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Robin kann es nicht fassen. Endlich hat er eine heiße Spur zu seinem Vater gefunden, da fordert dieser ihn auf, seine Suche zu beenden. Aber Ronja hält trotz der drohenden Gefahr nichts von aufgeben. Im Gegenteil: Wenn die YOUNG GUARDIANS Robins Vater schützen wollen, müssen sie herausfinden, wer hinter dem Attentat steckt. Mit Hilfe ihrer treuen Freunde Jonas, Bruder Tuck und Little John finden sie das entscheidende Puzzleteil, um einen Umweltskandal gigantischen Ausmaßes aufzudecken. Doch die Gegenseite schreckt vor nichts zurück. um ihren Profit zu sichern und zu verhindern, dass ihre Verbrechen ans Tageslicht kommen. Und sie planen schon den nächsten Coup. Werden die YOUNG GUARDIANS den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen?
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Was bisher geschah …
Ein aufregendes Abendessen
Eine neue Spur
Verfolger über Verfolger
Wiedersehen mit Bruder Tuck
Ein überraschendes Angebot
Little John nimmt die Fährte auf
In der Höhle des Löwen
Rattengift
Im Zirkus
Das heimliche Grab
Ein Foto!
Wo ist Little John?
Explosion in der Nacht
Ein geheimnisvoller Mantel
Rettung in letzter Sekunde
Wiedersehen auf Zeit
Bedrohung von allen Seiten
Grundwasser in Gefahr
Überfall!
Zurück im Kinderheim
Eine besondere Nacht
Beweise in Gefahr
Ein Fall für die Zeitung
Der 12 Jahre alte Robin lebt seit neun Jahren in einem Kinderheim. Seine Eltern sind damals bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Im Kinderheim gibt es einen Fiesling namens Bernd Ross (»Ross wie Boss«), der die anderen Kinder tyrannisiert. Am meisten aber hat er es auf Robins besten Freund Jonas abgesehen. Robin tut, was er kann, um Jonas zu beschützen.
Als sich Robin mal wieder mit Bernd Ross prügeln muss, zerreißt die Halskette, an der er den Ehering seiner verstorbenen Mutter trägt. Jonas entdeckt darauf den Hochzeitstag von Robins Eltern und schlägt vor, an dem Tag das Grab zu besuchen.
Doch der Heimleiter will nicht verraten, wo sich das Grab befindet, an dem Robin noch nie gewesen ist.
Robin stiehlt seine Akte, sieht selbst nach und stellt überrascht fest: Sein Vater ist überhaupt nicht tot! Offenbar lebt er unerkannt unter Obdachlosen.
Daraufhin haut Robin aus dem Kinderheim ab und lebt eine kurze Zeit auf der Straße, um seinen Vater zu suchen. Dort freundet er sich mit einem sehr alten Obdachlosen an, der den Spitznamen »Bruder Tuck« trägt.
Robin selbst wird natürlich von der Polizei gesucht, weil er aus dem Heim abgehauen ist. Als Robin mal wieder vor der Polizei fliehen muss, trifft er zufällig auf die gleichaltrige Ronja. Ronja kommt aus gutem Hause und lebt allein mit ihrer Mutter im Villenviertel. Sie versteckt Robin in ihrem Gartenhaus und hilft ihm fortan bei der Suche nach seinem Vater.
Doch der wird nicht nur von Robin und Ronja gesucht, sondern auch von einem zwielichtigen Privatdetektiv.
Eines Tages kommen beide zu Ronja nach Hause, wo Ronja eine seltsame Entdeckung in ihrem Briefkasten macht:
Lieber Robin!Such nicht weiter nach mir! Bitte!Bring dich und deine Freundin nicht in Gefahr.Ich melde mich und erkläre dir alles, sobald alles vorüber ist.Solange hab bitte weiter Geduld.Vertrau mir. Ich bin bei dir.In LiebeDein Papa
Robin musste die Mitteilung, die er von seinem Vater erhalten hatte, erst einmal verdauen.
»Willst du allein sein?«, fragte Ronja mitfühlend.
Robin schüttelte den Kopf. Es tat gut, mit jemandem zu reden, wenn einem etwas auf der Seele lag. Das hatte er schon immer so empfunden. Im Kinderheim war es stets sein bester Freund Jonas gewesen, der ihm geduldig zugehört hatte und dem es auch meistens gelungen war, Trost zu spenden oder manches Mal sogar eine Lösung vorzuschlagen. Jonas war für Robin derzeit nicht erreichbar. Aber Ronja hatte sich bisher als treue Freundin erwiesen. So war es ihm sehr recht, dass sie ihn nach hinten ins Gartenhaus ihrer Mutter begleitete, das er heimlich bewohnte. Ronja hatte sich das Gartenhaus schon als eigenes, gemütliches Häuschen komplett eingerichtet, lange bevor sie Robin kennengelernt hatte: mit einem kleinen Schlafsofa, Tisch, Stuhl und Musikanlage. Insofern bot es sich ideal als Unterschlupf für Robin an. Ronjas Mutter wusste davon nichts und kam auch sowieso fast nie dorthin.
Robin setzte sich aufs Bett und starrte immer wieder auf den Zettel mit der Nachricht seines Vaters. Sein Hund Little John spürte, dass etwas sein neues Herrchen bedrückte. Er legte sich vors Bett und schmiegte sich anhänglich an Robins Bein. Ausnahmsweise wollte er Robin weder zum Spielen überreden, noch bettelte er um Fressen, als wollte auch er einfach nur trösten.
