Solange ich schreibe, lebe ich! - Hanan Al Obaidat - E-Book

Solange ich schreibe, lebe ich! E-Book

Hanan Al Obaidat

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Beschreibung

Beim Entrümpeln des Elternhauses findet Hanan Al Obaidat 1998 einen Koffer mit 630 Briefen ihres Großvaters, die ihr Bild von den Großeltern radikal verändern. Alfons Stopp fühlte sich zunächst zum Mönch berufen, doch dann verliebte er sich und die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs rissen ihn mit sich. Auf Grundlage der intensiven Korrespondenz mit seiner Frau erleben wir die emotionale Achterbahnfahrt eines gläubigen, in der nationalsozialistischen Ideologie groß gewordenen Mannes, der mit Stolz in den Russlandfeldzug zieht und zum Schluss nur noch ums nackte Überleben kämpft. Was waren die Motive, Ansichten und Hoffnungen der "normalen" Zeitgenossen? Wie änderte sich die Einstellung im Verlauf des Krieges? Hanan Al Obaidats Zusammenstellung der Briefe vermittelt intime Einblicke in die Gedankenwelt des Paars und in ein Stück Weltgeschichte.

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Seitenzahl: 236

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Die Autorin

Hanan Al Obaidat, geboren 1974 in Bahrain, ist Lehrerin im Saarland für die Fächer Englisch und Evangelische Religion.

Hanan Al Obaidat

Solange ich schreibe, lebe ich!

Briefe 1941–1945

Verlag W. Kohlhammer

Für meine Mutter Brigitte und meinen Onkel Chris Ich danke herzlichst Holger Fritz, Anita Hassey, Uwe Henrichs, Christel Modrow, Andreas und Dorothee Schiffer sowie Werner und Andrea Heigermoser, die mich beim Schreiben ermutigend und helfend begleitet haben.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Umschlagabbildung: Al Obaidat

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-041014-5

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-041015-2

epub:        ISBN 978-3-17-041016-9

Zusatzmaterial online:

https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-041014-5

Inhalt

 

 

Prolog

I.   Die Liebe

Zugeständnisse

Sehnsucht

Heiratspläne

Die Rolle von Mann und Frau

Über die Moral

II.  Der Krieg im Osten

Station 1: Porchow, Russland (17.12.1941–11.12.1943)

Station 2: Rückzug nach Rossitten, Lettland (12.12.1943–13.2.1944)

Station 3: An der Hauptkampflinie Nordwest von Cholm (14.2.–17.8.1944)

Station 4: Versetzung zur Infanterie und Rückzug nach Riga (18.8.–8.10.1944)

Station 5: Auf der Insel Oesel (9.10.–27.11.1944)

Station 6: Im Kurlandkessel (9.12.1944–7.5.1945)

Station 7: Kapitulation und Gefangenschaft (8.5.1945–28.8.1946)

III. Mönch – Soldat – Familienvater

Der Mönch

Der Soldat

Der Familienvater

Abschließende Gedanken

Anhang

Glossar

Alfons’ Lebenslauf

Liste der Filme, die Alfons gesehen hat

Karten

Abbildungsnachweis

Prolog

 

 

Es war im Herbst 1998 und ich war gerade dabei, das Haus meiner unlängst verstorbenen Großmutter, Wilhelmine Stopp, in St. Ingbert zu entrümpeln, als mir ein alter Koffer in die Hände fiel. Da er sich in einem tadellosen Zustand befand, stellte ich ihn kurzerhand auf die Straße, auf dass er einen neuen Besitzer finden möchte. Am folgenden Tag – ich war wieder im Keller bei der Arbeit – klingelte ein Mann an der Tür. Er hielt den alten Koffer in der Hand und erklärte, in dem Koffer befänden sich viele Briefe. Möglicherweise seien diese aus Versehen im Koffer verblieben und sollten nicht weggeworfen werden. Beim näheren Hinsehen entpuppte sich der Inhalt als ein wahrer Schatz: die Korrespondenz meines Großvaters mit meiner Großmutter während des zweiten Weltkrieges. Und so nahm der Mann den alten Koffer wieder mit und überließ mir die Briefe. In den folgenden Wochen vermochte ich 630 Briefe zu identifizieren und brachte sie in eine chronologische Reihenfolge.1

