Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe - Annette Bukowski - E-Book

Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe E-Book

Annette Bukowski

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Beschreibung

Der Band beschreibt ausführlich die Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen. Nach der Beschreibung der Zielgruppe folgt die Darstellung der Arbeitsfelder in der Straffälligenhilfe sowie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Strafvollzug. Im Fokus steht hier die Frage nach dem Doppelmandat in der Sozialen Arbeit, das gerade im Strafvollzug besonders brisant erscheint: Soziale Arbeit muss sich am individuellen Wohl ihrer Klienten orientieren, sie muss aber auch für das Gemeinwohl arbeiten. Außerdem werden die wichtigsten Kriminalitätstheorien diskutiert. Bevor der Band mit einer Fallarbeit schließt, setzen sich die Autoren mit dem Thema "Muss Strafe sein" auseinander.

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Handlungsfelder Sozialer Arbeit

 

Herausgegeben von

 

Martin Becker

Cornelia Kricheldorff

Jürgen Schwab

Annette Bukowski/Werner Nickolai

Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-023372-0

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-025110-6

epub:   ISBN 978-3-17-025111-3

mobi:   ISBN 978-3-17-025112-0

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

 

Handlungsfelder Sozialer Arbeit

 

 

Vorwort der Herausgeber

Der Sammelband »Handlungsfeldorientierung in der Sozialen Arbeit«, erschienen im September 2012, bildet die Einführung für eine Reihe von Einzelveröffentlichungen zu verschiedenen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit. In der einführenden Publikation ist das »Freiburger Modell der Handlungsfeldorientierung« genauer beschrieben, das den folgenden Bänden zu einzelnen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit auch zu Grunde liegt. Dieses curriculare Modell für das Bachelorstudium der Sozialen Arbeit nimmt aktuelle Bedingungen und Entwicklungen in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit in den Blick und leitet Aktionen und Interventionen fachlich begründet dazu ab. Dargestellt werden mögliche und notwendige Handlungskonzepte und Methoden, die zu Charakteristika von Aufgabenstellungen, Rechtsgrundlagen, Governance, Trägerlandschaften, Situationen und Personen in Handlungsfeldern diskursiv in Bezug gesetzt werden. Daraus ergeben sich Gestaltungs- und Kontexterfordernisse, die einer eher technokratischen Ver- und Anwendung entgegenwirken, die »reiner« Methodenlehre latent innewohnt. Nach Möglichkeit fließen dazu Hinweise auf Evaluation und zu Projekten der Praxisforschung mit ein. Die in der Reihe vorgelegte Systematik eignet sich für die Gestaltung von Studiengängen Sozialer Arbeit und wird an der Katholischen Hochschule Freiburg seit einigen Jahren bereits in der Lehre praktiziert. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer stärker ausgeprägten Kompetenzorientierung, die im Zuge des Bologna-Prozesses didaktisch erforderlich ist.

Bei der Breite und hohen Differenzierung, die sich in den einzelnen Handlungsfeldern mit ihren unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Aufgaben und Zuständigkeiten ergibt, liegt allen Einzelbänden doch eine gemeinsame Struktur in der Darstellung Sozialer Arbeit zu Grunde. Zunächst wird der Gegenstandsbereich des jeweiligen Handlungsfeldes beschrieben und dessen spezifischer Bezug zur Wissenschaft Sozialer Arbeit hergestellt. Die Wissensgrundlagen des Handlungsfeldes werden unter Berücksichtigung gesellschaftspolitischer wie auch disziplinärer fachlicher Entwicklungen und theoretischer Rahmung aufgezeigt und in einen fachlichen Diskurs eingebunden. Interventionsformen des Handlungsfeldes werden auf der Basis professionsspezifischer Handlungskonzepte und Methoden erläutert. Für die Soziale Arbeit wichtig und geradezu konstituierend sind multidisziplinäre Perspektiven auf Handlungsfeld und soziale Probleme, die in den Beiträgen nicht fehlen dürfen. An praxisnahen Fragestellungen und ausgewählten Situations- oder Falldarstellungen werden soziale Probleme und Ansätze der Bearbeitung modellhaft erschlossen, ohne in die Falle enger, einfacher und scheinbar eindeutiger Lösungsmuster und Rezepte zu tappen. Am Ende jedes Kapitels steht eine kurze Zusammenfassung oder auch Aufgabenstellung sowie weiterführende Literaturempfehlungen und eine Kurzvita der jeweiligen Autoren/-innen.

Ein wesentlicher Anspruch dieser Publikationsreihe ist es, einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen in unterschiedlichen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit zu geben und damit einerseits den Gemeinsamkeiten – etwa in grundlegenden Modellen, Orientierungen und Fragen der professionellen Entwicklung – und andererseits den Unterschieden – etwa in den historischen und aktuellen Prozessen – im Sinne eines besseren Verständnisses nachzugehen. Damit kann jeder Band dieser Reihe zu einer Orientierungshilfe im Studium wie im Berufsfeld der Sozialen Arbeit werden, einer Art von Karte oder Wegweiser für die individuellen Richtungsentscheidungen. Je nach dem Vorwissen, der Wahl und dem Zugang des interessierten Lesers kann an einem Handlungsfeld eine vertiefende exemplarische Auseinandersetzung erfolgen. Für Berufsein- oder Umsteiger bietet ein Band eine fundierte und nützliche Einführung in ein neues Handlungsfeld und kann dort zur Orientierung beitragen. Für alle Praktiker/innen dürfte sich diese Reihe als eine hilfreiche Anleitung zur Reflexion der eigenen Alltagsroutinen und damit zur Weiterentwicklung ihrer Praxis und den Vor-Ort-Konzepten eignen. Die Vergewisserung über und die Entwicklung, bzw. Umsetzung von Konzepten und Methoden, unter dem aktuellen beruflichem Handlungs- und Veränderungsdruck, stellt sicher keine leichte Herausforderung für die Organisationen, die Träger, ihre Mitarbeiter und Teams dar. Eine fachliche Unterstützung, auch in dieser Form der Reihe und auf unterschiedlichen Ebenen, hat sie in jedem Fall verdient!

 

Freiburg im Sommer 2017

 

Martin Becker

Cornelia Kricheldorff

Jürgen E. Schwab

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

1 Einleitung

2 Zielgruppen der Sozialen Arbeit in der Straffälligenhilfe

2.1 Straffällige

2.1.1 Zahlen

2.1.2 Soziodemographische Daten

2.1.3 Lebenslagen und Teilhabe

2.1.4 Weitere Problemlagen

2.2 Angehörige

2.2.1 Angehörige und Verwandtschaft

2.2.2 Zahlen

3 Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe

3.1 Freie Straffälligenhilfe

3.2 Jugendgerichtshilfe – Jugendhilfe im Strafverfahren

3.3 Gerichtshilfe

3.4 Bewährungshilfe

3.5 Führungsaufsicht

3.6 Soziale Hilfen im Strafvollzug

3.6.1 Strafvollzug als totale Institution

3.6.2 Plädoyer zur Abschaffung des Jugendstrafvollzugs

3.6.3 Vom Doppel- zum Tripel-Mandat Sozialer Arbeit und dem professionellen Selbstverständnis von Sozialarbeitern im Strafvollzug

4 Kriminalitätstheorien

4.1 Kriminalität von pathologischen und andersartigen Täter(inne)n

4.1.1 Dämonologische Erklärung

4.1.2 Anthropologische Schule und neue biologische Ansätze

4.1.3 Kriminalpsychologische Ansätze

4.1.4 Allgemeine psychologische Theorien

4.1.5 Multifaktorenansätze

4.2 Kriminalität als bewusste Entscheidung rationaler Täter(innen)

4.2.1 Klassische Schule

4.2.2 Neoklassische Theorien

4.2.3 Psychologische Varianten

4.3 Jugendtypische Kriminalität

4.3.1 Normale Jugendkriminalität

4.3.2 Problematische Formen der »Jugendkriminalität«

4.3.3 Kriminalisierung von Jugendlichen

4.4 Kriminalität aufgrund gesellschaftlicher Strukturen

4.4.1 Anomietheorien

4.4.2 Kriminalität aufgrund ungleicher Machtverteilung

4.5 Kriminalität als Ausdruck unterschiedlicher Werte und Normen

4.5.1 Subkulturtheorien

4.5.2 Neutralisierungstechniken

4.6 Kriminalität als erlerntes Verhalten

4.7 Kriminalität aufgrund fehlender Kontrolle und Bindungen

4.7.1 Kontroll- und Bindungstheorien

4.7.2 Ökologische Ansätze

4.8 Kriminalität als Produkt von Zuschreibungsprozessen

4.8.1 Etikettierungstheorien mit ätiologischem Rest

4.8.2 Kritische Kriminologie

4.9 Theorieintegration

4.10 Kriminalitätstheorien und Soziale Arbeit

4.10.1 Die Rolle von Theorien in der Soziale Arbeit

4.10.2 Kriminalitätstheorien für die Soziale Arbeit

5 Muss Strafe sein?

5.1 Strafe und Sanktion

5.2 Strafrecht

5.3 Straft(zweck)theorien

5.3.1 Absolute Straftheorien

5.3.2 Relative Straftheorien

5.3.3 Fazit

5.4 Strafbedürfnisse

5.5 Entwicklung

5.6 Ausblick

6 Exemplarische Fallarbeit

7 Methodische Fallbearbeitung

7.1 Fallbearbeitung im interdisziplinären Seminar

7.2 Exemplarische Falllösung

Literaturverzeichnis

 

1          Einleitung

 

 

 

Der vorliegende Band beschäftigt sich mit der Straffälligenhilfe als einem Handlungsfeld Sozialer Arbeit.

An unserer Hochschule, der KH Freiburg, haben die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit die Gelegenheit, sich exemplarisch mit einzelnen Handlungsfeldern auseinanderzusetzen. Dies geschieht über Handlungsfeldseminare. Eine dieser Lehrveranstaltungen trägt den Titel »Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen«. Dem Modul zugeordnet ist auch das Seminar »Kriminalitätstheorien«, das als Wahlpflichtangebot unter »Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit« aufgeführt wird.

 

Im Modulhandbuch werden für dieses Seminar unter anderem folgende Ziele formuliert:

•  Studierende sind in der Lage, ihre Berufsrolle(n) zu reflektieren und sich kritisch mit beruflichen Dienstleistungen auseinander zu setzen;

•  die Studierenden sind in der Lage, bezugswissenschaftliche Grundlagen in die Ziele und Aufgaben der Sozialen Arbeit zu integrieren;

•  die Studierenden kennen unterschiedliche Theorien und Handlungsansätze und können diese auf aktuelle Fragestellungen anwenden;

•  sie analysieren theoriegeleitete Fälle, Problemkonstellationen und Handlungsanforderungen aus der Fachpraxis;

•  sie entwickeln durch die exemplarische Bearbeitung von Fällen, Problemkonstellationen und aktuell erkennbaren Handlungsanforderungen ihr professionelles Handeln;

•  sie können berufliches Handeln theoretisch begründen, planen, reflektieren und evaluieren.