Ronja hatte sich im Schneidersitz auf den Boden gesetzt, betrachtete Robin nachdenklich und sagte schließlich: »Das Gute ist, dass der Typ, der dich verfolgt, offenbar nach wie vor nicht weiß, dass du hier wohnst. Wir sind also nicht bedroht, und du kannst fürs Erste hierbleiben.«
»Ja«, sagte Robin leise. »Das ist gut. Danke.«
Ronja legte eine kurze Pause ein, ehe sie nachlegte: »Und wir wissen nun definitiv, dass dein Vater lebt, dass er dich liebt, dass er in der Nähe ist und ein Auge auf dich hat.«
»Ja«, sagte Robin nur wieder. Dieses Mal hob er leicht den Kopf, um Ronja anzusehen.
Sie erkannte, dass ihm Tränen in den Augen standen.
»Was kann so gefährlich sein, dass er mich neun Jahre lang hat glauben lassen, er wäre tot?«, fragte Robin traurig. »Dass er sich neun Jahre nicht bei mir gemeldet hat? Ich musste neun Jahre im Kinderheim wohnen. Allein! Weiß er nicht, wie sehr ich ihn vermisst habe?«
Nun hatte auch Ronja einen Kloß im Hals. Sie musste sich erst räuspern, bevor sie etwas sagen konnte. »Wir wissen es nicht, Robin. Noch nicht.«
Robin stutzte.
»Du willst weiter nach ihm suchen?«, fragte er erstaunt.
»Natürlich!«, antwortete Ronja. Das war für sie gar keine Frage! »Du etwa nicht?«
Robin hielt ihr die Nachricht entgegen. »Aber er will es nicht. Zu gefährlich, sagt er. Wenn es so gefährlich ist, dass er sich nicht einmal jetzt blicken lässt, um mit mir zu reden oder mich wenigstens mal in den Arm zu nehmen … Und du hast es ja miterlebt. Der Einbrecher, der mich verfolgt, hat mit einer Waffe auf mich gezielt! Einer echten Waffe! Wenn Little John und du mich nicht gerettet hättet … nicht auszudenken!«
Ronja nickte.
»Ich weiß. Aber …«, begann sie zögerlich. Dann brach sie ab.
»Aber was?«, hakte Robin nach.
Ronja überlegte, wie sie es ausdrücken sollte. Dann versuchte sie es noch mal. »Aber es ist auch für deinen Vater gefährlich. Sonst wäre er nicht jahrelang untergetaucht.«
Robin nickte. »Ja. Und?«
»Denk an den Autounfall«, erinnerte Ronja ihn. »Ich glaube immer weniger, dass das ein Unfall war, sondern eher ein Anschlag auf euch, die ganze Familie. Selbst du, als unschuldiges, drei Jahre altes Kind, wärst dabei beinahe ums Leben gekommen.«
Wieder nickte Robin. »Ich weiß. Das glaube ich auch. Aber was willst du damit sagen?«
»Es …« Erneut zögerte Ronja. »Dein Vater hat den Unfall überlebt. Er ist neun Jahre lang erfolgreich untergetaucht. Aber sie sind immer noch hinter ihm her. Und es könnte ihn auch heute noch jederzeit erwischen und …«
»Du meinst, er könnte umgebracht werden?«, unterbrach Robin sie entsetzt.
Ronja nickte zaghaft. »Und dann …«
»Was: Und dann?« Robin hielt es kaum noch aus auf seinem Bett. Er wollte sich das einfach nicht vorstellen. Aber er wusste, dass Ronja recht hatte.
»Und dann …«, wiederholte Ronja, »…hättest du ihn vor seinem Tod nicht mehr gesprochen. Deshalb will ich ihn weitersuchen.«
Robin saß mit offenem Mund da. Verdammt, daran hatte er gar nicht gedacht. Ronja hatte recht. Und wie! Nun war es auch für ihn keine Frage mehr. Trotz der ausdrücklichen Warnung seines Vaters war er jetzt entschlossen, gemeinsam mit Ronja die Suche fortzusetzen.
»Wir suchen weiter!«, stellte er noch mal klar.
Ronja nickte. Ihr Blick blieb ernst.
»Gut!«, sagte sie. »Aber in Zukunft müssen wir doppelt vorsichtig sein: Der Einbrecher verfolgt dich, und dein Vater hat dich im Auge. Beide dürfen nicht merken, dass wir weitersuchen.«
»Vollkommen klar«, stimmte Robin sofort zu. Dann stutzte er, überlegte und setzte fort: »Und … äh … wie suchen wir weiter? Hast du etwa einen Plan?«
»Allerdings«, bestätigte Ronja.
Doch konnte sie nicht weiter ausführen, was sie sich überlegt hatte, denn in diesem Augenblick wurde sie von ihrer Mutter gerufen.
»Oh, verflixt. Meine Ma ist da!« Ronja sprang auf und sah aus dem kleinen Fenster in der Gartenhaustür. »Sie steht auf der Terrasse!«
»RONJA?«, rief ihre Mutter erneut. »Bist du im Garten?«
Ronja fluchte noch einmal leise vor sich hin, drehte sich kurz zu Robin um und bat ihn: »Verhalt dich mucksmäuschenstill.«
»Geht klar«, antwortete Robin.
