So war's - Ein langes Leben - Klaus Erxleben - E-Book

So war's - Ein langes Leben E-Book

Klaus Erxleben

4,3

Beschreibung

„Ehe wir vergessen“… die Menschheit ist verdammt, ihre irren politisch-erzeugten Taten der Vergangenheit zu wiederholen, wie die Geschichte es vielfältig festhält. Würden aber die kollektiven Lehren individueller Menschen zur Kenntnis genommen – ehe deren Werte vergessen werden, so könnten sie als wegweisende Lehren angewandt werden. Dann könnte die Menschheit ihren Weg der Zukunft ohne todbringende Kriege würdig anstreben … Dieses Buch “So war’s – Ein langes Leben” ist die Autobiographie von Klaus Erxleben, der durch die 1. und 2. Weltkriege stark geprägt wurde, wie es auch viele millionen Menschen elendig berührt hatte. Teilweise bis zum heutigen Tage leiden Menschen noch von den irren politischen Taten dieser Vergangenheit. Ohne eine höhere Ethik und Einsicht der Humanitätslehre werden die vergangenen Katastrophen sich sehr wahrscheinlich wiederholen … Dieses Buch ist gefüllt mit Tatsachen des Lebens, welche die Emotionen eines jeden Lesers rühren werden. Es vermittelt jedoch auch Verständnis, teilt Einsicht, gewinnt Respekt, ruft Bewunderung hervor, unterhält und regt das Denken an. Die Absicht des Autors ist, dass die Leser seine Meinung für die Lehren der Menschheit teilen mögen, wie reflektiert in seinem Gedicht auf Seite 9 des Buches … hier eine Strophe: Dunkle Wolken – wo ziehen sie hin ? Menschheit wo irrst Du hin ? Lernt aus Euren Katastrophen ! Ein wertvoll lehrreiches Buch, das sich ausgezeichnet eignet für Leser ab Realschule bis Universitätsreife und auch für Forschungszwecke bezüglich der Geschichte, Philosophie und einer kritischen Denkweise.

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Umschlaggestaltung und Motiv:

Man könnte vielleicht denken, ich wüsste nicht wie die Farben der Deutschlandflagge angeordnet sind.

Für mich steht aber die Farbe Gold für den aufstrebenden Anfang.

Das Rot für das pralle Leben.

Und Schwarz für ein Ende.

Also, von Alpha bis Omega…!

Ein Leben kann lang sein…und doch nicht lang genug

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

„Die guten alten Zeiten“ der Großeltern und Eltern

Meine Kindheit und die Schulerlebnisse

Nationalsozialistische Zeit und das Jungvolk

Das Leben meiner Eltern

Also wieder mal eine neue Gegend, alles Neu

Das Landjahr – Lager Marienberg bei Unkel am Rhein

Meine Berufszeit nahm Fahrt auf

Der Krieg „und ich war mit dabei”

Die Kriegsgefangenschaft

Wieder einmal Wahnhausen

Unsere Hochzeit

Wolfen, ein neuer Start unser Leben in den Griff zu bekommen

Hamburg, wir kommen

Der ausrangierte Autobus

Damals war Banker noch kein Schimpfwort

Hallo Ruhestand

Erlebnis Australien, einfach auf den Punkt gebracht…

Der verlässliche VW Bus

Ceduna – Wahlheimat meines Neffen Peter

Die große Reise

Weites – Einsames Land

Eine andere Reise durch Australien, diesmal mit unserer Schwester

Eine kleine Unterhaltung

Ab in Richtung Westen

50 Jahre gemeinsames Leben … Für mein Irmchen

Man lernt nicht aus, wie wahr

Endnote zur 3. Auflage dieses Buches

Bildverzeichnis

Bild 1 Meine Mutter Käthe Erxleben

Bild 2 Familie meines Vaters

Bild 3 Unsere Eltern

Bild 4 Großvater

Bild 5 Großvaters und Onkel Ottos Schiffe

Bild 6 Onkel Ottos Kahn

Germania

Bild 7 Landjahr; im Lager Marienberg

Bild 8 Mein Zeugnis; Schifferberufsschule

Bild 9 Marine Peilhauptstelle bei Swinemünde

Bild 10 Ein Beispiel meiner mir gegebenen Gabe

Bild 11 Irmgard Last, mein

Irmchen

Bild 12 Irmgard Petrich 1942 in Ahlbeck

Bild 13 Briefumschlag an meine

Irmchen

Bild 14 Unsere Hochzeit

Bild 15 Meine Frau

Irmchen

Bild 16 Meine Mutter, Kähte

Bild 17 Kahn

Gertrud

Bild 18 Unsere Wohnung in Hamburg

Bild 19 Klaus bei Firma Kehrhahn, Hamburg

Bild 20 Klaus in der Buchbinderei

Bild 21 Klaus mit der „neuen“

Rota-Print

Bild 22

Irmchen

und ich … schick

Bild 23 Meine Australien Rundfahrten

Bild 24 Der Grüne VW Bus

Bild 25 Unsere Freundin Selma

Bild 26 Unsere Diamantene Hochzeit

Bild 27

Kollege

Opa

Bild 28

Irmchen

und ich … Ja, Liebe ist alles

Vorwort

Klaus Helmut Erxleben wurde am 21. September 1923 in Burg bei Magdeburg, Deutschland geboren.

Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in der Region Hamburg, Deutschland.

Heute lebt er in Norderstedt, bei Hamburg.

Dank möchte ich meiner Familie aussprechen, die mir viele gute Momente in meinem langen Leben geschenkt hat und ich dadurch viele Seiten dieses Buches füllen konnte.

Besonders danke ich meiner Tochter Ingrid Erxleben, die mich unermüdlich ermutigt hat meine Erinnerungen auch in Buchform zu erhalten indem sie meinen Text Taste für Taste dem Computer überließ und das ganze Projekt nach meinen Wunschvorstellungen leitete.

Dann danke ich auch der Lebenspartnerin meines Enkels Sebastian Dustin, Heike Standhardt, die alles überarbeitet hat und bei der ISBN Veröffentlichung ihren Einfluss nahm.

Schließlich auch noch Hans-Walther Sandström aus Australien, Adelaide, dem Sohn meines Bruders Harry, für das Design dieser 3. Auflage des Buches.

Klaus Erxleben

Mai 2015

„Die guten alten Zeiten“ der Großeltern und Eltern

Nach acht Jahrzehnten der Erinnerungen weiß man, dass einiges im Leben falsch gelaufen ist. Aber so war es und man kann es nicht mehr ändern, es war eben Schicksal oder wie man es nennen mag. Es soll keine Verurteilung oder Schuldzuweisung an irgendjemanden oder an meine Person selbst gerichtet sein. Man kann auch sagen, es sind fremde und eigene Versäumnisse und die Zeiten spielen eine nicht unerhebliche Rolle.

Acht Jahrzehnte, ich muss es erwähnen, hat sich gegenüber den vorhergehenden Zeiten doch sehr viel verändert und das erschreckend schnell. Die Jugend ist technisch voraus und wir Alten kommen nur schwer mit der Technik hinterher und zu recht. Eine schnelllebige Zeit! Das wissen wir alle, und doch sollte die Jugend nicht vergessen, sie kommt wenn sie Glück hat, auch in diese Situation!

Das Lesen am Anfang mag etwas langatmig erscheinen. Die Kindheit durchlebt ein Jeder so oder anders. Aber bitte nicht die Lust beim Lesen verlieren, denn es steigert sich im Laufe der Jahre stetig!

Nun, bereits 87 Jahre alt, werde ich von meinen Kindern gemahnt, mein vergangenes Leben aufzuschreiben. Sie glauben, es sei wert zusammengefasst zu werden. Ja, ich habe lange gebraucht, bis ich erkannte, was mir alles an Erinnerungen geblieben ist. Meine Tochter Ingrid hat mich am meisten geschubst.

Ich, von Schriftstellerei keine Ahnung, versuchte meine Autoren-Ader zu entdecken. Schaffe ich es also, mein Leben oder das meiner Familie jemals zu Papier zu bringen? Ein Foto aus dem Jahr 1925 wurde der Anlass, den Anfang zu wagen. Auf dem Bild sind meine Mutter, mein Bruder Harry und ich vor der Polizeikaserne von Burg bei Magdeburg, im Kreis Jericho 1 zu sehen.

Bild 1 Meine Mutter Käthe Erxleben, geborene Häsler, mit meinem Bruder Harry

(7 Monate) und mir, Klaus (2 Jahre); in Burg, 1925

Meine Geburt fiel auf den 21. September, 1923, geburtsurkundig mit vollem Namen Klaus Helmut Erxleben. Es war die Zeit der großen Inflation. Unser Vater, Arthur Erxleben, war bei der Polizei, aber welchen Dienstgrad er da einnahm, das hat mich zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich interessiert, noch weiß ich es bis zum heutigen Tage.

Sein Vater, Friedrich Erxleben, also mein Großvater, geboren 1864, war Binnenschiffer und hatte mit meiner Großmutter sechs Kinder. Zwei der Kinder sind kurz nach der Geburt gestorben.

Auf dem Kahn meiner Großeltern wurden dann deren Kinder Oskar, Arthur mein Vater und auch die Schwester, also meine Tante Else, groß gezogen.

Bild 2 Familie meines Vaters, Arthur Erxleben im Reservelazarett; Hamburg-Veddel, 1916

Von links: Großvater, Großmutter, Tante Minna und Werner auf dem Schoß, Großvater, meine Mutter, mein Vater, und ganz rechts Onkel Oskar.

Die Kinder vieler Schiffer konnten damals, um etwa 1900 herum, nur die Schule besuchen, wenn sie mit den Kähnen eingefroren waren. Dies hatte natürlich zur Folge, dass die Schulbildung dementsprechend dürftig ausfiel. Mit dem Einfrieren der Flüsse meine ich, wenn selbst durch Eisbrecher nichts mehr frei zu halten war.

Der älteste Sohn Otto, der 1888 geboren wurde, erlernte auch den Beruf des Binnenschiffers. Die beiden anderen Brüder, also ebenfalls mein Vater wurden nach und nach in die Unteroffiziersvorschule eingezogen. Der Großvater musste sich verpflichten, zur Verpflegung monatlich für die dortige Ausbildung zehn Goldmark zu zahlen, da die Kinder an Bord ja auch hätten ernährt werden müssen.

