SpaltenReise | Erotischer Roman - Noelle Jordan - E-Book

SpaltenReise | Erotischer Roman E-Book

Noelle Jordan

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 208 Taschenbuchseiten ... Als Helen sich nach fünfzehn Jahren völlig unerwartet aus ihrer eintönigen und lieblosen Partnerschaft befreit, wird sie mit knapp Vierzig noch einmal auf den Singlemarkt geworfen. Unsicher und schüchtern stolpert sie durch das New Yorker Nachtleben, bis sie den zwanzigjährigen Jason trifft. Überwältigt von seiner Aura stürzt sie sich in ein rasantes Abenteuer voller Sex und Leidenschaft. Es ist alles auf einmal: Kraft, Genuss, Erotik, Vertrauen, Ekstase, Chemie und Verlangen. Einmal Blut geleckt, erkennt Helen schnell, dass besonders junge Männer ihr zu Füßen liegen. Und so kostet sie die wiedergefundene sexuelle Freiheit genüsslich aus und gibt sich allen erotischen Versuchungen hin ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 264

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Impressum:

SpaltenReise | Erotischer Roman

von Noelle Jordan

 

Noelle Jordan, Woodstock-Jahrgang 1969, studierte Neuere Deutsche Literatur, Jura und Soziologie und arbeitet als Kommunikations-Spezialistin. Zum Schreiben kam sie durch einen Umbruch in ihrem privaten Umfeld. Ihr Debütroman „SpaltenReise“ basiert zu 70 Prozent auf eigenen Erfahrungen. Privat ist sie leidenschaftliche Dressurreiterin und liebt es, mit ihrer Kawasaki durch die Bergregionen Oberbayerns zu fahren. Tauchen, Kitesurfen und Fitness gehören ebenfalls zu ihren Interessen. Von Zeit zu Zeit packt sie die Reiselust, dann wird der „blaue Rucksack“ gefüllt und sie bricht auf zu neuen Abenteuern. Sie liebt gute Krimis und alle Bücher von Joanne K. Rowling – egal unter welchem Pseudonym sie auch geschrieben sind – und Simon Beckett. Privat ist sie glücklich liiert und teilt sich ihr Leben außerdem mit drei Katzen und einem Pferd.

 

Lektorat: Nicola Heubach

 

Für J. Ohne Dich wäre dieses Buch nie entstanden. Du hattest recht: Das Alter ist nur eine Zahl, sonst nichts! Danke für alles ...

 

Originalausgabe

© 2017 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © kiuikson @ 123rf.com

Umschlaggestaltung: Matthias Heubach

 

ISBN 9783862776092

www.blue-panther-books.de

EINS

Helen lag nackt mit gespreizten, aufgestellten Beinen lustlos auf dem Rücken ihres geheizten Wasserbetts. Eine angenehm wohlige Wärme verteilte sich über ihren Rücken. Die langen dunklen Haare hatte sie nach hinten über das Kopfkissen geworfen. Ihre schlanken Hände mit den rot lackierten Fingernägeln ruhten auf ihren Brüsten. Sie kaute entnervt auf ihrer Unterlippe, während ihr Lebensgefährte Andrew mit zusammengekniffenen Lippen vor ihr kniete und mit seinem nicht steif werden wollenden Schwanz haderte. Seine linke Hand umschloss seine Eier, die er behutsam massierte. Mit der Rechten packte er seinen Schaft und begann, ihn von oben nach unten zu bewegen. Erst langsam, dann schneller werdend, den Blick starr auf den Penis gerichtet, der ums Verrecken nicht stehen wollte. Das Wasserbett unter ihnen kam in Bewegung und Helen schaukelte sanft von vorn nach hinten. Ihre üppigen Brüste wippten gleichmäßig zum Takt seines Wichsrhythmus’.

»Mach schon, du Drecksteil«, knurrte er beschwörend hinter zusammengebissenen Zähnen und starrte das Scheißding hypnotisierend an, wie ein Schlangenbeschwörer seine Kobra im Korb. Doch die Kobra hatte offensichtlich nicht das geringste Interesse, ihr Körbchen zu verlassen.

Während er versuchte, das Reptil zu bändigen, wanderte Helens Blick Richtung Fenster. Es war ein nasskalter Oktobernachmittag, der Wind peitschte unaufhörlich gegen die Fensterscheibe, der erste Herbststurm ließ das bunte Laub aufwirbeln und wie rot-gelbe Edelsteine in der Nachmittagssonne funkeln, bevor es von der nächsten Böe erfasst und zu Boden gerissen wurde.

Auf der Fensterbank über der Heizung lag Neo, eine ihrer beiden Katzen, auf einer kuscheligen roten Decke. Neo öffnete kurz ein Auge, betrachtete die sich ihm bietende Szenerie und gähnte herzhaft, bevor er sich auf der Decke endgültig zusammenrollte und einschlief.

Sogar der Kater findet das hier bescheuert, schoss es ihr durch den Kopf.

Andrew fluchte und ihr Blick wanderte zurück zu seinem Penis. Keine Veränderung.

