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Sie sind gesund, aktiv und sportlich. Sie sind sozial vernetzt und lieben ihre Arbeit. Doch das Unglaubliche ist: Diese Menschen sind über 100 Jahre alt! Wo gibt es solche Wunder? Es gibt sie auf der japanischen Insel Okinawa. Unsere Autorin entlockte den glücklichen Alten vor Ort das Geheimnis von Okinawa. Dieses wertvolle Wissen von immerwährender Gesundheit, Vitalität und Glück kommt nun erstmals zu uns nach Europa. Verblüffend einfach und doch revolutionär, exotisch und doch für jedermann umsetzbar – das beste Anti-Aging-Programm, das es je gab.
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Seitenzahl: 150
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7. Auflage 2023
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Innen- und Umschlaggestaltung: Julia Jund
Satz: Manfred Zech, Landsberg am Lech
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ISBN ePub 978-3-86415-480-5
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»Es gibt nichts Schöneres für mich, als in einem okinawanischen Haus auf einer Tatami-Matte zu sitzen, Tee zu trinken und ab und zu ein Stückchen dunkelbraunen Rohrzucker zu knabbern. Wenn es nicht regnet, ist es völlig still. Du hörst nichts als das leise Klingeln des Windspiels draußen auf der Veranda. Ich kann den ganzen Tag so zubringen. Einfach so dasitzen und lauschen.«
Miguel da Luz
Für unsere beiden Omas
Es gibt einen Ort, an dem mehr Menschen ihren hundertsten Geburtstag feiern als irgendwo sonst auf der Welt. Dass sie so alt werden, ist erstaunlich genug, noch unglaublicher aber ist, dass sie dabei so quicklebendig, lebenslustig, fit und rege bleiben.
Inhalt
Titel
Impressum
Zitat und Widmung
Einleitung
Inhalt
Danksagung
Ode an Oma – Warum ich mit acht Jahren beschloss, sehr, sehr alt zu werden
Teil 1 Die Inseln der Hundertjährigen
Okinawa: Ein Archipel stellt sich vor
Wirklich ein Wunder? Shangri-La und andere Legenden
Alt werden: Auf Okinawa-Art
Tradition und Moderne: Warum das Okinawa-Wunder nicht in den Genen liegt
Ogimi: Das Dorf der Hundertjährigen
Guter Rat: Empfehlungen aus erster Hand
Teil 2 Die fünf Säulen der Langlebigkeit
Ernährung: Deine Nahrung soll dein Heilmittel sein
Lebensaufgabe: Leben aus Leidenschaft
Bewegung: Wer rastet, der rostet
Gemeinschaft: Das Netzwerk der Superalten
Spiritualität: Der Draht ins Paradies
Teil 3 Das Okinawa-Wochenend-Programm
Übersicht: Das Okinawa-Wochenende auf einen Blick
Wider die Einsamkeit: Geteilter Spaß ist doppelter Spaß
Lecker und gesund: Essen auf Okinawa-Art
Bewegung ohne Hetze: Das entspannte Aktivitätsprogramm
Mit Plan und Ziel: Der Ikigai-Baukasten
Anhang
Danksagung
Es ist unmöglich, ein Buch wie dieses allein im stillen Kämmerlein zu schreiben. Ohne die Unterstützung und Anregung von vielen anderen Menschen hätte es nicht entstehen können.
Allen voran danken wir Prof. Makoto Suzuki von der Ryūkyū-Universität, dem Leiter der Okinawa Centenary Study, der sich die Zeit genommen hat, uns die Ergebnisse seines Forschungsprojekts persönlich zu erläutern.
Ein besonderer Dank gilt auch Takashi Kinjo, der uns auf Okinawa so viele Türen geöffnet und das Buch in dieser Form erst möglich gemacht hat. Einen Dank auch an Yoichiro Hirakawa und das ganze Team vom OCVB, dem Tourismus-Büro von Okinawa!
