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Als Kinder sind wir von Natur aus spontan und klar, aber auch sehr fein und verletzlich. Auf dem Weg des Erwachsenwerdens, beginnen wir, uns anzupassen, zu schützen und zu verteidigen. Dabei verlieren wir oft einen Teil unsers natürlichen Wesens, von dem was uns persönlich ausmacht, aus den Augen. Wir werden ängstlich, traurig, unzufrieden oder krank und wissen nicht warum. Wir sehnen uns nach Liebe, wissen aber nicht, wo sie auf Dauer zu finden ist. Die Geschichte von Sonnjas Reise um die Welt und ihren Begegnungen mit den verschiedensten Wesen, möchte Ihnen helfen, sich selbst, Ihr Wesen und Ihre Träume wieder zu entdecken.
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Seitenzahl: 211
Sonnja und die Leichtigkeit des Seins
Vorwort
Wie alles begann
Europa
Wie geht es dir?
Die Ameise Lisa
Lilly
Der fröhliche Zugbegleiter Herr Jost
Peter und Paul
Die Prinzessin, die zu nichts zu gebrauchen war
Der Widerstand und die Liebe
Prinzessin Mary
Der Königssohn
Die fleissige Amsel Amalia
Amerika
Leo der Bär
Das kleine Küken Adele
Die Mauer und die Blumen
Der Ameisenbär
Afrika
Hegar und Rudi
Die Gans mit dem Knoten im Hals
Nina und der Elefant mit dem Knoten im Rüssel
Das Stachelschwein
Hugo, der einsame Löwe
Das Dorf der weisen Drachen
Australien
Die Koalabärin Milu
Das Wombat und die Liebe
Das Känguru mit den Bauchschmerzen
Asien
Man sieht nur mit dem Herzen gut
Sonnja und der Meister 1
Zusammenfassung des neu Erlernten
Sonnja und der Meister 2
Sicherheit oder Freiheit?
Sonnja und der Widerstand
Heimreise
Sonnja auf der Reise zu sich selbst
Über die Autorin
Weitere Bücher von Ruth Scherrer
In dem Moment, in dem der Verstand aufhört,
etwas verstehen zu wollen, bekommt das Herz Raum,
um sich zu öffnen.
Liebe Leser*innen
Kennen Sie Ihr inneres Kind?
Genau wie wir, hat es seine eigenen Launen und somit einen Einfluss darauf, wie es uns geht und wie wir im Leben vorankommen.
Es kann uns unterstützen und anfeuern; dann fühlen wir uns voller Energie und alles geht leicht.
Es kann uns aber auch gewaltig ausbremsen, nämlich immer dann, wenn wir über eine längere Zeit unser Herz und unser Bauchgefühl ignorieren und nur mit Hilfe des Verstandes unseren Pflichten nachgehen.
Wann immer ich in den letzten Monaten mit meinem Verstand irgendwo anstand, habe ich mich zusammen mit meinem inneren Kind hingesetzt und es gebeten, mit mir eine Geschichte zu schreiben.
Dies war eine schöne Erfahrung, denn es gab mir eine neue Sicht auf die Dinge. Das innere Kind sieht mit den Augen des Herzens und hat somit seine eigene, intuitive Logik.
Vielleicht stellen Sie sich beim Lesen vor, Ihr eigenes inneres Kind sitzt auf Ihrem Schoss und hört Ihnen beim Lesen zu.
Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei
Ruth Scherrer
Das Sonnenmädchen Sonnja war eigentlich nur deswegen auf die Erde heruntergekommen, weil es noch einmal so richtig scheinen und die Menschen zum Lachen und Strahlen bringen wollte.
Sonnja wollte dabei sein, wenn sich auf dieser Erde alles verändert, alles wieder hell, fröhlich und schön wird, und eines wollte sie ganz unbedingt; diesmal wollte sie alles richtig machen.