1914, bei Ausbruch des ersten Weltkrieges waren Oskar und mein Vater dann Unteroffiziersanwärter. Beide wurden 1916 verwundet und im Reservelazarett auf der Veddel in Hamburg wieder fronttauglich gemacht. Dort traf sich damals die gesamte Familie. 1917 ist Oskar in Frankreich bei der Erstürmung des „Chemin des Dames“ nochmals schwer verletzt worden. Eine Handgranate riss ihm sein Bein ab und er verblutete dort vor Ort. Er war noch in der Lage einen Abschiedsbrief zu schreiben, welcher seinem Bruder übergeben wurde. Diesen Brief bekam ich dann 1945 bei meiner Tante Else zu lesen.

Großvater, der Schiffseigner mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Simon Heinrich Erxleben, war neunundfünfzig Jahre alt, als er damals durch die schwere Arbeit auch ziemlich verbraucht und müde war, den Entschluss fasste seinen Finow-Maß- Kahn zu verkaufen. Es sollte ein folgenschwerer Entschluss sein, denn in der schlechten, inflationären Zeit 1923, verlor er fast sein ganzes Geld. Der Erlös schmolz nur so dahin und Geldscheine wurden mit Billionen Werten gedruckt.

Als ich etwas älter war, konnte ich mich noch gut an zwei Zigarrenkisten voller Geldscheine erinnern, aber ansonsten wusste und verstand ich nicht viel, denn ich war einfach zu jung. Aber eines war klar, die Existenz der Großeltern war zerstört. Sie lebten noch ein paar Jahre in Boizenburg an der Elbe, wo die Großmutter auch beerdigt wurde.

Bild 3 Unsere Eltern; Käthe, geborene Häsler, und Arthur Erxleben; Hochzeit am 28. Juni, 1919

Meinen Großvater habe ich dann noch einmal 1947 in Hamburg in einem Altenheim in der Oberaltenallee besucht. Bei dem Besuch schenkte er mir fünf Reichsmark und einen Dreiecks-Schmelzkäse. In diesem staatlichen Altenheim hielt er es auf Grund der beengten räumlichen Verhältnisse nicht lange aus. Es war ein offener, hoher Raum, in etwa mit einer Turnhalle zu vergleichen. Die einzelnen Räume wurden durch niedrige, einfache Holzwände getrennt. Ein Bett, ein kleiner Schrank, ein Tisch und zwei schlichte Holzstühle, das war´s! Die Gespräche der Nachbarn konnte man fast wörtlich mit anhören. Schrecklich!

Er zog nach Eppendorf in den Schramms Weg, zusammen mit einer älteren Dame, Frau Quilitsch. Dort ist er 1948 gestorben.

Bild 4 Großvater; Friedrich Wilhelm Simon Heinrich Erxleben; 1864 – 1948

Ich bemerke, dass ich eigentlich von meinen Großeltern keine Erinnerungsstücke habe, wie etwa Dokumente oder Briefe. Unsere Tochter Christel hat ihren Großvater noch erlebt oder-vielmehr, er hatte sie noch kennen lernen dürfen.

Onkel Otto fuhr zu Lebzeiten unseres Großvaters noch gemeinsam auf Schiffen viele Tonnen von kriegswichtigen Gütern auf der Elbe umher, also an viele Orte des Landes. Der neue Kahn von Onkel Otto hieß Germania und wurde 1929 in Dessau-Rosslau gebaut. Es war ein moderner Kahn mit einer Tragfähigkeit von etwa 840 Tonnen und für den Schiffseigner gab es eine gemütliche Kajüte, eine Küche und ein Schlafzimmer. Die Kosten eines solchen Schiffes beliefen sich damals auf 97.000 Reichs-Mark. Heute wäre es etwa das Fünfzehnfache wert.

Der Onkel verdiente recht gut und konnte seine Schulden deshalb schnell abtragen, da er während des zweiten Weltkrieges ständig Fracht nach Lübeck, Hamburg, Magdeburg, Dresden, Berlin und zurück nach Hamburg fuhr.

Bild 5 Großvaters und Onkel Ottos Schiffe in Hamburg

Bei Kriegsende musste er seinen Kahn auf Anordnung der Russen selbst in Frankfurt an der Oder abliefern, da der Osten dann Sowjetisch besetztes Gebiet war. Der Kahn Germania war etwa 80 Meter lang und hatte als Binnenschiff keinen Kiel, nur einen breiten, flachen Boden, da es im flachen Gewässer keinen Wellengang überstehen musste, wie auf hoher See. Die Germania ist nur bis Königsberg gekommen und dort gesunken. Die Tragik für mich und meinen Bruder bestand darin, dass wir inzwischen den Beruf des Binnenschiffers erlernt hatten, um den Kahn später zu übernehmen.

Nun wurde dadurch die traditionsreiche, über zwei Jahrhundert dauernde Binnenschifffahrt für unsere Familie beendet.

Mein Vater und seine Schwester Else bekamen nach dem Tod ihres Bruders Otto den sogenannten Lastenausgleich von etwa 78.000 DM. Tante Else baute sich in Wahnhausen bei Kassel von ihrem Geld ein zweites Haus, während ihr Bruder, also mein Vater, sein Geld mit seiner neuen Familie verbrauchte.