An Inhalten, die hier vermittelt werden sollen, werden genannt:

•  Berufsrolle(n)

•  Strukturprinzipien (Partizipation, Subsidiarität, Mandatierung Sozialer Arbeit)

•  Sozialpolitische Strukturen

•  Hilfesysteme und Hilfestrukturen

•  Rechtliche Rahmenbedingungen

•  Konzepte der Lebenswelt, der Lebenslage, des Sozialraums

•  Rekonstruktive Fallbetrachtung und Handlungsanalyse

•  Interventions- und Hilfeplanung in interdisziplinären Settings.

Die im Handlungsfeldseminar und im Seminar Kriminalitätstheorien angebotenen Lehrinhalten werden in einem »interdisziplinären Seminar«, das von beiden Autoren verantwortet wird, angewendet. Dies geschieht im Rahmen der Bearbeitung von authentischen Fällen aus der Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren. Dabei haben die Studierenden die Aufgabe, den vorgegebenen Fall aus der Perspektive der Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren zu bearbeiten.

Die Straffälligenhilfe verdankt ihren Namen dem Konzept der »Straffälligkeit«. Dabei ist »straffällig« kein ganz einfacher Begriff. Im Duden findet sich die Definition »einer Straftat schuldig« (Bibliographisches Institut 2017). Zur Klientel der Straffälligenhilfe gehören aber nicht nur Menschen, die formal »schuldig« gesprochen und verurteilt wurden. Auch die Assoziation, dass es um Menschen geht, bei denen Strafe fällig ist, ist nicht unproblematisch (Cornel 2014). Es ist nicht entscheidend, dass eine formelle Sanktion erfolgen wird, denn Verfahren können auch ohne Verurteilung oder mit der Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung enden, die juristisch keine Strafe darstellt. Noch weniger ist mit fälliger Strafe gemeint, dass Strafe berechtigt, angemessen oder moralisch erforderlich wäre. Was Straffälligkeit ausmacht, ist der Bezug zu Straftaten. Dabei wird angenommen, dass Straffällige in der »Täterrolle« mit »Kriminalität« zu tun haben (Cornel 2014, Höynck 2014).

Als »Kriminalität« wird, rein juristisch betrachtet, die Gesamtheit aller Straftaten definiert. »Kriminell« ist Verhalten, dann, wenn es in Strafgesetzen mit Sanktionen bedroht wird. »Kriminalität« ist letztendlich »das Ergebnis dessen, was eine Gesellschaft als kriminell definiert« (BMI/BMJ 2001b: 5). Und das unterliegt Veränderungen und ist kulturell variabel (vgl. z. B. Höynck 2014). Mit »Kriminalität« wird oft Verhalten assoziiert, das besonders sozialschädlich oder antisozial ist (vgl. Schneider 1977a). Diese Annahme lässt sich aber weder für alle aktuellen Straftatbestände aufrechterhalten noch für frühere, die inzwischen revidiert wurden. »Nicht alles, was gesellschaftlich als nicht akzeptabel gilt, ist strafbar und nicht alles, was strafbar (»kriminell«) ist, wird von allen oder auch nur vielen Menschen für besonders verwerflich gehalten« (Höynck 2014: 49). Entscheidend ist also der Verstoß gegen Regelungen des jeweils lokal gültigen Strafrechts, ganz unabhängig von einer moralischen Bewertung.

Nicht alle, die Verhalten zeigen, das in unserer Gesellschaft unter der aktuellen Gesetzeslage bestraft werden kann, zählen faktisch zur Klientel der Straffälligenhilfe (Höynck 2014). Entscheidend ist, dass ein strafbares Handeln auch registriert und den strafverfolgenden Behörden bekannt geworden ist. Die Straffälligenhilfe hat in der Regel nur mit den Beteiligten eines Teilbereichs von »Kriminalität« zu tun. Es geht um Delikte, die ins Hellfeld der »Kriminalität« geraten sind. Es ist davon auszugehen, dass das die große Ausnahme ist und ein Großteil der strafbaren Handlungen im Dunkelfeld bleibt (BMI/BMJ 2001a). Bei der Klientel der Straffälligenhilfe wurden Straftaten jedoch offiziell registriert, in der Regel wurde auch bereits die Strafverfolgung eingeleitet. Kawamura-Reindl schlägt daher vor, nicht von Straffälligkeit, sondern von »Strafauffälligkeit« zu sprechen (Kawamura-Reindl 2014: 144).

Im weiteren Verlauf werden wir zunächst die Zielgruppe, mit der wir es in der Straffälligenhilfe zu tun haben, umreißen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf den »straffällig gewordenen Menschen« liegen. Nur am Rande gehen wir auf die Angehörigen der straffällig gewordenen Menschen ein. Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Referenten für Straffälligenhilfe beim Deutschen Caritasverband, Cornelius Wichmann, ohne dessen Unterstützung dieser Beitrag nicht möglich gewesen wäre.

Es folgt die Darstellung der Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe. Der Begriff Straffälligenhilfe steht für alle öffentlichen und privaten Hilfs- und Unterstützungsangebote Sozialer Arbeit, die auf die Resozialisierung von Straftätern abzielen. Soziale Arbeit als Straffälligenhilfe zielt darauf ab, die Lebenssituation und die gesellschaftliche Lages straffällig gewordener Menschen, aber auch deren Angehöriger dauerhaft zu verbessern (Maelicke/Simmedinger 1987).

 

Die klassischen Arbeitsfelder, in denen Straffälligenhilfe geleistet wird, sind:

•  die freie Straffälligenhilfe, die meist von Wohlfahrtsverbänden geleistet wird und überwiegend (erwachsene) Männer und Frauen anspricht;

•  die Jugendgerichtshilfe, oder auch Jugendhilfe im Strafverfahren genannt, die eine Aufgabe des Jugendamtes darstellt;

•  die Gerichtshilfe (nur für Erwachsene);

•  die Bewährungshilfe;

•  die Führungsaufsicht und

•  die sozialen Hilfen in der Untersuchungshaft, im Strafvollzug wie auch in der Jugendarrestanstalt.

Die Arbeitsfelder ließen sich auch nach der freien und kommunalen Hilfe für Straffällige (freie Träger und Kommunen) und der justiziellen Straffälligenhilfe (Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Soziale Arbeit in der Untersuchungshaft, im Strafvollzug und in der Jugendarrestanstalt als Aufgabe der Justiz) gliedern. Hier sei nur am Rande vermerkt, dass sich die Trägerlandschaft gerade in dem etablierten justiziellen Bereich immer wieder verändert. Dies kann etwa in Baden-Württemberg beobachtet werden, wo die Bewährungshilfe wie auch die Justizvollzugsanstalt in Offenburg (teil)privatisiert war und sich jetzt wieder in staatlicher Obhut befindet. Die Trägerlandschaft kann sich auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich darstellen.

Sehr ausführlich werden wir auf den Strafvollzug als »Totale Institution« (Goffman 1972) eingehen. Wir danken Frau Evelin Ziegler (2015), die zu diesem Thema eine herausragende Diplomarbeit vorgelegt hat, auf die wir uns beziehen.

Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Jugendstrafvollzug. Wir übernehmen mit Zustimmung des Belz Verlags einen Beitrag von Werner Nickolai (2015), der unter dem Titel »Plädoyer zur Abschaffung des Jugendstrafvollzugs« im Handbuch Jugendstrafvollzug, herausgegeben von Marcel Schweder, erschienen ist.

In einem Exkurs gehen Werner Nickolai und Jürgen E. Schwab auf das Doppelmandat in der Sozialen Arbeit, das gerade im Strafvollzug besonders brisant erscheint, ein. Ihre Ausführungen erschienen unter der Überschrift »Vom Doppel- zum Triple-Mandat Sozialer Arbeit und dem professionellen Selbstverständnis von Sozialarbeit im Strafvollzug« in der Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Heft 3/2016.

Wie oben schon erwähnt gehört zum Modul »Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen« auch die Lehrveranstaltung »Kriminalitätstheorien«. Die aus dem Verständnis der Sozialen Arbeit wichtigsten Theorien werden hier wiedergegeben.

Einen breiten Raum nimmt in der Lehre die Auseinandersetzung mit dem Thema »Muss Strafe sein« ein. Neben den klassischen Straftheorien wird auch das Strafrecht im Kontext des gesellschaftlichen Strafbedürfnisses thematisiert.

Der Band schließt mit einer methodischen Fallbearbeitung. Nach der Darstellung eines konkreten Falls der Jugendgerichtshilfe werden wir den methodischen Ablauf der Fallarbeit vorstellen. Mit der (exemplarischen und damit auch nicht vollständigen) Falllösung enden unsere Ausführungen.

 

2          Zielgruppen der Sozialen Arbeit in der Straffälligenhilfe

 

 

 

Der Begriff der Zielgruppe kommt ursprünglich aus der Marktforschung (vgl. z. B. Gabler Wirtschaftslexikon online). Dort ist es wichtig, Personengruppen identifizieren zu können, deren (Konsum-)Verhalten möglichst homogen und vorhersagbar ist. Unternehmen können so ihre Waren und Dienstleistungen den Wünschen und Bedarfen der Kundinnen und Kunden anpassen. Die Chancen auf wirtschaftlichen Erfolg steigen. Auch in der Sozialen Arbeit dient die Definition von Zielgruppen vor allem der Planung. Angebote und Maßnahmen können auf die Bedarfe von identifizierten Zielgruppen besser abgestimmt und in einer zu der Zielgruppengröße quantitativ passenden Menge vorgehalten werden.

Straffällige stellen jedoch keine homogene Zielgruppe dar. Die Hilfeangebote im Arbeitsfeld Straffälligenhilfe sprechen nicht nur eine, sondern mehrere unterschiedliche Zielgruppen an. Diese unterscheiden sich zudem hinsichtlich ihrer Lebenslagen, Lebensbedingungen und auch hinsichtlich ihrer sozialen Situation.

Hauptgrund dafür ist, dass die Straffälligenhilfe ein historisch gewachsenes Arbeitsfeld ist. Im Ursprung geht sie auf die von Ehrenamtlichen geleistete Betreuung von Strafgefangenen zurück. Vor allem christlich motivierte Initiativen besuchten und betreuten Gefangene. Mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft vor etwa zweihundert Jahren begannen sich diese Ehrenamtlichen zunehmend in Vereinen zu organisieren. Damit verstetigten sich die Angebote und parallel begannen die Vereine, sich neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Reformen der Justiz und des Gefängniswesens, politische Veränderungen und nicht zuletzt die Professionalisierung der Sozialen Arbeit und eine geänderte Sichtweise auf Kriminalität und Resozialisierungsbedarfe waren und sind bis heute dafür verantwortlich, dass sich das Tätigkeitsspektrum der Straffälligenhilfe seit den Anfängen immer weiter verändert und insgesamt ausgeweitet hat.