»Ich komme später zurück und bringe dir etwas zu essen«, versprach Ronja.
Dann öffnete sie die Tür und trat hinaus in den Garten.
»Ronja!«, rief ihre Mutter verwundert. »Was machst du denn im Gartenhaus? Dort warst du doch schon ewig nicht mehr!«
»Stimmt nicht!«, widersprach Ronja. Schnell ging sie auf ihre Mutter zu, bevor die auf die Idee kam, zum Gartenhaus zu kommen. »Du bist nur so oft weg. Ab und zu bin ich noch in dem Häuschen.«
»Warum das denn, Mäuschen?«, fragte ihre Mutter. »Wenn du doch das ganze Haus hier zur Verfügung hast.«
Ronja hasste es, so genannt zu werden. Da trug sie schon den Namen einer Räubertochter, und dann nannte ihre Mutter sie Mäuschen! Aber es war eine gute Gelegenheit, der Frage auszuweichen, weshalb sie im Gartenhäuschen gewesen war.
»Nenn mich nicht Mäuschen«, raunte sie ihre Mutter an. »Ich hasse das.«
»Ja, entschuldige. Ich weiß, Mäus… äh, Ronja«, sagte ihre Mutter. »Hast du schon etwas gegessen?«
Ronja schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht«, sagte ihre Mutter. »Es ist schon recht spät, und ich komme erst morgen zum Einkaufen. Ich bestelle uns schnell etwas, okay? Pizza?«
»Pizza ist gut«, antwortete Ronja hastig. Denn sie wusste, auch Robin hatte noch nichts Richtiges gegessen. »Eine große. Mit Salami!«
Ihre Mutter hob erstaunt die Augenbrauen. »Mit Salami? Seit wann das denn?«
Ronja zog unschuldig die Schultern hoch. »Nur so. Hab ich mal Lust drauf.«
Robin würde sich sicher über Salami freuen, dachte sie.
Ihre Mutter hakte noch mal nach: »Und eine Große? Schaffst du die?«
»Auf einmal nicht. Aber ich hole mir dann vielleicht später am Abend noch mal was«, antwortete Ronja und hatte damit gleich auch eine Lösung für das Problem gefunden, wie sie Robin zu einem geeigneten Zeitpunkt heimlich die Hälfte ihrer großen Pizza zukommen lassen sollte.
Ihr Plan ging auf. Eine halbe Stunde später aß sie mit ihrer Mutter gemeinsam zu Abend und stellte die übrig gebliebene halbe Pizza auf einem Teller neben dem Herd in der Küche ab.
Ihre Mutter tat das, was sie immer nach dem Abendessen tat. Sie verzog sich ins Wohnzimmer in ihren Lesesessel und las in einem dicken Roman oder in Fachzeitschriften über die wirtschaftliche Lage des Landes.
Das kam Ronja gerade recht. Kaum, dass ihre Mutter sich ihren Roman geschnappt und sich dazu ein Glas Rotwein eingeschenkt hatte, rief Ronja ihr aus der Küche zu: »Ach, mein Buch liegt noch drüben im Gartenhaus. Ich hole es eben.«
Auch die Antwort kam wie erwartet: »Tu das. Aber dann Zähneputzen und ins Bett. Dort kannst du dann noch lesen. Du hast morgen Schule.«
»Wenn du das nicht erwähnt hättest, hätte ich es bestimmt glatt vergessen«, rief Ronja ihrer Mutter ironisch zu. Sie lugte noch einmal um die Ecke, ob ihre Mutter wirklich im Wohnzimmer im Lesesessel saß. Dann huschte sie in die Küche zurück, schnappte sich den Teller mit der halben Pizza und lief rüber zu Robin ins Gartenhaus.
Robin war überglücklich. Denn sein Magen knurrte mächtig vor Hunger.
»Salami! Super!«, bedankte er sich bei Ronja.
Ronja hatte ihm außerdem eine Flasche Sprudel mitgebracht, die sie ihm vors Bett stellte. »Ich muss wieder rüber. Ins Bett.«
Robin staunte. »Jetzt schon?«
Ronja erklärte ihm, dass sie noch ein ganzes Weilchen im Bett lesen würde, aber nicht bei ihm bleiben konnte. Zu riskant, dass ihre Mutter dann nach ihr sehen würde.
Robin verstand.
Ronja verabschiedete sich und wollte gerade gehen.
Doch Robin rief sie zurück und zeigte auf Little John, der schwanzwedelnd vor ihm hockte und um ein Stück Pizza bettelte.
»Er hat auch Hunger«, erläuterte Robin. »Aber von der Pizza darf er nichts. Zu stark gewürzt. Das bekommt Hunden nicht.«
Ronja verzog das Gesicht und verfluchte sich innerlich. An den Hund hatte sie nicht gedacht. Jetzt musste sie gleich noch mal vom Haus ins Gartenhäuschen zurückkommen, ohne dass ihre Mutter Verdacht schöpfte. Sie war zwar zuversichtlich, dass sie das irgendwie schaffen würde, aber was sollte sie dem Hund mitbringen? Hundefutter hatten sie nicht im Haus. Ihre Mutter war eine strikte Gegnerin von Haustieren. Ronja durfte weder die Katzen aus der Nachbarschaft füttern, wenn die mal durch ihren Garten streunten, noch die Eichhörnchen, die hin und wieder neugierig vorbeischauten.
