufgegriffen werden. Solche bodenständigen Heilerpersönlichkeiten fassen jedenfalls die in der Bevölkerung kursierenden heilkundlichen Kenntnisse zusammen. Damit machen sie die sonst ja praktisch unsichtbare Volksheilkunde als Naturheilkunde erkennbar. Andererseits beeinflussen sie durch ihre Arbeit und Lehre die traditionelle Heilkunde und entwickeln sie weiter.

Wieso ist es wichtig, das alles zu wissen? Nur, wenn man versteht, dass die Naturheilkunde aus der Volksheilkunde erwächst, kann man begreifen, dass die von der Ärzteschaft immer wieder an den Gesetzgeber herangetragene Forderung nach einer verbindlichen Ausbildung für Heilpraktiker nichts anderes ist, als die Forderung, die Naturheilkunde zu verbieten. Naturheilkunde entwickelt sich in der Praxis und in den Praxen weiter. Eine akademisierte Naturheilkunde entspräche bald den ärztlichen Naturheilverfahren. Das eigentliche naturheilkundliche Denken wäre auf diese Weise für die Krankenbehandlung verloren, der Heilpraktiker als zweiter Stand von Heilkundigen neben der Ärzteschaft würde seine Existenzberechtigung verlieren. Nichts anderes als die Absicht, die geschäftliche wie ideologische Konkurrenz auszurotten steht hinter der Forderung nach einer gesetzlich reglementierten Ausbildung für Heilpraktiker.

Andererseits wird so deutlich, dass die Naturheilkunde aus einer diffusen Menge in der Bevöl-kerung verbreiteter und z.T. sehr gegensätzliche volksmedizinischer Anschauungen hervor geht. Diese werden seit Einführung der Massenmedien durch die zahlreichen Beiträge der akademischen Medizin, andererseits durch die Einführung exotischer Heilkunden beeinflusst. Besonders seit Einführung des Internet hat sich die Aktivität im Werbeund Propagandabereich unglaublich gesteigert.

Die Erfahrungsbildung des einzelnen Naturheilkundigen obliegt es, herauszufinden, was aus dieser Gerüchteküche wozu taugt. Seit dreißig Jahren beobachte ich, wie durchschnittlich pro Jahr zwei neue Wundermittel auf den Markt drängen. Von jedem dieser Mittel wird behaup-tet, es helfe tatsächlich jedem und das praktisch gegen alles. Eines der ersten war Maria Trebens Schwedenbitter, der sich wirklich als ein gutes, allgemein kräftigendes und die Verdauungssäfte anregendes Bittermittel erwies. Leider wurde der Hauptbestandteil des echten Schwedenbitters, das Aloeharz, inzwischen verschreibungspflichtig. Ein Wundermittel aus neuerer Zeit ist das Wasserdesinfektionsmittel Natriumchlorit (NaClO2), welches als Miracle Mineral Supplement (MMS), also als Nahrungsergänzungsmittel, vermarktet, jedoch als Allheilmittel selbst gegen bösartige Tumoren beworben wurde. Tatsächlich kann man damit gegen jeden Infekt durch Bakterien oder Pilze vorgehen. Die Nebenwirkungen sind geringer als bei den meisten Antibiotika, dennoch wurde dieses Mittel inzwischen verboten.

Von den etwa sechzig Allheilmitteln und Geheimtipps, die mir im Laufe der Jahrzehnte begeg-neten, stellten sich die meisten als recht gute Heilmittel für bestimmte Leiden heraus. Ein nicht geringer Teil davon wurde unter Vorwänden verboten oder mit der Verschreibung durch den Arzt belegt, besonders wenn es sich um mögliche Konkurrenten zu Zytostatika oder Antibiotika, den Geldeseln der akademischen Medizin, handelte.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich bei den Naturheilkunden der verschiedenen Völker immer um Erfahrungsheilkunden handelt.

Wie erlernt man die Naturheilkunde?

Man kann Naturheilkunde sicher wie einen Lehrberuf, wie ein Handwerk, erlernen. Es gibt da unbestreitbar etliches, was man sich einfach zeigen lassen und üben muss. Um Lernen kommt man nicht herum. Wer aber die Werkzeuge erhält, Naturheilkunde als seine ureigene Heilkunst zu entfalten und so seiner Berufung zu folgen, der wird viel mehr lernen und der wird so viel mehr, als nur lernen.