Zu den tradierten Angeboten Sozialarbeit im Strafvollzug, zu der Beratung und Betreuung von (ehemaligen) Straftätern sind daher heute eine Reihe weiterer Angebote getreten. Ein Teil dieser Angebote hat dabei die Vermeidung von Inhaftierungen zum Ziel, etwa die Vermittlung Gemeinnütziger Arbeit, um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden. Andere neuere Tätigkeitsbereiche sind der Täter-Opfer-Ausgleich, die Begleitung minderjähriger KinderInhaftierter beim Besuch ihrer Eltern im Strafvollzug, Väter-Kind-Gruppen und Familienseminare, Konfliktschlichtung an Schulen, Therapieangebote für (entlassene) Sexualstraftäter, oder aktuell die psychosoziale Prozessbegleitung, um einige zu nennen. Schon aus dieser exemplarischen und unvollständigen Aufstellung wird deutlich, wie stark sich das Tätigkeitsspektrum der Straffälligenhilfe seit den Anfängen erweitert hat.

Aus der Unterschiedlichkeit dieser Angebote folgt aber auch, dass sich die Personen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, hinsichtlich ihres Alters, Geschlechts, ihres sozialen Status, ihrer Vorerfahrungen mit dem Justizsystem usw. deutlich voneinander unterscheiden können, ja müssen. Eine einzige, genau definierte Zielgruppe der Sozialen Arbeit mit Straffälligen kann es also nicht geben. Man kann jedoch die Zielgruppen in größere Untergruppen aufteilen, die einige Gemeinsamkeiten aufweisen. In diesem Buch wird dazu folgende Einteilung verwendet: die Straffälligen selbst, deren Angehörige und die Opfer von Straftaten. Auf eine Besonderheit, die mit dieser Einteilung verbunden ist, soll an dieser Stelle hingewiesen werden: Für die Zuweisung einer Person zu einer dieser drei Gruppen ist als auslösendes zentrales Ereignis eine Straftat verantwortlich. Im Kontext der Straftat wird den daran »Beteiligten« eine der Rollen »Täter(in)« oder »Opfer« zugewiesen. Gleichzeitig werden die Angehörigen der Täter(innen) zu Mitbetroffenen. Die Einteilung in »Täter« und »Opfer« nehmen dabei die Instanzen staatlicher Kriminalitätskontrolle vor, insbesondere Polizei und Staatsanwaltschaft. Dies deckt sich nicht immer mit der Wahrnehmung der Betroffenen. Denn wer als »Täter« oder »Opfer« eingestuft wird, kann auch davon abhängig sein, wer sich mit seiner Darstellung des Tatvorgangs durchsetzen kann.

Die Angebote, die sich an die Straffälligen selbst richten, sind dabei die historisch ältesten und machen auch heute noch den Kern der Sozialen Arbeit in der Straffälligenhilfe aus. Bereits recht früh hat sich die Straffälligenhilfe aber auch schon um die Angehörigen von Gefangenen gekümmert. Angebote für Opfer von Straftaten haben sich hingegen erst in jüngerer Zeit etabliert. Diese findet man vor allem in der Form des Täter-Opfer-Ausgleichs, der jedoch nicht nur ein Angebot für Opfer, sondern auch für die Täter, also für Straffällige ist. Hilfe für den Täter und Hilfe für das Opfer werden oft als widersprüchlich wahrgenommen (vgl. z. B. Müller 2016, Cremer-Schäfer 2004). Eine Verbindung von Straffälligen- und Opferhilfe erscheint dann sinnvoll, wenn Straftaten als Konflikt zwischen Täter, Opfer und Geschlecht betrachtet werden, der unter Einbeziehung aller Beteiligter gelöst werden muss (vgl. z. B. Müller 2016). »Die Verknüpfung der Resozialisierung und Tatverarbeitung mit den Bedürfnissen und Interessen der Opfer dienen sowohl der sozialen Integration als auch der Kriminalprävention und damit der dauerhaften gesellschaftlichen Teilhabe« (Müller 2016: 3). Dieser Band konzentriert sich aber auf Straffällige als Kernklientel der Straffälligenhilfe.

Als Reaktion auf eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Kriminalprävention haben sich viele mit der Straffälligenhilfe befassten Institutionen und Organisationen in neuerer Zeit am Ausbau einschlägiger Programme und Angebote beteiligt. Kriminalprävention hat die Verhinderung zukünftiger Straftaten zum Ziel. Adressaten von Kriminalprävention sind damit weitere eigenständige Zielgruppen der Straffälligenhilfe. Besonders häufig werden kriminalpräventive Angebote an Schulen angeboten, manchmal auch in (offenen) Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendsozialarbeit. Manche Straffälligenhilfeeinrichtungen arbeiten auch – beispielsweise im Rahmen der kommunalen Kriminalprävention – an Programmen und Angeboten mit, die sich an die allgemeine Wohnbevölkerung richten. Es gibt also auch im Bereich der kriminalpräventiven Angebote unterschiedliche Zielgruppen und eine »typische« Zielgruppe kann nicht angegeben werden.

Nicht alle Personen kommen »freiwillig« mit den Angeboten der Straffälligenhilfe in Berührung. Während den Opfern von Straftaten und den Angehörigen von Straffälligen ausschließlich Hilfen auf freiwilliger Basis angeboten werden, diese also selbst entscheiden, ob und ggf. welche Hilfen sie in Anspruch nehmen, gilt dieses »Freiwilligkeitsparadigma« nicht für alle Angebote, die sich an Straffällige richten. Maßnahmen der staatlichen Straffälligenhilfe haben neben dem Hilfeaspekt häufig auch einen Kontrollauftrag und verpflichtenden Charakter. Wenn beispielsweise Bewährungsproband(inn)en nicht mit ihren Bewährungshelfer(inne)n kooperieren, droht ihnen der Bewährungswiderruf und in der Folge sogar eine Inhaftierung. Im Strafvollzug können Gefangene in manchen Bundesländern zur Mitwirkung an Angeboten der Sozialen Arbeit verpflichtet werden.

Aber auch für den Bereich der Angebote freier Träger, der sogenannten »Freien Straffälligenhilfe« ist zu konstatieren, dass in den letzten Jahren eine Zunahme von solchen Angeboten zu beobachten war, deren Inanspruchnahme für die Betroffenen verpflichtend ist. Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass freie Träger inzwischen einen Teil ihrer Angebote im Auftrag der Justiz durchführen. Damit ist die Teilnahme für die Adressat(inn)en meist nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend, beispielsweise in Form einer gerichtlichen Auflage. »Freiwilligkeit der Inanspruchnahme« taugt damit immer weniger als Abgrenzungsmerkmal zwischen staatlicher und Freier Straffälligenhilfe (vgl. Stelly/Thomas 2008, Die Wohlfahrtsverbände in der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. 1996).

Vorläufig könnte man die Zielgruppen der Straffälligenhilfe wie folgt definieren:

Menschen, die im Zusammenhang mit dem tatsächlichen oder auch bloß vermuteten Entstehen und dem Verlauf von Kriminalität in Situationen kommen, in denen sie einen spezifischen Hilfebedarf haben, oder in denen ihnen ein solcher zugeschrieben wird, und den sie bei darauf spezialisierten Institutionen realisieren möchten.

2.1       Straffällige

Wie weiter oben ausgeführt, haben sich die Angebote der Straffälligenhilfe historisch aus der ehrenamtlichen Betreuung von Gefangenen entwickelt. Und bis heute stellen Strafgefangene eine der Hauptzielgruppen der Straffälligenhilfe dar.

Als Straffällige werden solche Jugendliche oder Erwachsene bezeichnet, bei denen gerichtlich das Vorliegen einer Straftat festgestellt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Angebote und Aktivitäten der Straffälligenhilfe nur konzipiert wurden oder nur erreichbar sind für verurteilte Straftäter. So ist etwa die Jugendgerichtshilfe damit befasst, bereits vor der Entscheidung des Gerichts »die erzieherischen, sozialen und fürsorglichen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendrichter zur Geltung« zu bringen (§ 38 Absatz 2 Jugendgerichtsgesetz). Dabei gilt bis zum rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung.

Klient(in) der Straffälligenhilfe können auch Strafentlassene sein, die ohne vorzeitige Entlassung ihre ganze Strafe verbüßt haben und in Anspruch nehmen dürfen, nicht weiter als Straftäter(in) abgestempelt zu werden.

Voraussetzung für die Straffälligkeit ist die Strafmündigkeit. Kinder bis zum 14. Lebensjahr gelten als strafunmündig. Bei Jugendlichen (15. bis 18. Lebensjahr) entscheidet das Gericht über die strafrechtliche Verantwortlichkeit (§§ 1 II, 3 JGG).

Die Bezeichnung »straffällig« drückt also nur aus, dass Menschen im Zusammenhang mit dem Entstehen und dem Verlauf von Kriminalität in Situationen kommen, in denen sie einen spezifischen Hilfebedarf haben können, der mit dem Straf- und Vollstreckungsverfahren zusammenhängt und mit Problemen ihrer gesellschaftlichen (Wieder-) Eingliederung.

Zu welchem Zeitpunkt Straffälligkeit endet, also ab wann jemand nicht mehr als »straffällig« zu bezeichnen ist, kann allerdings nicht eindeutig beantwortet werden. Kriminalstrafen werden mit der Löschung im Bundeszentralregister getilgt. Ab diesem Zeitpunkt sind also ehemalige Straftäter formal nicht mehr als »straffällig« zu bezeichnen. Im Bereich der staatlichen Straffälligenhilfe gibt es hier regelmäßig klare Abgrenzungen: Bewährungshelfer(innen) werden in der Regel nur bis zu dem Ende der Bewährungszeit tätig; (Jugend)gerichtshelfer(innen) nur im Kontext eines aktuell anhängigen Strafverfahrens. Der Zugang zu den staatlichen sozialen Diensten der Justiz ist also überwiegend an eine formale Feststellung der Straffälligkeit gekoppelt, auch wenn es vorkommen kann, dass Hilfesuchende eine früher bestehende Hilfebeziehung etwa zu einer/m Bewährungshelfer(in) reaktivieren können, ohne dass aktuell etwas gegen sie vorliegt.

Die Freie Straffälligenhilfe reklamiert hingegen, dass sie (in Abgrenzung zur staatlichen Straffälligenhilfe) die Inanspruchnahme ihrer Angebote nicht an justiziellen Fristen und Verfahrensabläufen ausrichtet (vgl. KAGS/EKS 2011). In der Konsequenz läuft dies auf eine Selbstzuschreibung des Merkmals »straffällig« durch die Hilfesuchenden hinaus. Ein solcher Anspruch ließe sich aber nur bei völlig eigenfinanzierten Angeboten konsequent durchhalten. In der Praxis bestimmen die jeweiligen Kostenträger die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Hilfen mit.

Wenn also im Folgenden von Angeboten für Straffällige gesprochen wird, sollen damit auch solche Maßnahmen gemeint sein, die sich an Personen im Vorfeld oder im Kontext eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens richten, oder aber solche, die von ehemaligen Straftätern unabhängig von einem aktuell anhängigen Strafverfahren in Anspruch genommen werden können.