Am Anfang gelang ihr dies ganz gut. Sie war klein, süss, strahlte alle an, die Menschen strahlten zurück, alle mochten sie und die Welt war bunt und in Ordnung.
Doch je älter Sonnja wurde, desto mehr begann sie sich zu wundern.
Wie konnte es sein, dass so gar nichts auf dieser Erde lief, wie sie es sich vorgestellt hatte?
Sie hatte gedacht, das Leben sei interessant und mache Spass. Aber wenn sie die Sorgen auf den Gesichtern der Menschen sah, das Lachen, welches nicht aus den Augen strahlte, die Schadenfreude, welche die Menschen zum Lachen brachte und die Trauer all der kleinen Sonnen, welche sich unverstanden fühlten, wurde sie nachdenklich.
Und da erinnerte sie sich wieder. Genau das war der Grund, warum sie nie wieder auf diese Erde zurückkehren wollte. Sie wollte nie wieder mitansehen, wie die Menschen gemein zueinander waren. Wie sie sich, um sich vermeintlich zu schützen, Lügen erzählten und sich gegenseitig Steine in den Weg legten. Sahen sie denn nicht, was sie damit anrichteten? Sahen sie denn nicht, dass alle Menschen und Tiere, ja überhaupt alle Wesen auf dieser Welt, mit dem Licht verbunden sind?
Sahen sie denn nicht, dass ihre Art, über Dinge und Menschen zu sprechen, eine entsprechende Energie verbreitete?
War ihnen tatsächlich nicht bewusst, dass von all dem was sie sagen und tun, immer eine bestimmte Farbe, eine Schöpferenergie ausgeht?
All das machte die kleine sehr nachdenklich. Bald kam die Zeit, in der sie zur Schule durfte, und eigentlich freute sie sich darauf. Aber sie war nicht mehr so unbekümmert und strahlend wie einst, jetzt war sie oft ernst, manchmal auch misstrauisch und zurückhaltend.
Was sie inzwischen tatsächlich selbst vergessen hatte, war, dass ernste und misstrauische Menschen eine entsprechende Farbe aussenden. Diese Farbe ist wie ein unangenehmer Geruch, die Menschen mögen ihn nicht besonders.
So kam es, wie es kommen musste; die Menschen mochten die kleine Sonne nicht besonders. Dies betrübte sie noch mehr, doch es bestätigte ihr Weltbild; die Menschen waren gemein.
So entschied sie sich, überhaupt nicht mehr zu scheinen. Wozu auch, es war eh alles nur Zeitverschwendung auf dieser Erde. Sie betete jeden Abend zu ihren Sternengeschwistern, sie mögen sie doch abholen.
In der Nacht, wenn die Kleine schlief, wurde sie von ihren Sternengeschwistern gehalten und getröstet und immer wieder mit einer Portion Leichtigkeit und Glück ausgestattet. Dann machte das Leben der kleinen Sonne wieder Spass. Doch dies hielt leider nie lange an.
Je länger Sonnja auf der Erde weilte, umso mehr verging ihr das Strahlen. Mit der Zeit vergass sie sogar, dass sie eine Sonne war. Auch wenn sich die Zeiten immer wieder änderten, auf schwierig folgte leicht, auf dunkel folgte hell, war und ist es ein Naturgesetzt, dass sich auch dies wieder ändert.
Kein Licht ohne Schatten, auf Ebbe folgt Flut, aber danach kommt wieder Ebbe. Dies hatte Sonnja irgendwann begriffen, doch noch immer fand sie das Ganze einfach nur sinnlos und anstrengend.
Inzwischen hatte ihr das Leben einen lieben Mann und zwei gesunde Kinder geschenkt. Doch Sonnja war so darauf bedacht, alles richtig zu machen und den Sinn des Lebens zu finden, dass sie kaum Zeit für Freude und Spass fand.