»Die Katzen werden zu Hause versorgt. Die Wildtiere finden genug draußen«, behauptete ihre Mutter immer.
Ronja fütterte trotzdem jedes Tier, das vorbeikam – wenn ihre Mutter nicht daheim war. Dazu hatte sie einen kleinen heimlichen Vorrat angelegt, der sich sogar in dem Gartenhäuschen befand.
Ronja griff unter den Schreibtisch und zog eine kleine Kiste hervor. Darin lagen eine Tüte Igelfutter, eine Tüte Nüsse für Eichhörnchen, zwei Dosen Katzenfutter und …
»Mist«, fluchte Ronja. »Ich habe kein Hundefutter mehr.«
Was sollte sie jetzt für Little John holen?
»Habt ihr keine Würstchen im Haus?«, fragte Robin.
Ronja sah ihn so verwundert an, als hätte sie bis eben noch nie davon gehört, dass es Menschen gab, die ein paar Lebensmittel im Kühlschrank liegen hatten.
»Würstchen?«, wiederholte sie. »Meine Mutter? Wir haben bestimmt Äpfel und etwas Gemüse, aber Würstchen sicher nicht. Außerdem wären die für Hunde zu salzig. Katzenfutter dürfen Hunde auch nicht.«
Robin stöhnte auf. »Ehrlich gesagt habe ich bisher gar nicht so sehr darauf geachtet. Little John frisst eigentlich alles. Der hat wohl einen guten Magen. Vielleicht habt ihr etwas aus der Dose?«
»Du weißt doch, dass wir immer nur frisch kochen«, erinnerte Ronja ihn. »Gemüse hätten wir.«
Robin schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das mag er nicht. Da ist er genau wie ich.«
Er sah mitleidig auf Little John, der erste Anstalten machte, ihm auf den Schoß zu springen, um sich etwas von der Pizza zu schnappen.
»Halt ihn davon fern!«, warnte Ronja. »Weder Teig noch Salami sind gut für Hunde.«
»Ich weiß ja«, sagte Robin. »Morgen müssen wir aber etwas für Little John besorgen. Für heute wird’s noch gehen.«
Ronja schüttelte den Kopf. »Warte. Ich glaube, wir haben noch ein paar Spaghetti-Reste im Kühlschrank. Ist zwar auch Teig, aber Nudeln schaden Hunden nicht. Ich stelle sie dir in einer Schüssel vor die Tür.«
»Super!«, antwortete Robin. »Und frisches Wasser brauche ich noch. Ohne Kohlensäure.«
Ronja zeigte zum Außenwasserhahn, neben dem der Gartenschlauch hing. »Dort kann meine Mutter dich nicht sehen.«
»Okay, danke. Wann sehen wir uns morgen?«, fragte er noch.
»Nach der Schule«, antwortete Ronja. »So gegen drei. Meine Mutter ist morgen im Büro. Nach Geschäftsreisen bleibt sie immer länger. Vor zwanzig Uhr wird sie nicht zurück sein.«
»Okay«, wiederholte Robin. »Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«, sagte Ronja und lief zurück ins große Haus. Dort löschte sie das Licht in der Küche, damit der Lichtschein nicht weiter einen Teil des Gartens beleuchtete. Ihre Mutter durfte Robin auf keinen Fall entdecken.
Robin wartete ab, bis Ronja die Terrassentür geschlossen hatte und das Licht in der Küche ausging. Dann wandte er sich an Little John. »Wir holen dir erst mal etwas zu trinken und dann leckere Spaghetti!«
Er ging zum Außenwasserhahn, doch leider vergaß er, die Tür des Gartenhäuschens hinter sich richtig zu schließen, sondern lehnte sie nur leicht an.
Little John war zu schlau, als dass das für ihn ein Hindernis darstellte. Als Robin schon vor dem Wasserhahn hockte, stieß Little John mit seiner Schnauze die Tür auf und rannte seinem Herrchen hinterher.
Robin war entsetzt, als der Hund bei ihm ankam.
»Was machst du denn hier?«, zischte er Little John zu. »Marsch zurück ins Häuschen!«
Doch sosehr der treue Hund sein Herrchen sonst auch verstand und auf es hörte, das war in diesem Moment zu viel verlangt.
Der ganze Garten roch frisch und saftig an diesem klaren Abend, und Little John fand wohl, er hätte an diesem Tag viel zu wenig Bewegung gehabt. Außerdem musste er noch sein Abendgeschäft erledigen. Kurzum: Little John tat das, was er auch im Park immer machte. Er wieselte neugierig schnuppernd durch den Garten und begutachtete jeden Baum und jeden Strauch auf der Suche nach dem schönsten Plätzchen für sein Anliegen.
»Verdammt!«, fluchte Robin. »Komm zurück!«
Er konnte nur mit gedämpfter Stimme nach dem Hund rufen. Das aber genügte nicht.
Little John war verschwunden und nicht mehr zu sehen.
»Das darf nicht wahr sein!«, ärgerte sich Robin.
Er drehte den Wasserhahn ab und sprang auf, um nach Little John zu suchen. Geduckt lief er über den Rasen zu den Büschen, die den Garten zum Nachbarn abgrenzten. Dadurch aktivierte er einen Bewegungsmelder, worauf ein greller Halogen-Strahler den Garten ausleuchtete.