In Anlehnung an Hahnemann möchte ich sagen: „Mache es nach, und mache es genau nach, und mache dein Eigenes daraus.“

Es geht mir nicht darum, ein Lehrgebäude zu konservieren. Sondern ich will all das weiter geben, was man braucht, um das Heilen mit der Natur, im Einklang mit der eigenen inneren Natur wie mit der umgebenden äußeren Natur, immer wieder selber neu zu entdecken.

Bevor ich also hier auf, man kann schon fast sagen, die Philosophie der Naturheilkunde, eingehe, möchte ich ganz deutlich sagen, dass sich davon niemand einschüchtern lassen mag. Die Naturheilkunde erwächst aus der Volksheilkunde. Daher möchte ich hier jeden ermutigen, bei jeder Unpässlichkeit doch erst einmal zu überlegen, was seine Mutter oder seine Großmutter dabei geraten hätte. Einfach erst mal ausprobieren.

Natürlich hat das seine Grenzen. Wenn eine Störung sich nach zwei oder drei Tagen mit Hausmitteln nicht bessert, rate ich immer dringend dazu, eine Heilpraktiker aufzusuchen, der abzusehen vermag, ob sich von vorn herein das naturheilkundlich auffangen lässt oder erst einmal in den akutmedizinischen Bereich der Schulmedizin gehört. Was übrigens weit weniger ist, als man gemeinhin denkt. Im Grunde sind das Vergiftungen, schwere Unfälle, ungleiche Pupillen oder Ohnmacht nach Kopfverletzungen (Schädeltraumen), schwere oder plötzlich auftretende Blutungen, akute Anfälle, hochfieberhafte Zustände, sich entwickelnde Blutvergiftungen (Sepsis), Zustände mit Nackensteifigkeit, starke Schmerzen der Schläfen, im Brust- oder im Bauchraum, mit oder ohne Abwehrspannung des Bauches, Verdacht auf Selbst- oder Fremdgefährdung. Solche Zustände überschreiten die Möglichkeiten einer naturheilkundlichen Praxis und müssen akut oder Notfallmedizinisch abgeklärt werden.

Naturheilkunde gegen Naturheilverfahren

Die Naturheilkunde behandelt den Menschen. Nicht isoliert betrachtete Krankheiten, sondern der Mensch in seinem Lebensumfeld steht im Zentrum der Betrachtungen. Es geht also nicht um „die Galle von Krankenzimmer acht“, sondern es geht um einen Menschen, der innerhalb bestimmter Lebensumstände und seiner individuellen Anlagen einen Gallenstein entwickelt hat. Daher ist es nicht sinnvoll, das kranke Organ in den Mittelpunkt zu stellen. Ein kranker Körperteil ist immer in einem leidenden Menschen eingebettet. Ein kranker Leib wird in aller Regel, von einem, im weitesten Sinne, gekränkten Geist bewohnt.

Wenn man dem leidenden Menschen mit dieser Betrachtung entgegen kommt, dann sind die Angst und der Schmerz des Kranken nicht bloß Störfaktoren, die man im Interesse der der Heilung des Organs irgendwie ausblenden muss. Sondern sie sind Anteile eines leidenden Menschen, die gesehen und gewürdigt werden wollen. Einfach weil sie Ausdruck eines Prozes-ses sind, der danach strebt, den Menschen wieder in seine Mitte, in seine Ganzheit6 zu brin-gen. Eine solche Sicht auf den kranken Menschen stellt Anforderung an einen Behandler, die über das, was die allermeisten Ärzte zu leisten vermögen, weit hinaus gehen. Das fordert nach einem Heiler, nicht nach einem Bio-Ingenieur.

Durch ihre besondere Betrachtung des Menschen ist die Naturheilkunde nicht einfach eine Fortsetzung der Schulmedizin mit anderen Mitteln. Sondern sie ist, wie das Wort schon sagt, eine eigene Kunde vom Heilen und setzt ein eigenes heilkundliches Denken voraus. Ganz-heitlich nennt man diesen Ansatz oft, im Gegensatz zur zergliedernden, anatomischen Betrach-tung des Menschen in der akademischen Medizin. Ich würde das naturheilkundliche Denken lieber als systemisches Denken bezeichnen.

Mein vordringliches Ziel mit diesem Buch ist es, den Leser zu unterstützen, dieses Denken für sich zu entdecken und im Bereich der Heilkunde anzuwenden.