Sie weigerte sich noch immer, ihr Licht frei und bedingungslos scheinen zu lassen. Sie selektierte sehr genau, wer ihr Licht verdiente und wer nicht.
Da sie ein Sonnenkind war, war ihr Licht sehr stark. Wenn sie es dann doch einmal einem Menschen schenken wollte, um ihm zu zeigen, dass sie ihn mochte, war diese gebündelte Kraft für den Empfänger oft zuviel und daher unangenehm.
Dies zeigte Sonn nur, dass auch diese Qualität nicht geschätzt und nicht gebraucht wurde und überhaupt, was sollte sie sich ins Leben einbringen, wenn sie nicht wusste wie.
So wurde sie über eine sehr lange Zeit sehr krank. Trotz allem bemühte sie sich, ihren Sonnenkindern eine gute Mutter zu sein. Doch wie konnte sie ihre Kinder von Herzen anstrahlen, wenn ihr Herz schwer war und sie ihr Strahlen selbst nicht mehr finden konnte?
Aber manchmal, wenn sie mit ihren Kindern beim Spielen war, war es plötzlich wieder da. Diese Selbstverständlichkeit und Unbekümmertheit. In solchen Momenten konnte sie sich wieder an ihr Strahlen erinnern.
Im Laufe der Zeit bemerkte sie, dass dieses Strahlen und diese Leichtigkeit des Seins auch bei ihren Sonnenkindern zu verschwinden begann. Auch sie begannen, alles richtig machen zu wollen.
Dies veranlasste Sonnja, zu erforschen, was denn eigentlich richtig und was falsch war.
Sie wollte herausfinden, wie man sich sein Licht und seine Leichtigkeit zurück erobern konnte.
Sie wusste, dass es Menschen gab, welche auch im hohen Alter noch aus den Augen strahlten und aus dem Herzen lachten.
So verschrieb sie den Rest ihres Lebens dem Ziel, herauszufinden, was das Leben leicht macht.
Ihr könnt euch kaum vorstellen, was für Menschen, Tiere und Fabelwesen, Sonnja auf ihrer Forschungsreise traf und was ihr all diese Wesen erzählten.
Ein paar dieser Geschichten findet ihr in diesem Buch.
Als erstes besuchte Sonnja ihre Nachbarin, Frau Müller. Sonnja war aufgefallen, dass diese in letzter Zeit viel lebendiger und fröhlicher wirkte. So war es naheliegend, die Forschungsreise bei Doris Müller zu beginnen.
Diese freute sich sehr über den Besuch, bat Sonnja herein und machte ihr einen Tee.
Die Wohnung von Frau Müller erzählte viele Geschichten von all den Menschen, welche einmal dort gelebt hatten. Jetzt waren nur noch Frau Müller und ihr Papagei übriggeblieben.
Der Papagei war auch schon in die Jahre gekommen und sprach nicht mehr viel, doch immer wieder fragte er Doris: «Wie geht es dir?»
Da Doris sonst kaum jemanden zum Reden hatte, gab sie dem Papagei immer wieder gerne Antwort. Sie erzählte ihm von ihrem Sohn, welchen sie nur selten zu Gesicht bekam, von ihren Töchtern, die eine glücklich verheiratet, die andere etwas einsam, und immer wieder erzählte sie von ihrem verstorbenen Mann, mal Gutes, mal weniger Gutes.
So vergingen die Jahre, die Nachbarn im Haus kamen und gingen, die einen waren nett, die andern weniger, und immer wieder fragte der Papagei: «Wie geht es dir?»
Als Doris gerade mit einer Geschichte antworten wollte, fragt der Papagei wieder: «Wie geht es dir?» Wieder holte Doris aus und sogleich fragte der Papagei erneut: «Wie geht es dir?»