»Lass es doch einfach gut sein«, sagte sie vorsichtig und mit sanfter Stimme, »ist doch kein Ding. Dein Kopf will ficken, aber der gnädige Herr hat eben keine Lust.«

»Halt einfach die Schnauze, spreiz deine Beine weiter und bewege dich nicht«, herrschte er sie mit lauter Stimme total gereizt an.

Sie kannte diese Stimmung nur zu gut. Seit fünfzehn Jahren waren sie nun schon ein Paar und von Anfang an hatte es sexu­elle Spannungen gegeben. Andrew war ein gut aussehender, trainierter Mann mit einem beschnittenen großen Schwanz und einem noch viel größeren Ego. Der beschnittene Schwanz war schon immer Mittelpunkt verbaler Auseinandersetzungen zwischen den beiden gewesen. Andrew benutzte die angeblich so unempfindliche, halb taube Eichel als Ausrede für alles in ihrem Sexleben. Im Prinzip ging es aber nur darum, die eigene Sexualität durchzusetzen und sich abzureagieren, unter dem Motto: Scheiß auf die Bedürfnisse der Freundin! Daher glich der Sex in den letzten Jahren für Helen einem nicht enden wollenden Albtraum, sofern er überhaupt stattfand. Wie üblich erwiderte sie nichts und fügte sich. Nur keinen Streit anzetteln. Nur nicht sagen, was sie wirklich dachte.

Er kniete sich zwischen ihre Beine, spuckte auf seine Fingerspitzen, wischte den Geifer um die Außenseite ihrer inneren Schamlippen und um ihr Loch. Seine Finger waren eiskalt. Unwillkürlich zog sich ihr Unterleib zusammen. Wieder konzentrierte er sich auf seinen Penis und pfriemelte unter lautem Fluchen das halb schlaffe Würstchen mehr schlecht als recht in ihre Möse. Vorsichtig ließ er sich mit dem Oberkörper nach vorn fallen und verharrte im Liegestütz über ihr. Er bewegte sich langsam, um nicht rauszurutschen. Sein Penis glitt rein und raus, vor und zurück. Die Kobra wurde härter. Helen lag, üblicherweise, wie eine Schildkröte regungslos auf dem Rücken.

Nicht bewegen!, schoss es ihr automatisch durch den Kopf. Das Ganze hatte etwas von Totenstarre und Nekrophilie, denn es gab außer dem Genitalbereich keine Stelle, an der sich die beiden ansonsten berührten. Kein ineinander verschlungen sein, keine zärtlichen Küsse auf ihren Hals, ihre Wangen oder Brüste. Keine leidenschaftlichen Zungenküsse oder Bisse. Keine Chance, ihre Finger fest in seinen Rücken oder Hintern zu krallen, ihm vorsichtig in den Kehlkopf oder die Schulter zu beißen. Nichts dergleichen. Nur das mechanische Rein und Raus seines Schwanzes in ihrer Möse. Wie gern würde sie sich mitbewegen, ihr Becken kreisen lassen, ihre Beine um seinen Körper schlingen. Wie immer unterdrückte sie all dieses. Sie hatte sich schlicht und ergreifend in einem schleichenden Prozess über Jahre an seinen verfickten, verfluchten Schwanz angepasst.

Wenn sie sich jetzt bewegte, war alles umsonst. Andrew musste immer seinen eigenen Rhythmus stoßen, bis das Rohr stand, sonst würde es wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Er ließ seinen Penis keine Sekunde aus den Augen. Ihn in ihr Fötzchen rein und raus gleiten zu sehen, die Vorstellung, sie könnte von ihm schwanger werden, geilte ihn tierisch auf. Seine Bewegungen wurden schneller, sein Schwanz war endlich hart. Andrew fing an zu keuchen.

»Heb dein Becken an«, stöhnte er nach unten, noch immer seinen Schwanz im Visier.

Helen streckte ihr Becken wie befohlen in die Höhe. Ihre Möse tat weh, denn sie war innen drin kein bisschen feucht und sie hoffte inständig, dass er endlich abspritzen würde. Um die Sache zu beschleunigen, fing sie ebenfalls an zu stöhnen, verdrehte die Augen wie in Ekstase und hauchte ein wiederkehrendes »ja, ja, ja, schneller« in seine Richtung, bevor sie laut aufschrie. Schauspielkunst war eben alles, und da Männer echte von unechten Orgasmen in der Regel sowieso nicht unterscheiden konnten, war dies ein Kinderspiel.

Angetörnt von ihrem scheinbaren Orgasmus fickte Andrew schneller in sie rein. Das Wasserbett schaukelte wie in einem Orkan von links nach rechts und schräg, von oben nach unten und quer. Endlich schloss er die Augen, richtete den Kopf mit geöffnetem Mund Richtung Decke und spritzte mit einem lauten Aufschrei ab. Binnen Sekunden füllte sich ihre Muschi mit seinem Sperma und das unangenehme, trockene reibende Gefühl war endlich weg. Sein Penis befand sich noch in den letzten Zuckungen, als er ihn auch schon triefend aus ihr rauszog, um sich erschöpft neben sie fallen zu lassen.