Als Kind, ich kann mich erinnern, trafen wir uns im Wallwitzer Hafen zur Besichtigung des neuen Kahns mit der Familie und den näheren Verwandten. Für uns Kinder eine vollkommen neue Welt.

Als ich erwachsen war, fuhr ich mit dem Fahrrad von Wolfen Bitterfeld zum „Wallwitzer–Hafen“ und siehe da, der Schleppkahn NNVE (Neue Norddeutsche und Vereinigte Elbe Dampfschifffahrt Aktiengesellschaft Hamburg), auf dem ich als Schiffsjunge fuhr, lag zerbombt und abgesoffen im Hafenbecken.

Da kamen gewaltige Erinnerungen hoch! Auch ein Bedauern diesen Beruf, der nach Freiheit und Abenteuer rief, nicht mehr ausüben zu können. Nicht ausüben zu können hieß auch, weil viele Brücken durch den furchtbaren Krieg zerstört worden waren! Von Tangermünde kam mein Onkel damals nicht mehr in seinen Heimathafen Hamburg, also in die englisch besetzte Zone zurück.

Bild 6 Onkel Ottos Kahn Germania gebaut 1929 bei Dessau, Elbe

Meine Kindheit und die Schulerlebnisse

Nun muss ich mich doch ein wenig anstrengen, meine ersten Erinnerungen an die Kindheit wach zu rufen. Es war in Merseburg bei Halle, in der Provinz Sachsen, wo die Sprache einen allgemein belustigenden Tonfall anklingen lässt. Unser Vater wurde dorthin versetzt und wir bezogen ein Haus, in dem ich zweijährig wohl meinem ersten Weihnachtsfest entgegen fieberte. Allerdings habe ich nur schwache Erinnerungen und als ich etwa fünf Jahre alt war, da folgte schon der nächste Umzug nach Bitterfeld. Im ersten Stockwerk eines Dreifamilienhauses, der Besitzer war der Schlosser- Meister Döring, erlebten wir unser Weihnachtsfest schon wesentlich bewusster. Harry und ich tobten zwei bis drei Stunden vor der Bescherung in dem langen Korridor umher und konnten es kaum erwarten unsere Geschenke zu bestaunen.

Damals trugen auch Jungen lange Strümpfe und Leibchen mit Gummibändern, an denen die Strümpfe ihren Halt fanden. Es hat sich tief in meinem Inneren eingebrannt, denn es war eine weniger erfreuliche Erfahrung und heute würde man wohl schlicht und einfach „uncool“ dazu sagen! Selbst Schürzen wurden uns Jungen noch umgebunden, wo sich vorn eine große Tasche befand, in der alles Mögliche seinen Platz fand, nur keine Taschentücher. Da musste dann bei einer Rotznase der Ärmel zum Einsatz kommen, was für uns Jungen noch lange eine Selbstverständlichkeit war.

In Bitterfeld wurde ich 1929 in der Pestalozzi Schule angemeldet. Ich war kurzsichtig und trug eine Brille, die mehr kaputt als heile war und da ich in den hinteren Bänken saß, bekam ich nicht immer alles mit was vorn an der Tafel geschah. Es dauerte ein wenig länger, bis Eltern und Lehrer mitbekamen, dass etwas nicht stimmte und schließlich wurde ich nach vorn gesetzt.

Zu meinem Schulbeginn wurde auch noch Sütterlin Schrift an den preußischen Schulen gelehrt. Wir schrieben es auf eine Schiefertafel mit einem Griffel aus Tonschiefer. Wie gut oder schlecht ich in den ersten Jahren war, fällt mir schwer, es heute richtig einzuschätzen.

Mein Vater besaß ein achtsitziges Auto, einen Brennabor, wo sich die Gangschaltung außerhalb auf dem Trittbrett befand. Es gab noch keine elektrische Zündung, sondern es wurde per Handkurbel mit Magnetzündung in Gang gesetzt. Es gab Karbidlampen und die Scheibenwischer musste man auch mit der Hand bewegen. Die Hupe war ein ordinärer Gummiball und das Ziehharmonika-Verdeck hatte Zelluloid-Scheiben. Aber das Auto war immerhin sehr geräumig.

Von den Benzinpreisen hatte ich keine Ahnung und Tankstellen wie heute gab es auch noch nicht. Es stand nur eine Benzinpumpe vor einer Schmiede oder Gaststätte, aber der Wagen hatte Ledersitze und die Räder besaßen noch Holzspeichen.

Mit dem großen Automobil unternahmen unsere Eltern auch mit uns Jungs kleinere Reisen, etwa nach Wörlitz in den bekannten schönen Kulturpark oder nach Dessau und Umgebung. Wir haben uns sehr gefreut, wenn wir dann mal dabei sein durften.

