So leicht geht Selbstverteidigung für Dummies - Carsten Bönnen - E-Book

So leicht geht Selbstverteidigung für Dummies E-Book

Carsten Bönnen

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Beschreibung

Wer weiß, wie man sich im Notfall verteidigen kann, fühlt sich unterwegs sicherer. Wer sich sicherer fühlt, der strahlt dies auch aus und wird seltener Ziel eines Angriffs. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie gefährliche Situationen vermeiden oder mithilfe von Deeskalation entschärfen, getreu dem Motto: "Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf". Carsten Bönnen vermittelt Ihnen auch, wie Sie sich im Fall des Falls einfach und effektiv wehren können. Schritt für Schritt und mithilfe zahlreicher farbiger Fotos erlernen Sie Techniken, mit denen Sie sich gegen unterschiedliche Angriffe wehren können. Verteidigungstechniken gegen Grabschen und Festhalten, Schlagen und Treten werden dabei ebenso vermittelt wie die Verteidigung am und vom Boden aus. So sind Sie gut gewappnet und verteidigungsbereit, falls es notwendig sein sollte.

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Seitenzahl: 154

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 2016

© 2016 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form.

Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission.

Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.

Coverfoto und Fotos im Innenteil: © Carsten Bönnen

Korrektur: Leonie Christel, Forchheim

Satz: inmedialo Digital- und Printmedien UG, Plankstadt

Print ISBN: 978-3-527-71337-0

ePub ISBN: 978-3-527-80875-5

mobi ISBN: 978-3-527-80876-2

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Über dieses Buch

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

1 Grundlegendes zur Selbstverteidigung

Kämpfen oder weglaufen

Körperliche Reaktionen

Die Schrecksekunde

Angst

Der vermiedene Kampf

Die Eskalationspyramide

Ebene I: Vorbereitung

Ebene II: Aufmerksamkeit

Ebene III: Kommunikation

Ebene IV: Kampf

Ebene V: Erste Hilfe

Sicher raus aus der brenzligen Situation

Sich wehren

Andere Waffen

Ist das nicht irgendwie verboten?

2 Zurück zur Grundschule

Hier stehe ich…

Neutrale Stellung

Schrittstellung

Ihr Schutzschild: Arme hoch

Die versteckte Schutzhaltung

Die »normale« Schutzhaltung

Schutzhaltung bei »Waffen«

Notfallschutzhaltung

Masse mal Beschleunigung

Ausfallschritt nach vorn

Ausfallschritt nach hinten

Ausfallschritt zur Seite (ohne Abbildung)

Bitte wenden

Attacke!

Arme Techniken oder Techniken mit den Armen

Die Gerade

Ellbogenstoß

Beinhart: Techniken mit den Beinen

Fronttritt und Kniestoß

Tritt ins Knie

Außer der Reihe

Pressschlag

Mit Köpfchen

Beißen: Al dente (ohne Abbildung)

Zielsucher

Primärziele

Sekundärziele

Und sonst?

Übersicht

3 Finger weg! Verteidigung gegen Kontaktangriffe

Selbstbehauptung

Nein heißt Nein

Jetzt wird es laut

Reden wir über Inhalte

Haltung zeigen

Blickkontakt

Verteidigung gegen Greifen und Fassen

Einhändiges Fassen (Seitengleich)

Einhändiges Fassen (seitenverkehrt)

