Spiel um Sieg und Liebe - Nora Roberts - E-Book

Spiel um Sieg und Liebe E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Amy feiert nach einer Pause ihr Comeback als Tennis-Star. Ihr erstes Match bringt sie nach Rom, wo sie ausgerechnet Tad trifft. Er und sie waren füreinander bestimmt. Das glaubte sie zumindest, aber er wollte plötzlich nichts mehr von ihr wissen. Er hingegen dachte, sie sei einfach mit einem anderen Mann verschwunden. Amy will sich nicht wieder auf den einzigen Mann einlassen, den sie je liebte, aber sie kann sich gegen die Anziehung nicht wehren. Und sie hat ein unaussprechliches Geheimnis. Kann er ihr je wieder vertrauen, wenn er weiß, was sie damals wirklich getan hat?

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Seitenzahl: 278

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Nora Roberts

Spiel um Sieg und Liebe

Roman

Aus dem Amerikanischen von M. R. Heinze

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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Die Originalausgabe Opposites Attractist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Copyright © by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,  Neumarkter Str. 28, 81673 München.Copyright © 1984 by Nora RobertsPublished by Arrangement with Eleanor WilderCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH, HamburgCovergestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/Konstantin KuznetkovSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-12101-3V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

»Vorteil Starbuck.« Es hat sich nichts geändert, dachte Amy. Als der Applaus verklungen war, trat für einen Augenblick Stille ein. Die große Halle war bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Zuschauer warteten auf den nächsten Aufschlag.

Amy saß genau auf Höhe des Netzes und beobachtete Tad Starbuck – den Tennis-Champion und früheren Geliebten, mit dem sie eine unvergessene Zeit verbracht hatte. Seit beinahe zwei Stunden sah sie ihm jetzt schon zu, und immer wieder fiel ihr auf, dass Tad sich überhaupt nicht verändert hatte, weder in seiner Spielweise noch in seinem Aussehen. Mehr als drei Jahre waren vergangen, seit Amy ihm zum letzten Mal gegenübergestanden hatte, und doch hatte sie nichts vergessen, nicht die geringste Kleinigkeit.

Während dieser Jahre hatte sie ihn höchstens einmal im Fernsehen während einer Übertragung gesehen, aber selbst das hatte sie meist vermieden. Nicht nur, dass es sie zu sehr schmerzte, sein Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen, sie hatte es auch nicht ertragen können, wenn sie die vielen anderen aus dem »Tenniszirkus« erkannte, zu dem sie auch einmal gehört hatte und bald wieder gehören würde.

Die Entscheidung war ihr nicht leicht gefallen. Lange hatte Amy alle Vorteile und Nachteile gegeneinander abgewogen und sich dann schließlich doch entschlossen, zu den amerikanischen Hallenmeisterschaften zu fahren und sich damit zum ersten Mal wieder ein Turnier live anzusehen. Es war unvermeidlich, dass sie Tad wieder begegnen würde, wenn sie ihre Karriere erneut aufnahm, darüber war Amy sich im Klaren. Und je schneller sie dieses erste Wiedersehen nach drei Jahren hinter sich gebracht hatte, umso besser.

Sie würde sich so benehmen, dass die Presse, ihre Tenniskollegen und ihre Fans sofort merken würden, dass zwischen ihr und Tad nichts mehr war. Nur zögernd gestand Amy sich ein, dass sie nicht so zuversichtlich war, dass auch Tad das einsehen würde – und sie selbst.

Tad stand hinter der Grundlinie und machte sich bereit zum Aufschlag. Nur zu gut kannte Amy die Bewegung, den abschätzenden Blick hinüber zu seinem Gegner und dann das kraftvolle Ausholen mit dem Tennisschläger in der linken Hand.

Als er den Ball voll traf, hörte Amy das charakteristische Geräusch, das er dabei machte – halb Stöhnen, halb triumphierender Aufschrei. Jeder weniger talentierte Gegner hätte keine Chance gehabt, an den pfeilschnellen Ball heranzukommen. Der Franzose Grimalier jedoch war Tad zumindest in dieser Phase des Spiels beinahe ebenbürtig. Er retournierte den Ball gekonnt – und damit war der entscheidende Satz eröffnet.

Das Publikum ging lautstark mit, feuerte beide Spieler an und applaudierte begeistert, wenn ihnen ein besonders spektakulärer Ballwechsel gelungen war.

Amy konnte nicht ausmachen, wer von beiden die größere Fangemeinde hinter sich hatte. Was Tad betraf, so war es immer schon so gewesen, dass die Zuschauer sich in zwei Lager spalteten. Die einen verehrten ihn abgöttisch, die anderen konnten ihn nicht ausstehen. Nur eines war unmöglich: dass Tad Starbuck einen Tennisfan völlig kaltließ.

Beide Spieler waren sehr beweglich, gingen häufig ans Netz und machten das Spiel dadurch abwechslungsreich und spannend. Das wollte das Publikum sehen – keine langweiligen Grundlinienduelle, bei denen so wenig passierte.

Amy hatte sich vorgenommen, kühl und objektiv zuzuschauen, obwohl sie im Grunde geahnt hatte, dass das nicht möglich sein würde. Dazu war sie viel zu sehr mit Leib und Seele Tennis-Profi, und wenn dann auch noch Tad Starbuck auf dem Platz stand, war es ein Ding der Unmöglichkeit.