Auch wir Jungen haben unbeabsichtigt eine kleine Reise mit dem großen Wagen unternommen. Als unser Vater in seiner Mittagspause heim kam, „oder was immer er zu Hause wollte“, sind wir in den Wagen geklettert und haben mal da und mal dort rumprobiert. Plötzlich setzte sich der Wagen, auch noch auf einer etwas abschüssigen Straße, ganz selbstständig in Bewegung. Am Anfang bemerkten wir es wohl gar nicht, aber oh je, wir fuhren auf einen Gemüseladen zu und kamen in den aufgestapelten Gemüsekisten zu stehen. Dem Besitzer war natürlich bekannt, wem dieser Wagen gehörte und lief zu unseren Eltern. Was er mit unserem Vater ausgehandelt hat, das wussten wir nicht.

Unser Vater wurde wieder versetzt und ab ging es nach Dessau-Süd in die Walter-Gropius-Siedlung. Hier lebte man modern und sehr komfortabel. Man wohnte dort auch deshalb recht gut, denn es gab fließendes Wasser und das auch noch kochend heiß.

Ich weiß noch, dass die Wäsche nun einmal in der Woche mit einem Elektrokarren abgeholt wurde und alles gewaschen und gebügelt zurückkam. Die Siedlung hatte ein eigenes Heizwerk und die Häuser waren pastellfarben angestrichen. Jedoch auffallend war, dass alles sehr sauber und irgendwie interessant war, eben Stil, wie heute noch allgemein bekannt. Der Walter-Gropius-Stil, Bauhaus!

Mein Bruder und ich saßen sehr oft, das Wasser bis zum Hals, in einer Sitzbadewanne, wo unten eine Vertiefung für die Füße war. Dort saßen wir im wirklich warmen Wasser immer abwechselnd, einer oben auf dem Sitz und der andere unten, und so weiter und sofort. Das war Dessau-Süd, gleich neben dem Flugzeugwerk Junkers, was uns wenig genützt hat, denn wir Jungen hatten einen sehr langen Schulweg bis nach Dessau zu Fuß zurück zu legen.

Es war die arme Zeit der Depression von 1928 bis 1931, wo die Sanella Margarine 38 Reichspfennig gekostet hat. Für mich war wichtiger, dass am Himmel die Zeppeline fuhren und in Reklame machten. In der Schule bekamen wir Marken und durften uns dann nach der Schule bei einem bestimmten Bäcker Brot abholen. Auf dem langen Weg nach Hause hatten wir oft den Kanten des Brotes angeknabbert und wurden dann später von der Mutter ausgeschimpft.

Mein Bruder Harry und ich, wir hatten Holzpantoffeln und Fußlappen an den Füßen und es war eine besondere Technik, diese Lappen richtig zu wickeln. Aber mit den Holzpantoffeln im Winter auf Schnee und Eis zu rutschen, das machte, wie man sich vorstellen kann, uns Kindern so richtig viel Spaß.

In unserer Siedlung hatten wir Nachbarn, eine jüdische Familie, mit deren Kindern wir oft zusammen gespielt haben. Ich kann mich gut erinnern, dass sie oft äußerst freundlich waren und bei einem Besuch nebenan gab es unter anderem ein Brot, welches Matze ausgesprochen wurde und es war für mich etwas ganz Besonderes.

Vater war arbeitslos geworden, denn die Anstellung bei der Polizei war beendet und somit auch das herrlich stilvolle Leben in heißem Wasserüberfluss.

Es gab in der Woche siebenundzwanzig Reichsmark Arbeitslosenunterstützung. Mutter und Vater haben mit uns Kindern nicht darüber gesprochen, denn es hat uns auch nicht wirklich interessiert. Die Zeiten waren aber weit schlimmer und ärmer, als wir es damals wahrgenommen haben. 1931 bekam Vater eine Arbeit als Hilfsarbeiter in einem Labor der Agfa-Filmfabrik in Wolfen bei Bitterfeld.

Endlich wieder Arbeit, waren wohl die Gedanken meiner Eltern. Wir wohnten in einem alten Werkhof, einer ehemaligen Brikettfabrik, bei Bauer Lehnhardt und seiner Familie. Klar doch, in der damaligen Zeit war es recht vorteilhaft bei einem Landwirt zu wohnen. Es gab hin und wieder mal eine Kanne Milch und beim Schlachten eines Schweines die Wurstsuppe und endlich auch das Endprodukt, die Wurst an sich, mmmhh…

Fleißig haben wir Jungs beim Heu machen und später bei der Ernte mitgeholfen. Auch haben wir die Gänse und Hühner gefüttert. Im großen Garten lasen wir im Herbst die Äpfel und Birnen auf. Jedoch wurde das Fallobst an die Pferde und Schweine verfüttert. Vor allem im Winter waren die Äpfel dann schon etwas geschrumpft, aber dafür waren sie köstlich süß.

Das beste Obst wurde im Keller des Bauern in Regalen aufgelegt. Kühlschränke gab es noch nicht und Butter wurde in einem großen Tongefäß aufbewahrt. Unten am Boden des Gefäßes wurde ab und zu Wasser nachgegossen und obendrauf wurde ein Teller mit Butter und Sonstigem gelegt. Somit hielt die Verdunstungskälte die Butter und dergleichen frisch.

Unser Nachbar jedoch besaß eine Art Eisschrank, etwa 1,20 Meter hoch, mit einer dicken Holztür und innen war der Schrank mit Aluminium ausgeschlagen. Dahinein kam eine Eisstange und das mit der Zeit abtauende Wasser wurde in einer Wanne aufgefangen. Der Eismann kam einmal die Woche vorbei und brachte die benötigten Eisstangen. Unsere Eltern konnten sich diesen Luxus jedoch nicht mehr leisten.