Fluchend blieb Robin stehen und überlegte kurz, sich flach auf den Boden zu werfen. Doch das würde nichts nützen. Aus dem Fenster im Haus würde man ihn trotzdem sehen können. Schon sah er einen Schatten am oberen Fenster.
Panisch wollte er gerade zu den Büschen stürzen, um sich dort zu verstecken.
Zu spät. Das Fenster im ersten Stock wurde bereits geöffnet.
Der Schatten entpuppte sich als Ronja im Schlafanzug.
»Was machst du denn da?«, zischte sie hinunter. »Spinnst du?«
Für lange Erklärungen war jetzt keine Zeit.
»Little John!«, antwortete Robin nur und zeigte zu den Büschen.
Ronja rollte mit den Augen.
»Hol ihn zurück. Sofort!«, befahl sie so leise wie irgend möglich. »Wenn meine Mutter ihn sieht …!«
»Das will ich ja!«, verteidigte sich Robin. Dann zeigte er zum Strahler. »Dieser Scheiß-Bewegungsmelder!«
Im nächsten Moment stürzte Little John laut bellend aus einem der Büsche heraus.
»Little John!«, rief Robin ihm hinterher.
Doch Little John hörte nicht. Er raste an Robin vorbei Richtung Wasserhahn.
Robin schaute ihm hinterher und sah, dass eine Maus gerade versuchte, sich über die stehen gelassenen Spaghetti herzumachen.
»Little John!«, rief Robin noch einmal mit gedämpfter Stimme.
Vergeblich.
Und zu spät.
Schon öffnete sich unten die Terrassentür, und die Stimme von Ronjas Mutter ertönte: »Hallo?«
Robin sprang aufs Haus zu und presste sich rücklings unter dem Erdgeschoss-Fenster an die Hauswand. Aus dem oberen Fenster im ersten Stock hörte er zuerst Ronja fluchen, dann das Fenster zuknallen.
»Das darf ja wohl nicht wahr sein!«, war wieder die Mutter zu hören. Offenbar war sie von der Terrasse heruntergestiegen und hatte jetzt Little John entdeckt.
Robin hatte noch gesehen, wie die Maus davonsprang. Aber die Spaghetti lagen noch da. Wenn die Mutter die jetzt auch noch sah …
Doch da nahte schon Ronja als letzte Rettung.
»Mama? Was ist los?«, fragte sie unschuldig.
»Ein Hund in unserem Garten!«, antwortete ihre Mutter entsetzt. Gefolgt von einem »Ksch! Ksch!« und Händeklatschen, um Little John zu vertreiben, bevor sie sich wieder an ihre Tochter wandte. »Woher kommt der? Kennst du den?«
Little John hatte wohl früher keine guten Erfahrungen mit Hausbesitzern gemacht. Jedenfalls verschwand er sofort Richtung Gartenhaus.
»Ich glaube, die Familie am Ende der Straße hat einen neuen Hund«, schwindelte Ronja.
Ihre Antwort genügte, dass ihre Mutter sich zu ihr umdrehte und somit nicht mitbekam, wie Little John ins offene Gartenhäuschen hineinlief.
Die Mutter ging zurück zur Terrasse, auf der Ronja stand, sodass sie auch Robin nicht sah, der sich um die Ecke herum noch immer an die Hauswand presste.
»Ich werde mal mit denen sprechen. Die müssen besser auf ihren Hund aufpassen«, kündigte Ronjas Mutter an und ging mit Ronja zusammen wieder ins Haus hinein.
Robin atmete tief durch. Das war gerade noch mal gut gegangen.
Er wartete noch ein wenig, bis das Licht unten in der Küche erlosch und Ronja oben wieder am Fenster erschien.
»Die Luft ist rein«, flüsterte sie hinunter. »Pass besser auf Little John auf!«
»Worauf du dich verlassen kannst«, versprach Robin.
Er huschte um die Ecke, schnappte sich die Schüssel mit den kalten Spaghetti, lief zurück ins Gartenhaus und hatte endlich Zeit für seine Pizza.
Little John war ängstlich unters Bett gekrochen und kam nun erst langsam hervor, als Robin zurück war. Sie beide setzten sich aufs Bett und verspeisten hungrig Spaghetti und Pizza.
Dann legten sie sich schlafen.
Es stand ihnen ein ereignisreicher Tag bevor.
Robin schreckte panisch hoch, als Ronja ihn am nächsten Morgen weckte.
»Was ist passiert?«, fragte er ängstlich und sah sich hastig um.
»Nichts ist passiert«, beruhigte Ronja ihn. »Ich wollte dich nur wecken.«
»Was? Wieso?«, fragte Robin immer noch aufgeregt. »Wieso bist du nicht in der Schule? Wie spät ist es?«
»Ganz ruhig«, beschwichtigte Ronja ihn erneut. »Wir haben Glück. Meine Mutter will heute nicht nur länger im Büro bleiben, sie ist auch früher als sonst hingefahren. Es ist erst halb acht. Meine Mutter ist gerade weg.«
Robin besann sich allmählich.