Da fiel es Doris wie Schuppen von den Augen. All die Jahre hatten die Menschen Doris gefragt, wie es ihr geht und immer hatte Doris ihr Wohlergehen auf ihre Aussenwelt bezogen. Immer hatte sie erzählt, was die andern taten, oder nicht taten, und immer hatte sie geglaubt, dies sei die Antwort darauf, wie es ihr ging.
Nachdenklich setzte sich Doris in ihren Lieblingssessel und machte sich zum ersten Mal Gedanken darüber, wie es ihr ging.
Ihr Mann war schon lange gestorben, also konnte er das aktuelle Leben von Doris kaum noch beeinflussen. Den Kindern ging es, wie es ihnen halt gerade ging, und egal wie oft sich Doris für ihre Kinder aufregte, ängstigte oder sorgte, nichts änderte sich daran, dass sie ihr Leben selbst leben mussten.
Wenn sie wenigstens auf ihre Ratschläge und Lösungsvorschläge hören würden, doch diese interessierten sie selten. Dies stimmte Doris immer wieder traurig. Wozu hatte sie all die Lebenserfahrungen gesammelt, wenn sich nicht einmal ihre eigene Familie dafür interessierte?
Schon als Kind fühlte sich Doris immer etwas einsam und unverstanden. Sie sagte Dinge, welche die Erwachsenen nicht verstanden, oder zumindest überraschten. Dies wiederum überraschte Doris, denn sie sagte doch nur, was für sie selbstverständlich und offensichtlich war. Irgendwann gewöhnte sich Doris ab, von ihren Wahrnehmungen zu sprechen. Doch nicht nur das, sie sagte auch sonst kaum noch etwas, denn wie konnte sie unterscheiden, was die Menschen hören wollten und was nicht?
Als Kind war das einfach, denn die Eltern und die Lehrer sagten ihr, was sie von ihr wollten und Doris gehorchte.
Freundinnen hatte sie nie viel, denn wie das Denken und Verhalten unter Schulfreundinnen funktionierte, verstand sie nicht. Mal waren die Mädchen beste Freundinnen, dann wieder nicht, wen kümmerts.
Die Jungs waren in dieser Beziehung viel ehrlicher, sie prügelten sich und dann war alles wieder gut. Darum spielte Doris lieber mit den Jungs.
Am Ende der Schulzeit frage sie ihre Mutter, welche Ausbildung es brauchte, um einen sicheren Job und ein sicheres Einkommen zu erlangen. Obwohl Doris viel lieber etwas Anderes gelernt hätte, vertraute sie dem Rat ihrer Mutter.
Irgendwann verdiente Doris ihr eigenes Geld, kam dadurch zu mehr Freiheit, ging auf Reisen, verliebte sich und bemühte sich wie alle anderen zu sein und sich immer wieder anzupassen.
Sie fühlte sich von den Menschen bestätigt, dass man sich eben anpassen musste, um nicht allein dazustehen und gut durchs Leben zu kommen.
Da Doris auf keinen Fall allein sein und unbedingt Kinder haben wollte, freute sie sich sehr über den Heiratsantrag von ihrem Mann, über die schöne Hochzeit mit vielen Gästen und über ihre Kinder.
Sie liebte es, mit den Kindern zu spielen, draussen zu sein, Partys zu organisieren, die Wohnung sauber zu halten und schöne Abende mit Freunden zu verbringen.
Die Zeit verging wie im Flug, immer war etwas los. Die Freunde der Kinder kamen und gingen, Haustiere kamen ins Haus, bis sie irgendwann verstarben, die Kinder zogen eines nach dem anderen aus. Kurz darauf verstarb ihr Mann. Alles was Doris blieb, war die Wohnung, die Erinnerungen und der Papagei mit der Frage: «Wie geht es dir?»
Da sich Doris diese Frage noch nie wirklich gestellt hatte, wusste sie gar nicht, wie sie eine Antwort finden sollte, ohne sich auf jemand anderen zu beziehen.
Sie entschied sich, einfach einmal sitzen zu bleiben und sich die Frage selbst zu stellen.