Die Bugwelle des Wasserbetts katapultierte sie dabei fast nach draußen. Langsam drehte sie ihr Gesicht in seine Richtung. Während er neben ihr mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund um Luft rang, betrachtete sie ihn genauer. Ihr Blick wanderte von seinem markanten schmalen Gesicht, über sein kräftiges Kinn weiter runter bis über die trainierte, vor Schweiß glänzende Brust, noch weiter runter zu seinem vor Mösensaft und Sperma klebenden Schwanz. Bei diesem Anblick erschauerte sie kurz. Ihre Augen begutachteten die trainierten aber schlanken Beine, seine Fußgelenke und seine Füße. Er widerte sie an. Alles an ihm. Das dumme debile Grinsen, sein Geruch, sein Körper, sein Schwanz, wie er schmeckte, wie er sich bewegte, wie er redete und am allermeisten der gefühllose, beschissene, egoistische Sex!

Wie immer fühlte sie sich benutzt. Wie eine leblose Puppe, der gerade das Sperma am Arschloch entlanglief, um anschließend auf das Laken zu tropfen. Und genau das war sie. Eine Fickpuppe, in der man sich ab und zu seines Spermas entledigen konnte. Sie drehte sich wortlos mit viel Abstand zu ihm auf die andere Seite des Bettes, fingerte mit der linken Hand ein Taschentuch aus der Nachttischschublade und wischte sich den nach Chlor riechenden Schlonz aus Möse und Arschritze.

Sekunden später fand das Taschentuch mit seinem klebrigen, gelblichen Inhalt seinen Weg auf den Parkettboden neben dem Bett. Helen warf einen letzten Blick aus dem Fenster. Das Wetter war noch immer so trüb wie ihre Laune, und der Kater, trotz Orkan im Wasserbett, noch immer im Tiefschlaf. Nach einem kurzen Seufzer zog sie die Decke bis über den Kopf, schloss die Augen und schlief unbefriedigt und unglücklich ein.

ZWEI

Morgens, sechs Uhr dreißig. Der Wecker neben Helens Bett brüllte in bestialischer Lautstärke los. Schlaftrunken streckte sie den Arm aus, verfehlte den Wecker und erwischte die Wasserflasche, die mit Riesengetöse zu Boden polterte. Jetzt war sie wach. Ihre Fingerspitzen suchten am Weckerrand nach dem erlösenden Schalter. Klick. Endlich Ruhe. Ein kurzer Blick über die Schulter verriet ihr, dass Andrew noch immer fest schlief.

»Andrew, wach auf«, versuchte sie ihn zu wecken und schüttelte ihn sachte am Oberarm. Keine Reaktion.

»Soll er doch verschlafen, der Arsch«, murmelte sie vor sich hin, streckte vorsichtig den Fuß unter der Decke hervor und berührte den Boden. Brrr ... kalt. Sie krallte sich den flauschigen schwarzen Bademantel, der über der Stuhllehne hing und schlüpfte fröstelnd mit Gänsehaut samt steifen Brustwarzen hinein. Auf Zehenspitzen tippelte sie über den eisigen Parkettboden aus dem Schlafzimmer, schnurstracks zur Toilette und ließ sich schwungvoll auf die Klobrille plumpsen. Im letzten Augenblick erinnerte sie sich daran, dass der Gürtel des Morgenmantels an ihrem Hintern in die Kloschüssel hing. Mit einem kurzen Ruck zog sie ihn gerade noch rechtzeitig nach oben, bevor sie dem Rotwein vom Vorabend ihren freien Lauf ließ.

Zu ihrem Leidwesen begann sich der Strahl – einer Gießkanne gleich – in alle vier Himmelsrichtungen zu verteilen, wie üblich nachdem sie Sex gehabt hatte.

»Die Niagarafälle sind nix ... autsch. Fuck!«, begann sie nach den ersten Tropfen zu fluchen. Der Urin brannte wie Feuer an ihrer Scheide. Vermutlich hatte sie kleine Einrisse vom Vögeln.

»Wie ich dieses Trockengeficke hasse!«, murmelte sie vor sich hin. Sie nahm etwas Klopapier und tupfte vorsichtig den Urin und das restliche heraustropfende Sperma vom Vorabend ab. Ein Handspiegel musste Klarheit bringen. Ein Bein auf der Klobrille, drehte sie ihr Becken ins Licht, hielt den Spiegel zwischen ihre Schenkel und betrachtete die noch immer geschwollene Spalte. An der Seite konnte sie deutlich einen rötlichen Riss sehen. Nichts Schlimmes, aber schlimm genug, um ihr den Tag zu vermiesen. Sie nahm eine Tube Wund- und Heilsalbe aus dem Arzneimittelschränkchen und rieb vorsichtig eine dicke Schicht davon auf die betroffene Stelle.

»Besser«, murmelte sie, schraubte den Verschluss wieder auf die Tube, wusch sich die schmierige Salbe von den Händen und ging zur Küche, um sich endlich einen Kaffee zu machen.

Die beiden Katzen Neo und Trinity warteten bereits auf sie. Vorbildlich beide Vorderpfoten nebeneinander, den Schwanz elegant um dieselben geschwungen, saßen sie mit dem freundlichsten und erwartungsvollsten Blick vor ihren Futternäpfen. Sofort besserte sich Helens Stimmung. Sie kraulte die beiden liebevoll am Kopf, bevor sie eine Dose Futter öffnete.