Doppelseitiges Fassen

Haareziehen

Verteidigung gegen Grabscher

Unerwünschtes In-den-Arm-Nehmen

Grabschen im Brustbereich

Grabschen an anderen Stellen

Verteidigung gegen Würgeangriffe

Würgen von vorne

Würgen von hinten

4 Schlagfertig! Verteidigung gegen Schläge und Tritte

Verteidigung gegen Schläge

Die Gerade

Der Schwinger

Der »Sucker Punch«

Tiefschlag

Verteidigung gegen Tritte

Der Low Kick

Der Fronttritt

Der High Kick

Verteidigung gegen Angriffe mit Hilfsmitteln

Angriff mit einem Stock

Angriff mit einem Messer

Angriff mit einer Schusswaffe

5 Auf dem Boden der Tatsachen : Verteidigung am Boden

Fallbeispiel

Rückwärts fallen

Seitwärts fallen

Vorwärts fallen

Am Boden angekommen

Der Gegner steht, Sie liegen

Verteidigung vom Boden aus

Vom Boden nach oben

Mit dem Angreifer am Boden

Auf Abstand gehen

Guard

Mount

Würgen

6 Waffenkunde

Grundsätzliches

Pfefferspray und andere Fernwaffen

Mittlere Distanz

Nahe Distanz

Akustische Hilfsmittel

Optische Hilfsmittel

Stichwortverzeichnis

Einführung

Seit etwa 25 Jahren beschäftige ich mich inzwischen in der einen oder anderen Weise mit Selbstbehauptung und Selbstverteidigung. Dabei ist mir immer wieder die Frage gestellt worden, warum ich das denn mache und ob das denn nötig sei. Seit Anfang 2016 wird mir diese Frage in Deutschland nicht mehr gestellt. Inzwischen hat fast jeder eine Meinung dazu und gefühlt ist jeder Zweite Experte für das Thema. Für mich bedeutet dies nichts weiter, als dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Ich persönlich finde das auch gut so. Mit der Selbstverteidigung ist es ähnlich wie mit der Ersten Hilfe. Hoffentlich werden Sie erworbene Kenntnisse in beiden Bereichen nie brauchen, aber wenn doch, dann sind diese Kenntnisse unbezahlbar. Gerade in diesem Sinne freue ich mich, dass Sie sich für dieses Buch entschieden haben.

In diesem Buch möchte ich Ihnen einen Einblick in die Selbstbehauptung und Selbstverteidigung geben. Gleichzeitig möchte ich mit den in diesem Buch enthaltenen Übungen und Informationen dazu beitragen, dass Sie sich zu Recht sicherer fühlen.

Stichwort »sich sicherer fühlen«: Auch wenn manche Medien und andere Interessengruppen Ihnen gerne weiß machen möchten, dass es unheimlich gefährlich ist, in diesem Land zu leben, lassen Sie sich davon nicht erschrecken. Schließlich haben Sie ja jetzt dieses Buch. Wenn alles andere fehlschlägt, dann können Sie es einem Angreifer immer noch auf den Kopf hauen. Aber im Ernst: Deutschland ist immer noch eines der sichersten Länder, statistisch gesehen ist es hier etwa so wahrscheinlich, Selbstverteidigungskünste zu benötigen, wie Erste Hilfe leisten zu müssen.

Über dieses Buch

So leicht geht Selbstverteidigung für Dummies führt Sie schnell und einfach in die Selbstverteidigung ein. Das Buch richtet sich dabei vor allem an Anfänger. Ich hoffe allerdings, dass auch erfahrene Praktizierende im Bereich Selbstbehauptung und Selbstverteidigung ein für sie interessantes Buch vorfinden werden.

Dieses Buch ist in sechs Kapitel gegliedert. Jedes Kapitel behandelt einen Themenbereich und ist grundsätzlich in sich abgeschlossen. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, im Buch hin und her zu springen oder auch nur das zu lesen, was Sie interessiert. Gibt es vertiefende Informationen zu einem Aspekt in einem anderen Kapitel, dann weise ich an der entsprechenden Stelle darauf hin.

Lassen Sie sich aber bitte nicht davon abbringen, dieses Buch auch gerne von vorne nach hinten durchzulesen. Auch wenn die einzelnen Kapitel nicht zwingend das Lesen der anderen Kapitel voraussetzen, so bauen die Kapitel doch aufeinander auf.

Gleich im ersten Kapitel können Sie erfahren, was eigentlich in kritischen Situationen mit Ihnen passiert. Ich erläutere Ihnen, warum in solchen Situationen plötzlich alles etwas anders ist als sonst und wie Sie diesen Umstand für sich nutzen können. Außerdem gebe ich Ihnen ein Modell – die Eskalationspyramide – an die Hand, das Ihnen helfen kann, Selbstverteidigungssituationen besser zu verstehen, zu meistern oder sogar komplett zu vermeiden. Außerdem finden Sie hier einen Überblick über die rechtlichen Aspekte der Selbstverteidigung in Deutschland.

In Kapitel 2 gehe ich dann mit Ihnen zurück in die Grundschule. Natürlich ist damit nicht gemeint, dass Sie wieder die Schulbank drücken sollen. In einigen Kampfkünsten versteht man unter »Grundschule« das Einüben von Techniken, so ist es dann auch hier. In der Grundschule lernen Sie einfache Techniken für die Selbstverteidigung. Anschließend lernen Sie, wie Sie diese Techniken kombinieren können, sodass die Kombination in möglichst vielen Situationen funktioniert (»Flatrate«). Abgeschlossen wird das Kapitel dann mit einer Übersicht an Zielen am menschlichen Körper.