2.1.1     Zahlen

Als häufigste Quelle für die quantitative Darstellung der Kriminalität wird in Deutschland die jährlich vom Bundesministerium des Innern und dem Bundeskriminalamt vorgelegte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verwendet. Die in der PKS aufgeführte, polizeilich registrierte Kriminalität bildet dabei nur einen Teil der tatsächlichen »wahren« Kriminalität ab, das sogenannte »Hellfeld«. Man schätzt jedoch, dass auf eine entdeckte Straftat eine um das 10 bis zu 100-fach höhere Zahl nicht entdeckter strafbarer Handlungen kommt. Diese Quote ist für verschiedene Delikte unterschiedlich hoch. Wie groß das Dunkelfeld letztlich ist, kann daher nicht genau angegeben werden. Auch fehlt für präzisere Werte in Deutschland bisher eine systematische Dunkelfeldforschung:

»In der PKS wird nur das sogenannte Hellfeld – also die der Polizei bekannt gewordene Kriminalität – erfasst. Aufgrund fehlender statistischer Daten kann das sogenannte Dunkelfeld – die der Polizei nicht bekannt gewordene Kriminalität – in der PKS nicht abgebildet werden. Änderungen im Anzeigeverhalten der Bevölkerung oder in der Verfolgungsintensität der Polizei können die Grenze zwischen dem Hell- und Dunkelfeld verschieben, ohne dass sich der Umfang der tatsächlichen Kriminalität verändert hat« (Bundesministerium des Innern 2016: 2).

Zudem können auch Änderungen in der statistischen Erfassung oder Änderungen am Strafrecht, z. B. durch die Aufnahme neuer Delikte, Einfluss auf die Entwicklung der Daten der PKS haben. Schließlich ist Grundlage der PKS nur die Arbeit der Polizei. Straftaten, mit denen sich nicht die Polizei, sondern andere Stellen befassen, sind in der Statistik nicht enthalten:

»…Ordnungswidrigkeiten, Politisch motivierte Kriminalität (Staatsschutzdelikte), Verkehrsdelikte (wohl aber die §§ 315, 315b StGB und § 22a StVG, die nicht als Verkehrsdelikte im Sinne der Richtlinien gelten) sowie Verstöße gegen Strafvorschriften der Länder (Ausnahme: Datenschutzgesetze und Versammlungsgesetze der Länder). Delikte, die nicht zum Aufgabenbereich der Polizei gehören (z. B. Finanz- und Steuerdelikte) bzw. unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und ausschließlich von ihr bearbeitet werden, sind ebenfalls nicht in der PKS enthalten« (BKA 2015: 2).

Aus diesen Gründen taugt die PKS nur sehr eingeschränkt als Maßstab für das Ausmaß der Kriminalität.

Laut der PKS wurden in Deutschland im Jahr 2015 etwa 6,33 Millionen Straftaten (2014: 6,08 Millionen) offiziell registriert. Diesen Straftaten konnten von der Polizei etwa 2,36 Millionen (2014: 2,14 Millionen) tatverdächtigen Personen zugeordnet werden. Darunter sind auch Personen, die ausländerrechtliche Verstöße begangen haben. Zählt man diese nicht, dann reduziert sich die Zahl der Tatverdächtigen auf 2,01 Millionen (2014: 2,02 Millionen).

Die in der PKS angegebenen Straftaten und Tatverdächtigen markieren jedoch nur den Beginn des Prozesses der justiziellen Kriminalitätsverarbeitung, der im Verlauf für einen Teil der Tatverdächtigen mit einer Verurteilung und für einen Teil der Verurteilten mit einer Haftstrafe endet, wobei sich die Anzahl der Personen auf jeder Stufe reduziert. Dieser Prozess kann recht gut am Modell eines Trichters veranschaulicht werden (alle Zahlen aus dem Jahr 2015):

Gesamtheit aller Straftaten (Hell und Dunkelfeld): Zahl unbekannt

Bekannt gewordene Straftaten: 6.330.649

Aufgeklärte Straftaten: 3.564.811

Tatverdächtige: 2.369.036

Abgeurteilte: 910.681

Verurteilte: 739.487

Freiheitsstrafe: 117.639

davon ohne

Bewährung: 35.946

(BKA 2016, Statistisches Bundesamt 2017a, b)

Das Trichtermodell veranschaulicht, dass mit zunehmender Intensität des strafjustiziellen Prozesses durch Selektionsprozesse die Zahl der betroffenen Menschen immer geringer wird. Nur einer von knapp 20 Tatverdächtigen wird am Ende zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Von den Verurteilten wird wiederum nur etwa ein Drittel inhaftiert.

Die Selektionsprozesse entlang dieses Trichters haben aber nicht nur eine quantitative, sondern auch eine soziale Komponente. Aus der Dunkelfeldforschung ist bekannt, dass die meisten Straftaten relativ gleichmäßig von allen Bevölkerungsgruppen in etwa gleichem Umfang begangen werden. Im Gegensatz dazu korrelieren die in Statistiken ausgewiesenen Kriminalitätsraten, also die Raten der für bestimmte Delikte rechtskräftig verurteilten Personen, auch mit gesellschaftlichen Positionen. Betrachtet man daher nur das Hellfeld, sieht es so aus, als ob bestimmte Bevölkerungsgruppen statistisch bestimmte Straftaten häufiger als andere begehen würden. Diese Diskrepanz wird in der Kriminologie überwiegend mit einem unterschiedlichen Kontroll- und Anzeigeverhalten in den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft erklärt.

Die gesellschaftliche Position der Betroffenen hat häufig auch auf den Verlauf der Ermittlungen und auf die Strafverfolgung Einfluss. Bessere finanzielle Voraussetzungen ermöglichen den Beschuldigten eine umfangreichere, vielleicht auch qualitativ bessere und damit wahrscheinlich auch erfolgreichere Strafverteidigung.

Diese sozialen Selektionsprozesse sind dafür verantwortlich, dass sich am unteren Ende des Trichters überproportional viele Personen finden, deren soziale Lage von vielfältigen Problemen gekennzeichnet ist und die eine eher geringe gesellschaftliche Einbindung aufweisen. Insbesondere ist dies bei den Inhaftierten zu beobachten, tendenziell aber auch bei den zu einer Bewährungsstrafe Verurteilten.

2.1.1.1    Inhaftierte

Am 30.11.2016 waren in Deutschland 62.865 Personen in einer Strafvollzugsanstalt inhaftiert; darunter waren 3.607 Frauen (5,7%). Auf die unterschiedlichen Haftarten waren diese wie folgt verteilt: 12.992 waren Untersuchungshäftlinge; 3.682 Personen waren im Jugendstrafvollzug, und 543 Personen waren in Sicherungsverwahrung untergebracht (Statistisches Bundesamt 2017a).

2.1.1.2    Bewährungsproband(innen) und Personen mit Führungsaufsicht

Die exakte Zahl der Bewährungshilfeproband(inn)en in Deutschland ist leider nicht bekannt. Nicht alle Bundesländer führen eine einschlägige Statistik; derzeit wird die Bewährungshilfestatistik in den östlichen Bundesländern nicht flächendeckend durchgeführt. In Hamburg ist die Statistik seit 1992 ausgesetzt (vgl. Statistisches Bundesamt 2013). Die letzten veröffentlichten Zahlen stammen aus dem Jahr 2011.

Zum 31.12.2011 waren laut dieser Statistik 182.715 Personen Bewährungshelfe(inne)n unterstellt. Vorausgesetzt, dass die übrigen Bundesländer keine deutlich andere Praxis der Strafaussetzung auf Bewährung haben, kommt man so hochgerechnet auf deutlich über 200.000 Bewährungshilfeproband(inn)en in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2013).

2.1.1.3    Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe

Auch für diesen Bereich können keine verlässlichen Zahlen genannt werden und die Zahl der Nutzer(innen) der Angebote der Freien Straffälligenhilfe kann allenfalls vorsichtig geschätzt werden.

Wegen der Vielfalt der tätigen Vereine, Institutionen, Träger und Einrichtungen fehlt zum einen die notwendige organisatorisch-strukturelle Grundlage, eine solche Statistik zu erheben. Es ist schon nicht immer möglich, eine Einrichtung bzw. einen Dienst, eindeutig dem Arbeitsfeld der Straffälligenhilfe zuzuordnen. Auch Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, Soziale Beratungsstellen, Drogenhilfeeinrichtungen und Suchtberatungsstellen, sowie manche Schuldnerberatungsstelle haben spezielle Angebote für Straffällige entwickelt und können so je nach Betrachtungsweise bzw. Umfang der einschlägigen Tätigkeit zur Straffälligenhilfe gezählt werden.

1999 haben sich der Arbeiterwohlfahrt-Bundesverband e. V., der Deutsche Caritasverband, die Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband und der Paritätische Wohlfahrtsverband-Gesamtverband zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe in der sogenannten AG STADO zusammengeschlossen, um die Voraussetzungen für eine bundesweite Statistik in den Feldern Wohnungslosenhilfe und Straffälligenhilfe zu schaffen (vgl. AG STADO). Leider ist es jedoch nicht geglückt, eine größere Anzahl von Einrichtungen zum Übermitteln von Daten zu bewegen, sodass die Ergebnisse der von der AG STADO in der Straffälligenhilfe erhobenen Statistiken nicht repräsentativ sind. Die Auswertung dieser Daten wurde mittlerweile wieder aufgegeben. Im letzten Jahr (2014), für das bundesweite Ergebnisse vorliegen, beteiligten sich nur noch neun Einrichtungen an der Statistik. Das Maximum lag bei 17 Einrichtungen im Jahr 2011.

Diese neun Einrichtungen gaben an, dass im Erhebungsjahr 2014 3.614 unterschiedliche Personen ihre Angebote in Anspruch nahmen. Unter diesen waren 3.505 Straffällige, die sich wiederum in 2.212 Inhaftierte (63,1%) und in 1.199 Personen (34,2%) in Freiheit aufteilten (fehlende keine Angabe).

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. hat in Nachfolge der AG STADO-Erhebung 2014 eine Online-Abfrage bei den Einrichtungen der Straffälligenhilfe durchgeführt. Hieran beteiligten sich immerhin 84 Einrichtungen. Insgesamt flossen Daten zu 484 beratenen Personen zurück. Etwa drei Viertel (75,4%) der beratenen Personen waren nicht in Haft und ein Viertel (24,6%) in Haft.

Diese Unterschiede zwischen den Erhebungen dürften vermutlich mit einem unterschiedlichen Tätigkeitsprofil der teilnehmenden Einrichtungen zusammenhängen. Eine repräsentative Erhebung zu den Lebenslagen der Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe wäre wünschenswert.

Einzelne Wohlfahrtsverbände erheben in unregelmäßigen Abständen selbst Daten bei ihren angeschlossenen Einrichtungen der Straffälligenhilfe. Im Jahr 2008 gaben 83 Einrichtungen der Caritas an, dass sie im Jahresverlauf etwa 14.000 Personen ambulant beraten und betreut haben. In dieser Zahl sind aber nicht nur Straffällige, sondern auch Angehörige enthalten (Wichmann 2010: 18).