Andrew und sie waren seit mehr als zehn Jahren Vegetarier. »Animal Respect« war ihre gemeinsame Motivation. Daher hatte sie versucht, auch die Katzen entsprechend umzustellen. Beim Trockenfutter klappte es erstaunlicherweise recht gut, doch beim Feuchtfutter zeigten ihr die Stubentiger demonstrativ die Mittelkralle.

Sie schaute den beiden eine Weile zu, wie sie schmatzend ihr Frühstück genossen, bevor sie kochendes Wasser über den zuvor frisch gemahlenen Kaffee goss und durch den Filter laufen ließ.

Trinity saß bereits vor dem Kühlschrank, denn sie hatte den Zusammenhang zwischen Kaffeemühle, Wasserkocher, Kühlschrank und Milch schon lange begriffen. Sobald sie die Kaffeemühle hörte, raste sie von draußen aus dem Garten durch die Katzenklappe in die Küche. Als Belohnung gab es immer einen kleinen Schluck Milch. Man teilt ja gern.

Helen nahm einen Eiweißriegel mit Bananengeschmack aus dem Küchenschrank, schnappte sich die Kaffeetasse und schlurfte hinüber ins Wohnzimmer, um sich auf die Couch zu fläzen. Wie jeden Morgen war dies ihr Frühstücksritual. Hungrig stopfte sie den Riegel hinein und stürzte anschließend gierig den heißen Kaffee hinunter, bis die Tasse leer war. Wohlig räkelte sie sich in den großen Kissen des Sofas.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie spät dran war. Das Büro wartete. Mit einem Seufzer erhob sie sich und verschwand im Bad in der Duschkabine. Das warme Wasser war die reinste Wohltat. Zumindest bis es ihr zwischen den Beinen durchlief. Für einen kurzen Augenblick brannte es wie Feuer und erinnerte sie an den Fickriss. Sie duschte ausgiebig und rubbelte sich anschließend mit einem fliederfarbenen Handtuch trocken. Ein geöffneter roter Cremetiegel stand vor ihr. Helen hielt die Nase rein und sog den süßlichen Duft von Honig, Mandel und Kokos ein. Er hatte etwas Sinnliches. Eine Mischung aus Sonne, Strand und Erotik. Sie liebte diese Körperbutter und verteilte sie überall auf ihrem noch leicht feuchten Körper.

Vor dem Kleiderschrank stehend dachte sie kurz nach, entschied sich aber rasch für eine schwarze Hose und eine hellblaue langärmlige Bodybluse aus weichem fließendem Stoff. Dazu passend trug sie schwarze Stiefel in Wildlederoptik mit halbhohen Pfennigabsätzen. Die langen dunklen Haare band sie, wie fast immer, zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie legte ein dezentes Make-up auf, schnappte sich ihre Hand­tasche, den Schlüsselbund und hüllte sich in den langen Mantel. Noch der letzte Blick in den Spiegel, ein wenig rosa Lipgloss auf die prallen Lippen und weg war sie. Als sie die Tür hinter sich schloss, lag Andrew schnarchend im Bett.

***

Der Herbststurm tobte noch immer. Graue Regenwolken jagten sich gegenseitig am dunklen Himmel und große Tropfen liefen unaufhörlich an den Scheiben hinunter. Helen saß in ihrem Büro auf dem Drehstuhl und blickte vom zwanzigsten Stock über den Central Park. In Gedanken versunken kaute sie ohne Unterlass an ihrem Kugelschreiber und drehte sich in ihrem Stuhl von links nach rechts. Die Fensterfront ihres Büros war gigantisch. Die Panoramafenster reichten von der drei Meter hohen Decke bis hinunter auf den Boden des Zimmers, wo sie sich nahtlos mit dem weichen, dunkelblauen Teppich verbanden. Helles Mobiliar, eine warme LED-Beleuchtung an Wänden und Decke machten den Raum behaglich. Sie liebte dieses Büro. Aber noch mehr liebte sie die Aussicht, die sich ihr jeden Tag aufs Neue bot, hoch oben wie ein Vogel, der frei über allem schwebte: Die Menschen auf dem Gehweg mit ihren bunten Regenschirmen, winzig wie Ameisen, die Autos so klein wie die Spielzeugautos einer Carrerabahn. Verträumt beobachtete sie das anonyme geschäftige Treiben weit unter ihr.

»Hey, Helen«, sagte ein kleiner rundlicher Mann mit dunkelblonden Haaren und einem grauen Anzug. Er stand im Türrahmen ihres Büros. »Bist du soweit? Meeting in zehn Minuten.«

Helen zuckte zusammen und biss vor Schreck fast den Stift durch. Sie drehte sich Richtung Bürotür.

»Schon so spät?«, fragte sie und starrte auf ihre Armbanduhr, die zehn vor zehn anzeigte.

»Alles okay mit dir?«

»Alles bestens, danke, Bob. Geh einfach schon vor, ich komme gleich nach, muss noch schnell ein paar Sachen zusammenpacken. Ich hab es irgendwie ... verpennt.«

Bob schaute sie prüfend an, bevor er sich wortlos umdrehte und auf dem Gang verschwand. Sie blickte ihm hinterher. Er war einer ihrer Lieblingskollegen und ein wahrer Freund. Immer freundlich, immer hilfsbereit, stets gut gelaunt und um ihr Wohl besorgt. Sie wusste, dass er sie mehr als gern hatte, aber wie so oft im Leben war er gefühlstechnisch eben nur ein Kumpel und optisch überhaupt nicht ihr Fall.