In Kapitel 3 geht es dann zur Sache. Lernen Sie hier, sich selbst zu behaupten und einem potenziellen Angreifer durch (Körper-)Sprache klar zu machen, dass Sie niemand sind, mit dem er sich anlegen will. Erfahren Sie, wie Sie diesem Umstand auch nonverbal Nachdruck verschaffen können, indem Sie lernen, sich auch körperlich effektiv gegen allzu aufdringliche Zeitgenossen zur Wehr zu setzen.

In Kapitel 4 erfahren Sie, wie Sie sich gegen Schläge und Tritte schützen können. Dabei wage ich auch einen Ausblick auf die Verteidigung gegen Angriffe mit Gegenständen beziehungsweise Waffen.

Kapitel 5 widmet sich dann einer der unangenehmsten Situationen in der Selbstverteidigung, dem Kampf vom und am Boden. Hier können Sie lernen, wie Sie sich am besten verhalten, wenn Sie einmal in die Situation kommen, am Boden gelandet zu sein.

Das letzte Kapitel des Buches gibt Ihnen dann einen Überblick über in Deutschland frei verfügbare Waffen, die in der Selbstverteidigung eingesetzt werden können.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Überall in diesem Buch finden Sie kleine Symbole, die Ihnen den Weg durch den Text weisen. Diese Symbole lenken Ihre Aufmerksamkeit auf wichtige Inhalte, interessante Aspekte und Anleitungen.

Hier finden Sie wichtige Sicherheitshinweise. Lesen  Sie diese Kästen besonders aufmerksam.

Dieser nach Aufmerksamkeit heischende »… für  Dummies«-Mann möchte Ihre Aufmerksamkeit auf interessante Hintergrund- und Zusatzinformationen lenken.

Wenn Sie einen Kasten mit diesem Symbol sehen, dann  wissen Sie, dass es etwas zu tun gibt.

Ich hoffe, dass dieses Buch Ihnen ein guter Begleiter auf Ihrem Weg ist, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung zu erlernen. Denken Sie immer daran: Der Weg ist das Ziel.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit diesem Buch und von ganzem Herzen, dass Sie nie auch nur eine Technik daraus einsetzen müssen.

Die Informationen in diesem Buch sind nach bestem Wis sen und Gewissen recherchiert. Sie stellen aber weder eine medizinische noch rechtliche Empfehlung dar.

Die in diesem Buch gezeigten Techniken können – das liegt in der Natur des Themas – zu Verletzungen führen. Üben Sie sie also vorsichtig und unter Berücksichtigung der notwendigen Sicherheitsaspekte.

 

1

Grundlegendes zur Selbstverteidigung

In diesem Kapitel

Körperliche Veränderungen in Stresssituationen und ihre Folgen

Grundlagen einen Kampf zu vermeiden, Vorstellung der Eskalationspyramide

Kleine »Waffenkunde« – Vorstellung von körpereigenen und körperfremden »Waffen«

Notwehrrecht – Rechtliche Aspekte der Selbstverteidigung

Eine dunkle Nacht und Sie sind alleine auf der Straße. Plötzlich hören Sie Schritte hinter sich. Die Schritte kommen näher und ein ungutes Gefühl stellt sich ein…

Sie sitzen in einer Bar und trinken ein gemütliches Feierabendbier. Plötzlich starrt Sie ein etwas ungehobelt wirkender Gast an. Dann hören Sie den beinahe komisch anmutenden Satz »Was guckst du?« von ebendiesem Gast. Lachen können Sie darüber allerdings nicht…

Was ein Glück, Sie haben noch die letzte U-Bahn erwischt. Sie setzen sich und beglückwünschen sich innerlich dazu, es gerade noch in die U-Bahn geschafft zu haben und ein echtes Glückskind zu sein, als Sie auf der anderen Seite des Wagens plötzlich laute Stimmen vernehmen. Eine Gruppe Heranwachsender, die Ihnen beim hektischen Betreten des Abteils nicht aufgefallen ist, belästigt eine junge Frau. Sie würden gerne helfen, aber wie?