Die Briefe datieren in die Zeit von Dezember 1941 bis März 1945. Mein Großvater, Alfons Stopp, war Soldat in Russland und schrieb regelmäßig Briefe an seine Frau Wilhelmine, kurz Helmi. Seine Briefe sind erhalten, nicht jedoch die Antwortschreiben meiner Großmutter. Offenbar waren diese Briefe Helmi so wichtig, dass sie sie aufbewahrt hatte, freilich jedoch ohne dies jemals zu erwähnen. In einer Schublade einer ihrer Schränke fand ich noch weitere Briefe, die ihr wohl besonders am Herzen gelegen hatten. Dunkel erinnere ich mich, dass sie zu konkreten Anlässen, wie z. B. Alfons’ Todestag oder zu seinem Geburtstag, diese Briefe aus der Schublade herausnahm, aufmerksam las und wieder still zurücklegte. Wenn ich aber meine Großmutter darauf ansprach, erhielt ich stets nur kurze, ausweichende Antworten: »Die sind von meinem Mann … Er ist früh gestorben … Er hat mich sehr geliebt.« Immerhin erzählte sie mir, dass mein Großvater »verrückt auf Kinder war« und sehr viele haben wollte. Sie waren in diesem Punkt nicht (immer) einer Meinung. Zudem erfuhr ich, dass er ein ungemein intelligenter Mensch gewesen sei. Das war alles und mehr hatte sie mir nicht preisgegeben.

Meine Großmutter war eine zurückhaltende und schweigsame Frau. Sie gab vielfach knappe, manchmal sogar verletzende Antworten. Emotionale Nähe ertrug sie nur bedingt und reagierte darauf meist abweisend. Und dennoch war sie eine fürsorgliche Mutter und Großmutter. Erst nach der Lektüre der Briefe habe ich begriffen, dass sie emotional zerbrochen und durch die einschneidenden Ereignisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg überfordert, ja traumatisiert war. Ich habe einen tiefen Schmerz erkannt, der von Erlebnissen herrührte, die sie nie überwunden hatte. Nach dem frühen Tod meines Großvaters litt sie offenbar an Depressionen, beging zwei Selbstmordversuche. Sie wirkte oft lethargisch und erschöpft. Ihre Tätigkeiten beschränkten sich in dieser Zeit auf Fernsehen, Lesen und Stricken. Nachdem auch sie verstorben war, habe ich meine Oma Helmi genau so in Erinnerung behalten, sie gewissermaßen auf dieses Bild reduziert.

Als mir die Briefe durch so glückliche Umstände in die Hände fielen, begann ich jedoch zu recherchieren und habe so gelernt, dass viele Menschen über ihre traumatischen Erlebnisse im Zuge eines Krieges schweigen. Genauso beschreibt etwa eine Frau aus St. Ingbert im Saarland, Ruth Schier, in ihrem Kriegstagebuch, dass ihr Mann nach seiner Heimkehr aus dem Krieg, nichts von den Ereignissen und Erlebnissen erzählen oder hören wollte. Ihre Momentaufnahmen der letzten Kriegsmonate sind beispielhaft für die Gedanken und Gefühle vieler Frauen in dieser Zeit und haben mir sehr geholfen, meine Großmutter und ihr Verhalten besser zu verstehen.2 Die Reaktion meiner Großmutter war also nicht ungewöhnlich für die traumatisierte Kriegsgeneration. Selbst für die ungewöhnliche Geschichte der wiederaufgefundenen Briefe meines Großvaters findet sich Vergleichbares. So berichtet etwa Eva-Marie Scherer aus Püttlingen, dass sie gleichfalls einen Koffer mit Briefen von ihrem im Kriege verstorbenen Vater gefunden hat, deren Existenz ihre Mutter 62 Jahre lang verschwiegen hatte.3

Von meinem Onkel Christoph hatte ich erfahren, dass Alfons vor dem Krieg Kapuziner-Mönch werden wollte. Und so drängte sich bei der Lektüre der Briefe immer wieder die Frage auf, wie er seinen Glauben mit der Nazi-Ideologie vereinbaren konnte. Im Übrigen ist dies eine Frage, die ich auch seinen Zeitgenossen insgesamt stellen möchte.

Meine Mutter erzählte mir, dass mein Großvater ein strenger Vater war. Sonntags ging die gesamte Familie zur Kirche – zum Unmut vor allem der Kinder vor dem Frühstück. Der obligatorische Spaziergang am Sonntagnachmittag war bei den Kindern gleichfalls unbeliebt. Verwandte und Nachbar:innen erzählten mir jedoch unisono, dass mein Großvater ungeachtet seiner rigiden Regeln allseits beliebt gewesen sei. Zudem habe er keinerlei handwerkliches Geschick besessen. Noch in meiner Kindheit hingen gerahmte Fotos von ihm in der Küche und im Wohnzimmer meiner Großmutter, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Auch mir erschien er auf den Fotografien mit seinem durchdringenden Blick streng und sogar etwas unheimlich. Obwohl er an unserer Küchenwand gleichsam präsent war, blieb er der eigenen Familie »fremd«. Sowohl mein Onkel als auch meine Mutter entdeckten beim Lesen des Manuskripts dieses Buches ganz neue Seiten ihres Vaters, die erst durch die Briefe sichtbar wurden.

