Spacekids - Attacke aus dem All - Andreas Schlüter - E-Book

Spacekids - Attacke aus dem All E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Der Planet der Kinder in Gefahr Die Spacekids Perry, Lea, Marvin und Emily haben mit ihrer Crew alle Hände voll zu tun, wollen sie ihre gefährlich Mission, den erdenähnlichen »Planet der Kinder« im Jahr 2200 zu erforschen und zu besiedeln, erfüllen. Denn wider Erwarten ist der Planet alles andere als unbewohnt. Schlimmer noch, die Außerirdischen, die ihn für sich beanspruchen, versuchen die Spacekids nicht nur von dort zu vertreiben, sie haben auch den Zeittunnel zur Erde entdeckt und planen einen vernichtenden Angriff. Gleichzeitig attackieren sie das zu Hilfe kommende Raumschiff der Kinder-Crew aus Afrika und zwingen es zu einer Notlandung auf einem völlig unbekannten Planeten der Galaxie.

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Seitenzahl: 225

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Andreas Schlüter

Steckbriefe Spacekids

Was bisher geschah

Nach einem Sprung in einen See tauchen Perry, Lea, Emily und Marvin an Bord eines gigantischen Raumschiffs im Jahr 2200 wieder auf! Kurs: Kids’ Planet, unbewohnter Ersatzplanet der Erde irgendwo in einer fernen Galaxie. Es ist eine äußerst gefährliche Mission, aber die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel. Die vier sollen im Auftrag der Weltraumzentrale der Androiden den Planeten erforschen und besiedelungsfähig machen. Doch niemand ahnt, dass sie hier nicht willkommen sind – denn Kids’ Planet ist alles andere als unbewohnt. Venomier, feindlich gesinnte Außerirdische, sagen den Kindern den Kampf an. Unterstützt von Androide VIUA, Robotervogel Specht und einer Besatzung aus Asien, setzen sich die vier Spacekids erfolgreich zur Wehr.

Doch schon droht neue Gefahr: Eine Gruppe Venomier ist auf der Erde gelandet, um auch dort ihr Unwesen zu treiben. Perry, Lea, Emily und Marvin müssen schleunigst zurück auf die Erde, um die Außerirdischen ausfindig zu machen und zu stoppen.

Der Auftrag

Perry schüttete Cornflakes in seine Schüssel, nahm einen Löffel Zucker aus der Dose und wollte ihn gerade drüberstreuen, als er unwillkürlich stutzte. Zucker – die Leibspeise der Venomier!

Sofort musste er an das Volk von Außerirdischen denken, das vom Planeten Venom stammte und den Menschen äußerst feindlich gesinnt war. Das hatten Perry und seine Freunde während ihres Aufenthalts auf Kids’ Planet am eigenen Leib zu spüren bekommen. Nach Information der geheimen Weltraumzentrale der Androiden war vor Kurzem eine unbekannte Zahl von Venomiern auf der Erde angekommen, ohne dass man wusste, was sie genau vorhatten. Man vermutete jedoch, dass die Außerirdischen planten, das Kids’-Planet-Projekt zu sabotieren, um zu verhindern, dass weitere Kinder – und später auch Erwachsene – den Ersatzplaneten erreichen und besiedeln könnten. Würde dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt, hätte das verheerende Folgen für die gesamte Menschheit. Denn der Erde drohten furchtbare Umweltkatastrophen und niemand wusste, ob es gelingen würde, diese noch abzuwenden. Aus diesem Grund war der Aufbau einer neuen Zivilisation auf Kids’ Planet überlebenswichtig für die Menschen.

Leider steckten die Venomier in einem vergleichbaren Dilemma. Auch sie benötigten den erdähnlichen Planeten als Ausweichstation, hatten allerdings nicht die Absicht, ihn zu teilen. So viel war schon deutlich geworden. Stattdessen hatten die Außerirdischen den Menschen den Krieg erklärt, allen voran den Kindern der Spacekids-Crew, die aus Perry, seiner Schwester Lea und dem Geschwisterpaar Marvin und Emily bestand. Es gab mehrere solcher Spacekids-Teams, genauer gesagt, eines auf jedem Kontinent.

Zurzeit hielt das Team aus Asien auf Kids’ Planet die Stellung, während Perry und seine drei Mitstreiter auf die Erde zurückgeschickt worden waren, um die Venomier hier aufzuspüren und ihre Pläne zu durchkreuzen.