Unsere Verbundenheit gilt Miguel da Luz, dem bretonischen Karatemeister, der seit 15 Jahren auf dem Archipel lebt und uns mit seinen perfekten Japanischkenntnissen über sämtliche Sprachbarrieren bravourös hinweggeholfen hat. Er ermöglichte uns nicht nur einen Einblick in die okinawische Kampfkunst, sondern wies uns als aufmerksamer Beobachter seiner Wahlheimat auf viele Details hin, die uns sonst sicher entgangen wären.
Sehr verbunden sind wir auch Sensei Minoru Higa und seiner Frau, der Tanzmeisterin Noriko Higa. Von beiden durften wir so vieles lernen.
Wir danken Takara Kouki für seine Herzlichkeit und dafür, dass er uns seine Heimatinsel durch die Brille eines Einheimischen hat sehen lassen. Ohne ihn hätten wir nie einen so authentischen Eindruck von Okinawa bekommen können.
Ein weiterer Dank gilt Emiko Kinjo, der großartigen Köchin aus Ogimi, die uns in ihre Töpfe gucken ließ und uns viel über die okinawische Küche verraten hat.
Wir danken Lisa Konik vom Tokyo Dai-ichi Hotel für ihre Freundschaft und organisatorische Unterstützung sowie Makoto Umeda und seinem Team für die liebevolle Bewirtung. 11 000 Kilometer von daheim haben wir uns bei euch wie zu Hause gefühlt!
Vielen Dank auch an Harald Jösten, der uns in Deutschland an der Heimatbasis bei den Recherchen für unser Projekt eine wertvolle Hilfe gewesen ist.
Und last, but not least: Danke den Oba-chans und Ojii-chans, den Omas und Opas von Okinawa, die uns an ihren wunderbaren Geschichten und Erfahrungen teilhaben ließen. Sie zu erleben hat uns in unserem Wunsch bestärkt, selbst hundert Jahre alt zu werden. Wenn nicht hundertzwanzig!
Ode an Oma – Warum ich mit acht Jahren beschloss, sehr, sehr alt zu werden
Ich war acht, als ich beschloss, sehr, sehr alt zu werden. In jenem Jahr nämlich feierte meine Oma ihren achtzigsten Geburtstag. So einen Tag wollte ich selbst auch unbedingt erleben – und noch viele, viele weitere feierliche Geburtstage. Nicht nur die Familie war vollzählig zum Feiern erschienen, sondern das ganze Dorf. Und das Geburtstagskind nahm so strahlend die Ovationen entgegen, genoss die Gesellschaft so sehr, dass alt zu werden mir als das allererstrebenswerteste Ziel auf Erden erschien.
Auch wenn ich mich im Laufe der Jahre manchmal gefragt habe, ob mir nicht der Spruch von Mae West: »Alt werden ist nichts für Feiglinge«, doch mehr aus dem Herzen spricht, hat mich meine Reise zu den glücklichen Alten von Okinawa vollends überzeugt: Ich bleibe dabei! Ich will hundert werden! Nein, hundertzwanzig! Denn auf dem Archipel im Südpazifik habe ich eines gelernt: Der Mensch kann alt werden und dabei selbstbestimmt und zufrieden sein. Er kann bis ins Greisenalter geistig wie körperlich fit, lustig, fröhlich bleiben und im Freundeskreis sowie im Kreis der Familie aufgehoben sein. Geselligkeit, Lebenslust und Lebendigkeit müssen nicht im Widerspruch zum Altwerden stehen!