Am Anfang machte sie das etwas ungeduldig. Dann wurde sie gereizt, ihr Verstand ärgerte sich über diese doofe Frage, doch gleichzeitig wusste Doris, diese Frage ist wichtig.
Sie führte sich all die schönen Dinge, welche sie jetzt gerade umgaben, vor Augen. Ihre schöne Wohnung, all die praktischen und schönen Gegenstände darin, der gefüllte Kühlschrank…
Wieder merkte sie, dass auch diese Dinge ausserhalb von ihr waren. Dass diese Dinge ihr Leben sehr wohl bequem und sicher erscheinen liessen, doch auch diese Dinge sagten nichts darüber aus, wie es ihr gerade ging.
Also versuchte sie, ihren Verstand wieder zur Ruhe zu bringen. All diejenigen unter euch, welche dies schon einmal versucht haben, wissen, dass dies nicht einfach ist. Mit der Zeit gelang es Doris immer besser, ihre Gedanken und ihre Gefühle zu beobachten und plötzlich viel ihr etwas auf.
Wann immer sie über schöne und gute Dinge nachdachte, fühlte sie sich gut, wann immer sie sich Sorgen über etwas machte, oder sich über etwas oder jemanden beschwerte, erschien ihr das Leben schwer.
Hiess das, wie es ihr ging, war abhängig von ihren Gedanken? Aber ihre körperlichen Schmerzen waren doch da, waren real.
Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass es Tage gab, an denen die Schmerzen mehr waren und an anderen Tagen weniger. Woran das wohl lag?
Bis jetzt dachte sie immer, es sei abhängig vom Wetter, doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, ob dem so war.
Auch fiel ihr auf, dass sie manchmal zufrieden aufwachte und manchmal schon am Morgen gereizt und übellaunig war, obwohl es noch gar keinen Grund dazu gab.
Je länger Doris über all diese Dinge nachdachte, umso spannender fand sie, was sie alles Neues über sich und das Leben entdeckte.
Erstaunlich war, je mehr Erinnerungen sie zuliess, desto mehr erfreuliche Dinge kamen zum Vorschein.
Es schien, als ob all die schweren Gedanken das Schöne und die Freude weit in den Hintergrund gerückt hatten. Seither setzte sich Doris jeden Morgen als erstes in ihren Lieblingsstuhl und fragte sich selbst: «Wie geht es dir?»
Nicht nur, dass das Leben durch diese Frage spannender wurde, Doris hatte jetzt endlich jemanden, der sich wirklich für sie interessierte, nämlich sie für sich selbst.
Wenn jetzt jemand Doris danach fragte, wie es ihr ging, begannen ihre Augen zu leuchten, denn sie hatte ganz viel zu erzählen.
Wieder zuhause setzte sich Sonnja in den Garten, um sich alles aufzuschreiben. Es war ihr wichtig, am Schluss die Geschichten nochmal lesen zu können, um ja nichts zu vergessen.
Als es Zeit für das Nachtessen war, holte sie sich etwas Käse und Brot und setzte sich auf eine Decke ins Gras.
Plötzlich bemerkte Sonnja eine Ameise auf ihrem Brot. Obwohl sie wusste, dass sie mit dem Herzen alle Wesen verstehen konnte, war sie doch erstaunt, als sie bemerkte, dass ihr diese Ameise, welche sich als Joe vorstellte, eine Geschichte zutragen wollte.
Die Geschichte handelte von der Ameise Lisa.
Lisa prahlte stehts mit ihrer Muskelkraft. Diese war nicht zu übersehen, denn fast ununterbrochen schleppte die Ameise Dinge hin und her. Ihre kräftigen Arm- und Beinmuskeln stachen jedem ins Auge.