Der Haken an der Sache war: Die Venomier sahen aus wie ganz gewöhnliche Erdenkinder, wodurch sie schwer erkennbar waren. Dass sie sich auffällig grob und unfreundlich verhielten und haufenweise Zucker aßen, reichte nicht aus, um sie sicher herausfiltern zu können. Auch unter gewöhnlichen Kindern gab es ausgemachte Stinkstiefel und nicht wenige hatten extreme Essgewohnheiten.

Venomier besaßen zwar die Gestalt von Kindern, sie waren aber keine. Sie durchliefen nicht mal eine Kindheit im menschlichen Sinne. Schon wenige Wochen nach ihrer Geburt waren sie ausgewachsen und voll entwickelt. Ein Phänomen, das man sonst nur aus dem Tierreich kannte. Überhaupt wiesen die Venomier gewisse Ähnlichkeiten mit irdischen Tieren auf, vor allem mit Ameisen: Alle Venomier hatten innerhalb ihrer Gemeinschaft eine feste Aufgabe; sie handelten organisiert und stellten sich voll und ganz in den Dienst der Gruppe – das einzelne Individuum zählte nichts. Die Außerirdischen würden nicht zögern, sich selbst zum Wohl der Gruppe zu opfern, einen verletzten Artgenossen ließen sie jedoch achtlos liegen. Die Gemeinschaft konnte einfach niemanden gebrauchen, den sie durchfüttern musste, ohne einen produktiven Nutzen daraus zu ziehen. Insofern funktionierte der Venomierstaat wie eine gut geölte Maschine – war eines der Schräubchen kaputt, wurde es einfach ausgetauscht. Sehr effizient, aber herzlos.

Noch während Perry in Gedanken versunken auf den Löffel starrte, öffnete sich die Küchentür. Erschrocken fuhr er zusammen.

Herein kam aber kein zuckerhungriger Venomier, sondern seine Schwester Lea. In der Hand trug sie ein Glas mit lebenden Mücken – das Futter für ihre beiden Eidechsen Kim und Kim.

Perry verzog das Gesicht. »Muss das beim Frühstück sein?«

Lea ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich hab schon längst gefrühstückt, Trödelheini! Beeil dich, wir wollen los!«

»Häh? Wohin denn?«

Lea füllte Wasser in eine kleine Schale. »Na, wohin wohl? Ins Strandbad natürlich! Wir treffen uns dort mit Emily und Marvin.«

Sie drehte den Wasserhahn ab und ging samt Schälchen und Mückenglas aus der Küche.

»Ins Strandbad?«, rief Perry ihr hinterher. »Hast du mal aus dem Fenster geguckt? Es regnet!«

Überraschenderweise tauchte Leas Kopf wieder in der Küchentür auf. »Na und? Glaubst du, die Venomier lassen sich davon abhalten? Wie du weißt, gehen wir ja nicht zum Vergnügen dorthin.«

Ihr Kopf verschwand wieder.

Ja, das wusste Perry nur allzu gut. Die Spacekids vermuteten nämlich, dass sich die Außerirdischen im Strandbad versteckt hielten. Zurzeit waren Ferien und bei warmem Wetter wimmelte es dort von Besuchern – ein perfekter Ort also, um sich inmitten vieler Menschen zu tarnen. Außerdem lag irgendwo im Badesee in der Nähe des Sprungturms der verborgene Eingang zum Zeittunnel – der einzige Weg, um zum Kids’ Planet zu reisen. Der Ersatzplanet war so weit von der Erde entfernt, dass sich die Distanz nur mit einer Reise durch die Zeit überwinden ließ. Wollte man durchs All dorthin fliegen, würde das viel zu lange dauern; bis man sein Ziel endlich erreicht hätte, wäre man bereits mehr als hunderttausend Jahre tot.

Auch die Spacekids waren durch den Zeittunnel zum Kids’ Planet gereist und auf gleichem Weg zurückgekehrt. Dennoch wussten sie weder wie das Ganze funktionierte noch wo sich der Tunneleinstieg unter Wasser genau befand. Die Venomier wussten das ebenso wenig. Und das sollte auch so bleiben.

Perry goss Milch in seine Schüssel und begann, die Cornflakes zu löffeln. Mit vollem Mund rief er seiner Schwester zu: »Aber bei dem Wetter ist doch kein Schwein im Freibad! Da fallen wir doch auf!«

»Die Venomier aber auch.«

Perry schrak erneut zusammen. Denn die Antwort war nicht von seiner Schwester gekommen. Er drehte sich um und sah einen Specht am gekippten Küchenfenster. Er passte gerade so durch den schmalen Spalt.