Doch fangen wir von vorne an. Meine Oma wurde 1883 geboren. Allein diese Tatsache erfüllte mich als Kind mit Stolz, hatte damals doch sonst niemand eine Oma aus dem vorigen Jahrhundert! Sie war in kargen Verhältnissen auf einem Bauernhof in Oberbayern aufgewachsen. Ihr Leben war alles andere als einfach gewesen. Das Schicksal hatte ihr schwer zugesetzt. Armut, schwere Arbeit, der frühe Tod ihres Mannes, fünf Kinder, von denen eines mit zwei Jahren starb, eines im Krieg geblieben und eines freiwillig aus dem Leben geschieden war …
Doch verbittert habe ich sie nie erlebt. Im Gegenteil. Sie lachte gern. Sie war eine leidenschaftliche Erzählerin und eine aufmerksame Zuhörerin. Und sie hatte diese wunderbaren Hände – von vielen Adern durchzogen, die Haut transparent wie knittriges Pergament. Wenn ich sie zwischen Daumen und Zeigefinger fasste und hochzog, blieb noch lange eine Falte stehen, was ich als Kind überaus faszinierend fand.
Wie ich ihre Falten liebte! Viel mehr als heute die Fältchen in meinem eigenen Gesicht. Meine Oma war für mich die schönste Frau auf der Welt.
Dieses Bild vom Alter hat mich geprägt. Und solange ich denken kann, war ich auf der Suche nach dem Geheimnis, das Menschen auf diese Weise alt werden lässt. Schlank, gesund (noch mit neunzig griff Oma zum Beil, um Kleinholz zum Anfeuern des Ofens zu spalten), humorvoll, geistig wach und alles andere als einsam, weil von so vielen geliebt.
Ein zweites Schlüsselerlebnis hatte ich in diesem Zusammenhang, als mein Vater mit 63 Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Ich war 17, als das geschah. Er nahm den Zusammenbruch zum Anlass, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Kaum hatte er sich einigermaßen erholt, kehrten meine Mutter und er der Großstadt den Rücken und zogen aufs Land. Zu Oma. Sechs Wochen später kam ich zum ersten Mal zu Besuch. Als ich auf das Haus zuging, stand mein Vater draußen vor der Tür. Ich erkannte ihn kaum wieder. Aus dem lebendigen, umtriebigen, energiegeladenen Manager, den wir in der Familie nicht ohne Grund »Boss« nannten, war urplötzlich ein alter Mann geworden.
Nicht nur die Krankheit, sondern auch das Wegbrechen seiner Lebensaufgabe mag der Anlass dafür gewesen sein. Aber mir fiel auf, dass sowohl er als auch meine Mutter generell weniger gut alterten als meine Oma. Lag das an der Ernährung? Während sie sich weitgehend von Haferflockensuppe, dem Obst aus dem eigenen Garten und sonntags einem Scheibchen Fleisch ernährt hatte, mochten meine Eltern deftige Kost in großen Portionen. Ob Eisbein mit Schwarte, Kalbshirn mit Bratkartoffeln oder Leberwurst nach Hausmacher Art: Das Essen war fett, und es gab täglich Fleisch. So viel, dass ich – vielleicht aus Trotz – in jungen Jahren zur Vegetarierin wurde.
Springen wir ins Jahr 1993. Ich war 37, hatte einen Mann und zwei Töchter. Und Brustkrebs. Obwohl ich vegetarisch aß, meine Kinder lange gestillt hatte, nicht rauchte, kaum Alkohol trank. Und obwohl ich mich mit gesunder Ernährung bestens auskannte. Was hatte ich nicht alles über das Thema gelesen. Nur: hatte ich es auch umgesetzt? In meinem stressigen Alltag als Hausfrau, Mutter und Freiberuflerin hatte ich mir, wenn mich der Hunger wieder einmal so sehr packte, dass ich zittrige Finger bekam, einen Kaffee und ein Käsebrot gemacht. Den Kaffee trank ich. Das Käsebrot blieb liegen. Die Krankheit war wie ein Tritt in den Hintern.