Viel später habe ich erfahren, dass der Bauer Lehnhardt tödlich verunglückt ist. Beim urinieren, welch tragisches Ereignis. Um die Dreschmaschine herum lag viel Stroh und unter diesem Stroh führte ein Stromkabel am Zaun entlang. Es war also nicht zu sehen und muss wohl auch defekt gewesen sein, jedenfalls war der Stromschlag tödlich.

Es gab viel Kummer und Hunger durch Arbeitslosigkeit und davon waren viele Bürger betroffen. Heute im Jahr 2009 verstehe ich die damalige Situation der Menschen nur zu gut. Als Kind erkennt man die soziale Ungerechtigkeit nicht, also die damit einhergehende ohnmächtige Wut der Massen von sieben Millionen Arbeitslosen. Diese Not, nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern weltweit und woher?

1929 bis etwa 1931 erlebten wir wieder eine Geldvernichtung, einhergehend mit großer Arbeitslosigkeit. Es kam aus Amerika, noch in der Weimarer Republik, zu uns rüber geschwappt.

Es heißt, wir dürfen unsere Kinder und Enkel in der Zukunft nicht mit dem riesigen Schuldenberg zurücklassen!? Ich würde behaupten, die können es gar nicht zurückzahlen! Sie werden es wohl auch nicht müssen…

Wenn man zurückdenkt an 1923–1928–1931–1948 und 2003 usw., so einfach ist es. Wenn´s nicht mehr geht, gibt es etwas Neues! Das wird uns jedoch nie durch die Politik vermittelt und wird sich sicher auch nicht verbessern!

So kommen Gedanken im Alter! Die ``Großen`` dieser Völker bestimmen über die Menschen. Heute bestimmen die Großkapitalisten über die Regierungen oder Diktatoren.

Bitte viel zwischen den Zeilen lesen und bildet Euch Eure eigene Meinung!

Geld regiert die Welt, denn Geld ist Macht!

Ein passendes Gedicht:

Lehren der Menschheit

Dunkle Wolken – wo ziehen sie hin?

Menschheit wo irrst Du hin? Lernt aus Euren Katastrophen!

Schiebt nie wieder Menschen in den Ofen …

Jugend, Ihr sollt die Welt gestalten und zu Eurem Wohl erhalten!

Mütter dieser Welt, habt Söhne und Töchter geboren und habt sie recht bald wieder verloren!

Hört nicht auf, das ewige Leid, seid nie Ihr zum ewigen Frieden bereit?

Hält Balance die Demokratie, Diktatur oder Monarchie?

Wir wissen es nie!

Menschen, Weiße, Gelbe, Schwarze und Rote

Arrogant, gierig, brutal, demütig, versklavt, gläubig und Tote

Religionen, Ideologien, Parteien und Vereine

Seligmachend, berauschend und Unheil verbreitend …

Menschheit wo gehst Du hin?

Wünsche Liebe, Brot und Friede Dir, aber wer gibt sie Dir?

Der Geistliche, der Staatsmann, der Philosoph, der Denker?

Wird einer von diesen einst unser Henker?

Jeder Einzelne von uns muss etwas tun und darf nicht selbstgefällig ruhen.

Was ist der Welt integrierende Kraft, die einmal uns wirklich den Frieden schafft?!

Auge um Auge, Zahn um Zahn, welch´ fürchterlicher Wahn …

Reichtümer dieser Welt, lasst uns gemeinsam sie verwalten, zum Segen aller es gestalten.

Hört endlich auf Kain und Abel zu spielen, denn Ihr werdet dabei das Leben verlieren!

Klaus Erxleben

Gedicht, von mir geschrieben im August 1989.

Im Jahre 1931 durfte ich in das Jungvolk eintreten, dabei sein, mitmachen, schwarze Hosen und weiße Hemden tragen, mit allem was dazugehört!

Was NSDAP zu bedeuten hatte, das wusste ich natürlich nicht. Gerade acht Jahre alt war mir nur wichtig dazu zu gehören! Später sah die Jungvolk-Uniform so ganz anders aus, braune Hemden, ein Halstuch mit Lederknoten, Koppel und Schulterriemen. Auf dem linken Ärmel stand Mitte-Mittelland. Auf dem Koppel-Gürtel stand Gott mit uns!

Man sollte überlegen, 50 Millionen Menschen mussten sterben!

Es gab auch Straßenschlachten, hauptsächlich zwischen den Roten und den Braunen.

Das Wort „NAZI“, ja, eine Abkürzung, es ist ein Wort, welches die ganze Welt kennt. Und ja, es ist noch gegenwärtig und bleibt es auch für lange Zeit, dafür sorgen Andere!

Auch Deutschland muss wieder Soldaten einsetzen um den Weltfrieden zu erhalten. Es wird immer Kriege geben, jedoch in die Zukunft kann niemand schauen!