Sie klinkte den Laptop aus der Ladestation, nahm den angekauten Kugelschreiber, einen Block und wollte gerade den Schreibtisch verlassen, als das Telefon klingelte. Andrews Nummer blinkte auf dem Display. Sie zögerte kurz, wohlwissend was kommen würde, hob den Hörer dennoch ab.

»Hey, Baby«, sagte sie freundlich, wurde aber unterbrochen.

»Warum hast du mich nicht geweckt? Deinetwegen habe ich verschlafen und bin zu spät zur Arbeit gekommen.« Der vorwurfsvolle Unterton war nicht zu überhören.

»Tut mir leid, ich dachte du warst wach«, log sie.

»War ich nicht!«

»Der Wecker ist so laut, wie kann man ihn bitte überhören?«, begann sie sich zu verteidigen.

»Ich höre den fast nie, und du weißt das!«

»Dann stell dir bitte noch einen zweiten Wecker auf deiner Seite des Bettes, das Thema hatten wir doch schon.«

»Ach so, jetzt ist es also meine Schuld?«, fragte er gereizt, sichtlich auf Streit aus.

»Hör zu, Baby, tut mir leid, dass du zu spät gekommen bist, aber du bist schon auch für dich selbst verantwortlich«, versuchte sie ihn zu beschwichtigen, um einen aufkeimenden Streit mal wieder zu unterbinden.

»Was soll denn das heißen?! Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, mich morgens zu wecken, oder?!«, keifte er ihr ins Ohr und brachte das Fass damit zum Überlaufen.

»Sorry, aber du weißt genau, dass du wie ein Toter schläfst, da könnte auch ’ne Bombe neben uns explodieren oder das Wasserbett auslaufen und du würdest trotzdem weiterschlafen! Ich habe dich schon so oft gebeten, einen zusätzlichen Wecker zu stellen. Wozu hast du dein dämliches Smartphone? Kann ja nicht so schwer sein, den Alarm einzustellen. Andere Männer schaffen das auch. Sogar Kinder wissen, wie das geht. Und weil wir schon von ihnen reden, du bist siebenunddreißig Jahre alt und falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, ich bin nicht deine Mutter.«

»Offensichtlich nicht, denn dann hätte ich ja nicht verschlafen, weil sie mich geweckt hätte!«, brüllte er.

»Fein. Dann würde ich vorschlagen, du lässt dich in Zukunft von Mutti wecken!« Ihre Stimme überschlug sich und einem ihr völlig unbekannten Instinkt folgend, knallte sie einfach den Hörer auf. Sie atmete schwer, das Blut pochte in ihren Schläfen und sie spürte, dass ihre Wangen feuerrot waren. »Du beschissenes Mamasöhnchen!«, fluchte sie halblaut vor sich hin. »Geh zu Mutti, fang an zu heulen und lass dir von ihr die Eier kraulen.« Noch immer stand sie schwer atmend an ihrem Schreibtisch, ihre Hände und Knie zitterten und ihr Magen machte einen doppelten Looping. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so sauer und gleichzeitig so erregt gewesen war. Endlich hatte sie ihm die Stirn geboten.

Wütend und mit diesem eigenartigen flauen Gefühl im Magen, schnappte sie sich erneut ihre Utensilien und hastete aus dem Büro in Richtung Konferenzraum. Auf dem Weg dorthin kamen ihr Zweifel. Hatte sie überreagiert? War er doch im Recht? War sie für alles in ihrer Beziehung verantwortlich? Die anfängliche Euphorie wich der üblichen Unsicherheit. Zurück blieb ein fader Beigeschmack.

***

Die nächsten Tage verliefen trostlos. Der Sturm beruhigte sich nur langsam, ebenso Andrew.

Gegen zwanzig Uhr schloss Helen eines Abends, müde und erschöpft von der Arbeit, die Haustür auf. Andrew saß auf dem Sofa und starrte in den Fernseher. Er schmollte noch immer und schob dabei seine Unterlippe vor.

»Hi«, murmelte sie in seine Richtung, doch er ignorierte sie angestrengt. »Ja, so ist das, wenn man einen Siebenunddreißigjährigen in der fünfjährigen Trotzphase auf der Couch sitzen hat«, nuschelte sie in sich rein, während sie den Mantel an die Garderobe hängte. Doch das Ganze hatte auch sein Gutes. Seit dem Streit stellte sich ihre vermeintlich bessere Hälfte jeden Abend den Wecker seines Smartphones. Sie war zwar endlich nicht mehr der Wake-Up-Service, musste allerdings dafür büßen.