»Aha«, sagte er. »Und wieso ist das ein Glück für uns? Und wann musst du in die Schule?«
»Gar nicht«, antwortete Ronja gut gelaunt. »Das ist ja das Glück.«
Robin verstand nicht ganz. »Wieso nicht? Wir haben doch noch gar keine Ferien.«
Ferien waren für Robin ganz und gar kein Glück, seit er aus dem Heim abgehauen war. Denn er traf sich ja täglich mit seinem besten Freund Jonas, der nach wie vor in dem Heim wohnte, aus dem Robin abgehauen war, und den er nur an der Schule sehen konnte. Verabredungsgemäß täglich in der ersten großen Pause am Schulzaun. Zwar lief Robin dabei jedes Mal Gefahr, dass ihr geheimes Treffen aufgeflogen war und plötzlich die Polizei auftauchte. Aber es war immer noch die beste Möglichkeit, Jonas regelmäßig zu sehen.
Doch Ronja hatte kein Schulfrei, im Gegenteil: »Ich schwänze heute. Ganz einfach. So haben wir den ganzen Tag Zeit, unseren Spuren nachzugehen und deinen Vater weiterzusuchen.«
Robin stand aus dem Bett auf und zog sich sein Shirt und seine Hose über seine Unterwäsche, in der er geschlafen hatte.
Ronja sah ihm stirnrunzelnd zu. »Willst du dir nicht mal frische Wäsche anziehen?«
»Hab ich nicht mehr«, antwortete Robin.
Ronja rollte mit den Augen. »Wie lange trägst du die Klamotten schon?«
Sie rümpfte dabei die Nase.
»Weiß ich nicht«, wich Robin aus. Und wechselte lieber schnell das Thema. »Du weißt, dass du nicht die Schule schwänzen kannst, bis ich meinen Vater gefunden habe, oder? Das wird deine Mutter merken. Und was ist eigentlich mit deinem Vater?«
»Zu dem würde ich eigentlich nächstes Wochenende gehen«, antwortete Ronja. »Aber ich werde ihm noch absagen.«
»Würde ich nicht machen«, sagte Robin.
»Was?«
»Deinem Vater absagen. Ich wäre glücklich, wenn ich meinen Vater besuchen könnte«, erläuterte Robin. »Du hast das Glück. Wirf es nicht weg. Besuch ihn! Ich komme ein Wochenende lang auch allein klar.«
»Mal sehen«, räumte Ronja ein.
Robin schnappte sich die Wasserflasche und nahm einen großen Schluck. Dann schaute er auf Little John.
»Im Haus ist niemand?«, vergewisserte er sich.
Ronja bestätigte: »Nein.«
Robin öffnete die Tür und ließ Little John hinaus in den Garten. Dort konnte er sein Morgengeschäft erledigen und am Wasserhahn aus einer Schüssel trinken, die Robin ihm am Vortag hingestellt hatte. Dabei fiel ihm ein: »Ich müsste auch mal aufs Klo.«
»Klar, kein Problem«, antwortete Ronja. »Wir gehen rüber. Du kannst auch duschen.«
»Brauche ich nicht«, antwortete Robin, ohne Ronja dabei anzusehen. Irgendwie schien er ihr zu schmutzig zu sein, dachte er plötzlich. Er überlegte kurz und lenkte dann ein. »Das heißt: Wäre vielleicht keine schlechte Idee.«
»Das denke ich auch«, stimmte Ronja ihm zu.
»Aber frische Wäsche habe ich trotzdem nicht«, stellte Robin klar. »Und frag nicht, ob ich etwas von dir anziehe.«
Ronja lachte. »Nein? Wieso nicht? Ich hab dir schon meinen Minirock rausgelegt.«
Robin schaute sie entsetzt an. Meinte sie das ernst?
Ronja lachte erneut. »Das war ein Scherz. Ich besitze überhaupt keine Miniröcke.«
»Wieso nicht? Ich finde Miniröcke cool«, behauptete Robin.
»Ja, genau«, winkte Ronja schmunzelnd ab. »So cool, dass du auf keinen Fall einen anziehen würdest.«
»Ich bin ein Junge!«, stellte Robin klar.
»Die Männer in Schottland tragen auch Röcke«, erwiderte Ronja. »Sogar den König von England habe ich schon im Schottenrock gesehen.« Auf Robins erstaunten Blick ergänzte sie: »Im Fernsehen.«
»Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, einen Rock zu tragen«, gab Robin zu.
»Aus dem gleichen Grund trage ich keine«, erläuterte Ronja. »Ich fühle mich darin nicht wohl. Fertig.«
»Zum Glück sieht das deine Mutter anders«, kommentierte Robin.
Ronja runzelte die Stirn. Sie wusste nicht, was Robin ihr damit sagen wollte.
»Na, wenn deine Mutter sich nicht gerade in der Boutique ein neues Kleid gekauft hätte, als ich dort auf der Flucht vor der Polizei reingestürzt bin, wären wir uns nie begegnet«, erinnerte Robin sie.
Ronja lächelte. »Das stimmt! Und das wäre echt schade gewesen. Ein Hoch auf das neue Kleid meiner Mutter!«
Sie gingen lachend hinüber ins große Haus und ließen Little John noch draußen herumstreunen. Robin ging in den ersten Stock hinauf, um zu duschen. Ronja toastete ein paar Brote und goss ihnen zwei Gläser Orangensaft ein.
Ihr iPad hatte sie sich schon zurechtgelegt. Jetzt holte sie noch die Kreditkarte dazu, die sie dem Eindringling in der ehemaligen Wohnung von Robins Familie abgenommen hatten.
Als Robin aus dem Bad herunterkam, lächelte Ronja ihn an.