Was die meisten aber nicht verstanden, war, warum Lisa immer so viel herumzuschleppen hatte. Wenn man sie fragte, hatte sie keine Zeit zu antworten, denn sie war ja beschäftigt. Sie war so beschäftigt, dass sie oft nicht merkte, wie sinnlos sie gerade unterwegs war.
Sie trug Dinge von da nach dort und wieder zurück, ohne einmal genau hinzuschauen. Sie dachte, was vor ihren Augen lag, müsse sie abtransportieren, auch wenn es nicht ihres war und niemand sie darum gebeten hatte.
Sie hatte sich zur Aufgabe gemacht, Ordnung zu halten, koste es was es wolle. Nur manchmal, wenn sie abends ins Bett ging, fragte sie sich, ob denn das Ganze nie ein Ende hatte. Doch am nächsten Morgen stand sie frisch und fröhlich wieder auf, rollte die Ärmel nach hinten und räumte alles weg, was man ihr in den Weg legte.
Dies hatte sich überall herumgesprochen, und so trieben die anderen Ameisen ihre Scherze mit Lisa. Sie legten ihr alles Mögliche vor die Füsse, vor allem die Dinge, welche sie selbst nicht schleppen wollten.
Manchmal, in seltenen Fällen, merkte Lisa dies und wurde wütend. Doch für diese Fälle hatten die Ameisen einen Trick. Sie sagten Lisa, sie sei egoistisch, denn sie wussten, das wollte sie auf keinen Fall hören. Dann zog Lisa den Kopf ein und ging wieder an die Arbeit.
Eines Tages, als sie wieder fleissig vor sich hinarbeitete, legte ihr jemand eine grosse Schale direkt auf ihren Weg. Da Lisa wegen ihrem schweren Gepäck gebückt ging, lief sie direkt auf die Schale zu und schlug sich heftig den Kopf an.
Der Schale machte das nichts, die war aus Metall. Doch durch den heftigen Aufprall gab es einen lauten Ton, wie ein Gongschlag.
Dieser Ton dröhnte Lisa heftig in den Ohren, aber sie liess sich nichts anmerken und arbeitete einfach weiter.
An diesem Abend ging sie sehr früh zu Bett. Als sie am Morgen aufstand, dröhnte ihr Kopf noch immer. Sie sah richtig krank aus. Ihre Freunde fragten sie, was passiert sei. Sie bestätigten Lisa, dass man ihr diese schwere Schale nicht in den Weg hätte legen dürfen.
Eine Freundin legte ihr die Hände auf den Nacken und rückte ihr den Kopf wieder zurecht. Doch auch das half nur bedingt, der Schlag hallte noch immer in Lisas Kopf nach.
So lief Lisa noch einige Tage mit etwas hängendem Kopf durch die Gegend. Sie musste sich verschiedene Kommentare anhören. Die einen fanden, sie sei selbst schuld, andere fanden, man müsse halt besser aufpassen und wieder andere zuckten nur ratlos die Schultern. Niemand konnte Lisa helfen. Wenigstens machte sie jetzt öfters eine Pause, denn so viel arbeiten wie bisher, konnte sie in diesem Zustand nicht.
Dies hatte zur Folge, dass die anderen zwar ihre Arbeit vor Lisas Füsse legen konnten, aber es half nichts, sie schaffte die zusätzliche Arbeit nicht mehr.
Da sie jetzt dafür mehr Zeit zum Hinsehen und Nachdenken hatte, wurde ihr bewusst, wie viel sie für andere gearbeitet hatte. Es wurde ihr klar, dass sie das in Zukunft nicht mehr wollte. Sie verkündete dies und staunte, dass die anderen Ameisen sie verständnisvoll anschauten und nickten.
Nur ihr bester Freund, Peter, dachte nicht daran, dass Lisa auch ihn meinen könnte. Schliesslich erledigte er ja auch viel für sie und so war es selbstverständlich, dass man sich gegenseitig half. Peter war sich nicht bewusst, dass er immer wieder Dinge für Lisa erledigte, welche sie im Grunde selbst erledigen konnte. Er machte sich nützlich, wo es eigentlich gar nichts zu tun gab und dies nur, um seine eigenen Dinge nicht erledigen zu müssen.