Helen ging ins Badezimmer und ließ warmes Wasser in die Badewanne laufen. Dazu einen Schuss orientalischen Öls, das sich sofort mit dem Wasser verband und aufschäumte. Ein betörender Duft von Blüten und Gewürzen verbreitete sich im Raum. Auf dem Wannenrand sitzend fuhr Helen mit der rechten Hand durch das Wasser. Der Schaum verteilte sich gleichmäßig. Dann zog sie Bluse, Hose und BH aus und ließ ihr Unterhöschen langsam über die Fußknöchel auf den Boden rutschen. Vorsichtig streckte sie den rechten Zeh ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. Angenehm warm. Sie stieg hinein, ging in die Knie und versank langsam mit dem Körper unter Wasser. Der Schaum schaukelte sanft über ihre Brüste. Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Eine Zeit lang lag sie fast schwerelos im Wasser. Dann glitten ihre Finger langsam von ihren Brüsten über den flachen Bauch bis hinunter auf ihren gezuckerten, weichen Venushügel. Mit ihrer rechten Hand strich sie vorsichtig über ihre Klitoris, hinunter zwischen die Schamlippen, zur Möse und wieder zurück. Ihr rechter Mittelfinger begann, sanft auf der Knospe ihrer Klit zu kreisen. Anfangs langsam und leicht, dann erhöhte sie den Druck kontinuierlich. Helens Puls beschleunigte sich. Das Blut stieg ihr ins Gesicht und ihre Schläfen begannen zu pochen. Das Wasser umspielte dabei ihren Körper wie die Wellen eines Ozeans. Das Öl ließ ihren Mittelfinger wie von allein gleiten. Sie spreizte ihre Beine soweit es die Badewanne zuließ. Nur die Knie ragten aus dem Wasser. Ihr Mittelfinger kreiste weiter mit beharrlichem Druck auf dem kleinen Lustspender, der aus der Mitte ihrer Schamlippen ragte. Zeitgleich umschloss sie mit der linken Hand ihre Brüste und begann sie zu kneten. Erst die Rechte, dann die Linke. Vorsichtig, dann fester. Sie kniff sich in die Brustwarzen, die augenblicklich in die Höhe schnellten. Helen stöhnte auf. Ihr Mittelfinger wanderte hinunter zwischen ihre Beine und rutschte in ihre nasse Möse, während sie mit Daumen und Handballen weiterhin ihre Klit bediente. Ihr Finger glitt immer wieder vor und zurück und nahm dabei jedes Mal einen gehörigen Schwall des heißen Badewassers mit hinein, das sich in ihrer Pussy wie heißes, sprudelndes Sperma anfühlte. Rhythmisch bewegte sie das Becken im Einklang mit ihrem Finger. Das Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Puls raste. Sie war kurz vor dem Höhepunkt. Sie öffnete noch einmal kurz die Augen, um sicher zu gehen, dass sie tatsächlich allein im Raum war. Dann hielt sie nichts mehr. Der Mittelfinger berührte innen den G-Punkt, während sich der Handballen auf ihre Klitoris presste, die nun groß und mit Blut gefüllt gierig auf die Erlösung wartete. Und dann kam sie. Wie eine warme, kitzelnde Woge schüttelte es sie durch. Ihre Möse und sämtliche Muskeln darin zuckten. Sie hielt noch einen kurzen Moment inne und kostete das kribbelnde Gefühl voll aus, bevor sie den Finger rauszog. Die inzwischen kalten Knie tauchten zurück in das heiße Wasser. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich befriedigt ... und das alles ohne Mann.

DREI

»Wer zum Henker ist das denn?«, raunte Sarah in Helens Richtung und rammte ihr den Ellenbogen in die Seite, den Blick nicht von dem jungen Mann abwendend, der im Foyer des Agenturgebäudes stand. Helen schaute hinüber.

»Ich hab keinen blassen Schimmer«, flüsterte sie zurück.

Vor ihnen stand ein großer, schlanker, trainierter Mann in Jeans, das weiße Hemd lässig halb offen. Seine Füße steckten in braunen Sneakers. Er sah Ashton Kutcher mit langen Haaren zum Verwechseln ähnlich. Als er die beiden erblickte, grinste er breit über das ganze Gesicht. Umwerfend und entwaffnend. Helen und Sarah liefen rot an, winkten wie zwei ferngesteuerte, hyperaktive Duracell-Häschen im Gleichtakt hinüber und flüchteten dann in Richtung Aufzug. Peinlicher konnte es nicht mehr werden. Theoretisch.

»Hoffentlich ein neuer Kollege. Der ist ja zum Niederknien geil!« Sarah verdrehte im Aufzug verzückt die Augen.

»Kann man sagen. Bisschen jung vielleicht ...«

»Bisschen jung? Sag mal spinnst du?!«

»Der ist wie alt? Mitte Zwanzig?«, fragte Helen vorsichtshalber nach.

»Sag ich doch. Genau richtig. Ich halte es da wie Madonna: Ich bevorzuge junge Männer. Sie wissen zwar nicht, was sie tun, dafür tun sie es die ganze Nacht.«

Helen prustete los. Mal wieder einer von Sarahs Hammersprüchen, die in die Annalen eingehen würden.

»Also ehrlich, Helen. An Prüderie bist du heute nicht zu überbieten. Zieh dir mal den Stock aus dem Hintern. Es soll Leute geben, die daran gestorben sind ... wirklich«, neckte sie.