»Specht!«, begrüßte Perry den Vogel, der keiner war, sondern ein Roboter in Vogelgestalt, entwickelt und programmiert mithilfe von Zukunftstechnologien, die der Gegenwart zweihundert Jahre voraus waren. An Bord des Raumschiffs hatte Specht die Funktion des Cheftechnikers inne. Er war also ein hoch qualifizierter Ingenieur, den die Androiden aus der Zentrale den Kindern zur Unterstützung geschickt hatten.

»Specht ist da!«, rief Perry so laut, dass seine Schwester ihn in ihrem Zimmer hören konnte.

Lea hatte ihre Eidechsen fertig gefüttert und kam in die Küche zurück.

»Pst!«, mahnte sie ihren Bruder. »Das muss ja nicht gleich das ganze Viertel mitbekommen.« Dann wandte sie sich an den Robotervogel. »Hallo, Specht!«

Statt die Begrüßung zu erwidern, kam Specht gleich zur Sache. Höflichkeit war ihm nicht einprogrammiert worden.

»Emily und Marvin sind bereits unterwegs«, sagte er. »Ihr seid spät dran.«

»Ach was!«, brummte Perry. »Bist du jetzt auch noch ein sprechender Wecker? Ich habe eben erst erfahren, dass wir verabredet sind. Lea sagt einem ja nichts.«

Fasziniert betrachtete Perry die künstlichen Federn des Vogels, die knochentrocken schienen, obwohl Specht gerade durch strömenden Regen geflogen war. Er überlegte, ob der Roboter wirklich echt genug aussah. Die Zentrale hatte vorgeschlagen, dass Specht während seines Aufenthalts auf der Erde bei ihm und Lea unterkam. Doch Perry befürchtete, dass ihre Eltern sofort bemerken würden, dass er kein natürlicher Vogel war. Specht war deutlich größer als seine normalen Artgenossen.

Noch ehe Perry seine Bedenken laut äußern konnte, kam Lea ihm zuvor.

»Du kannst auf gar keinen Fall hierbleiben«, stellte sie fest. »Du bist viel zu auffällig. Am besten, du nistest dich im Freibad in irgendeinem Baum ein. So kannst du uns auch rund um die Uhr auf dem Laufenden halten, was die Venomier so treiben.«

»Ist längst geschehen«, antwortete Specht. »Es gab erst Probleme mit ein paar dort ansässigen Krähen. Aber mittlerweile habe ich ein Plätzchen gefunden.«

»Du hast gegen Krähen gekämpft?«, fragte Perry amüsiert. Aber Specht antwortete nicht darauf.

Lea schmunzelte. Dann fragte sie: »Wie lange bist du schon vor Ort?«

»Seit gestern Abend«, antwortete Specht. »Venomier habe ich jedoch noch keine gesichtet. Die Zentralandroiden gehen weiter davon aus, dass sie sich in der Schule aufhalten. Ihr sagt, sie verstecken sich im Freibad. Welche Beweise gibt es dafür?«

Lea zuckte mit den Schultern. »Keine. Ist nur so ein Gefühl.«

»Gefühl?«, fragte Specht. Er kannte zwar das Wort, doch seine Bedeutung war ihm fremd. Wie konnte man eine Entscheidung auf ein Gefühl gründen?

»Wir Menschen können so etwas, Specht. Glaub’s mir!«, sagte Lea.

»Glauben?« Noch so ein Konzept, mit dem ein Roboter nichts anfangen konnte.

»Vergiss es!«, seufzte Lea und bereute es sofort. Auch vergessen konnte ein Roboter nicht, es sei denn, man löschte Datensätze. »Los, komm, Perry, wir schauen uns jetzt mal selbst im Freibad um.«

Mittlerweile hatte Perry seine Cornflakes aufgegessen und war aufbruchsbereit, auch wenn er bezweifelte, bei dem miesen Wetter überhaupt irgendjemanden im Freibad anzutreffen.

Als die vier Spacekids wenig später ihr Ziel erreichten, stellte Perry fest, dass er falsch vermutet hatte. Auf der Fünfundzwanzig-Meter-Bahn neben dem Betonufer trainierten ein paar Sportschwimmer und weiter hinten auf der Liegewiese war eine Gruppe von Jungen mit Müllsammeln beschäftigt.

»Die sind nur hier, um sich Freikarten zu verdienen«, sagte Marvin.

Lea nickte und ließ ihren Blick weiter Richtung Wasser wandern.

Auch Perry konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. So weit sah für ihn alles normal aus.