2005/2006 haben Stelly und Thomas eine repräsentative Befragung von Trägern und Einrichtungen der Freien Straffälligenhilfe in ganz Deutschland durchgeführt. Sie gaben an, dafür 542 Straffälligenhilfeeinrichtungen angeschrieben zu haben. 358 Einrichtungen meldeten zurück, dass sie aktiv in der Straffälligenhilfe tätig seien (vgl. Stelly/Thomas 2009).

Eine vorsichtige Schätzung auf der Grundlage dieser Zahlen ergibt, dass die Angebote der Freien Straffälligenhilfe jährlich von etwa 55.000 bis 80.000 Straffälligen genutzt werden. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass ein hoher Prozentsatz der Klient(innen) der Freien Straffälligenhilfe gleichzeitig auch Klient(innen) der staatlichen Straffälligenhilfe sind, sei es im Strafvollzug oder nach Haftentlassung.

2.1.2     Soziodemographische Daten

Um im Folgenden die soziodemographischen Merkmale und die Lebenslagen der Zielgruppen der Straffälligenhilfe exemplarisch zu beschreiben, wurden neben der bereits erwähnten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Daten aus folgenden Untersuchungen bzw. Statistiken herangezogen:

1.  Das statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßige Statistiken zur Strafverfolgung und zum Strafvollzug. In den letzteren finden sich auch soziodemographische Angaben zur Gefangenenpopulation (vgl. Statistisches Bundesamt 2016a, b).

2.  Etwas älter, aber in ihrer Aussagekraft kaum geschmälert, sind Daten, die Heinz Cornel 1992 bei Gefangenen in Berlin erhoben hat, die damals kurz vor ihrer Entlassung standen. Hier findet sich insbesondere reichhaltiges Material zu deren Lebenslagen (Cornel 1992,1996).

3.  Horst Entorf hat 2003 in einer Untersuchung zur Ökonomie des Strafvollzugs soziodemographische Daten bei knapp 1.800 Gefangenen erhoben (Entorf 2006, Entorf/Meyer 2004, Meyer 2007, Entorf et al. 2008).

4.  Für die Bewährungshilfeproband(inn)en liegt die etwas ältere, aber immer noch wegweisende Studie des ADB e. V. aus dem Jahr 1999 vor (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer (ADB e. V. 2000) und Engels 2002).

5.  Für die Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe kann auf die Erhebungen der AG STADO zurückgegriffen werden, die diese in den Jahren 2008-2014 im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. (BAG-S) erhoben hat. Zu berücksichtigen ist dabei die regionale Ungleichgewichtung. In fast allen Jahren stammen alle Daten aus Bayern; in manchen Jahren gibt es auch einige Datensätze aus Baden-Württemberg. Andere Bundesländer sind gar nicht vertreten. Die insgesamt große Anzahl der Datensätze (jährlich Daten zu etwa 2.500 bis 3.500 Personen) dürfte dieser Untersuchung dennoch einige Aussagekraft verleihen.

6.  Die Bundearbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. BAG-S hat 2014 eine bundesweite Online-Erhebung durchgeführt. Die Daten sind leider ebenfalls nicht repräsentativ, denn auch bei dieser Studie sind acht Bundesländer nur marginal oder gar nicht vertreten.

2.1.2.1    Altersverteilung

Unter den 2015 in Deutschland registrierten Tatverdächtigen waren 3,4% Kinder unter 14 Jahren. Zur Altersgruppe der Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren zählten 9,2%. Damit waren insgesamt etwas mehr als ein Zehntel (12%) aller Tatverdächtigen minderjährig; knapp 78% waren Erwachsene über 21 Jahren. Den Hauptteil der Tatverdächtigen mit insgesamt knapp mehr als der Hälfte stellten dabei die jüngeren Erwachsenen: 9,8% gehörten zur Gruppe der Heranwachsenden (18-21 Jahre); 12,6% waren 21 bis 25 Jahre und 14,3% 25 bis 30 Jahre alt. 20,2% der Tatverdächtigen gehörten der Altersgruppe der 30 bis 40-Jährigen an. Mit zunehmenden Alter sinken die Anteile der jeweiligen Altersgruppen an der Gesamtpopulation: 14,4% der Tatverdächtigen waren zwischen 40 und 50 Jahre alt; 9,5% waren 50 bis 60-Jährige. Und nur 6,6% waren über 60 Jahre alt (BKA 2017).

Auch unter den Bewährungshilfeklient(inn)en der ADB-Erhebung waren über 70% junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Nur 22% lagen über dieser Altersgruppe (älter als 40 Jahre) und 6% lagen darunter (jünger als 20 Jahre). Der Schwerpunkt lag bei den 20- bis 29-Jährigen, die 40% aller Bewährungshilfe-Klient(inn)en ausmachten (vgl. Engels 2002).

Unter den Inhaftierten waren im Jahr 2016 etwa 16,6% unter 25 Jahre alt. 49,7% waren 25 bis 40 und 33,7% über 40 Jahre alt (Statistisches Bundesamt 2017a).

Die AG STADO-Statistik der Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe weist für 2014 etwa 14,6% unter 25-Jährige aus. 15,3% waren 25 bis 29 Jahre alt. 29,2% der Klient(inn)en waren 30 bis 39 Jahre und 22,4% 40 bis 49 Jahre alt. Ältere waren auch in dieser Gruppe eher selten: 13,4% waren 50 bis 59 Jahre und 5,2% waren über 60 Jahre alt (Bundesauswertung 2014 der AG-STADO-Statistik, unveröffentlicht).

Die BAG-S gibt für ihre Studie an, dass 42,2% der Klient(inn)en dem jungen Erwachsenenalter (22–35 Jahre) angehörten, und 34,5% dem mittleren Erwachsenenalter (36–50 Jahre). Das höhere Erwachsenenalter (51–64 Jahre) war mit 16,3% vertreten. Jugendliche und Heranwachsende sowie Senioren über 64 bildeten nur kleine Minderheiten in der Gesamtpopulation (vgl. BAG-S 2014).

Damit ergibt sich als Gemeinsamkeit aller Erhebungen, dass die Altersstruktur Straffälliger deutlich von der Altersverteilung in der Gesamtbevölkerung abweicht. Laut dem Statistischen Jahrbuch waren Ende 2014 3,0% der Bevölkerung 15–18 Jahre alt; 3,1 % waren Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren. Die 21-40-Jährigen machten insgesamt 23,1% aus. 40–60 Jahre waren 30,3 % alt und 27,3% waren über 60 (Statistisches Bundesamt 2016c).

Kriminalität ist also – jedenfalls im Hellfeld – vorwiegend eine Domäne jüngerer Menschen. Unter den Zielgruppen der Sozialen Arbeit mit Straffälligen finden sich hauptsächlich Personen zwischen 18 und 50 Jahren mit einem deutlichen Schwerpunkt bei den 25 bis 40-Jährigen. Abzuwarten bleibt, ob der Anteil älterer Straffälliger bedingt durch den demografischen Wandel zukünftig ansteigen wird.

2.1.2.2    Geschlecht

Noch größere Unterschiede zwischen den Straffälligen und der Durchschnittsbevölkerung gibt es bei den Geschlechteranteilen. Während Frauen etwa die Hälfte der Wohnbevölkerung ausmachen, ist ihr Anteil unter den Straffälligen viel niedriger.

Bei den Tatverdächtigen beträgt er etwa ein Viertel. Unter den Abgeurteilten lag der Frauenanteil bei etwa einem Fünftel; verurteilt wurden etwa der gleiche Anteil (vgl. BKA 2016, Statistisches Bundesamt 2017b).

Unter den Bewährungshilfeklient(inn)en beträgt der Frauen-Anteil etwa ein Zehntel (11,6%) (vgl. Statistisches Bundesamt 2013).

Und von den Inhaftierten ist indes nur etwa jede zwanzigste eine Frau (5,7%). Diese Quote nimmt mit zunehmender Strafdauer weiter ab. Unter den zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe Verurteilten waren nur noch 5,3% Frauen (vgl. Statisches Bundesamt 2016 b).

Der weiter oben gezeigte Kriminalitätstrichter hat also auch eine geschlechtsspezifische Ausprägung. Im fortschreitenden Prozess der Kriminalitätsbearbeitung durch die Strafjustiz verringert sich der Anteil der Frauen auf jeder Stufe, bis unter der Inhaftierten dann etwa 95% Männer sind. Dieser Befund ist seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschung und Diskussionen (vgl. z. B. Kawamura-Reindl et al. 2007, Kawamura-Reindl 2009b). Aber auch »in qualitativer Hinsicht hat Frauen-Kriminalität eine andere Struktur, die sich gegenüber der Männerkriminalität durch einen geringeren Anteil an Gewaltdelikten und einen Schwerpunkt bei den Vermögensdelikten auszeichnet. Bei den Tötungsdelikten sind Frauen noch deutlicher unterrepräsentiert als in anderen Deliktbereichen« (Kawamura-Reindl 2009c: 345).

Korrespondierend mit ihrem geringeren prozentualen Anteil unter den Bewährungshilfeproband(inn)en und den Inhaftierten sind auch unter den Klient-(inn)en der Freien Straffälligenhilfe weniger Frauen als Männer. Während die BAG-S-Untersuchung 17,6% ausweist, liegt dieser in der AG-STADO-Untersuchung bei 27,6%. Auch hier dürften die unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkte der teilnehmenden Einrichtungen für diesen gemessenen Unterschied ausschlaggebend sein.

2.1.3     Lebenslagen und Teilhabe

»Als Lebenslage wird die Gesamtheit der äußeren Bedingungen bezeichnet, durch die das Leben von Personen oder Gruppen beeinflusst wird. Die Lebenslage bildet einerseits den Rahmen von Möglichkeiten, innerhalb dessen eine Person sich entwickeln kann, sie markiert deren Handlungsspielraum. Andererseits können Personen in gewissem Maße auch auf ihre Lebenslagen einwirken und diese gestalten. Damit steht der Begriff der Lebenslage für die konkrete Ausformung der sozialen Einbindung einer Person, genauer: ihrer sozioökonomischen, soziokulturellen, soziobiologischen Lebensgrundlage« (Engels 2008: 1).

Der Begriff der »Teilhabe« knüpft an den Begriff »Lebenslage« an und thematisiert, inwieweit die beobachteten Unterschiede der Lebenslage auf ungleiche Verwirklichungschancen zurückgehen (capability approach). Das Konzept der Verwirklichungschancen wurde in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts von dem indischen Ökonomen und Nobelpreisträger Amartya Sen und der amerikanischen Moralphilosophin Martha Nussbaum entwickelt. Verwirklichungschancen sind die Möglichkeiten von »Menschen, ein Leben führen zu können, für das sie sich mit guten Gründen entscheiden konnten, und das die Grundlagen der Selbstachtung nicht in Frage stellt« (Sen 2000, zitiert nach Deutscher Bundestag: 40).