Diesmal fing ich wirklich an zu lernen. Und das Gelernte umzusetzen. Ich machte eine Ausbildung in Lebensberatung und Coaching, um für mich selbst Möglichkeiten zur Stressbewältigung zu finden. Ich wurde nicht nur Ernährungs- und Gesundheitsberaterin, sondern richtete meinen Speiseplan nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis auf Gesundheit und Wohlbefinden aus. Die Themen, über die ich schrieb, wandelten sich mit meiner Lebensweise. Der Wellness-Gedanke rückte in den Vordergrund.
Dann kam das Jahr 2004. Genauer gesagt: der 25. Juli 2004. Ein ganz gewöhnlicher Tag eigentlich. Bis ich abends im Fernsehen zufällig in dem Augenblick in den Weltspiegel hineinschaute, als ein Bericht von Mario Schmidt, dem ARD-Korrespondenten in Tokio, angekündigt wurde. Die Insel der Hundertjährigen lautete der Titel. Und so erfuhr ich von Okinawa, jenem Ort, an dem es mehr Hundertjährige gibt als irgendwo sonst auf der Erde.
Wie sehr mich diese alten Menschen an Oma erinnerten! Sie wirkten genauso gelassen, fröhlich, ausgeglichen, geistig wach und physisch gesund. Sie hatten dieses Strahlen in den Augen. Sie haben mich nicht mehr losgelassen!
Das Wunder von Okinawa ist von Wissenschaftlern über 25 Jahre hinweg hervorragend dokumentiert und in allen Einzelheiten ergründet worden. Und für mich war es so, als würden sich auf einmal all die Puzzleteile, die ich bis dahin gesammelt hatte, zu dem Bild zusammenfügen, nach dem ich die ganze Zeit gesucht hatte: Hier lag der Schlüssel zum erfolgreichen Altern.
Seither habe ich mich eingehend mit dem Archipel im Südpazifik befasst. Nach umfangreichen Recherchen habe ich mich im Herbst 2008 auf den weiten Weg in den Südpazifik gemacht, um mir das Phänomen der glücklichen Alten mit eigenen Augen anzuschauen. Meine Tochter Eva hat mich begleitet. Auch sie wandelt auf den Spuren ihrer Großmutter: Ihre Oma väterlicherseits (also meine Schwiegermutter) hat 2008 ihren 95. Geburtstag gefeiert. Sie ist Malerin und geistig absolut fit, lebt jedoch aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit seit einigen Jahren im Altersheim – eine Tatsache, über die sie selbst sehr unglücklich ist, weil sie, wie sie sagt, nur von Alten umgeben sei. Die hätten den Sinn für Humor verloren und seien nicht mehr klar genug, um einen Witz zu verstehen. Sogar die Freude am künstlerischen Schaffen hat sie verloren. Da sie weit weg in Tirol lebt, können wir sie nicht allzu häufig besuchen, und so blüht sie regelrecht auf, wenn einer aus der Familie kommt und sie jemanden hat, mit dem sie scherzen und dem sie Geschichten erzählen kann. Kaum hat sie Gesellschaft, kehrt das Leuchten in ihre Augen zurück.
Auf Okinawa haben die Alten einen Weg gefunden, der es den allermeisten von ihnen ermöglicht, bis zuletzt unabhängig und selbstbestimmt zu leben. Sie blühen nicht nur für einen kurzen Moment auf, sondern scheinen sich generell auf der Sonnenseite des Lebens zu bewegen. Ihre Augen strahlen immer.
Ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen, war das Ziel unserer gemeinsamen Reise. Ich schrieb und Eva fotografierte. So ist das Ganze zu einem Mehr-Generationen-Projekt geworden – von der Urgroßmutter zur Urenkelin.
Das Ergebnis? Sie halten es in Händen.
Und wenn Sie mögen, kommen Sie mit.
Auf nach Okinawa!