»Na ja. Vielleicht sind das aber auch getarnte Venomier?«, meldete Emily sich plötzlich zu Wort.

Sofort horchten ihre Freunde auf. Den Androiden zufolge besaß Emily die besondere Fähigkeit, mit Außerirdischen zu kommunizieren und ihre Anwesenheit zu erspüren. Eine Begabung, von der Emily selbst bisher jedoch noch nicht allzu viel gemerkt hatte. Trotzdem versetzte ihre Skepsis sie alle in Alarmbereitschaft.

Hatten Emilys feine Antennen gerade eben etwa eine wichtige Spur aufgenommen?

Seltsame Jungs

Lea sah misstrauisch zu den Jungen hinüber, die eifrig Papierreste vom Rasen klaubten.

»Das wäre wirklich keine schlechte Tarnung«, überlegte sie laut. »So könnten sie sich selbst bei miesem Wetter wie heute unauffällig im Freibad bewegen.«

Die vier Spacekids hatten auf Kids’ Planet ein paar Venomier kennengelernt, doch keinen davon erkannten sie jetzt wieder. Trotzdem konnten die Jungs hier natürlich Venomier sein.

»Wir könnten sie auf die Probe stellen«, schlug Marvin vor. »Wir bieten ihnen einfach etwas zu essen an.«

Wie sie bereits wussten, aßen die Venomier kein herkömmliches Essen. Sie ernährten sich ausschließlich von Zucker.

»Was ist das denn für ein behämmerter Vorschlag!«, meckerte Emily los. »Wir können in den nächsten Tagen doch nicht jedem Kind hier im Freibad Pommes oder Würstchen spendieren!«

»Soweit ich sehen kann, sind es im Moment nur vier oder fünf Jungs«, widersprach Marvin. »Wir geben ihnen eine Portion Pommes aus, und sollten sie die nicht wollen, dann esse ich sie eben.«

Emily verpasste Marvin einen Klaps auf den Hinterkopf.

»Ey, lass das!«, beschwerte sich Marvin und stieß seine Schwester beiseite.

»Hey! Schluss damit!« Lea hatte im Weltall die Position des Captains inne und rief nun auch hier ihre Freunde zur Ordnung. »Ihr spinnt wohl! Marvins Vorschlag ist gar nicht mal so schlecht. Andererseits: Nicht jedes Kind, das Pommes ausschlägt, ist automatisch ein Außerirdischer!«

»Find ich schon«, entgegnete Marvin.

»Quatsch!«, erwiderte Lea leicht ungehalten. »Kommt, wir sehen uns die Typen mal von Nahem an.«

Die Mädchen gingen mit großen Schritten voran und Perry und Marvin dackelten ihnen hinterher. Lea hielt zielstrebig auf einen Jungen zu, den sie auf dreizehn Jahre schätzte, genauso alt wie sie selbst.

»Hallo!«, sagte sie. »Echt nett von dir, dass du hier den Müll wegmachst.«

Der Junge blickte auf und grinste. »Tue ich gern. Für eine Woche Müllsammeln kriege ich nämlich eine Freikarte.«

»Das ist ja super!«, sagte Lea. Obwohl sie erst wenige Worte gewechselt hatten, war sie sich sicher, dass der Junge kein Venomier war. Die schafften es nämlich nicht, freundlich zu sein, sondern verhielten sich wortkarg, mürrisch, übel gelaunt und patzig.

»Und dein wievielter Tag ist das heute?«

»Mein letzter!« Der Junge strahlte sie an. »Ab morgen soll das Wetter auch wieder besser werden. Da kommt meine Freikarte wie gerufen!«

»Sag mal«, setzte Lea an. »Ist dir in dieser Woche hier eigentlich irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

Der Junge schüttelte den Kopf. »Nö. Wieso? Was meinst du?«

»Ach nix, nur so.« Lea kam zu dem Schluss, dass die Unterhaltung sie nicht wirklich weiterbrachte. Sie wollte sich gerade verabschieden, doch da fasste Emily noch einmal nach.

»Wir waren verreist und sind heute erst zurückgekommen«, sagte sie. »Ich habe gehört, das Wetter war die ganze Woche lang so mies. Stimmt das?«

Der Junge nickte. »Ja, aber zum Arbeiten war’s voll okay. Und ab morgen scheint ja wieder die Sonne!«

»Ach so. Na dann!«, sagte Emily. Sie zog Lea ein Stück beiseite.

»Der ist viel zu freundlich für einen Venomier!«, flüsterte Lea ihr zu.