Falls Sie solche oder ähnliche Situationen schon einmal erlebt haben, falls Sie auch nur schon einmal über solche Situationen nachgedacht haben und sich gefragt haben, wie Sie in einer solchen Situation reagieren können, dann haben Sie jetzt genau das richtige Buch vor sich. Solche Situationen kommen in dieser oder ähnlicher Form immer wieder vor. Und alle diese Situationen können in einer Situation münden, die es erforderlich macht, dass Sie sich verteidigen müssen.

Kämpfen oder weglaufen

Sollten Sie schon einmal in einer solchen Situation gewesen sein, dann wissen Sie vermutlich, wie sehr sich plötzlich die Welt und deren Wahrnehmung verändern kann. Ihr Denken scheint nicht mehr richtig zu funktionieren, Ihr Körper sowieso schon gar nicht und irgendwie ist plötzlich alles anders als sonst.

Der Mensch reagiert, wenn er in eine gefährliche Situation kommt, mit uralten Programmen zur Bewältigung der Situation. Im Wesentlichen reduzieren sich dabei die Verhaltensmöglichkeiten auf

kämpfen,

weglaufen und

tot stellen.

Bedauerlicherweise passen diese uralten Programme nicht recht zu unserer heutigen Zeit. Vieles, was in Urzeiten Sinn gemacht hat, ist in heutigen Bedrohungssituationen wenig hilfreich; im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv.

 

Körperliche Reaktionen

Reaktionen, die Sie wahrnehmen könnten – wenn Sie in der Stresssituation nicht mit anderen Dingen beschäftigt wären –, sind:

Ein Adrenalinstoß; die Folge: Das Herz und die Atmung machen Überstunden, der Blutdruck steigt. Weitere Hormone werden zeitgleich freigesetzt.

Die Blutgerinnung wird heraufgesetzt. Sie bluten also nicht mehr so stark, auch blaue Flecken stellen sich langsamer ein.

Das Schmerzempfinden wird durch die Freisetzung von Endorphinen herabgesetzt.

Fettreserven werden freigesetzt. Fett und Zucker im Blut nehmen zu, um Energie für Flucht oder Kampf zur Verfügung zu stellen.

Die Wahrnehmung ändert sich. Alle Sinne arbeiten auf Hochtouren, die Pupillen weiten sich, gleichzeitig setzt meistens ein Tunnelblick ein. Die Wahrnehmung kann verzerrt sein, etwa werden die Geschehnisse manchmal in Zeitlupe wahrgenommen.

Nicht notwendige körpereigene Systeme werden abgeschaltet (etwa die Verdauung).

Wenn Sie die Liste lesen, mögen Sie vielleicht denken, dass das doch gar nicht so schlecht klingt. Allerdings haben die verschiedenen Aspekte durchaus ihre Nachteile:

Mit steigendem Puls reduziert sich Ihre Feinmotorik, komplizierte Handlungen sind nicht mehr möglich. Steigt der Puls zu weit, ist unter Umständen gar keine sinnvolle oder koordinierte Handlung mehr möglich.

Das reduzierte Schmerzempfinden klingt sehr positiv, es kann aber im und nach dem Kampf dazu führen, dass Sie gefährliche Verletzungen nicht bemerken.

Untersuchen Sie sich nach einer kritischen Situation  bewusst auf Verletzungen oder lassen Sie dies von einer anderen Person oder einem Arzt machen. Das Schmerzempfinden kann noch Stunden nach dem eigentlichen Vorfall eingeschränkt sein. Selbst schwere Verletzungen können so unter der eigenen Wahrnehmungsschwelle bleiben.

Die geänderte Wahrnehmung ist ungewohnt. Gerade der Tunnelblick kann problematisch sein, die periphere Sicht geht verloren, ohne dass Sie dies in der Situation wirklich bemerken. Angriffe von den Seiten erkennen Sie nicht oder zu spät.