Der Facharzt für Naturheilverfahren

Von Anfang 1997 bis Ende 1999 habe ich durch die freundliche Fürsprache verschiedener Pharmafirmen, welche u.a. pflanzenheilkundlich ausgerichtete Präparate herstellen,

an verschiedenen Fortbildungen zum Facharzt für Naturheilverfahren teilnehmen können. Was ursprünglich aus Neugier und dem Bestreben, gegenseitige Berührungsängste abzubauen, begonnen hat, das bescherte mir einige interessante Einblicke in die Art dieser Fortbildungen.

So fanden diese meist 6 bis 8 stündigen Veranstaltungen im Durchschnitt alle 2 Wochen statt. Die Fortbildung erstrecken sich über 3 Jahre, eine abschließende Prüfung gab es nicht, der Nachweis regelmäßiger Teilnahme genügt. Wer es nachrechnet, der kommt so auf 25 Fortbildungstage im Jahr. Mit einem Aufwand von etwa einem 1/4 Jahr wurde man also Facharzt für Naturheilverfahren.

Eigentlich müsste ich im obigen Satz "Fachfrau" statt "Fachmann" schreiben, denn diese in Ärztekreisen als "weich" geltende Facharztfortbildung wurden überwiegend von Damen besucht. Das Verhältnis zwischen mir als Außenseiter und den angehenden Fachärztinnen war zumeist recht angenehm und ich kann jedem Kollegen und jeder Kollegin den Besuch solcher Veranstaltungen zum Aufbau des Selbstbewusstseins im Umgang mit Ärzten nur anraten.

Es erstaunte mich sehr, als mir auffiel, dass ein großer Teil dieser Ausbildung aus Produktinformationen von Pharmakonzernen besteht, besonders da dies nicht immer als solche angekündigt wurde. Erst als ich einen Referenten für Vorträge in einer Heilpraktikerschule zu gewinnen suchte, stellte sich heraus, dass dieser Arzt vertraglich an einen Konzern gebunden war.

Nach dieser Erfahrung war es meist ganz einfach herauszufinden, für wen der Referent arbeitet. Meist eben für die Firma, die das von ihm bevorzugt vorgestellte Mittel vermarktet.

Die von mir befragten Veranstalter gaben den Werbeblock in der Fortbildung mit um die 10 % an. Die Fortzubildenden schätzten diesen zwischen 15 und 50%, wobei die in der Fortbildung weiter Fortgeschrittenen eher höhere Schätzungen abgaben als die Anfänger. Das führe ich auf eine geringe Transparenz der Fortbildung zurück.

Aufgefallen ist mir noch, in welchen engen Glaubenssystemen die angehenden Naturverfahrensfachleute dachten. Ihnen unbekannte Konzepte des Heilens wie Ausleitungsverfahren, Entgiftung und Herdsanierung wurden in der Regel von mehreren Teilnehmern mit leisen, aber deutlich vernehmbaren Kommentaren wie "Blödsinn" oder "so´n Quatsch" versehen.

Man muss kein Psychologe sein um daran zu erkennen, dass die Betreffenden hier an die Grenzen ihres Weltbildes stoßen und auf die Überforderung durch neue Ansätze des Heilens mit Zurückweisung derselben reagieren. Andererseits muss man sich ernsthaft fragen, warum jemand so eine Fortbildung besucht, wenn er nicht bereit ist, sich neuen Ansätzen zu öffnen?

Als ich bei einem Pausengespräch berichtete, dass selbst das Magenbakterium Helikobakter pylorii mit natürlichen Mitteln beseitigt werden kann, schien dies den Ärzten völlig unglaublich.

Auch die Glaubwürdigkeit eines Referenten über Misteltherapie wurde im Herbst 1999 von mehreren Teilnehmern offen angezweifelt, als er einige Fallbeispiele von geheilten Brustkrebsleiden vortrug. Er ließ daraufhin Teile seines Vortrags aus, wie ich vermute, wahrscheinlich leider die interessantesten. Als der Vortragende am Ende seines Referats fragte, ob sich die Fortzubildenden nun zutrauen, eine Mistelbehandlung vorzunehmen, erntete er betretenes Schweigen.

Tatsächlich klagten die Teilnehmer in allen Lehrgängen über das Fehlen von praktischen Übungen und Einsätzen in der Fortbildung.