Der erste sogenannte Corona-Lockdown im Jahr 2020 sorgte schließlich dafür, dass ich die nötige Zeit fand, gleichsam eine Reise in die Vergangenheit zu machen, indem ich die Briefe systematisch las. Was ich dabei entdeckte, war ein Stück Zeitgeschichte, heruntergebrochen auf das Leben zweier junger Menschen, die trotz der Ausnahmesituation des Weltkriegs sich um ein normales Familienleben bemühten und ihre gemeinsame Zukunft planten. Für mich war die Lektüre überraschend und spannend. Plötzlich sah ich meine Großmutter aus einer gänzlich neuen Perspektive. Durch die Augen meines Großvaters erschien mir meine Großmutter plötzlich aktiv, lebensfroh, modern, intelligent, fleißig – eine tolle, attraktive Frau. Mir fielen ihre schönen, schlanken Beine auf den Fotos auf, die offenbar auch den Großvater bezaubert hatten und die er in den Briefen wiederholt erwähnte. Mir wurde klar, dass Helmi erst durch den Krieg und seinen Folgen zur traumatisierten und depressiven Frau geworden war. In das Erstaunen mischte sich natürlich auch Bedauern, diese Seiten von Helmi nie erlebt und gekannt zu haben.

Meinen Großvater habe ich ja erst durch die Briefe ›kennengelernt‹. In den Briefen finden sich lebhafte Beschreibungen seines Alltags als Soldat, seine Gedanken zu den Kriegsereignissen, seine für mich altmodisch klingenden Vorstellungen von Familie und Ehe, das (aus heutiger Sicht) unerhörte Rollenbild der Frau, seine Kinderwünsche und immer wieder unzählige Liebesschwüre. Nicht zuletzt erfuhr ich aber auch von seiner Einstellung zu Gott, zum Glauben und zur Religion sowie der Politik. Jeder Brief war wie ein Puzzleteil, das mir ein weiteres Detail von ihm offenbarte. Nachdem ich alle Briefe gelesen hatte, war vor meinem inneren Auge ein zum Teil detailliertes Bild von ihm entstanden. Es zeigte mir einen gebildeten, feinsinnigen und wortgewandten Mann mit einem ausgesprochenen Sinn für Literatur, Poesie und Sprachen. Er war von der Lehre der katholischen Kirche grundgeprägt, was sich in vielen Lebensbereichen und Handlungen zeit seines Lebens niederschlug. Mein Großvater war kein oberflächlicher Mensch, suchte nach dem Sinn im Leben. Sein Glück hoffte er schließlich in der Liebe und in der Gründung einer Familie zu finden. Alfons hatte stets eine eigene Meinung, die er mit Nachdruck vertrat, und konnte in manchen Dingen überheblich und auch stur sein. Auch bei meinem Großvater bedauere ich es sehr, ihn nie kennengelernt zu haben.

Die Briefe haben es mir immerhin ermöglicht, meine Großeltern von einer anderen Seite kennenzulernen. Aber diese Briefe können noch viel mehr, denn meine Großeltern stehen meines Erachtens in vielen Dingen stellvertretend für eine ganze Generation. Eine Generation, die den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg zu verantworten hat. Unzählige Male habe ich mich gefragt, wie dieses unsägliche Leid geschehen konnte, wie Menschen das zulassen und begehen konnten. Die Briefe meines Großvaters bieten uns – davon bin ich überzeugt – einen einzigartigen Blick in die Vergangenheit, bringen uns die Gedanken und Gefühle einer Generation von Menschen näher, die uns sonst fremd und unbegreiflich bleiben. Durch die Augen von Alfons werden die Ereignisse nicht weniger schrecklich – im Gegenteil. Aber aus der Sicht eines einzelnen Mannes rückt das Unbegreifliche plötzlich ganz nahe heran, man befindet sich gewissermaßen mitten drin. Vielleicht können wir so die verstörenden historischen Ereignisse, hinter denen ja immer auch einfache Menschen stehen, besser begreifen. Vielleicht lernen wir diese Generation durch die Briefe etwas besser kennen, so wie ich meine Großeltern besser kennengelernt habe.