Aber Emily beschäftigte etwas ganz anderes. »Wir sind gestern doch an genau denselben Zeitpunkt hier ins Freibad zurückgekehrt, an dem uns die Androiden abgeholt hatten, richtig?«

Lea nickte. Das war ja das Verrückte an diesem Zeittunnel: Ohne dass sie wussten, wie, waren die vier Freunde nach einem Sprung vom Dreimeterbrett in den See verschwunden und dann – Wochen später – zum selben Zeitpunkt wieder aus dem Wasser aufgetaucht. So als wäre die Zeit auf der Erde stehen geblieben, während sie im Raumschiff gereist und auf einem fremden Planeten Abenteuer bestanden hatten. Deshalb hatten ihre Eltern auch nicht bemerkt, dass sie wochenlang gar nicht da gewesen waren.

»Aber als wir geholt wurden, hat die Sonne geschienen. Und davor war’s auch die ganze Zeit schön. Die Woche mit dem schlechten Wetter, von der der Typ gerade geredet hat … die hat es nie gegeben«, raunte Emily.

Lea verschlug es die Sprache. Emily hat recht!

Perry und Marvin starrten zu dem Jungen hinüber. Er hatte also gelogen oder Emily einfach nach dem Mund geredet, weil er vergangene Woche gar nicht hier in dieser Stadt, in diesem Schwimmbad gewesen war, sondern weit entfernt in einer fremden Galaxie.

Marvin beschloss, einen weiteren Versuch zu starten.

»Hey!«, rief er dem Jungen zu. »Ich hole mir eine Portion Pommes. Willst du auch eine? Ich gebe eine Runde aus!«

Der Junge stutzte. »Äh … okay.«

Marvin sah die anderen an, die ihm stumm zunickten. Dann stiefelte er los Richtung Kiosk.

Und kam kurz darauf enttäuscht zurück. »Der hat noch geschlossen!«

Womöglich hatte der Junge das ja genau gewusst? »Ach, schade!«, sagte er.

Lea bezweifelte, dass der Junge es ernst meinte. Sie hatte mehr und mehr den Verdacht, dass sie es hier womöglich doch mit einem Venomier zu tun hatten.

Und wie verhielt es sich umgekehrt? Ahnte er womöglich auch, dass sie zu den Spacekids gehörten?

»Okay«, sagte Lea. Sie wollte sich jetzt so schnell wie möglich loseisen, um mit den anderen in Ruhe reden zu können. »Wir ziehen dann mal weiter.«

»Wohin?«, fragte der Junge.

Lea drehte sich wieder zu ihm um. »Wie bitte?«

»Wo ihr hinwollt?«, fragte der Junge. »Es fängt doch bestimmt gleich wieder an zu regnen. Gewittern soll’s später auch noch. Schwimmen ist da ja verboten. Was wolltet ihr eigentlich hier?«

Lea fühlte sich ertappt. Verdammt, jetzt war sie es, die sich schnell eine Ausrede einfallen lassen musste.

»Äh …« Krampfhaft überlegte sie, was sie antworten könnte.

»Wir wollen auch nach einem Ferienjob fragen«, kam Perry ihr geistesgegenwärtig zu Hilfe. Lea warf ihm einen dankbaren Blick zu.

»Ja, und wir dachten, der Bademeister wäre hier hinten irgendwo bei euch«, fügte Marvin hinzu.

»Nein«, sagte der Junge. »Der Bademeister steht doch da vorn am Kiosk.« Er sah Marvin an. »Den hättest du doch eigentlich sehen müssen.«

»Äh«, machte Marvin.

Emily stieß einen leisen Fluch aus, packte Marvin am Arm, verabschiedete sich kurz von dem Jungen und schleifte ihren Bruder mit sich mit, bis sie außer Hörweite waren.

Lea und Perry eilten ihnen hinterher.

»Oh Mann!«, schimpfte Emily mit gedämpfter Stimme. »Wie kann man nur so blöd sein? Der hat doch voll gemerkt, dass du lügst!«

»Wir haben uns alle nicht besonders schlau angestellt«, versuchte Lea zu beschwichtigen. »Wir sind zwar ausgebildete Astronauten und haben auch das Zeug, einen fremden Planten zu besiedeln, aber undercover zu ermitteln, das müssen wir noch üben.«

»Stimmt«, entgegnete Perry. »Trotzdem haben wir einen Venomier aufgespürt, so wie’s aussieht. Und genau das war doch unsere Aufgabe!«

»Vorausgesetzt, er ist wirklich einer«, warf Emily ein.