»Was ist?«
»So hab ich dich noch nie gesehen«, sagte Ronja.
Robin hatte eine blitzeblank saubere Haut und frisch gewaschene, nasse, glatt gekämmte Haare. Seine sauber geputzten Zähne verliehen seinem strahlenden Gesicht einen zusätzlichen Glanz. Nur seine Kleidung war noch die alte und von den wenigen Tagen in der Obdachlosigkeit bereits recht verschmutzt und verschlissen.
»So sehe ich normalerweise auch nur nach dem Sportunterricht aus«, erläuterte Robin. »Da duschen Jonas und ich immer, weil wir dann eine gute Entschuldigung haben, später in den nachfolgenden Unterricht zu kommen. Nach dem Sport haben wir immer Geografie. Im Heim duschen wir nur sonnabends.«
Robin benutzte den Hamburger Ausdruck für Samstag. Es fiel Ronja auf, weil ihre Eltern diesen Begriff nie benutzten.
Ronja zeigte auf den Bildschirm. »Ich hab den Namen von der Kreditkarte des Typs, der dich ständig verfolgt hat, im Internet eingegeben.«
Robin schaute ihr über die Schulter auf das Display. »Und?«
»Und? Unser Toast ist fertig!«, antwortete Ronja und ging zum Toaster.
»Oh Mann«, beschwerte sich Robin. »Was hast du herausbekommen?«
»Der Typ heißt Arndt Spalter und ist angeblich Privatdetektiv«, antwortete Ronja.
Robin wollte gerade seinen Toast mit Marmelade bestreichen, doch nun hielt er inne und schaute Ronja verdutzt an.
»Privatdetektiv?«, wiederholte er ungläubig. »Ich dachte, so etwas gibt es gar nicht in echt. Nur in Filmen.«
»Doch, doch«, antwortete Ronja. »So genau weiß ich es zwar auch nicht. Aber ich glaube, das sind Leute, die eben privat für ihre Auftraggeber ermitteln. Also Dinge, bei denen die Polizei sich nicht zuständig fühlt. Wenn man zum Beispiel jemanden ausspionieren will. Das würde die Polizei ja nie machen, wenn es kein Verdächtiger ist. Und da nimmt man sich einen Privatdetektiv.«
»Ausspionieren?« Robin kam die ganze Sache mit seinem Vater immer mysteriöser vor. Doch so ganz allmählich begann er zu begreifen. »Da will also jemand herausbekommen, was mein Vater als Journalist über eine Sache herausgefunden hat? Über welche Informationen er verfügt?«
Ronja nickte. »So scheint es zu sein. Was mich nur stutzig macht: Da ist jemand neun Jahre lang hinter deinem Vater her? Ich meine, wenn dein Vater über derart brisante Informationen verfügt, wieso hat er sie nicht längst veröffentlicht?«
Robin zuckte nur mit den Schultern. »Ja, das würde mich auch interessieren.«
»Lass uns schnell frühstücken, und dann schauen wir mal in dem Detektivbüro vorbei. Im Internet war ganz offiziell eine Adresse angegeben.«
Robin schlang seinen Toast hinunter, stürzte das Glas Orangensaft in einem Zug in sich hinein und sagte: »Okay, gehen wir!«
Ronja wollte gerade den ersten Bissen von ihrem Toast nehmen. Sie verharrte einen Moment mit offenem Mund, überlegte – und willigte dann ein: »Na schön, ich kann auch auf dem Weg essen.«
Little John freute sich, dass es endlich hinaus auf die Straße ging. Zwar gefiel ihm der Garten, aber durch die Stadt zu streunen, war doch etwas anderes. Auf dem Weg zum Bahnhof kauften sie in einem kleinen Supermarkt drei Dosen Hundefutter. Eine Dose öffneten sie sofort am Wegesrand und ließen Little John sich erst einmal satt essen. Die zwei weiteren Dosen steckte Ronja für den Abend und den nächsten Morgen in ihren Rucksack.
Eine Dreiviertelstunde später kamen Robin, Ronja und Little John in der sogenannten City Nord an, einem Viertel in unmittelbarer Nähe des Stadtparks, das hauptsächlich aus Bürogebäuden bestand. Ein großer Energiekonzern hatte hier seine Zentrale, sowie einige Versicherungen und Mineralölgesellschaften.
»Hier war ich noch nie«, bekannte Robin. »Du?«
Ronja schüttelte den Kopf. »Nur drüben auf der anderen Seite – im Stadtpark.«
Sie sah sich um.
»Ich wüsste auch nicht, was ich hier sollte«, kommentierte sie. »Die reinste Betonwüste hier. Echt hässlich.«
»Wie war noch mal die Adresse?«, fragte Robin.
»Mexikoring 23«, las Ronja vor und zeigte ihm das Display mit der Navigationsapp auf ihrem Smartphone. »Von hier aus nur noch 450 Meter.«
Auch Robin schaute sich noch mal um. »Was hat denn diese Ringstraße bitte schön mit Mexiko zu tun?«
»Keine Ahnung«, sagte Ronja. Und ergänzte: »Vielleicht wegen der Wüste. Ich hab doch gleich gesagt, das hier sieht aus wie eine Betonwüste.«
Robin lachte. Das war bestimmt nicht der Grund für den Straßennamen.
Kurz darauf erreichten sie das entsprechende Gebäude.