Aus den vielen, vielen Briefen habe ich eine Auswahl an Passagen getroffen, von denen ich annehme, dass sie die Leser:innen interessieren. Die Auszüge habe ich wiederum mit möglichst kurzen Einführungen und Kommentaren versehen, denn eigentlich sollen die Briefe möglichst für sich sprechen. Zudem bin ich keine Historikerin; meine Kommentare erheben somit keinen wissenschaftlichen Anspruch und dienen lediglich dazu, die Briefauszügen in einen groben historischen Kontext zu stellen. Nur so lässt sich die Wechselwirkung zwischen historischen Großereignissen und individueller Entwicklung der Protagonisten erkennen. Die Briefausschnitte habe ich zu drei großen Themenkomplexen zusammengestellt.

Der erste Abschnitt ist der Liebe meiner Großeltern gewidmet: die Anfänge der Korrespondenz, die Zugeständnisse der beiden Verliebten, ihre Sehnsüchte und Heiratspläne. Zudem geben die Briefausschnitte Einblicke in die für uns vielfach altmodischen Vorstellungen Alfons’ über die Rolle der Frau und Moral.

Im zweiten Abschnitt werden die verschiedenen Stationen beleuchtet, die Alfons im Krieg durchlief. Seine Aufgaben, Tätigkeiten, aber auch seine Haltung und Gedanken zum Krieg kommen hier zum Ausdruck.

Im dritten Abschnitt gehe ich auf Alfons zentralen Widerspruch ein, der in meinen Augen die gesamte Generation betrifft. Um es in einer Frage zusammenzufassen: Wie konnte ein gläubiger Christ und angehender Mönch nationalsozialistischen Zielen dienen?

»Solange ich schreibe, lebe ich!« Diese Worte schrieb Alfons an Helmi am 15. Februar 1945. Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung auf einen militärischen Sieg bei den allermeisten Deutschen bereits seit langem erloschen. Sowohl in der Heimat als auch an den Fronten herrschte daher große Ungewissheit über die Zukunft. Helmi und Alfons waren zu dieser Zeit beide ans Bett gefesselt: Alfons befand sich nach einer Blinddarmoperation im Lazarett, während seine Einheit in der fürchterlichen Kurlandschlacht von russischen Truppen eingekesselt war. Und Helmi weilte in Erwartung ihres ersten Kindes in der Klinik.

Es ist dies ein nur allzu treffender Schlusssatz in einem seiner letzten Briefe, in dem sowohl der Ernst seiner persönlichen Lage, die allgemeine Aussichtslosigkeit der deutschen Truppen in Lettland und die Ungewissheit der Zukunft insgesamt anklingt. Und doch kommt auch sein ungebrochener Lebensmut zum Ausdruck. Dieser Optimismus speist sich zu dieser Zeit aus zwei Quellen: seinem Glauben an Gott und seiner Liebe zu Helmi und ihrem ersten Kind. Das Zitat soll daher auch dem Buch seinen Titel geben.

Alfons Stopp wurde am 26. Februar 1917 in Blieskastel im Saarland geboren. Er wuchs im ländlich-idyllischen Bliesgaudörfchen Ballweiler auf. Sein Vater, Nicolaus Stopp, war Grubenarbeiter. Alfons hatte vier Geschwister: Lina, Louise, Robert und Arnold. Lina war wohl die Schwester, mit der er sich am besten verstand und das einzige der Geschwister, die ich als Kind mit meiner Großmutter häufiger besuchte. Louise war die »egoistische«, »launenhafte« und »aufschneiderische« Schwester, mit der er ständig aneinandergeriet. Zum »schüchternen« und »fürsorglichen« Arnold hatte er eine innige Beziehung und regelmäßigen Kontakt, nicht jedoch zu Robert, der wie schon mein Urgroßvater ein introvertierter Mensch war.

Alfons besuchte das Gymnasium in Zweibrücken, anschließend machte er in Burghausen 1938 das Abitur, das Baccalauréat. Nach dem Abitur trat er dem Kapuzinerorden in Laufen bei. Im April 1938 wurde er sechs Monate lang für den Reichsarbeitsdienst rekrutiert. Im Oktober 1938 kehrte er zum Kapuzinerorden zurück und begann mit dem Studium der Theologie an der theologischen Fakultät in Eichstätt. Am 12. Dezember 1939 trat Alfons in die Wehrmacht ein. Alle drei Brüder dienten schließlich an der Ostfront.