»Hast du denn daran noch Zweifel?«, fragte Lea nach. »Ich meine, du bist doch diejenige mit den besonderen Antennen für Außerirdische?«

»Ich weiß«, seufzte Emily. »Jedenfalls behaupten die Androiden das immer. Ich selbst merke nicht so viel davon.«

»Also«, warf Perry in die Runde. »Wie geht’s jetzt weiter?«

Er drehte den Kopf nach hinten, um noch mal nach dem Jungen zu sehen. Doch da war niemand mehr.

»Mensch, der Typ ist weg!«

Und nicht nur er war verschwunden. Keiner der Jungen, die eben noch Papier gesammelt hatten, war mehr zu sehen. Die Liegewiese war menschenleer.

»Das gibt es doch nicht!« Perry schaute sich hektisch nach allen Seiten um. »Die haben doch eben noch da drüben gestanden, genau neben dem Busch.«

Lea kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Sagt mal, müsst ihr da auch gleich an den Zeittunnel denken?«, fragte sie. »Bei unserer Entführung zum Kids’ Planet sind wir doch genauso plötzlich verschwunden.«

»Wir sind aber vorher in den See gesprungen«, entgegnete Marvin und ließ seinen Blick über die Wasseroberfläche gleiten. »Wenn die baden gegangen wären, hätten wir das doch mitbekommen.«

»Trotzdem«, beharrte Lea. »Specht, kannst du mal über den See fliegen und nachschauen?«

Sie ärgerte sich, dass sie kein Fernglas zur Hand hatte. Auf Kids’ Planet hatten sie immer Raumanzüge oder Overalls an, die mit allerlei Nützlichem ausgestattet waren. Hier auf der Erde waren sie jedoch ganz normal angezogen wie alle anderen Kinder auch: Lea mit Spaghettiträgertop und knallgrünen Hotpants, Emily mit kurzer Hose und orangefarbenem Oberteil. Die Jungs trugen jeweils Cargo-Shorts und dazu T-Shirts.

»Specht?«, rief Lea noch mal. Mist!, dachte sie. Nie ist der verflixte Roboter da, wenn man ihn braucht!

Doch diesmal irrte sie sich.

»Da!« Perry zeigte auf einen Vogel, der über dem See kreiste.

Die Kinder holten ihre Smartphones hervor und öffneten eine Spezial-App, die weltweit niemand außer ihnen besaß. Mit ihrer Hilfe konnten sie nicht nur Kontakt zur Weltraumzentrale der Androiden aufnehmen, die Tausende Lichtjahre von ihnen entfernt im All schwebte, sondern auch auf die kabellose Kamera zugreifen, die in Spechts Augen integriert war.

Specht scannte die Wasseroberfläche ab und die Kinder konnten alles, was er sah, auf ihren Displays mitverfolgen. Viel schlauer wurden sie dadurch allerdings nicht. Denn nach wie vor war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Wo steckten nur diese Papiersammler?

»Wolltet ihr euch nicht um einen Job bewerben?«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

Vor Schreck fiel Emily fast das Smartphone aus der Hand. Die Kinder fuhren herum. Vor ihnen stand der fremde Junge von eben.

»Äh … ja«, stotterte Lea verdattert. »Wo kommst du denn plötzlich her?«

»Ich?«, fragte der Junge. »Ich war doch die ganze Zeit hier.«

»Äh …!« Auf diese offensichtliche Lüge fiel Lea so schnell nichts ein.

Perry dagegen kam gleich zur Sache. »Warst du gerade im Wasser?«, fragte er.

»Ich?«, antwortete der Junge verdutzt. »Nee, wir müssen noch weiter aufräumen. Es soll doch gleich gewittern.«

Jetzt entdeckte Perry ein Stück weiter hinten auch die anderen Papiersammler, die fleißig bei der Arbeit waren. Was war hier los? Das war ja reinste Zauberei! Aber so etwas wie Zauberei gab es nicht. Sie mussten der Sache auf den Grund gehen.

»Echt, Gewitter?«, hakte Perry entschlossen nach. »Also, meine App sagt nichts von Gewitter. Wir wollten gerade eine Runde schwimmen gehen!«

Der Junge schaute zum Himmel hinauf.

»Da kommen doch höchstens noch ein paar Tropfen runter«, fuhr Perry fort. »Und bei Regen fühlt sich das Wasser immer gleich viel wärmer an. Kommt doch auch mit rein!«

Lea und Emily wechselten stumm einen Blick. Sollte das ein Witz sein?