Das Wort NAZI, mag ich als ehemaliger Soldat bis heute nicht wirklich gern hören. Was verstand ich schon von Politik? Wohl eben so wenig wie die heutige Jugend, welche nicht ausschließlich gut informiert ist! Heute weiß ich wohl, dass es viele Menschen bei allem Verständnis verdienen, so genannt zu werden. Aber ich weiß auch um die Soldaten, die einfach glaubten – nein, nicht einfach, aber die glaubten – Rückgrat zeigen zu müssen!

Ja, ja, es ist einfach gesagt, Befehl ist Befehl und so weiter und so weiter …

Unsere Großmutter mütterlicherseits war eine Beamtenwitwe und sie lebte lange Zeit allein in einem kleinen, ruhigen, beschaulichen Beamtenstädtchen Annaburg in Sachsen-Anhalt, in der Nähe von Torgau an der Elbe.

Zu den herausragenden Gebäuden hat ein Schloss gezählt und eine alte Kirche, direkt auf dem Marktplatz. In meinen Kindheitserinnerungen erschien mir der Platz enorm groß und er hatte einen sehenswerten Brunnen. Daran erinnere ich mich deshalb so genau, weil zu der Zeit gerade die Fahrradpumpen in Gebrauch kamen.

An eben diesem Brunnen zogen wir Jungen Wasser in die Pumpen, um die Fenster im ersten Stockwerk der Häuser zu bespritzen. Aber der Ärger folgte auf dem Fuße und die Pumpe waren wir ebenso schnell los, wie wir sie bekommen hatten.

Dann gab es noch unseren Onkel Fritz, er war Oberlehrer in jenem Ort. Er hatte mit seiner Frau zwei Kinder, die Katharina und den Hans-Georg. Katharina und Hans-Georg besuchten die Mittelschule in Wittenberg.

Seine Frau, Tante Emma wurde leider mit sechsunddreißig Jahren wirr im Kopf. Wir Kinder wussten diese Krankheit nicht einzuordnen. Eines Tages ging sie mit einem Besen auf das Bienenhaus zu und schlug wild auf die Bienen ein.

Sie wurde über und über zerstochen und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Ein anderes Mal saß sie auf dem Gartenzaun und schlug ganz heftig mit einem Spaten auf ihren Mann ein. Sanitäter holten sie zu zweit ab und sie wurde in ein Heim für Geisteskranke eingewiesen.

Ihr Vater war ein reicher Mann, er war Schäfer und Heilpraktiker. Er behandelte Privatpatienten in Krosik bei Halle. Uns wurde erzählt, dass er dachte, was den Schafen gut tat, das könne für den Menschen doch ganz sicher nicht schlecht sein!

Seine Tochter Emma ist in dem Heim noch sehr alt geworden.

Unser Großvater mütterlicherseits war in jener Zeit Straßenoberaufseher und ihm unterstand in Dodendorf bei Magdeburg eine Straßenmeisterei.

Das Wohnhaus, die Geräteschuppen, das Waschhaus, Abort, Scheunen und Ställe gehörten in seinen Zuständigkeitsbereich. Das Anwesen lag etwas außerhalb an einer Straßenkreuzung und im Innenhof standen drei riesige Kastanienbäume, in deren Zweigen sich ein Uhu sein Nest gebaut hatte.

Großvaters Schäferhund lag desinteressiert in seiner Hundehütte, aber ein kleiner Dackel kläffte unaufhörlich und lauthals zum Uhu-Horst empor. Der Uhu hatte wohl Junge und fühlte sich gestört, also schwebte er lautlos aus dem Baum herab und packte mit seinen scharfen Krallen den Störenfried am Fell und hob ihn etwa zwei bis drei Meter empor. Dann konnte er den Dackel nicht mehr halten und der Hund sauste auf das Pflaster und quiekte und jaulte ganz fürchterlich. Aber eines war sicher, von nun an herrschte Ruhe.

Ich war vier Jahre alt – alt ist gut – und schlief im Urlaub bei meiner Oma mit im Bett. Eines Morgens sagte sie zu meiner Mutter; „ Käthe, dein Kläuschen schwitzt aber sehr! “ Worauf meine Mutter meinte: „nee, der macht ins Bett, denn er hat eine sehr schwache Blase.“

Meine Blase und das Bettnässen haben mich noch bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr begleitet. Es hat mir viel Kummer und Sorgen bereitet. Aber ich komme später noch einmal darauf zurück.

Wenn ich auch zeitlich etwas durcheinander bringe, na ja, es ist eine lange, sehr lange Lebensgeschichte und vieles ist rückblickend in meinem Leben geschehen … Wolfen, Greppin und Bitterfeld, Delitzsch, Muldenstein, die Umgebung von Bitterfeld, dann Halle, Leipzig, Dessau, und Merseburg waren meine bisherigen Wohnorte.

Mitteldeutschland war nach dem Ruhrgebiet das zweitgrößte Industriegebiet Deutschlands. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges oder genauer bis zur Wiedervereinigung war die Luft in Sachsen-Anhalt durch die vielen Fabriken saumäßig verpestet.