Wilhelmine Hurth wurde am 30. Juli 1922 in Blieskastel geboren und war ein Nachbarskind der Familie Stopp. Ihr Vater, Wilhelm Hurth, war ebenfalls Grubenarbeiter und starb an Lungenkrebs als Helmi und ihre jüngere Schwester Rosel noch klein waren. Im Jahr 1937 begann Helmi ihre Ausbildung als Kontoristin einer pharmazeutischen Firma in Karlsruhe. Die Firma zog später in den beliebten Ferien- und Kurort Oberstdorf in Bayern. Dort lebte meine Großmutter zur Zeit der Korrespondenz mit Alfons, genoss für einige Zeit neben ihrer Arbeit das Skilaufen, die Cafés und die Kinoabende.

Abb. 1: Alfons als junger Mann.

Abb. 2: Helmi als junge Frau.

Die Beziehung meiner beiden Großeltern begann zunächst mit einer losen Korrespondenz unter Jugendfreunden Ende 1941. Bei einem Heimaturlaub verliebten sich Alfons und Helmi ineinander – das war der Grundstein ihrer gemeinsamen Geschichte. Und so fing alles an …

1     Das gesamte Briefcorpus wird von der Autorin bei Bedarf der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Anfragen bitte an den Verlag.

2     Ertle, Heidemarie (Hrsg.): »Gestern war ein sehr schwerer Tag für uns hier in St. Ingbert.« Das Kriegstagebuch von Ruth Schier (St. Ingbert 2020).

3     Elss-Seringhaus, Cathrin: »Ein toter Vater wird zum späten Glück seiner Tochter.« In: Saarbrücker Zeitung vom 29.1.2021, S. B 4.

I.          Die Liebe

 

 

Ein Mann aus dem Kloster zum Kommiß gekommenDer sich nun eine Frau genommenSie habe schlanke Beine und trage kurze RöckeSie sei jung und zart,habe es ihm infolge dieser Eigenschaften angetan

Aus einer Weihnachtsfeierrede, 24.12.1943

Abb. 3 u. 4: Alfons als Mönch und als Soldat (letzteres vom 30.1.1940).

Dieses Gedicht über Alfons wurde von einem Kollegen vor seiner Einheit anlässlich der Weihnachtsfeier 1943 als Teil des Programmes vorgetragen und zeichnet seinen ungewöhnlichen Lebensweg vom angehenden Mönch zum Soldaten und Ehemann nach. Alfons’ klerikale Vergangenheit erweckte bei seinen Kameraden offensichtlich Neugier und Interesse. Sie zollten ihm Respekt, manche machten sich aber natürlich auch lustig, nicht zuletzt, da er Helmi offenbar jeden Tag Briefe schrieb. Fast allen Menschen gegenüber, die er neu kennenlernte, verschwieg er zunächst seine Vergangenheit als Mönch, wohl aus Angst in ein bestimmtes, ihm unerwünschtes Licht gerückt zu werden. Vor allem auch, um nicht als unerfahren gegenüber Frauen zu wirken. Denn das beliebteste Thema unter den Landsern waren die Frauen.

Seinen Kollegen berichtete er immer wieder über Helmi, wie stolz er auf ihr Aussehen war, über ihren Charakter, ihre Berufstätigkeit, ihren Fleiß, ihre Liebenswürdigkeit. Er nannte sie in den Briefen »Hummel«, weil sie stets brummend und furchtlos ihre Meinung vertrete. Weiterhin hat er sie als offen, gemütstief, mit viel Wissen (Brief vom 31.3.1943), aber auch als schnippisch, energisch, herausfordernd, hingebungsvoll und reserviert (Brief vom 27.10.1943) beschrieben. Sie könne kochen, flicken, waschen, stopfen, Ordnung halten, sei selbstständig und geistig gewandt (Brief vom 3.11.1943). Sie liebe ihre Unabhängigkeit von den Verwandten (Brief vom 17.1.1944) sowie das Weite (Brief vom 30.7.1943). Helmi sei eine Frau von Charakter (Brief vom 3.10.1942). Ihre klugen Augen und ihre schönen Beine auf den Fotos hielten ihn gebannt. Außerdem liebe sie die Kunst, das Theater (Brief vom 14.1.1942). In ihrem Beruf sei sie »schmissig« (Brief vom 14.1.1942).

Abb. 5: Helmi im März 1943.