Auch die geänderte Wahrnehmung wirkt noch nach  dem Kampf nach. Bestimmte Details aus der Auseinandersetzung sind unglaublich klar, während andere vermeintlich offensichtlichere Details komplett verloren gehen. Durch die veränderte Zeitwahrnehmung kann auch die Reihenfolge der Dinge durcheinander geraten. Aussagen direkt nach einer kritischen Situation sind deshalb häufig nicht sehr präzise. Sollten Sie von der Polizei befragt werden, bitten Sie um etwas Zeit, bevor Sie eine Aussage machen. Begründen Sie dies damit, dass Sie noch unter Schock stehen. Sie wollen ja nicht unkooperativ wirken. Einen Anwalt zu involvieren, der sich idealerweise mit solchen Situationen auskennt, mindestens aber Strafrecht als Spezialität hat, ist in der Regel auch keine schlechte Idee.

Sie verfügen meist über enorm viel Kraft. Zugegeben, das klingt toll. Allerdings führt mehr Kraft auch dazu, dass Ihre Aktionen anders als sonst ausfallen und Sie von Ihrem eigenen Körper überrascht werden können.

In der rechtlichen Betrachtung kann es später proble matisch sein, wenn ein vermeintlich leichter Schlag durch Ihre zusätzliche Kraft nachhaltigen Schaden angerichtet hat.

Bitte behalten Sie dies auch im Hinterkopf, wenn Sie Techniken für die Selbstverteidigung erlernen. Komplexe, motorisch und koordinativ schwierige Bewegungen mögen toll aussehen, sind aber in einer Selbstverteidigungssituation nicht mehr durchführbar.

Die Schrecksekunde

Vor den soeben beschriebenen körperlichen Reaktionen kann es noch eine »Schrecksekunde« geben. In dieser »Sekunde« tun Sie schlicht nichts. Sie versuchen einfach, die Situation zu erfassen. Wie lang diese »Sekunde« tatsächlich ausfällt, ist unterschiedlich und von Ihrer individuellen (Tages-)Form und gegebenenfalls von Ihrem Trainingsstand abhängig. In der Regel ist die Schrecksekunde dabei um einiges kürzer als eine Sekunde, allerdings fühlt sie sich erfahrungsgemäß wesentlich länger an.

In einer Selbstverteidigungssituation besteht zudem häufig das Problem, dass Ihre Verhaltensmöglichkeiten von dem oder den Angreifern und/oder der Situation weiter eingeschränkt werden. Nehmen Sie das Beispiel mit der U-Bahn, Flucht ist hier nur bedingt eine Option.

Die anderen

Auch Angreifer durchleben diese Auswirkungen. Allerdings fällt bei ihnen die »Schrecksekunde« weg und sie können sich besser auf die kampftypischen Reaktionen ihres Körpers vorbereiten.

Angst

Wenn Sie angegriffen werden, werden Sie Angst haben. Angst ist wichtig, sie hilft uns zu erkennen, wenn wir in Gefahr sind. Sie kann uns aber auch blockieren, wenn sie zu groß ist.

Wie können Sie Ihre Angst reduzieren?

Das eigene Können steigern (siehe Kapitel 2 bis 5).

Wissen erwerben. Das Wissen, wie eine Stresssituation abläuft, kann Ihnen im entscheidenden Moment die Handlungsfähigkeit geben, die Sie brauchen.

Situationen mental durchgehen und visualisieren und sich überlegen, wie Sie reagieren würden.

Stellen Sie sich verschiedene Situationen vor, die in  Ihrem Umfeld wahrscheinlich sein könnten, und überlegen Sie sich, wie Sie reagieren wollen. Machen Sie diese Aufgabe ruhig einmal direkt, auf alle Fälle aber auch noch einmal, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben.

Der vermiedene Kampf

Besser als einen Kampf zu gewinnen, ist es immer, ihn gar nicht erst zu führen.

Eine Selbstverteidigungssituation kann weitreichende Konsequenzen haben:

Gesundheitlich – Sie können verletzt werden, diese Verletzungen können Sie ein Leben lang begleiten.

Rechtlich – Die rechtliche Auseinandersetzung ist zeitaufwendig und psychisch sowie unter Umständen finanziell aufzehrend und dass Sie Recht bekommen, ist dabei nie gesichert.

Moralisch – Schäden, die Sie dem Angreifer zugefügt haben, können Sie moralisch belasten.

Psychologisch – Der Vorfall und die daraus erwachsenden Konsequenzen können Ihre Psyche nachhaltig beeinflussen, bis hin zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dies gilt nicht nur, wenn Sie den Kampf verloren haben, sondern auch, wenn Sie den Kampf gewonnen haben.

Sozial – Ihr Umfeld kann sich, gerade bei einer Verurteilung oder durch ein Trauma bedingt, von Ihnen abwenden.