Dabei »sind die materiellen Ressourcen und Rechtsansprüche unverzichtbare Voraussetzungen, eröffnen aber lediglich die Möglichkeiten von Teilhabe. Diese Möglichkeiten zu realisieren, mithin Verwirklichungschancen wahrzunehmen, verlangt zum einen individuelle Fähigkeiten, zum anderen bestimmte gesellschaftliche Bedingungen (etwa Normen, Infrastrukturen). […] Mit dem Begriff ›Teilhabe‹ werden zwei Fragen verhandelt: Wie wird gesellschaftliche Zugehörigkeit hergestellt und erfahren, und wie viel Ungleichheit akzeptiert die Gesellschaft?« (Bartelheimer 2007: 4 ff).

Teilhabe kann in unterschiedlichen Modi bzw. Formen stattfinden, etwa durch Erwerbsarbeit, via Familie und durch Unterstützung durch den Sozialstaat.

Wie schon im Zusammenhang mit dem Trichtermodell beschrieben, finden entlang des Prozesses der justiziellen Kriminalitätsverarbeitung soziale Selektionsmechanismen statt. Diese und die Folgen der Sanktionierung sind in hohen Maße dafür mitverantwortlich, dass unter den mit den härtesten Sanktionen Belegten überwiegend Personen anzutreffen sind, deren Lebenslagen besonders problembehaftet sind und deren gesellschaftliche Teilhabe bedroht ist.

Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass es so etwas wie »typische« Lebenslagen von Straffälligen gäbe. Die jeweiligen Probleme, die Straffällige haben, und die Exklusionsmechanismen, denen sie unterliegen, können sich »von Fall zu Fall« deutlich unterscheiden. So wird es für einen älteren alleinstehenden Haftentlassenen mit niedriger beruflicher Qualifikation wahrscheinlich relativ schwierig sein, auf sich allein gestellt und ohne Unterstützung in Freiheit Wohnung und Arbeit zu finden. Die Situation einer jungen alleinerziehenden Mutter, die wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde, die sie nicht bezahlen kann, sodass ihr eine Ersatzfreiheitsstrafe droht, ist deutlich anders – aber vermutlich nicht weniger schwierig. Die objektiven Ursachen der prekären Lebenslage, die von der jeweiligen Person als besonders belastend empfundenen Lebensumstände, die Möglichkeiten, hieran etwas zu ändern, und die Unterstützungsmöglichkeiten, die aktiviert bzw. in Anspruch genommen werden können, sind bei diesen beiden Beispielen sehr verschieden.

Manche Problemkonstellationen sind jedoch statistisch häufiger als andere anzutreffen und bestimmte »Modi«, an der Gesellschaft teilzuhaben bzw. Teilhabeformen (vgl. Bartelheimer 2007: 10), sind für Straffällige besonders wichtig bzw. besonders fragil.

Wenn Personen oder Personengruppen keinen Zugang zu bestimmten gesellschaftlichen Teilbereich haben oder aus Lebensbereichen ausgegrenzt werden, kann dies unterschiedliche Gründe haben. Straffällige unterliegen zunächst ebenfalls den »normalen« gesellschaftlichen Inklusions- und Ausgrenzungsprozessen, die für alle Bevölkerungsgruppen relevant sind. Wenn ihnen beispielsweise bestimmte Bildungsabschlüsse oder Berufsqualifikationen fehlen, erhalten auch sie keinen Zugang zu bestimmten Teilsystemen der Gesellschaft. Sie unterliegen aber zusätzlich noch weiteren Exklusionsmechanismen, die spezifisch auf Straffällige abzielen.

So hat der Strafvollzug unter anderem die Funktion, Inhaftierte in aktiver Weise aus dem gesellschaftlichen Leben auszugrenzen. Die Strafvollzugsgesetze weisen dem Strafvollzug mehrheitlich ein doppeltes Ziel zu: Außer die Gefangenen dazu zu befähigen, ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne weitere Straftaten zu führen, soll er auch den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten bzw. vor dem Straftäter zu gewährleisten (vgl. Engels 2002: 9). Während der gesellschaftliche Ausschluss durch die Inhaftierung sichtbar bzw. sogar intendiert ist, wirken andere Ausschließungsprozesse indirekt, beispielsweise dadurch, dass die Haftzeiten Brüche in der Erwerbsbiographie zur Folge haben und es in dieser Phase vermutlich kaum gelingt, für die Zeit nach der Haftentlassung »Sozialkapital« aufzubauen (vgl. Entorf 2006: 34).

Die Vermutung liegt nahe, dass straffällig gewordene Menschen in der Folge häufig große Schwierigkeiten haben, überhaupt ein annehmbares Maß gesellschaftlicher Teilhabe zu realisieren. Dies soll im Folgenden beispielhaft ausgeführt werden.

2.1.3.1    Unterstützung durch soziale Netzwerke

Soziale, vor allem familiäre Netzwerke sind für die gesellschaftliche Teilhabe von besonderer Bedeutung. Denn über soziale Beziehungen erschließen sich Individuen Informationen und Ressourcen; sie realisieren darüber ganz allgemein Unterstützungsleistungen. Dazu ein Beispiel: Für Personengruppen mit schlechter Qualifikation ist der Zugang zum Arbeitsmarkt deutlich erschwert. Über soziale Beziehungen können jedoch manchmal informelle Arbeitsmöglichkeiten als Ersatz oder Alternative zur Erwerbsarbeit realisiert werden (vgl. Bartelheimer 2007: 11).

Die verfügbaren Daten lassen jedoch vermuten, dass Straffällige im familiären Bereich auf eher geringes soziales Kapital zurückgreifen können. So ist die Mehrzahl der Straffälligen ledig. Cornel erhob unter den Haftentlassenen eine Quote von 54% Ledigen, unter den Bewährungshilfeproband(inn)en waren es 62%, die ledig waren. Die Quote der Ledigen unter den Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe war Jahre später fast identisch (2014: 60,7%).

Der Anteil der Geschiedenen ist bei Straffälligen inzwischen größer als der der Verheirateten. Dabei ist der Anteil der Geschiedenen und der Verheirateten unter den weiblichen Straffälligen tendenziell etwas größer. Unter den Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe waren 2014 11,5% der Männer, aber 13,2% der Frauen verheiratet. Geschieden waren 20,8% der Männer und 21,9% der Frauen. Unter den Proband(inn)en der Bewährungshilfe waren einige Jahre früher noch 20% geschieden oder lebten getrennt, während 17% verheiratet waren und etwa 23% in einer Partnerschaft lebten. Entorf ermittelte im Strafvollzug ein Jahrzehnt zuvor noch einen Anteil von 32% von Verheirateten oder in einer eheähnlichen Beziehung Lebenden. Jeder 5. Inhaftierte war damals geschieden oder getrennt.

Aussagekräftiger für die Eingebundenheit in soziale Netzwerke ist jedoch vermutlich eher die Haushaltsstruktur als der Familienstand. Fast zwei Drittel (65,5%) der Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe gaben 2014 an, allein zu leben, etwa 4% sind Alleinerziehende. Unter den Bewährungshilfeproband(inn)en waren es sogar beinahe drei Viertel, die alleine lebten. Auch hier gibt es auffällige Geschlechtsunterschiede. Die Quote der Alleinlebenden ist unter den Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe bei den Männern mit 71,0% deutlich höher als bei den Frauen (51,0%). Alleinerziehend sind hingegen fast ausschließlich Frauen (12,8%, Männer: 0,7%).

Freundeskreise, Peer-Groups, informelle Netzwerke am Arbeitsplatz könnten diesen Mangel an tragfähigen sozialen Netzen im familiären Bereich eventuell ausgleichen. Die Untersuchungen zeichnen jedoch ein anders Bild. In den AG-STADO-Untersuchungen gaben beispielsweise etwa ein Viertel aller Befragten an, Probleme mit sozialen Beziehungen zu haben. Der ADB-Untersuchung zufolge gehörten nur 8,4% der Bewährungshilfeproband(inn)en einem Verein und 15,0% einer Freizeitgruppe an. Kontakte beschränkten sich auf den sozialen Nahraum (vgl. ADB e. V. 2000).

Dieser Mangel an tragfähigen sozialen Netzwerken ist insbesondere für Haftentlassene typisch. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein. Einerseits wollen viele Haftentlassene durch einen Ortswechsel die Brücken zur Vergangenheit abschneiden und räumlichen Abstand von Beziehungsnetzwerken gewinnen, die sie für ihre Delinquenz (mit)verantwortlich machen. Im Gefängnis geknüpfte soziale Kontakte werden in Freiheit aus ähnlichen Gründen eher selten fortgeführt. Soziale Netzwerke müssen im neuen Umfeld dann erst aufgebaut werden und benötigen eine gewisse Zeit bis sie tragfähig sind.

2.1.3.2    (Aus-)bildung und Arbeitseinkommen

Viele Straffälligen besitzen wenige bzw. gering qualifizierende Bildungsabschlüsse. Nicht wenige haben überhaupt keinen Schulabschluss. Cornel erhob 1992 noch eine Quote von 32% Haftentlassene ohne Schulabschluss. In der ADB-Untersuchung waren 1999 sogar 44,9% der Bewährungsproband(inn)en ohne Schulabschluss.

Ein wenig scheint sich die Situation inzwischen gebessert zu haben. Bei Entorf waren es 2003 nur noch 13,1% der Gefangenen, die überhaupt keinen Schulabschuss besaßen. Eine ähnliche Quote wurde in der AG-STADO-Untersuchung 2014 bei den Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe mit 15,9% ausgewiesen. Auch hier gab es jedoch große geschlechtsspezifische Unterschiede: Während nur 14,9% der männlichen Klienten keinen Schulabschluss haben, sind es unter den Frauen etwa doppelt so viele (27,3%).

Häufigster Schulabschluss ist bei Straffälligen nach wie vor der Hauptschulabschluss. Cornel gab 1992 bei den Haftentlassenen eine Quote von 44% an; in der ADB-Untersuchung 1999 waren es 36,8% bei den Bewährungshilfeproban(inn)den; Entorf erhob im Strafvollzug 45,9%. Demgegenüber sind die Anteile der Hauptschulabsolvent(inn)en in den AG-STADO-Untersuchungen höher. Hier hatten zwischen 60,8 (2014) und 69,5% (2008) einen Hauptschulabschluss, darunter wiederum mehr Männer (2014: 71,6%) als Frauen (2014: 55,4%).

Einen Realschulabschluss besaßen zwischen 10,9% (AG-STADO 2014) und 18% (Entorf 2003) der Straffälligen. Die ADB-Untersuchung fasste den Realschulabschluss mit allen höheren Abschlüssen zusammen und wies dafür insgesamt 10,2% aus. Cornel wies darauf hin, dass unter den Realschulabsolvent(inn)en der Frauen-Anteil (40%) deutlich höher sei. Laut der AG-STADO-Untersuchungen gilt dies inzwischen nicht mehr (2014: Männer 11,2%, Frauen 9,1%).