Alfons charakterisierte sich selbst als jemanden, der die Tiefe liebe (Brief vom 25.10.1942) und das Hohe suche (Brief vom 20.11.1942). Er strebe nach höherer Wahrheit (Brief vom 8.7.1943). Er wolle kein »totes Vermögen« (Brief vom 27.4.1943), glaube nicht an Macht und Reichtum, sondern an Glück und Geborgenheit in sich selbst (Brief vom 1.10.1943); er sagte von sich, er sei ein Verächter der Materie, solange sie nicht dem Ideellen diene (Brief vom 9.11.1943). Er möchte in einer Stadt leben, weil dies seinen geistigen und seelischen Bedürfnissen entspreche (Brief vom 31.10.1943) und er Menschen hasse, die für geistige Sachen nichts übrighätten (Brief vom 26.4.1944). Er verstehe es, zu gehorchen (Brief vom 20.11.1942), denke universell, nehme Rücksicht, könne aber auch brutal sein, wenn das Recht mit Füßen getreten werde. Er sei beliebt, weil er zur rechten Zeit entscheiden könne (Brief vom 15.4.1943). Und vor allem sei er gläubig (Brief vom 30.7.1943).

Anfangs sind die Briefe gespickt mit lateinischen, griechischen und französischen Sprüchen und Zitaten. Eitel und überheblich erteilte er Helmi den Rat, beim Lesen der Briefe ein Lexikon zur Hand zu nehmen (Brief vom 12.8.1942). Er ließ ihr sogar tatsächlich eine französische Grammatik schicken (Brief vom 10.2.1943) und forderte sie auf, Französisch zu lernen.

Die Briefe aus dieser Zeit sind schwärmerisch und bildhaft geschrieben, setzen aber in der Tat eine Menge an Hintergrundwissen voraus. Als Leser:in gewinnt man den Eindruck, Alfons verfüge über ein übergroßes Selbstbewusstsein mit einem Hang zur Überheblichkeit, z. B. wenn er auf dem Weg zur Hauptkampflinie (HKL) nachts im kalten LKW robusten Berliner Landsern zwei Stunden lang einen Vortrag über die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens und des Alkoholkonsums hielt.

15. April 1943

[…] Ich habe, wenn ich mich selbst lobe, meinen Geschwistern voraus, dass ich universal denke und nicht umweltbedingt. Ich weiss auf alles Rücksicht zu nehmen, so weit es irgendwie geht, aber ich kann auch energisch sein bis zur Brutalität, wenn das Recht mit Füssen getreten wird, oder gegen Menschen, die den Frieden mit aller Gewalt zu stören suchen. Ich bin innerlich selbst gefestigt und kann auf mich selbst vertrauen und bin deshalb auch –wie ich hoffe – berechtigt, meine Frau zu führen und auf den Händen zu tragen, wenn es sein muss und zu verteidigen bis zum letzten. Du wirst von mir überall als die Idealperson proklamiert, ob Du es bist oder nicht, nur weil solche Taktik allein Vorurteile und etwaige Fehlerbezichtigungen zu interminieren imstande ist. Man darf den Leuten die Mäuler nicht aufreissen, sondern muss sie oft beschwichtigen um des Friedens willen. Die Dümmsten sind ja doch immer die Frechsten. Wenn du willst, Helmi, wollen wir mit Verwandten gar nichts gemein haben. Mir ist das sehr recht. Ich will Dich nur allein besitzen. Du wirst sehen, dass Du nicht wild zu werden brauchst, weil ich mich durch Geschwister oder Eltern beeinflussen liesse, sondern ich werde selbst wild, wenn sie mich nur beeinflussen wollen. Du kennst meinen Widerspruchsgeist noch nicht. […] Diese Alleswisser haben in allem Erfahrung und wenn es darauf ankommt, stelle ich sie alle in den Schatten. […] Sie sagen auch den Leuten immer die Meinung, wenn Du sie reden hörst. Wenn Du aber selbst Zeuge ihrer Debatten bist, sind sie Allerweltsjasager. O, Helmi, ich bin mir meiner Sache so sicher, dass ich gar keine Bange habe, Du könntest nur einmal mit mir unzufrieden sein. Ich kenne die Menschen, wenn ich ihnen auch nicht immer die Wahrheit sage. Bei meinen Kameraden bin ich sehr beliebt, weil ich zur rechten Zeit entscheiden kann. Sonst bin ich sehr taktvoll und übersehe gerne Fehler, um die grosse Linie zu bewahren. […]

Alfons und Helmi wuchsen in Ballweiler auf und waren Nachbarn. Bei den ältesten erhaltenen Briefen ab Dezember 1941 handelt es sich noch um eine lose Korrespondenz zwischen alten Jugendfreunden, obwohl er schon recht früh äußert, dass er sich ein intimeres Verhältnis mit Helmi wünscht. Helmi ist jedoch bereits vergeben. Trotzdem schreiben sich beide weiter. Alfons berichtet von einem magischen Moment im September 1942. In diesem Urlaub kamen sich die beiden offenbar näher und er gesteht ihr auf dem Rückweg zur Front seine Liebe.