Vergleiche ich die Ausbildung für Heilpraktiker mit dieser Fachfortbildung, so stehen wir mit 3 bis 5 Jahren mit durchschnittlich 3 Tagen in der Woche und einem oder mehreren viertelbis halbjährlichen Praktika und der amtsärztlichen Überprüfung mit z.T. 90%iger Durchfallquote13 mehr als nur gut dar.

Am Ende gilt für Fachärzte für Naturheilkunde wahrscheinlich dass, was ein befreundeter Facharzt bei einem gepflegten Bier offen aussprach. Nämlich dass, was er morgens mit schlechter Naturmedizin verpfusche am Abend mit guter Chemie von ihm wieder gerichtet werde.

2015 lernte ich einen etwas älteren praktischen Arzt kennen, der auch Facharzt für Naturheilverfahren, Facharzt für Akupunktur, Facharzt für Homöopathie und Facharzt für Psychotherapie war. Er bestätigte mir, dass sich in Aufbau und Qualität dieser Fortbildungen kaum etwas verändert habe und versicherte mir lächelnd, dass er damit auch nichts machen würde. Aus seiner Sicht seien das Anstecknadeln, die man günstig erwerben könne, wobei man zugleich seiner Fortbildungspflicht nachkomme.

Insgesamt zeigen mir diese Erfahrungen, dass die Naturheilkunde seitens der akademischen Medizin nach wie vor überhaupt nicht ernst genommen wird. Der Patient verlangt so etwas, und daher macht man das, praktisch als Werbemaßnahme. Und wenn die Naturheilverfahren in der ärztlichen Praxis erwartungsgemäß versagen, kann man dem Patienten ruhigen Gewissens sagen: „Sehen Sie, Natur wirkt bei Ihnen nicht, jetzt machen wir mal etwas, was wirklich hilft!“ Gemeint ist Chemie!

12 Als Ganzheit bezeichnete C. G. Jung, der Gründer der Analytischen Psychologie, einen Zustand, in dem ein Mensch sein gesamtes physisches, psychisches, soziokulturelles und spirituelles Potential leben, sich selbst verwirklichen kann. In diesem Sinne kann man Krankheit immer als Ausdruck davon, dass jemand aus seiner Ganzheit geraten ist, betrachten.

13 So in Berlin 1996/97 mehrfach geschehen.

Grunddimensionen der Naturheilkunde

Die Naturheilkunde könnte man als vorrangige Nutzung hochgradiges systemanalytisches Wissen bezüglich des Menschen und seiner Veränderungen bei vergleichsweise geringen Betonung anatomisch-physiologischer Kenntnisse beschreiben.

Schon hier zeichnet sich ein anderes Verständnis des Menschen im Gegensatz zu dem der akademischen Medizin ab.

Ein komplexes System lässt sich nicht einfach durch das Auslesen sämtlicher Variablen erfas-sen, das verhindert seine vielschichtige Dynamik, eben seine Komplexität. Es lassen sich ein-fach keine hinreichend stabilen Ursache-Wirkungs-Beziehungen bestimmen, so dass mechan-istisches Denken hier versagen muss.

Man kann jedoch Eckdaten ermitteln, die eine Vorhersage der Reaktionsweisen des Systems hinreichend genau ermöglicht. Ein Beispiel, das wohl viele kennen, stellt die Wettervorhersage dar. Wetter ist, wie der Mensch, ein komplexes System und daher nicht exakt berechenbar. Beim Wetter erhebt man Eckdaten wie Temperatur, Luftdruck, Windrichtung und Luftfeuchtigkeit. Mit diesen Werten schaut man dann in Aufzeichnungen nach, was unter ähnlichen Bedingungen zu dieser Jahreszeit und an diesem Ort für Wetter war. Dieser Abgleich aktueller Eckdaten mit früher gesammelten Vorerfahrungen ist dann die Vorhersage des Wetters. Ein solcher Abgleich von erhebbaren Eckdaten mit angesammelten Erfahrungswissen, das macht den Kern systemischen Denkens aus19.

Da der Mensch schon als solcher, besonders auch in seiner sozialen Einbindung, ein komplexes System darstellt, benötigt im Grunde jede Heilkunde systemisches Denken.

Ohne den Vergleich mit dem Wetter überstrapazieren zu wollen: Im Jahr 1999 hat das meteo-logische Institut der Freien Universität Berlin Bauernregeln zur