Höhere Bildungsabschlüsse wie die (Fach-)Hochschulreife sind unter Straffälligen eher selten anzutreffen. Cornel gab die Quote der Haftentlassenen mit Hochschulreife mit 3% an. In den AG-STADO-Untersuchungen lag die Quote der Klient(inn)en mit (Fach-)Hochschulreife zwischen 10,7% (2014) und 12,4% (2010). Laut Entorf hatten 18,2% aller Inhaftierten die (Fach-)Hochschulreife. Dieser hohe Wert scheint jedoch wenig plausibel.

In der Gesamtbevölkerung in Deutschland sind dagegen höhere Abschlüsse vergleichsweise deutlich häufiger. 2016 besaßen laut Statistischem Jahrbuch 32,0% der Bevölkerung eine Hochschulzugangsberechtigung, 24,7% einen Realschulabschluss und 35,8% einen Hauptschulabschluss. Nur 3,7% hatte gar keinen allgemeinbildenden Schulabschluss. Auch wenn man nur die 25–45-Jährigen betrachtet, die das Gros der Straffälligen stellt, ändert sich wenig an der Tatsache, dass Straffällige in der Ausstattung mit Bildungsabschlüssen gegenüber der Allgemeinbevölkerung im Nachteil sind. In dieser Altersgruppe besaßen in der Wohnbevölkerung im Mittel sogar 44,8% die (Fach-)Hochschulreife, 33,8% einen Realschulabschluss und 21,2% einen Hauptschulabschluss. Die Quote derjenigen ganz ohne Schulabschluss lag bei 3,2% (vgl. Statistisches Bundesamt 2016c).

Die relativ schlechtere schulische Qualifikation der Straffälligen setzt sich im Bereich der Berufsausbildungen fort. Cornel stellte fest, dass fast die Hälfte (49%) der zwischen dem 01.02. und dem 31.07.1991 in Berlin aus der Strafhaft entlassenen Proband(inn)en keinerlei Berufsabschluss besaß. Auch Entorf ermittelte für die Inhaftierten einen hohen Wert (38,1%). Die Lebenslagenuntersuchung des ADB e. V. errechnete 1999 eine Quote von 61% der Bewährungsproband(inn)en ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Auch in den AG-STADO-Erhebungen ist der Anteil der Klient(inn)en ohne abgeschlossen Berufsausbildung hoch und lag 2014 bei 41,6%. Frauen (51,2%) hatten wiederum häufiger keine Ausbildung als Männer (38,3%).

Auf dem Hauptschulabschluss aufbauend, ist eine Lehre der unter Straffälligen verbreitetste Berufsabschluss. Cornel ermittelte dafür eine Quote von 42%. Entorf erhob bei Inhaftierten eine Quote von 50,9% mit Berufsausbildung. Laut ADB-Erhebung besaßen 36% der Bewährungshilfeproband(inn)en eine abgeschlossene Berufsausbildung, deren Niveau aber nicht weiter aufgeschlüsselt wurde. Die AG STADO-Erhebung wies für die Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe 2014 einen Anteil von 44,3% (Frauen: 33,9%) aus, die eine praxisbezogene Berufsausbildung absolviert hatten.

Schul- und Berufsabschlüsse sind für die erreichbaren Positionen auf dem Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung. Straffällige sind hier, das machen diese Zahlen deutlich, gegenüber anderen Gesellschaftsgruppen deutlich benachteiligt. Das Erlangen eines Arbeitsplatzes wird darüber hinaus durch das Stigma »straffällig« zusätzlich erschwert, insbesondere, wenn der Lebenslauf bedingt durch Haftzeiten erklärungsbedürftige Lücken aufweist.

Es kann daher nicht verwundern, dass laut der AG-STADO-Erhebung nur knapp ein Fünftel1 der nicht inhaftierten Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe von Erwerbsarbeit leben konnte. Etwa die Hälfte bezog ALG II oder ALG I. Der Anteil der Bezieher(inn)en von Hilfen nach SGB XII war hingegen gering, was auch an der Altersstruktur Straffälliger liegen könnte. Die Werte sind jedoch stark von Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt abhängig und auch wegen der zwischenzeitlich erfolgten Reformen am Arbeitsmarkt nicht mit denen der älteren Untersuchungen vergleichbar. Bei der Untersuchung, die Cornel 1991 in Berlin durchführte, lag der Anteil der Personen, die angaben, vor der Inhaftierung von Erwerbsarbeit gelebt zu haben, beispielsweise noch bei 30%. Weitere 23% lebten damals von Gelegenheitsarbeiten. Auch die ADB-Untersuchung berichte von einem hohen Anteil Arbeitsloser (44,1%) und nur wenigen (26,9%) die auf dem ersten Arbeitsmarkt Beschäftigung gefunden hatten.

Deutlich wird an diesen Zahlen jedoch die Bedeutung von Transferleistungen für Straffällige. Bei insgesamt mehr als der Hälfte der Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe und einer ähnlichen Quote von Bewährungshilfeproband(inn)en stellen sie die wichtigste Lebensgrundlage dar. Entorf wies 2003 eine Quote von 46,3% der Gefangenen aus, die vor der Haft von Sozialhilfe lebten. Mit dem Bezug solcher Leistungen verbundene Auflagen, Zugangsbeschränkungen oder die Sanktionierungspraxis der Jobcenter bestimmen daher maßgeblich die Lebenslagen vieler Straffälliger mit.

2.1.3.3    Wohnsituation

Auch die Wohnsituation ist für die Realisierung von Teilhabemöglichkeiten von großer Bedeutung. Die Infrastruktur des Quartiers, in dem man lebt, das dortige Arbeitsangebot, die Güte der Verkehrsanbindung und nicht zuletzt auch die Möglichkeiten, dort Nachbarschaftsnetzwerke aufzubauen. Daher tangieren die zunehmende soziale Segregation der Quartiere, der Wegfall bezahlbaren Wohnraums in Innenstadtnähe, ökonomische Verdrängungsprozesse gerade auch Straffällige, die auf Grund von Stigmatisierungen ohnehin geringere Chancen bei der Wohnungssuche haben.

Cornel fragte die zur Haftentlassung anstehenden Gefangenen, wo sie nach ihrer Entlassung voraussichtlich wohnen würden. Nur wenige verfügten über eine längerfristige, realistische Wohnperspektive, etwa über einen bereits abgeschlossenen Mietvertrag. Vor allem diejenigen, die darauf setzten, zunächst bei Freunden und Bekannten unterzukommen, mussten diese Hoffnung häufig begraben. Etwa 20% waren nach der Haftentlassung wohnungslos (vgl. Cornel 1996).

Unter den Bewährungshilfeproband(inn)en gaben hingegen knapp 60% an, in eigenem Wohnraum zu leben, 6,2% waren stationär in einer Einrichtung untergebracht, nur 4,4% waren wohnungslos. Dies deutet drauf hin, dass es Haftentlassenen nach einiger Zeit und eventuell mit Unterstützung doch gelingt, auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. Auf der anderen Seite könnte es aber auch sein, dass diejenigen, die in schwierigen Wohnverhältnissen leben, überproportional häufig erneut inhaftiert werden.

In der AG STADO-Erhebungen wurden die Klient(inn)en gefragt, wo sie die Nacht unmittelbar vor Hilfebeginn verbracht haben. Etwa die Hälfte (2014: 52,2%) der nicht Inhaftierten gab an, in einer selbst angemieteten Wohnung oder zur Untermiete zu wohnen. Zusammengenommen etwa ein Fünftel der Befragten hatte jedoch keinen eigenen Wohnraum oder lebte in Einrichtungen. Auch dies ist in der Regel mit deutlichen Einschränkungen persönlicher Freiräume und Handlungsmöglichkeiten verbunden. Die Hälfte der Befragten war mit ihrer Wohnsituation unzufrieden (52,4%).

2.1.3.4    Überschuldung

Schulden gelten neben dem Mangel an sozialen Kontakten, schlechter Arbeits- und Wohnsituation und der Stigmatisierung als eines der größten Probleme der Straffälligen (vgl. Cornel 1996). Wenig aussagekräftig ist dabei jedoch die absolute Schuldenhöhe. Diese ist bei Straffälligen sogar durchschnittlich niedriger als in der Gesamtbevölkerung. Straffällige haben aber häufiger Probleme mit der Rückzahlung der Kredite (vgl. Entorf 2006).

Die Herkunft der Schulden speist sich vor allem aus zwei großen Bereichen: Auf der einen Seite sind es Konsumentenkredite und auf der anderen Seite Schulden, die im Zusammenhang mit der Straftat entstanden sind, etwa Gerichtskosten, Schulden bei Rechtsanwälten, Schadensersatzforderungen, Geldauflagen oder Geldstrafen (vgl. Zimmermann 2009).

Von Überschuldung wird gesprochen, wenn die laufenden Einkünfte nicht mehr ausreichen, um die Kredite zu bedienen. 86,7% der Klient(inn)en der Freien Straffälligenhilfe gaben 2014 an, überschuldet zu sein. Cornel stellte in seiner Erhebung 1991 bei 50% der Haftentlassenen eine Überschuldung fest (vgl. Cornel 2016a). Unter den Bewährungshilfeproband(inn)en waren laut ADB-Untersuchung 60% verschuldet und 28 % überschuldet. Im Jahr 2005 schätzten Bewährungshelfer(innen) in Berlin, dass etwa 29% ihrer Proband(inn)en keine Schulden hätten, 26% tilgbare Schulen und 46% überschuldet sind (vgl. Cornel 2016a). Der Entorf-Studie zufolge hatten 63% der Gefangenen Schulden und 2/3 davon Schwierigkeiten mit der Tilgung. Belastbare aktuelle Zahlen zur Verschuldung von Gefangenen liegen nur aus Schleswig-Holstein vor. Die durchschnittliche Schuldenbelastung eines/r Gefangenen liegt dort je nach Anstalt zwischen 6.600 und 47.000 Euro (vgl. Zimmermann 2014).

2.1.3.5    Gesundheitliche Situation

Gesundheitliche Probleme sind unter Straffälligen weit verbreitet. Es gibt zwei Personengruppen, deren Lebenssituation von gesundheitlichen Einschränkungen besonders gekennzeichnet ist: suchtkranke und psychisch kranke Straftäter.

Daten zur gesundheitlichen Situation liegen für Bewährungshilfeprobanden vor. Die ADB-Befragung ermittelte, dass deutsche Klient(inn)en der Bewährungshilfe zu 36% körperliche und zu 33% psychische Beeinträchtigungen aufwiesen, bei ausländischen Klient(inn)en war die Beeinträchtigung deutlich geringer (22 bzw. 21%) 42% der Klient(innen) waren damals suchtkrank, davon konsumiert über die Hälfte illegale Drogen. An psychischen Erkrankungen litten etwa 30% der Proband(inn)en. Zumeist handelt es sich um Suchtbegleiterkrankungen. Chronische psychische Erkrankungen lagen bei 20% vor.