Für meinen Großvater war es die erste Erfahrung mit einer Frau, das erste Verliebtsein. Die Briefe von September 1942 bis Juni 1943 sind dementsprechend voller sentimentaler Gefühlsäußerungen, naiven Vorstellungen über das Zusammensein und Gedanken an eine Heirat. Das letzte Thema war freilich knifflig, denn eigentlich erwarteten sowohl seine Eltern als auch der Orden, dass er nach dem Krieg in seinen alten Beruf als Mönch zurückkehren werde. Nachdem ihm und Helmi jedoch klar geworden war, dass sie ein Paar sein wollten, entschied er sich für seinen neuen Lebensweg und legte seine Zukunftswünsche seinen Eltern vorsichtig dar. Überraschenderweise erhielt er deren Zustimmung offenbar recht problemlos. Ab November 1942 kreisten folglich seine Gedanken nur noch um Verlobung sowie Heirat und im März 1943 beschloss er, Helmi kurzerhand im nächsten Urlaub im Juni zu heiraten. Helmi zögerte zunächst noch etwas, willigte jedoch schließlich ein, wohl aufgrund seines kontinuierlichen Drängens und seiner kühnen Argumente über die Vorzüge der Ehe.

Nach der Hochzeit wurden die Briefe ernster und auch kürzer. Alfons wurde in dieser Zeit mehrmals versetzt. In den Briefen ist zudem seine ständige Angst vor dem Tod selbst heute noch gut greifbar. Der Einsatz als Sanitäter an der Hauptkampflinie war in der Tat wahnsinnig gefährlich. Ungeschützt ständig zwischen den Frontlinien zu agieren, permanent mit den schlimmsten Leiden und den schlimmsten Ausgeburten des Krieges konfrontiert zu sein – seine Angst war mehr als berechtigt. Helmi war ihm in dieser Situation offenbar eine wichtige Stütze und wohl auch die größte Motivation, weiterzuleben.

Zugeständnisse

16. April 1942

[…] Nun habe ich den Vorsatz geschafft, Dir auch ausserplanmässige Briefe zu schreiben. So oft Du auch schreibst, so selten erachte ich Deine Post, weil ich nie genug bekomme. Es ist nun bald Wirklichkeit geworden, dass ich Tag und Nacht an Dich denken muss. Ist dies nicht ein krankhafter Zustand? Oder ist es vielmehr das natürliche Bedürfnis eines Menschen, der in den Bann der Liebe geraten ist. Ich weiß es nicht, sind es Deine Augen, Deine rosigen Wangen, ich weiss es nicht! […]

21. August 1942

[…] Wenn ich es offen gestehe, liebste Helmi, liebe ich Dich von innigstem Herzen. Möchtest Du mir nicht meine Liebe erwidern? Bei Tag und bei Nacht bin ich bei Dir, ganz ernst u. ehrlich. Und, wenn Du schreibst, daß bei Dir etwas Interessantes vorgefallen ist, so glaube ich in der Hoffnung nicht irre gehen zu müssen, daß wir beide doch letzten Endes zusammenfinden werden, oder meinst Du etwas anderes. Soviel kannst Du mir, Teuerste, doch sicherlich mitteilen. Helmi, ich liebe Dich u. ich möchte mich verzehren aus lauter Liebe zu Dir. Über unser Zukunftsbild plaudern wir dann im Urlaub. […]

25. August 1942

[…] Eigentlich habe ich heute nichts Neues mitzuteilen; aber nachdem ich fast die ganze Nacht schlaflos gewesen bin und immer wieder an Dich denken musste, widme ich Dir heute wieder ein paar Zeilen. Ich weiss, dass wir uns am besten verstehen. Oder ist es nicht so? O, ich möchte Dich jeden Tag umarmen und meine Lippen auf Deinen Mund pressen. Ich empfinde eine derart heftige Sehnsucht nach Dir, dass ich alles andere vergesse und dass mir die Arbeit oft keine Freude mehr macht, weil ich durch sie von Dir immer noch getrennt bin. Wie herrlich wäre es, wenn wir gegenseitig unsere Gefühle und Gedanken austauschen könnten und das Glück miteinander erjagen könnten, so oft sich die Gelegenheit dazu bieten würde! Am liebsten würde ich mich ganz verzehren in Liebe zu Dir. Was mich so anzieht ist Deine immerwährende Heiterkeit und gute Laune sowie Deine ständige Bereitschaft zur Freudenspende. Aus all Deinen Schreiben nehme ich diese Deine Züge wahr. Ich glaube, dass es gar nicht lange bedürfte, bis wir uns beide in den Armen liegen würden vor gegenseitigem Verlangen. Oder bist Du anderer Meinung, liebste Helmi? […]

Abb. 6 a/b: Brief vom 25. August 1942.