So gab es zwischen den beiden immer wieder heftigen Streit. Doch keiner wollte gemein sein und keiner wollte genau hinsehen.
Eines Tages wurde es aber für beide zuviel, deshalb holten sie sich Hilfe bei einer Seherin. Diese schaute den beiden tief in die Augen. Das erste was sie sah, war, dass die beiden sich sehr lieb hatten. Was sie aber auch sah, war ihre Angst, sich zu verlieren. Daraus erfolgte, dass jeder dem anderen half und sich nützlich machte, um für den anderen unentbehrlich zu sein.
Als Lisa sich so heftig den Kopf gestossen hatte, hatte der Ton in ihrem Kopf etwas bewirkt. Sie sah plötzlich ganz klar, dass ihr diese Abhängigkeit Angst machte, und dass diese Angst den ewigen Streit verursachte.
Jeder wollte gesehen werden, jeder wollte gut und lieb sein. Doch inzwischen hatte Lisa verstanden, dass jeder auf seine Art lieb und gut war, dass keiner dafür zu kämpfen brauchte.
Peter hingegen konnte dies weder sehen noch verstehen, er dachte noch immer, er müsse allen helfen und immer zur Stelle sein.
Durch Lisas Unfall hatte sich auch im Dorf viel verändert. Die Ameisen hatten sich für ihr Verhalten geschämt und inzwischen die Verantwortung für ihre Pakete selbst übernommen. Da Lisa jetzt nicht mehr für alle anderen mittragen musste, hatte sie genügend Zeit, ihre eigenen Dinge selbst zu erledigen. Alle machten zufrieden ihre Arbeit, nur Peter war ratlos.
Wo sollte dies alles hinführen? Sein eigenes Packet tragen wollte er nicht, denn damit konnte er nichts anfangen. Den anderen helfen konnte er auch nicht, denn plötzlich wollte jeder sein Packet selbst tragen.
Er fragte sich oft, was denn nur mit dieser Welt los sei und ob ihn denn keiner mehr lieb hatte. Konnte ihn denn wirklich niemand mehr brauchen?
Doch wenn dann jemand kam und Peter um etwas bat, was er nicht tun wollte, wurde er sauer und fühlte sich ausgenutzt. So wurde er immer trauriger, doch helfen lassen wollte er sich nicht. Er war es gewohnt, dass er den anderen Ameisen half, darum wollte er diese bestimmt nicht um Rat fragen. Woher sollten diese wissen, was er brauchte?
So verzog er sich immer öfter in sein ruhiges Loch. Doch irgendwann war es auch dort vorbei mit der Ruhe. Egal wo er hinging, es rauschte ununterbrochen in seinen Ohren. Er konnte weder herausfinden, woher es kam, noch was er dagegen tun konnte.
In dieser Sache entschied er sich, sich doch helfen zu lassen und ging zum Arzt. Doch es kam, wie es kommen musste; der Arzt zuckte mit den Schultern und sagte, das hätten viele, niemand wisse woher es kam oder was man dagegen tun konnte.
Müde und enttäuscht ging Peter wieder nach Hause. Er hatte es ja gewusst, niemand konnte ihm helfen.
Was er aber nicht sah, war, dass Lisa jeden Abend für ihn betete, dass er eines Tages den Mut haben würde, sein eigenes Packet zu tragen und hineinzuschauen.
Denn Lisa wusste, was Peter sehen würde, wenn er den Mut hätte, in sein eigens Packet zu schauen.
Die Pakete, welche die Ameisen am wenigsten gerne selbst tragen wollten, waren diejenigen, welche viel alten Mist enthielten.