Aber Perry war schon dabei, T-Shirt und Shorts auszuziehen. Im Sommer trug er stets eine Badehose unter seinen Sachen, damit er jederzeit spontan ins Wasser hüpfen konnte. Marvin machte es genauso. Blitzschnell legte nun auch er seine Klamotten ab und trat ans Ufer.

Perry zwinkerte den Mädchen zu. Lea wusste, was ihr Bruder damit sagen wollte: Er würde sich unter Wasser nach verdächtigen Aktivitäten umschauen. Ein nicht ganz ungefährliches Vorhaben.

»Passt auf euch auf!«, sagte sie mit ernster Miene.

»Scheint ja mächtig gefährlich zu sein, hier schwimmen zu gehen«, sagte der fremde Junge, hörbar bemüht, amüsiert zu klingen.

Lea fand allerdings, dass er nicht sehr überzeugend wirkte, und erwiderte nichts. Falls er kein Venomier war, musste ihm das Verhalten der vier Kinder in der Tat reichlich komisch vorkommen. Falls er doch einer war, spielte er seine Rolle ziemlich gut, auch wenn sie ihn natürlich durchschaute. Zumindest glaubte Lea das.

Perry und Marvin tauchten ins Wasser ein und schwammen los.

Emily und Lea sahen ihnen vom Ufer aus zu. Gerne hätten sie ihre Smartphones gezückt und die Übertragungsbilder von Spechts Kamera aufgerufen, doch der fremde Junge wich ihnen nicht von der Seite.

»Sag mal, hast du nicht noch zu tun?«, fragte Lea leicht ungeduldig.

Der Junge hob beschwichtigend die Hand, nickte ihr kurz zu und entfernte sich – allerdings nur ein paar Meter. Dann blieb er stehen und klaubte mikrobenkleine Schnipsel vom Boden auf. Klarer Fall: Er wollte weiter in der Nähe der Mädchen bleiben und den See im Auge behalten.

Irgendwie mussten sie ihn ablenken. Lea hatte eine Idee: Sie setzte ihr verführerischstes Lächeln auf, das sie vor einiger Zeit mal extra vorm Spiegel einstudiert hatte, um einen zwei Jahre älteren Jungen auf sich aufmerksam zu machen. Was jedoch mächtig schiefgegangen war. Egal. Sie würde es jetzt einfach noch mal versuchen und den Papiersammler damit gleichzeitig auf die Probe stellen. Wenn er ein Venomier war, würde er Leas Flirtversuche vermutlich nicht einmal bemerken. Ein Menschenjunge aber würde mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendeine Reaktion zeigen.

 

Unterdessen wurde den Jungs im Wasser immer mulmiger zumute. Wenn sie nun wieder in den Zeittunnel gezogen und entführt würden, diesmal aber von den Venomiern? Doch waren die dazu überhaupt in der Lage?

Der Zentrale zufolge waren die Venomier durch den Zeittunnel auf die Erde gekommen, ohne zu wissen, wie er funktionierte oder wo sich genau der Eingang befand. Perry vermutete deshalb, dass die Außerirdischen eine Art undichte Stelle im Zeittunnel gefunden hatten, die sie nutzten. Vielleicht so, wie wenn man eine unbemerkte Lücke in einem elektrischen Hochsicherheitszaun entdeckt: Man kann durch den Zaun hindurch, ohne ihn aus- und wieder einschalten zu müssen. Wenn das stimmte, konnten die Venomier möglicherweise irgendwo durch dieses Leck in den Zeittunnel einsteigen und sich auf die Erde ins Freibad befördern lassen und auf dem Rückweg auf die gleiche Weise wieder aussteigen.

Bisher waren Perry und seine Freunde davon ausgegangen, dass die Androiden den Transport durch den Zeittunnel im Freibad in Gang setzten. Aber möglicherweise startete er auch ganz automatisch, sobald man durch eine bestimmte Lichtschranke oder Ähnliches trat?

Zurzeit waren das alles nur Spekulationen. Perry und seine Crew wussten es einfach nicht. Noch nicht. Sie mussten die Frage, auf welche Weise die Venomier den Zeittunnel nutzten, so schnell wie möglich klären und dafür sorgen, dass die Außerirdischen wieder von der Erde verschwanden.

Perry schaute sich um. Alles schien unauffällig. Er hielt den Atem an und tauchte hinab, so tief er konnte. Doch in dem von Sand getrübtem Wasser konnte er so gut wie gar nichts sehen. Perry war geübt im Luftanhalten und tauchte mit ein paar kräftigen Zügen noch tiefer hinunter. Nichts. Er drehte um und schwamm zurück an die Oberfläche.