Sehnsucht

In Hoffen und Bangen habe ich dich gesucht,Tränen der Liebe habe ich vergossen,Tag und Nacht hab ich nicht geruht,Bis ich endlich deine Liebe hab genossen.

Gedicht von Alfons

Seit seinem letzten Heimaturlaub im September 1942 waren Helmi und Alfons offiziell ein Paar. Offenbar lernten sie sich vor allem durch ihre Briefe immer näher kennen, tauschten sich über politische, philosophische und alltägliche Themen aus. Natürlich gab es manchmal Missverständnisse oder sogar Streit, doch es überwogen Liebe und Sehnsucht.

Abb. 7: Fotografie der beiden frisch Verliebten.

Es scheint, dass Alfons Helmi mit allen Mitteln beeindrucken wollte: Mit einem poetischen, schwärmerischen Stil suchte er, seine Eloquenz und Belesenheit zu demonstrieren. Interessanterweise verfasste er die ersten Briefe an Helmi mit der Schreibmaschine, die späteren jedoch handschriftlich. Er folgte damit Helmis Wunsch, die ihn darum bat, da sie auf sein Schriftbild neugierig war.

Ganz augenscheinlich war er in dieser Phase (noch) in der glücklichen Lage, mehrseitige Briefe schreiben zu können, weil er nicht direkt an der Front war. Dies wird sich später ändern. Die Länge der Briefe war geradezu eine Art Wettbewerb: Er drängte sie, möglichst viele Seiten zu schreiben, und zeigte sich einmal über einen »nur« sechsseitigen Brief enttäuscht. Helmi schien das Ganze wiederum nicht so ernst zu nehmen. Jedenfalls schrieb sie zum Bedauern von Alfons nicht täglich. Er gab jedoch nicht auf, sondern ›glänzte‹ darüber hinaus auch noch mit seinen Fähigkeiten in Stenografie und Sütterlin.

4. Oktober 1942

[…] Du hast heute auch frei und wahrscheinlich sehnst du Dich nach meiner Anwesenheit. Wie sollte es auch anders sein, da wir beide uns doch so lieb haben. Im einzelnen lasse ich oft die schlaflosen Nachtstunden mit ihren beglückenden Erinnerungen an meinem Geiste vorüberziehen und geniesse sie wenigstens ideell nocheinmal. Sie haben mit ihren Eindrücken so tief in mein Innerstes eingegriffen, dass ich trotz aller moralischen Einwände, z. B. der Kirche, ausrufen möchte: Wie kann denn Küssen Sünde sein?! Keine Reue habe ich bis jetzt noch empfunden, im Gegenteil. Ich betrachte ja alles Schöne und Beglückende als eine Gabe Gottes, der alles geschaffen hat und den Menschen, die Krone der Schöpfung, an seiner Schönheit und Güte teilnehmen lässt. Und in Dir erblicke ich dasjenige Geschöpf, dessen Liebe und Zugetanheit speziell mir gelten soll. Sind das nicht herrliche Gedanken! Ich meinerseits empfand bei jeder Berührung deines Körpers und bei jedem dieser Berührung folgenden Reizreflexe eine solche Wonne, dass ich mich als der Glücklichste fühlte und pries. Vor allem zuckt es noch jetzt in mir, wenn ich an Deine liebevolle Hingabe denke und die Zärtlichkeit, mit welcher Du mich umfangen hast. […] Heute am Sonntag, wo man mehr Zeit hat zum Überlegen und Erwägen, ist die Sehnsucht nach Deinem Herzen in mir besonders lebendig. Fesseln könnte ich Dich, drücken möchte ich Dich, an mich bannen wollte ich Dich. Du ahnst es nicht, wie weit ich denke von der Liebe, wie sehr ich sie hochschätze und für wie befruchtend ich sie halte für das ganze menschliche Leben. […]

6. Oktober 1942

[…] O, Ich Glücklicher, ins Unglück momentan verbannt! Heute sehe ich Dich wieder, wie Du arbeitest, wie Du kochst, wie du mich unzählige Male fragst, ob es mir schmeckt, wie Du nach dem Essen anlehnungsbedürftig wirst,