Im Strafvollzug wird vermutet, dass ein großer Anteil Straffälliger aktiv Drogen konsumiert. Stöver (2009) geht von etwa 20.000 bis 24.000 Drogenkonsument(inn)en in den Haftanstalten aus. Dies wäre etwa jeder dritte Gefangene. Es würde auch bedeuten, dass ca. jeder zehnte Drogenabhängige inhaftiert ist (vgl. auch BMI/BMJ 2001). Eine bundesweite Studie zum Drogenkonsum stellte fest, dass 66% der Gefangenen schon Cannabis konsumiert hatten, 37% Heroin und 45% andere Substanzen. Während der Haft hatten 41% Cannabis konsumiert und jeweils jeder Vierte Heroin und andere Substanzen (vgl. Eckert/Weilandt 2008). Schon die Entorf-Untersuchung ergab eine relativ hohe Belastung mit Drogen- und Alkoholmissbrauch: 13,2 % der Gefangenen hatten Probleme mit Drogen, 12,3% mit Alkohol und 6,5% mit beidem. In Hamburg wird aktuell 1/3 der Gefangenen als problematische Drogenkonsument(inn)en eingestuft, in Bremen gelten 30% als drogenabhängig und 60% wird ein Drogenproblem in Freiheit zugeschrieben (vgl. Thane 2015). In Baden-Württemberg wird geschätzt, dass bei Vollzugsantritt 38% der Gefangenen Konsumenten von Cannabis sind, 23% von Opiaten und 26% von anderen illegale Drogen (vgl. Thane 2015). Exakte Daten liegen für einzelne Gefangenuntergruppen vor. Bei Untersuchungsgefangenen war zu 43 % Alkoholabhängigkeit oder -missbrauch festzustellen, 14% waren drogenabhängig (vgl. Missoni et al. 2003). Bei den Verbüßer(inne)n einer Ersatzfreiheitsstrafe lag bei 77% Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vor und bei 20% eine Drogenabhängigkeit (vgl. Konrad 2004). Kraatz-Macek (2013) geht davon aus, dass der Anteil der drogenabhängigen unter den inhaftierten Frauen sogar bei etwa 50% liegt.

Der Strafvollzug gilt auch als Hochrisikobereich für Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis, Tuberkulose und sexuell übertragbare Krankheiten (vgl. Thane 2015). Gerade bei intravenösem Drogenkonsum – laut bundesweiter Erhebung schon von 29,7% der Gefangenen praktiziert (vgl. Eckert/Weilandt 2008) – besteht ein hohes Übertragungsrisiko durch geteilte Utensilien. Weitere Risikofaktoren sind Tätowierungen und ungeschützter Geschlechtsverkehr (vgl. Thane 2015, Keppler 2013). In Vollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurden HIV-Raten von 0,8% bis 1,2% und Hepatitis-C-Raten von 14 bis 17% ermittelt (vgl. Wirth 2002, Koops 2000, Thane 2015, Keppler et al. 2010). Bei Drogenabhängigen Gefangenen lagen die Infektionsraten noch deutlich höher: So waren in Hamburg fast 2/3 mit Hepatitis-C infiziert (Koops 2000). Das Risiko einer Infektion ist somit im Strafvollzug um ein Vielfaches erhöht. Die Studie von Entorf ermittelte, dass 40,2 % der Gefangenen von einer Viruserkrankung oder einer anderen schweren körperlichen Beeinträchtigung betroffen sind.

Der Anteil von Inhaftierten mit psychischen Erkrankungen wird als sehr hoch eingeschätzt. Einer internationalen Studie zufolge (vgl. Fazel/Danesh 2002) haben 3–7% der inhaftierten Männer eine psychotische Erkrankung, etwa 10% eine schwere Depression und 65% eine Persönlichkeitsstörung. Bei inhaftierten Frauen sind Persönlichkeitsstörungen dagegen seltener (42 %) (vgl. auch Konrad 2011). In Deutschland wurde bei 40% der Untersuchungsgefangenen eine depressive Episode festgestellt, 14% wiesen spezifische Phobien auf, je 6 % eine chronische Depression/Dysthymie oder psychotische Störungen (vgl. Missoni et al. 2003). Gefangene, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, wiesen zu 39% spezifische Phobien auf, 21% litten unter einer chronischen Depression/Dysthymie, 20% unter einer depressiven Episode und 10% unter psychotischen Störungen (vgl. Konrad 2004, 2011). Frädrich und Pfäfflin (2000) gehen davon aus, dass bei 50% der Gefangenen in Deutschland eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Konrad (2011) nimmt sogar bei der überwiegenden Mehrheit der Gefangenen im deutschen Justizvollzug diagnostizierbare und therapiebedürftige psychische Störungen an. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen stellte bei 83,5% der Gefangenen eine aktuelle psychische Störung fest, bei über der Hälfte der Gefangenen mit stationärem Behandlungsbedarf. Neben Drogenabhängigkeit waren Angststörungen (27,3%), affektive Störungen (17,3%) und psychotische Störungen (7,9%) besonders häufig (vgl. von Schönfeld et al. 2006, Thane 2015).

2.1.4     Weitere Problemlagen

Die Situation in Haft und in Freiheit unterscheidet sich signifikant hinsichtlich der Schwierigkeiten und Probleme, mit denen sich Straffällige konfrontiert sehen. Die AG-STADO erhob die jeweiligen Problemlagen daher getrennt für Inhaftierte und für die Klient(inn)en in Freiheit.

In Haft wurden als wichtigste Probleme die Wohnsituation, Suchtproblematiken und soziale Beziehungen benannt. In Freiheit stehen (die Angst vor) Arbeitslosigkeit und Schwierigkeiten bei der materiellen Existenzsicherung im Vordergrund. Schulden und Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden sind gleichermaßen Thema im Gefängnis und in Freiheit. Diese Problemkonstellationen unterscheiden sich übrigens kaum von denen, die Cornel bereits vor zwanzig Jahren bei Haftentlassenen erhob (vgl. Cornel 1992, 1996).

Tab. 1: Schwierigkeiten und Probleme, mitdenen sich Straffällige konfrontiert sehen

Problemfelder aus Sicht der Berater(in)2014

2.2       Angehörige

In den letzten Jahren sind die Angehörigen der Straffälligen als eigenständige Zielgruppe mit spezifischen Bedarfen in den Blick gerückt. Die Freie Straffälligenhilfe, aber auch die Bewährungshilfe und der Strafvollzug bieten in zwar noch geringer Zahl, aber mit steigender Tendenz auch der Familie und engen Vertrauenspersonen von Straffälligen Hilfe und Unterstützung an.

Obwohl sich die Vollstreckung eines Strafurteils ausschließlich gegen den Verurteilten selbst richtet, sind dadurch – unbeabsichtigt – auch die Angehörigen betroffen. Denn auch die Lebenssituation der Familie, insbesondere der Partnerin und der Kinder der/des Straffälligen, aber auch der Eltern wird durch die Verurteilung erheblich und nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen von den Folgen der Straffälligkeit sind häufig weitere Personen, für die der/die Verurteilte eine wichtige Bezugsperson darstellt.

Die Angehörigen sind durch die Folgen der Straftat Belastungen in unterschiedlichen Bereichen ausgesetzt (vgl. Kawamura-Reindl 2009b):

•  Ökonomische Belastungen: Hierzu zählt beispielsweise der Verlust eines Einkommens bei Inhaftierung, aber auch geänderte Voraussetzungen beim Bezug von Sozialleistungen zählen dazu, beispielswiese, wenn die (Rest)familie in eine kleinere Wohnung umziehen muss, weil das Wohngeld gekürzt wird oder wenn Haushaltspauschalen bspw. für den Rundfunkempfang die verbliebenen Haushaltsmitglieder anteilig höher belasten. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Haftung für die materiellen Folgen der Straftat, die bei Verheirateten vom Ehepartner mitgetragen werden müssen. Aus der Praxis ist auch bekannt, dass gerade bei jüngeren Straffälligen nicht selten die Eltern die Geldstrafen bezahlen, zu denen ihr Kind verurteilt wurde.

•  Statusverluste und soziale Isolation: Angehörige sind häufig Diskriminierungen und Stigmatisierungen durch die Umwelt ausgesetzt. Ihnen wird – bewusst oder unbewusst – eine Mitbeteiligung oder eine Mitwisserschaft an der Straftat unterstellt. Wenn ihnen auch nicht das Verhalten des/der Straftäter(in) zugerechnet wird, so hätten sie doch – so der Vorwurf – zumindest ihre Pflicht verletzt, die Straftat zu verhindern.

•  Folgen einer Trennung: Bei einer Inhaftierung verändern sich durch die erzwungene Trennung die Beziehungskonstellationen. Der Kontakt zu einer wichtigen Bezugsperson kann nur noch eingeschränkt aufrechterhalten werden. Viele Angehörigen haben Schwierigkeiten, die Folgen der Trennung zu verarbeiten und leiden psychisch wie gesundheitlich darunter.

2.2.1     Angehörige und Verwandtschaft

Eine Definition, welche Personenkreise als »Angehörige« bezeichnet werden, findet sich in § 11 des Strafgesetzbuches: Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist; außerdem Pflegeeltern und Pflegekinder. Eine solche enge Verwandtschaftsbeziehung korrespondiert jedoch nicht unbedingt mit der individuellen Betroffenheit durch die Straffälligkeit. Einerseits können auch enge Verwandte eine sehr lose, oder sogar gar keine Beziehung zu dem/der Straffälligen pflegen und deshalb von den Folgen seiner/ihrer Straffälligkeit, bis hin zu einer Inhaftierung wenig betroffen sein. Auf der anderen Seite sind nicht selten weitere Personen betroffen, die im Sinne des StGB keine Angehörigen sind, aber mit dem/der Straffälligen zusammengelebt haben oder emotional eng verbunden waren. »Die individuelle emotionale bzw. soziale Dimension zwischen Erwachsenen und Kindern kann mehr Gewicht haben als der Verwandtschaftsgrad, die Eheschließung oder das Generationenverhältnis« (Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. 2007: 10).

Ehe und Familie sind von der Verfassung besonders geschützt (Art. 6 Abs. 1 GG). In der UN-Kinderrechtekonvention (UN-KRK) ist das Recht der Kinder verbrieft, Kontakt zu ihren Eltern zu haben. Dennoch schenkt die Strafjustiz den Angehörigen bisher noch wenig Beachtung. Insbesondere für den Strafvollzug rücken sie häufig erst dann in den Blick, »wenn sie ein verursachender Faktor einer Straftat waren oder wenn bei der Resozialisierung des Inhaftierten auf die Unterstützung der Angehörigen gesetzt wurde« (Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e. V. 2007:7). Angebote wie Ehe-, Partnerschafts- und Familienseminare und Langzeitbesuche sind noch wenig verbreitet. Aber auch eigenständige Angebote der Freien Straffälligenhilfe für Angehörige von Inhaftierten sind bei weitem noch nicht flächendeckend implementiert.

2.2.2     Zahlen