»Fehlanzeige!«, verkündete er.

Die Jungen überlegten kurz und beschlossen, näher an den Sprungturm heranzuschwimmen, um auch dort nach dem Rechten zu sehen.

 

In der Zwischenzeit gab Lea sich alle Mühe, mit dem Papiersammler zu flirten. Allerdings schenkte dieser ihr kaum Beachtung. Immer wieder wanderte sein Blick suchend über den See. Lea war zunehmend überzeugter, dass sie einen getarnten Venomier vor sich hatte.

»Wohnst du eigentlich hier in der Nähe?«, flötete sie und hoffte, ihn ein bisschen aushorchen zu können.

»Ja!«, antwortete er knapp.

»Wo denn?«, hakte Lea nach.

»In der Nähe!«, kam lapidar zurück.

Lea beschloss, das Thema zu wechseln.

»Ist der Job hier nicht total langweilig?«, fragte sie weiter.

»Nicht dass ich wüsste.«

Komische Antwort, dachte Lea. So als hätte er ihr gar nicht richtig zugehört. Oder als hätte er die Frage nicht verstanden.

»Aha!«, sagte sie. »Na dann. Man sieht sich.«

Lea marschierte zu Emily hinüber, die noch immer am Ufer stand.

»Und?«, fragte ihre Freundin leise.

»Ich bin sicher, dass er ein Venomier ist!«

»Bloß weil er nicht mit dir flirten wollte?«, entgegnete Emily mit einem Grinsen im Gesicht.

»Nein!«, widersprach Lea und erzählte von dem kurzen Gespräch. »Mir kam’s so vor, als ob er mit meiner Frage gar nichts anfangen konnte. Als ob so was wie Langeweile für ihn gar nicht nachvollziehbar wäre. Wie bei den Venomiern! Die erledigen ihre Aufgaben doch auch immer ohne Wenn und Aber – ob’s Spaß macht oder langweilig ist, spielt da gar keine Rolle!«

»Hm, zur Tarnung Müll aufzusammeln wäre eigentlich eine richtig clevere Idee«, sagte Emily. »Dabei könnten sie nämlich gleich noch unauffällig nach Nahrung suchen.«

»Nahrung?«, wiederholte Lea und sah ihre Freundin fragend an. Doch dann kapierte sie: Bei schönem Wetter war das Bad voll mit Kindern. Nirgendwo sonst wurden so viele Süßigkeiten gegessen wie an einem Tag im Freibad. Die Reste blieben dann hier überall liegen. Und Süßigkeiten bestanden aus Zucker, dem Hauptnahrungsmittel der Venomier.

 

Auch am Sprungbrett hatten Perry und Marvin nichts Ungewöhnliches entdeckt. Alles war so wie immer. Also beschlossen sie, zum Ufer zurückzuschwimmen.

Sie kamen genau in dem Moment aus dem Wasser, als Emily rief: »Jetzt ist er schon wieder weg!«

Perry schnappte sich sein T-Shirt und trocknete sich damit ab.

»Eben noch hat er da neben dem Busch gestanden und jetzt ist er weg. Genau wie vorhin. Das gibt’s doch nicht!«

Lea sah sich suchend um. »Und alle anderen auch. Verschwunden wie von Geisterhand!«

»Die Venomier sind Außerirdische, aber keine Geister«, sagte Marvin.

»Genau«, pflichtete Perry ihm bei. »Trotzdem – wo sind sie hin?«

»Keine Ahnung!« Marvin war ebenso ratlos wie die anderen.

»Und jetzt?«, fragte Emily.

Lea überlegte. »Irgendwann tauchen sie schon wieder auf. Spätestens, wenn sie Hunger haben!«

»Ach ja? Und wann soll das bitte schön sein?«, fragte Marvin.

»Ich schätze, ungefähr in fünfzehn Stunden«, entgegnete Lea gelassen. »Auf Kids’ Planet war es jedenfalls Mitternacht, als ich sie in der Küche entdeckt habe. Da war dann das große Zuckerfressen angesagt! Und wo das hier stattfinden könnte, kann ich mir auch schon denken.« Ihr Blick wanderte zum Kiosk hinüber. »Da drinnen gibt’s Berge von Süßigkeiten. Würde mich nicht wundern, wenn die Venomier sich heute Nacht darüber hermachen!«

Perry wusste sofort, worauf seine Schwester hinauswollte. »Du meinst, wir sollen uns hier nachts auf die Lauer legen?«

Emily und Marvin sahen sie entgeistert an.