Sarah war Helens Kollegin und beste Freundin. Vor einem Monat hatten sie alle ihren dreißigsten Geburtstag gefeiert. Seitdem fiel ihr Blick öfter auf Männer, die deutlich jünger waren als sie. Midlife-Crisis vermutlich. Vielleicht aber auch nur die pure Lust am Leben. Helen hingegen war Vierzig und hatte in den letzten Jahren im Prinzip gar keine Männer wahrgenommen, sah man einmal von dem langweiligen Vollpfosten ab, der jeden Abend mit ihr die Couch vollkrümelte und sie regelmäßig über die Bettkante des Wasserbetts kentern ließ. Eine Erkenntnis, die bei längerer Betrachtung Brechdurchfall verursachte.

Sie beneidete Sarah um ihr Single-Dasein und die Tatsache, dass sie so unkompliziert durchs Leben wanderte, sich einfach treiben ließ, egal, was die Gesellschaft dachte. Sie selber drehte sich seit Jahren wie ein Kreisel auf derselben Stelle. Ein Tag wie der andere. Keine Abenteuer, keine Ziele, keine Zukunftsvisionen, keine Männer, keine Erotik, kein Sex ... selber schuld!

Und täglich grüßt das Murmeltier, dachte sie.

»Bleibt es bei Morgenabend zwanzig Uhr? Essen im ›Olive Garden‹ und danach ins ›Marquee‹?«, fragte Sarah und wartete auf die Bestätigung.

»Unbedingt. Alles was du willst, nur nicht zu Hause bleiben.«

»Schmollt der Honk immer noch?«

»Yep.«

»Ich will ja nicht schon wieder auf dem Thema herumreiten und nerven, aber wieso tust du dir das nur an? Seit fünfzehn Jahren eine treue Freundin ohne Fehltritte, und wofür?«

»Selbstgeißelung?«

Sie schauten sich an und lachten los.

***

Helens Finger flogen über die Tastatur des Laptops. Konzentriert arbeitete sie an einer Präsentation für ein neues Produkt. Nicht leicht, neue Dinge auf den Markt zu bringen, wenn dieser bereits gesättigt war. Sie hielt inne und trank einen Schluck Yogi-Tee. Der Ingwer brannte in der Kehle. Nachdenklich starrte sie aus dem Panoramafenster und beobachtete eine Krähe im Kampf mit der Thermik.

»Wie überzeugt man Leute davon, etwas zu kaufen, was es schon in fünfundzwanzig anderen Varianten gibt?« Eigentlich hatte sie sich diese Frage selber gestellt. Umso verblüffter war sie, eine Antwort zu bekommen.

»Indem man es billiger verkauft als die Konkurrenz?«

Helens Kopf schnellte nach rechts. Im Türrahmen stand der Adonis aus der Lobby. Mit offenem Mund starrte sie ihn an, bevor sie nach gefühlten peinlichen zwanzig Minuten endlich ihre Sprache wiederfand.

»So trivial ist es leider nicht. Und du bist ...?«

»... sorry, wo hab ich nur meine Manieren. Ethan. Ich bin Ethan.« Er kam ein paar Schritt näher und reichte ihr die Hand.

Sie drückte kräftig zu. »Helen.«

»Freut mich sehr, Helen. Fester Händedruck. Gefällt mir.« Ethan strahlte schon wieder über das ganze Gesicht und sah ihr tief in die Augen.

Ihre Hand lag noch immer in seiner. Es fühlte sich unverschämt gut an.

»Was verschlägt dich in unsere Agentur ... Ethan?«, fragte sie und entzog sich langsam, wenn auch nur mit Widerwillen, seinen Fingern.

»Studentenjob. Ich verteile für die nächsten Wochen die Post im Haus.«

»Verstehe. Darf ich fragen, wie alt du ... ich meine, was du studierst?« Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Gott war das peinlich.

»Zahnmedizin sechsundzwanzig«, antwortete er prompt.

»Sechsundzwanzig ... was?«

»Mein Alter. Ich bin sechsundzwanzig.«

»Oooh, klar ... sorry. Wo?«, hakte sie nach.

»Wo was?«, fragte Ethan sichtlich verwirrt.

»An welcher Uni studierst du?«

»Ach so ... an der NYU.«

»Kenne ich, die hat einen guten Ruf. Dann sehen wir uns von jetzt an öfter, nehme ich an?« Sie biss sich auf die vorlaute Zunge. Was redete sie da bloß?

»Das will ich doch hoffen.« Wieder dieses Lachen, schlichtweg Hammer! »Aber bevor ich gehe ...«

»Ja?« Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Er reichte ihr ein paar Umschläge. Helen starrte ihn fragend an.

»Post. Deshalb bin ich doch hier. Bis dann, Helen.«

Sie nahm die Briefe entgegen und kam sich wie eine dumme Gans vor. Was hatte sie denn gedacht? Rendezvous bei Kerzenschein?

Ethan verließ das Zimmer und schob sein Postwägelchen weiter über den Gang.

***

Keine dreißig Minuten später klingelte Helens Telefon. Sarahs Nummer blinkte auf dem Display.

»Was hat dich so lange aufgehalten?«, fragte Helen.

»Weißt du, wer gerade ...?«

»Ethan«, unterbrach Helen sie.