Ulla Rahn-Huber, im November 2008
Teil1 Die Inseln der Hundertjährigen
Okinawa: Ein Archipel stellt sich vor
Die lang gestreckte Hauptinsel des Archipels
Die einen nennen das zu Japan gehörende subtropische Inselreich im Pazifik angesichts seiner beeindruckenden Artenvielfalt das Galapagos des Ostens, die anderen sprechen wegen seiner idealen Bademöglichkeiten und der guten Erreichbarkeit – von Tokio aus dauert der Flug nur zweieinhalb Stunden – vom »japanischen Mallorca«.
Damit aber sind die Ähnlichkeiten mit der Deutschen liebster Urlaubsinsel bereits erschöpft. Schon der Blick aus der Luft beim Anflug auf den Archipel mit seinen über 150 Eilanden lässt keine Zweifel offen: Wir sind hier nicht am Mittelmeer! Dies hier erinnert eher an die Südsee. Kein Wunder, denn wir befinden uns in etwa auf einem Breitengrad mit der Inselwelt Polynesiens. Die Strände sind so unglaublich weiß! Und das Meer ist so glasklar, dass kaum auszumachen ist, wo das Wasser aufhört und das Land beginnt. Ein Paradies, zweifellos. Und das nicht nur für Urlauber, sondern offenbar auch für die Insulaner selbst. Denn schließlich leben hier, gemessen am Bevölkerungsdurchschnitt, die meisten Hundertjährigen weltweit.
Sich Okinawa als eine Art idyllischen Vorgarten im Reich der aufgehenden Sonne vorzustellen, ginge jedoch an der Realität vorbei. Die aus drei Inselgruppen (Miyako, Yaeyama und Okinawa) bestehende Präfektur Okinawa ist die ärmste in ganz Japan. Und mehr als einmal ist der Archipel zwischen die Mühlsteine militärischer Interessen geraten. Die tiefen Narben, die er davongetragen hat, prägen noch heute sein Gesicht.
Schlüsselstellung im Pazifik
Warum sich die Menschen auf Okinawa bis heute nicht japanisch fühlen – noch nicht einmal in der modernen, pulsierenden Inselhauptstadt Naha – verrät ein Blick in die Vergangenheit: Die Ursprünge der sich über eine Länge von 1300 Kilometern hinstreckenden Inselgruppe liegen im alten Königreich Ryūkyū, das so lange als unabhängiger Staat bestehen konnte, wie es ihm gelang, den diplomatischen Spagat zwischen zwei mächtigen Nachbarn zu vollbringen: China im Westen und Japan im Norden.
Ein Beispiel dafür, wie sich die Insulaner mit diplomatischem Geschick den Übergriffen der Mächtigen zu entziehen wussten, finden wir im höfischen Zeremoniell: Wenn die Gesandten des Kaisers von China im Palast von Shuri weilten, wurden sie nicht nur üppig verköstigt, sondern auch mit Tanz und Gesang unterhalten. Vorsichtshalber ließ man dabei als Frauen verkleidete Männer auftreten. Nie hätte man einem Emissär des großen Bruders den Wunsch abschlagen können, eine der Tänzerinnen als Gespielin für die Nacht zu wählen. So aber zuckten sie nur die Achseln: Aber gerne doch. Bloß – die Schöne ist ein Kerl!
Die Könige von Ryūkyū waren sich bewusst, dass sie einen Kampf gegen das Reich der Mitte nur verlieren konnten. Ihre Taktik zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit bestand darum in der freiwilligen Unterwerfung. Symbolisch brachten sie diese zum Ausdruck, indem sie ihrem Wappentier – dem Drachen – eine Klaue nahmen. Statt fünf wie bei den Chinesen hat der ihre nur vier. Solchermaßen besänftigt gewährte der große Nachbar im Osten den Insulanern weitgehende Freiheit.