Zuunterst befand sich aber jeweils ein wunderschönes Geschenk, zusammen mit einem Spiegel. Wer sein Geschenk fand und in den Spiegel schaute, sah sich plötzlich mit den Augen der andern.
Er sah all die Liebe, welche er in die Welt strömte, all die Freude, welche er anderen Menschen brachte und verstand, dass er selbst ein Geschenk für die anderen war.
Sobald eine Ameise sich selbst so sah, hatte sie nie mehr das Gefühl, etwas tun zu müssen, um anderen zu gefallen oder etwas beweisen zu müssen, um geliebt zu werden. Denn jede Ameise war schon genug, einfach indem sie eine Ameise und da, auf dieser Erde, war.
Sonnja war tief berührt von dieser Geschichte. Konnte es sein, dass es gar nicht so wichtig war, dass man alles richtig machte?
War es vielleicht wichtiger, sich selbst zu lieben und dies in die Welt zu strahlen?
Sie bedankte sich bei Joe für die schöne Geschichte und schenkte ihm zum Abschied ein paar Brot- und Käsekrumen.
Zurück in ihrer Wohnung, schrieb sie auch diese Geschichte in ihr Heft.
Am nächsten Morgen machte sich Sonnja auf den Weg zum Einkaufen.
Es war wieder ein wunderschöner, sonniger Tag, was sie dazu verleitete, einen Umweg durch den Park zu machen.
Im Park setzte sie sich auf eine Bank und streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Noch während sie überlegte, woher sie wohl ihre nächste Geschichte bekam, hörte sie jemanden singen.
Als sie in die Richtung blickte, aus der dieses schöne Lied ertönte, sah sie direkt in die Augen von Lilly. Etwas an Lilly und ihrer Stimme faszinierte Sonnja. Sie stand auf und ging näher.
In diesem Moment hörte Lilly auf zu singen, stand auf und lief weg. Enttäuscht drehte sich Sonnja um und setzte sich wieder auf die Parkbank. Sie fragte sich, ob es ihre Schuld war, dass das Mädchen gegangen war.
Sonnja wusste es nicht, liess den Gedanken wieder ziehen und konzentrierte sich wieder auf sich selbst. Da bemerkte sie, dass sie Lust auf einen Kaffee hatte.
Gleich in der Nähe gab es ein kleines Bistro, dort setzte sie sich nach draussen und beobachtete die Menschen. Nach einer Weile kam die Bedienung. Sonnja staunte nicht schlecht, denn es war das Mädchen, Lilly, aus dem Park.
Nun war klar, wieso sie so plötzlich verschwunden war; sie musste wohl zur Arbeit.
Sonnja erklärte ihr, dass sie auf der Suche nach der Leichtigkeit des Seins sei und daher Menschen befragte, welche glücklich aussahen.
Lilly fand nicht gerade, dass sie glücklich aussah. Sie war zwar verliebt, hatte ein gutes Leben, der Studentenjob im Bistro war auch nicht schlecht, aber der bevorstehende Auftritt am Schulfest machte ihr Sorgen.
Trotzdem willigte Lilly ein, Sonnja am Abend in der Bar am Rande der Stadt zu treffen. Sonnja freute sich auf das Treffen und die Abwechslung, einen Abend in einer Bar zu verbringen.
Am Anfang wirkte Lilly noch etwas scheu und sprach leise, doch je länger sie erzählte, desto mehr taute sie auf.
Als kleines Mädchen lebte Lilly in einem Dorf auf einem Bauernhof. Sie sang und tanzte leidenschaftlich gerne, verulkte regelmässig ihre Mitmenschen, erzählte oft Witze und war ständig zu einem Streich bereit. Doch dies kam nicht immer gut an und Lilly geriet immer wieder in Schwierigkeiten.
Irgendwann entschied sich Lilly, ab sofort nichts mehr zu tun, was die anderen doof finden könnten und hörte auch auf zu singen.