»Woher ...?«

»Er war vor einer halben Stunde hier. Er verteilt für eine Woche die Post in der Agentur und studiert Zahnmedizin an der NYU.«

»Sieh mal einer an. Da haben sich die zwei Hübschen ja recht nett unterhalten, wie es scheint. Warum hast du ihn nicht gleich noch gefragt, wie alt ...«

»Sechsundzwanzig«, wurde sie erneut von Helen unterbrochen.

»Meine Güte, Helen! Du hast dir doch nicht etwa endlich den Stock aus dem Hintern gezogen?«

»Bitch«, lachte sie Sarah ins Ohr, »nein, wir haben uns nur kurz unterhalten.«

»Kurz unterhalten? Du weißt, was und wo er studiert und wie alt er ist ... Bei mir hat es nur zu einem flüchtigen ›Hallo, ich bin Ethan‹ gereicht.«

»Vielleicht steht er auf ältere Frauen«, kicherte Helen ins Telefon.

»Hmmm ... könnte sein. Das werden wir dann Morgen­abend sehen.«

»Wie meinst du das?« Helen dämmerte Schlimmes.

»Na ja, ich habe ihm gesagt, dass ich Morgen ins ›Marquee‹ gehe. Erst ist er nicht drauf angesprungen, aber als er hörte, dass du dabei bist, war er gleich Feuer und Flamme.«

»Der Mann ist erst seit ein paar Stunden im Haus und du sagst ihm, wo wir hingehen? Warum?«, stöhnte Helen auf.

»Warum? Bist du blind? Genau darum! Entspann dich und atme zur Abwechslung mal locker durch die Hose, Helen. Wird sicher ein lustiger Abend.« Sarah legte auf und hinterließ eine völlig perplexe Helen, die magentechnisch schon wieder in der Achterbahn saß.

***

Das »Olive Garden« war voll bis auf den letzten Platz. Sarah und Helen studierten hingebungsvoll die Speisekarte. Eine blonde Kellnerin kam zu ihnen hinüber, um die Bestellung aufzunehmen. Sie wählten eine Flasche »Brunello di Montalcino« und eine Flasche stilles Wasser. Außerdem eine klassische Lasagne für Sarah und grünen Spargel mit Parmesan und Risottobällchen für Helen. Auf Helens Smartphone summte es. Sie schaute drauf und ihr Blick verdunkelte sich augenblicklich.

»Andrew?«, fragte Sarah, während sie an einer Grissini-Stange knabberte und die Antwort eigentlich schon kannte. Helen nickte und las die Nachricht.

»Was will der Schmock?«, fragte Sarah.

»Frische Socken.«

»Er will was?«, Sarah starrte sie ungläubig an.

»Ihm sind offensichtlich die Socken ausgegangen, am Samstagabend so gegen zwanzig Uhr. Und wie immer liegt es an mir, weil ich die Putz-, Wasch-, Bügel-, Näh- und Kochfee bin.«

»Du kannst Nähen? Krass!« Sarah kicherte.

»Ich kann sogar Stricken und Häkeln, faszinierend, oder? Unfassbar, dass er nicht mal weiß ...« Weiter kam sie nicht, denn das Handy klingelte.

»Andrew?«

»Ich brauche Socken«, schnarrte es durch die Leitung.

»Mag sein, aber da kann ich gerade nichts für dich tun, ich sitze im ›Olive Garden‹ und esse. Zieh doch die an, die du schon den ganzen Tag trägst, wie jeder andere Mensch auch.«

»Die riechen nicht mehr frisch«, jammerte er durchs Telefon.

»Das ist so bei Schweißfüßen«, antwortete sie.

Sarah verschluckte sich vor Lachen an ihrer Grissini-Stange und hustete.

»Seit einer Woche liegt meine dreckige Wäsche jetzt schon rum und nix ist passiert.«

»Andrew, ich geb dir jetzt einen guten Tipp, also hör genau hin, denn ich werde mich nicht wiederholen: Schmeiß die Wäsche in die Maschine, schließ die Tür, füll oben Waschmittel rein, stell den Zeiger links auf Vier und den Zeiger rechts auf dreißig Grad und drück den Startknopf. Dann hast du in fünfundvierzig Minuten frische Socken, zwar nass, aber frisch. Und dann föhn sie, leg sie über die Heizung, schleuder oder saug sie trocken, mir vollkommen wumpe, aber nerv mich nicht!« Gekonnt drückte sie auf Gespräch beenden.

Sarah johlte. »Ich bin so stolz auf dich, Helen.«

Die Kellnerin kam genau im richtigen Moment. Helen goss den Rotwein großzügig in die Gläser. Das enthusiastische Gefühl musste gefeiert werden, bevor es sich auf den Weg zu einer anderen Person machte. Sie erhob ihr Glas. »Einen Toast: Auf die Männer, die wir lieben und die Penner, die wir kriegen«, sagte Helen laut.

»Dem ist absolut nichts hinzuzufügen. Prost Süße!«

***

Drei Stunden und zwei Flaschen Rotwein später torkelten Helen und Sarah aus dem »Olive Garden« und stolperten direkt in ein Taxi.

»Ins ›Marquee‹, bitte, 289 10th Avenue«, säuselte Sarah leicht angeheitert und kicherte.