Enttäuscht stand Robin davor: »Bist du sicher, dass die Adresse stimmt?«, fragte er nach. Denn sie standen vor – einer Parkgarage! »Hier gibt es doch kein Büro.«
Ronja war sich da noch nicht so sicher.
»Wer weiß?«, antwortete sie und zeigte auf ein großes Hinweisschild, das genau neben der Ausfahrt der Garage an einem Treppenaufgang an der Wand hing. »Dort geht es hoch zu einem italienischen Restaurant. Und wo ein Restaurant ist, könnte es doch auch ein Büro geben.«
Robin hoffte, dass Ronja recht behielt.
Sie stiegen die Treppe hinauf und landeten in einer Art Fußgängerzone, allerdings ohne Geschäfte. Nur das Restaurant gab es hier; ansonsten führte der reine Fußgängerweg einfach nur an zahlreichen Eingängen verschiedener Bürogebäude vorbei.
»Na, wer sagt’s denn?«, freute sich Ronja. »In einem der Büros sitzt bestimmt der Detektiv!«
Doch sie täuschte sich. Robin und sie gingen von Tür zu Tür, schauten auf jede Klingel, auf jedes Namensschild. Aber ein Detektivbüro fanden sie nicht.
Nachdem sie zwanzig Minuten intensiv vergeblich gesucht hatten, blieb Robin stehen und seufzte: »Ich hab keine Lust mehr. Hier gibt es definitiv kein Detektivbüro. Und Little John gefällt es hier auch nicht, zwischen all den Betonburgen. Lasst uns rübergehen in den Stadtpark. Da war ich auch erst zweimal in meinem Leben.«
Doch Ronja wollte nicht so schnell aufgeben.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Privatdetektiv extra eine Webseite mit seinen Kontaktdaten ins Internet stellt, und dann gibt es ihn gar nicht«, sagte sie. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
Robin zuckte mit den Schultern. »Aber genau so scheint es zu sein. Vielleicht ist die Webseite veraltet? Und das Büro gab es nur früher mal hier.«
Ronja zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. An Robins Überlegung war etwas dran, fand sie. Und überprüfte es sofort, indem sie die Webseite mit ihrem Smartphone aufrief.
»Letzte Aktualisierung im vergangenen Oktober«, las sie vor. »Das ist jetzt nicht sooo lange her, oder?«
Robin zuckte wieder nur mit den Schultern. »Jedenfalls gibt es hier kein Büro. Basta.«
Er wollte schon mit Little John losziehen, doch Ronja gab sich noch immer nicht zufrieden. Kurz entschlossen schritt sie zu der Eingangstür, die dem Aufstieg aus der Parkgarage genau gegenüberlag. Die Tür war nicht verschlossen, sodass sie das Treppenhaus betreten konnte. Gleich auf der rechten Seite hingen die ganzen Briefkästen des Hauses.
»Das meiste hier sind offenbar Wohnungen und gar keine Büros«, stellte sie fest.
Robin war ihr nachgegangen. Little John wartete draußen vor der Tür.
Ronja ging alle Namen durch und stoppte mit dem Zeigefinger plötzlich an einem Briefkasten. »Hier!«
Robin schaute auf das Namensschild: Spalter stand darauf.
»Das ist der Name unseres Privatdetektivs«, erinnerte Ronja ihn.
»Wow!«, stieß Robin aus. »Hier also ist sein Büro?«
»Schauen wir mal«, schlug Ronja vor.
Gemeinsam stiegen sie die Treppen des mehrstöckigen Hauses hinauf. An jeder Tür in jeder Etage blieben sie stehen. Aber den Namen Spalter fanden sie kein zweites Mal.
»Das gibt es doch nicht!«, schimpfte Robin, als sie vor der letzten Tür im oberen Stockwerk standen. »Haben wir eine Tür übersehen?«
Ronja schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
»Sondern?«, fragte Robin.
»Briefkastenfirma!«, behauptete Ronja.
Da Robin nicht wusste, was eine Briefkastenfirma war, erläuterte Ronja es: »Eine Scheinfirma. Eine Tarnung. Man hat einen Namen und eine Adresse für eine Firma, obwohl es diese Firma gar nicht gibt. Sondern nur einen Briefkasten, um zum Beispiel Post zu empfangen. Oder damit die Scheinfirma tatsächlich in Adressverzeichnissen erscheint und so weiter.«
Robin runzelte die Stirn. »Und wozu soll das gut sein?«
»Von meiner Mutter weiß ich, dass manche Firmen das machen, um Steuern zu sparen oder sogar illegal zu umgehen. Wie das genau funktioniert, habe ich nicht verstanden.«
Plötzlich fiel Robin etwas ein. »Ich habe mal einen Agenten-Comic gelesen. Da hatten die Agenten einen toten Briefkasten. Das heißt, ein Versteck, in dem sie sich gegenseitig geheime Nachrichten zugesteckt haben.«
»Genau!«, stimmte Ronja begeistert ein. »So etwas könnte es sein. Über die Tarnung eines Detektivbüros erhält der angebliche Arndt Spalter vielleicht seine Anweisungen oder Aufträge. Der Vorteil: Niemand weiß, wer er eigentlich wirklich ist. Niemand bekommt ihn zu Gesicht. Und vor allem: In einen ganz normalen altertümlichen Briefkasten kann sich niemand hineinhacken wie in einen Computer oder ein Handy.«