Die Agfa-Filmfabrik und die I.G. Farben-Fabrik in Bitterfeld, auch die Kraftwerke wurden mit Braunkohle betrieben, was schon sehr viel aussagt. Die Schlote qualmten rings um Bitterfeld und der Braunkohletagebau blühte so richtig auf. Hier hatten die Lungen Schwerstarbeit zu leisten. Es gab viele Gruben, welche vom Abbau leer und ausgehöhlt wurden, man kann auch sagen ausgebeutet, die nun voller Wasser gelaufen waren. Die Gruben in denen noch mit riesigen Baggern abgebaut wurde, mussten vom nachlaufenden Grundwasser frei gehalten werden. Dieses wurde mit riesigen Pumpen geleistet, indem das Wasser in die nicht mehr genutzten Gruben umgeleitet wurde, oder in die Kraftwerke zum kühlen der Maschinen.

Eines war damals als sehr fortschrittlich anzusehen, nämlich der elektrische Antrieb der Reichsbahn. Es wurden ja schnelle Verbindungen zu den Fabrikanlagen im mitteldeutschen Raum gebraucht. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen im Schichtbetrieb zu den Fabriken geschafft werden mussten, aber es waren zigtausende von Arbeitern, denn Autos wie in der heutigen Zeit gab es für die Massen der Bevölkerung noch nicht.

In diesen, nun mit Wasser vollgelaufenen Gruben, haben mein Bruder Harry und ich uns selbst das Schwimmen beigebracht. Mit großen Korkplatten oder Stücken davon, wagten wir uns in das tiefe Wasser. Mit den Händen erfassten wir die Korkstücke und mit den Beinen strampelten wir in dem verseuchten Wasser voran. Obwohl in Abständen Verbotsschilder vorhanden waren, so machten wir uns keine Gedanken.

Die Wassertiefe betrug zwanzig, bis vierzig Meter oder sogar mehr. Welch ein Leichtsinn! Aber wir Kinder in unserer Unbekümmertheit glaubten, für uns gelten diese Verbote nicht.

Ein paar hundert Meter am linken Grubenrand, waren sehr hohe Abraumhalden und auch dort spielten wir des Öfteren. Eines Tages buddelten wir im Sand und plötzlich löste sich über uns eine Sandhalde und verschüttete uns bis zum Bauch. Wir standen mit den Füßen leicht im Wasser und konnten jederzeit tiefer rutschen. Wir waren vier Jungs, einer war noch nicht im Sand versackt und durch unser Angstgeschrei lief er zum Pförtner der I.G. Farbenfabrik.

Bald war die Werksfeuerwehr am Ort, die sofort alles abgesichert hatte und uns aus dem Sand zog.

Wieder mal Ärger, aber es ist zum Glück nichts nach geblieben. Der Umweltschutz war in der damaligen Zeit noch kein Thema. Wenn wir von Wolfen nach Greppien mit dem Fahrrad unterwegs waren, sah man aus einem schmalen Rohr gelben Rauch aufsteigen. Plötzlich hatten wir ein Beißen im Hals und wir bekamen einen schrecklich starken Hustenanfall. Ein paar hundert Meter weiter war wieder alles in Ordnung.

Wir waren jung und unser Immunsystem war noch stark und abwehrbereit. Aber die älteren Menschen hatten da schon mehr Probleme.

In Wolfen gab es eine ehemalige Kohlengrube, in die ließ man jahrzehntelang Abwasser aus der Agfa-Filmfabrik fließen. Es handelte sich um die Rückstände der Filmentwickler. Es sind Gruben von extrem großen Ausmaß und wer es nicht kennt, kann sich kaum eine Vorstellung machen wie groß und tief sie waren.

Im Volksmund hieß er Silbersee. Selbst bis heute hat man mit den Folgen der Beseitigung noch Probleme. Jedoch mittlerweile hat sich die Reinheit der Luft um Bitterfeld und Wolfen herum, erheblich verbessert.

In Annaburg haben wir Kinder oft und sehr gern unsere Ferien verbracht. Onkel Fritz besaß ein großes Haus mit Nebenbau und einem Wirtschaftsgebäude.

In den zwanziger Jahren gab es nicht überall Wasserspülung im Klo. Wir mussten über den Hof gehen und unter dem Wirtschaftsgebäude war ein Durchgang zur Toilette. Die Fäkalien wurden dann im Herbst im großen Garten auf den Nutzflächen verteilt.

Onkel Fritz hatte eine Kinderkutsche und vor diese wurde ein Ziegenbock mit gutem ledernem Geschirr gespannt. Eines Tages, Hans-Georg, Harry und ich, ab ging es auf große Fahrt zum Schloss hinauf. Ein hoher, breiter Turm war unser Ziel.

Ein Wendelgang ohne Stufen führte uns nach oben. Zunächst haben wir den Bock ausgespannt und den Wagen nach oben geschoben. Oben angekommen, haben wir dann unser Zugtier wieder angespannt und abwärts ging unsere leichtsinnige Fahrt. Unser Gefährt hatte am Vordersitz eine Kurbel für die Bremsklötze. Als die Kutsche allerdings rasant an Tempo zunahm, hatten wir, das heißt Hans-Georg, zwar gebremst, aber die Kraft in seinen Beinen war begrenzt und die Kutsche kam ins Schleudern, sodass wir furchtbar durcheinander flogen. Wir hatten große Beulen und viele Schrammen abbekommen – ziemlich heftige sogar und Onkel Fritz´s Ziegenbock musste notgeschlachtet werden.