Finanziell – Durch Gerichtsprozesse und gegebenenfalls Haftungsansprüche können hohe Forderungen auf Sie zukommen, psychologische und gesundheitliche Folgen können Ihre Erwerbsfähigkeit einschränken.

Taktisch und strategisch – Der Täter und dessen soziales Umfeld kann im Anschluss an die Konfrontation problematisch werden, es sind Fälle bekannt, in denen der/die Angegriffene aus diesem Grund umziehen musste. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Angreifer weggesperrt wird, nur weil eine Anzeige gegen ihn vorliegt. Bei vielen Angreifern ist es nicht die einzige.

Es gibt Situationen, in denen sich ein Kampf nicht vermeiden lässt. Außerdem kann ein vermiedener Kampf psychologisch gesehen zu einem Pyrrhussieg werden. Dies ist etwa der Fall, wenn Sie durch das Vermeiden des Kampfes Konsequenzen in Kauf nehmen, die Ihr Selbstbild nachhaltig beschädigen.

Ist Ihr Selbstbild das einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau, dann kann ein sexueller Übergriff diese Folge haben.

Ist Ihr Selbstbild das eines starken und selbstbewussten Mannes, dann kann schon ein Angriff auf die Ehre diese Folge haben.

In diesen Fällen ist es nahezulegen, mit aller Konsequenz die Auseinandersetzung zu bestreiten. Eine konsequente Gegenwehr kann viele der genannten Konsequenzen abmildern. Besonders die psychologische Aufarbeitung kann hierdurch vereinfacht werden.

Dennoch möchte ich Ihnen nahelegen, wann immer möglich eine körperliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

 

 

Die Eskalationspyramide

Die Eskalationspyramide zeigt Ihnen, wie und wann Sie einen Kampf noch vermeiden können und welche Stufen es in einer Eskalation gibt.

Ebene I: Vorbereitung

Beschäftigen Sie sich mit dem Thema Selbstverteidigung:

Lesen Sie dieses Buch.

Überlegen Sie sich, wie Sie in bestimmten Situationen reagieren wollen. In den Situationen selbst gelingt Ihnen dies nicht mehr.

Wo können Sie Gefahren erwarten? Gibt es zum Beispiel Risiken auf dem Arbeitsweg oder auf der Joggingstrecke? Welches Parkhaus ist sicher?

Überlegen Sie sich, ob Sie Hilfsmittel zur Verteidigung bereithalten wollen, und üben Sie gegebenenfalls mit ihnen.

Die meisten Übergriffe auf Frauen – gerade sexueller  Art – erfolgen immer noch im eigenen Bekannten- und Verwandtenkreis. Bei gewalttätigen Übergriffen in der Öffentlichkeit sind meist Männer die Opfer. Durch Medien haben wir häufig ein verzerrtes Bild der Risiken und Gefahren des Alltags. Für eine Frau etwa ist statistisch gesehen der Angriff durch einen maskierten Täter nachts im Wald unwahrscheinlicher als ein Angriff durch den doch eigentlich so nett wirkenden Nachbarn, Bekannten etc.

Eine gute Vorbereitung kann einen Kampf noch vor dem Entstehen einer kritischen Situation verhindern.

Ebene II: Aufmerksamkeit

Die wichtigste Eigenschaft in der Selbstverteidigung ist für mich keine besondere Technik, kein ausgeprägtes Ego oder eine effektive Waffe. Die wichtigste Eigenschaft ist Ihre Aufmerksamkeit.

Selbst bei noch so guter Planung ist es wichtig, in Echtzeit Situationen zu bewerten, Gefahren und Risiken wahrzunehmen und in Folge zu vermeiden.

Mir fallen in der Öffentlichkeit immer wieder »Smombies« auf, die ihre komplette Umwelt ausblenden und ihre Aufmerksamkeit allein dem Handy widmen. Gerade wenn dann noch Ohrhörer im Spiel sind, sind diese Personen leichte Ziele für einen Angreifer.

Achten Sie darauf, Ihre Aufmerksamkeit nicht zu sehr einzuschränken. Schauen Sie immer mal wieder vom Handy auf und stecken Sie beim Hören von Musik vielleicht nur einen Ohrstöpsel ins Ohr.

Entspannte Aufmerksamkeit (Ebene II a)