Dass Ryūkyū gleichzeitig zwei Herren diente und sich nicht nur dem chinesischen, sondern auch dem japanischen Machtanspruch beugte, behielt man tunlichst für sich. Der Shuri-Palast und das königliche Gästehaus in den Gärten von Shikina zeugen noch heute von diesem Spiel: Es gibt jeweils zwei Seitenflügel mit Schlafgemächern, von denen einer nach Westen Richtung China und der andere nach Norden Richtung Japan ausgerichtet ist.
Das Ganze ging so lange gut, bis die Expansionsgelüste des Tennō Mutsuhito, der sich Meiji nannte, im Jahre 1879 überwogen und Japan sich zu einer Annexion der Inseln entschloss. Die Herzen der Okinawer konnten die neuen Herren nie wirklich erobern, nicht zuletzt, weil sie diese herablassend als arme Verwandte behandelten, die man am unteren Ende der Tafel Platz nehmen lässt. Dass die Alten heute noch Uchinaguchi, die alte Sprache ihrer Vorfahren, sprechen, ist Zeichen für diese innere Distanz. Die Jungen sind mit Japanisch groß geworden. Doch auch sie reden in einem unverkennbaren, von Japanern oft belächelten Dialekt.
Zwischen zwei großen Brüdern: China im Westen, Japan im Norden
Nachdem im September 1995 ein zwölfjähriges Mädchen von drei GIs vergewaltigt wurde, gingen 80 000 Okinawer auf die Straße und machten ihrem Zorn über die andauernde US-amerikanische Militärpräsenz Luft. Viele Einheimische wären die Amerikaner lieber heute als morgen los. Doch es gibt auch andere Stimmen, die bei einem Abzug der Soldaten massive wirtschaftliche Folgen für die einheimische Bevölkerung fürchten.
Im Zweiten Weltkrieg erwies sich Okinawas besondere geografische Lage als verhängnisvolles Unglück: Die Hauptinsel des Archipels liegt wie ein Schutzschild vor der Südflanke der japanischen Hauptinsel, und so versuchte der Tennō hier, eine Barriere gegen die vorrückenden Amerikaner zu errichten. Die Amerikaner ihrerseits sahen in Okinawa das Sprungbrett für die geplante Invasion ins Reich der aufgehenden Sonne. Mehr als neunzig Tage tobte der »Taifun aus Stahl«, die letzte, grausamste Schlacht des Zweiten Weltkriegs. Er forderte 200 000 Todesopfer und löschte ein Drittel der Zivilbevölkerung aus.
Wieder wurden die Inseln besetzt, diesmal von den Amerikanern. Erst 1972 wurde Okinawa an Japan zurückgegeben. Seither hat sich manches geändert. Man zahlt wieder in Yen statt in Dollar, der Linksverkehr wurde eingeführt – aber das, was sich eigentlich hätte ändern sollen, blieb bestehen: die US-Militärbasen. Trotz erbitterter Gegenwehr der Inselbewohner ist ihre Zahl seit Kriegsende sogar noch gestiegen. Nicht weniger als 26 000 Mann sind hier stationiert. Die geradezu ideale Lage im Südpazifik ist den US-Strategen zu wichtig, um sich zurückzuziehen. Okinawa gilt ihnen als ein großer »unversenkbarer Flugzeugträger«. Mehr als dreißig Stützpunkte gibt es mittlerweile. Sie belegen etwa 20 Prozent der Gesamtfläche der Hauptinsel. Die Kadena Air Base ist der größte US-Luftwaffenstützpunkt in ganz Ostasien.
Wenn man die Route 58 von Naha aus gen Norden fährt, kommt man an kilometerlangen Zäunen vorbei, und in Städten wie Okinawa-City fühlt man sich beim Anblick der für die GIs entstandenen Anti-Heimweh-Infrastruktur von Bars, Steakhäusern, Fast-Food-Läden und Spielsalons fast wie auf dem Sunset Strip von Los Angeles. Einzig die allgegenwärtigen Kanji-Schriftzeichen fallen aus dem Rahmen.
Es lebe das Chanpuru