Wenn man ihm nur oberflächlich zusah, hätte man meinen können, er sei ein eleganter Spieler mit einer guten Technik. Erst wenn man näher hinsah – oder wenn man ihn so gut kannte wie Amy –, fiel auf, wie viel explosive Kraft in Tad steckte. Sein Spiel wirkte leicht und unverkrampft, aber erst seine ungeheure Kraft und sein nie erlahmender Siegeswille machten ihn zu dem Weltklassespieler, der er war.

Auf den ersten Blick wirkte Tad nicht sonderlich athletisch. Er war groß und schlank, mit langen Beinen, einem immer gebräunten Gesicht und dunklen, krausen Haaren. Die auch jetzt wieder zu lang sind, dachte Amy und lächelte. Wenn auch drei Jahre vergangen waren, so konnte sie sich doch noch so genau an seinen Körper erinnern, dass sie ihn förmlich vor sich sah, wenn sie die Augen schloss.

Schnell schob sie den Gedanken daran beiseite. Das war Vergangenheit, und wenn die Erinnerung auch noch so sehr schmerzte, es gab kein Zurück mehr.

Tad hatte Vorteil, aber wie üblich bedeutete das bei ihm nicht, dass er es jetzt etwas ruhiger angehen ließ. Er kämpfte um jeden Punkt, als hinge sein Leben davon ab. Längst war sein Hemd schweißnass, und immer häufiger wischte er sich mit dem Schweißband am Handgelenk über das Gesicht.

Amy war so in das Spiel vertieft, als stünde sie selbst auf dem Platz. Ihre Handflächen waren feucht und ihre Muskeln so angespannt, als erwarte sie selbst den Aufschlag des Gegners.

Tad schlug den Ball diagonal. Der Franzose hechtete ihm entgegen, erreichte ihn aber nicht mehr.

»Aus!«, rief der Linienrichter im selben Moment. Mit angehaltenem Atem beobachtete Amy Tad. Die Zuschauer waren mit diesem Urteil gar nicht einverstanden. Sie murrten laut, einige pfiffen.

Tad stand noch immer mitten auf dem Platz. Er atmete schwer, seinen Blick starr auf den Schiedsrichter gebannt. Das Publikum hatte sich immer noch nicht beruhigt, und Amy erwartete jeden Moment, dass Tad explodieren würde. Stattdessen hob er langsam den Arm, wischte sich mit dem Schweißband übers Gesicht und ging dann, ohne ein Wort zu sagen, zurück zur Grundlinie.

Unwillkürlich stieß Amy die Luft aus und schüttelte den Kopf. Das war neu an Tad. Früher hätte er sich in solchen Situationen mit dem Schiedsrichter angelegt, und wenn es ganz schlimm kam, hatte er auch schon mal seinen Schläger wütend auf den Platz geworfen. Mehr als einmal hatte er für sein unbeherrschtes Benehmen Strafen einstecken müssen, ohne dass das etwas geändert hätte.

Als es wieder ruhiger in der Halle geworden war, stand Tad noch für einen Moment hinter der Grundlinie. Dann hob er den Schläger, warf den Ball in die Luft und traf ihn mit voller Wucht. Ein Ass! Der Franzose hatte nicht den Hauch einer Chance, an diesen Aufschlag heranzukommen. Ruhig wartete Tad, bis sich der Applaus gelegt und der Schiedsrichter den neuen Spielstand genannt hatte. Dann kam sein nächster Aufschlag.

Grimalier parierte mit der Vorhand, und diesmal hatte Tad Mühe, den Volley zu erlaufen. Er retournierte geschickt, und die nächsten Minuten entwickelten sich zu einem offenen Schlagabtausch. Das Publikum ging begeistert mit, sprang auf und feuerte die Spieler an. Ohne dass sie sich dessen bewusst geworden war, stand auch Amy auf ihren Füßen und schrie aus Leibeskräften.

Mit letzter Anstrengung erreichte der Franzose den »Lob« und schlug den Ball zurück ins rechte Feld. Tad spurtete, bekam den Ball auf die Rückhand und drosch ihn genau in die andere Ecke, wo Grimalier ihn nicht mehr erwischen konnte. Das Spiel war aus. Tad hatte mit drei zu eins Sätzen gewonnen, und das nach zweieinhalb Stunden Spielzeit!

Tad Starbuck war US-Hallenmeister, und das Volk jubelte.

Amy sah zu, wie er auf das Netz zuging, seinem Gegner die Hand schüttelte und dann ins Publikum winkte. Das Spiel hatte sie mehr mitgenommen, als sie vorher gedacht hatte. Aber sicher lag das nur an Tads wirklich mitreißendem Spiel, nicht an ihm selbst.

Wenn sie an den Augenblick dachte, wo sie ihm zum ersten Mal wieder gegenüberstehen würde, spürte sie ihre Nervosität. Wie würde er reagieren? War er immer noch verletzt? Sein Stolz sicher, damit musste sie wohl rechnen. Aber sie war gewappnet. Sie würde ganz kühl und unnahbar bleiben. Schließlich hatte sie diese Haltung ihr ganzes Leben lang eingeübt, es würde ihr nicht schwerfallen.

Sie hatte über dieses erste Zusammentreffen mit Tad mindestens so lange nachgedacht, wie über die Entscheidung, ob sie wieder Profispielerin werden solle oder nicht. Und sie hatte sich fest vorgenommen, sowohl aus der Begegnung mit ihm als auch aus ihren ersten Spielen als Siegerin hervorzugehen.

Nachdem Tad geduscht und sich den Fragen der Presse gestellt hatte, wollte sie auf ihn zugehen und ihm gratulieren. Es wäre besser, hatte sie sich überlegt, wenn sie den ersten Schritt tat und das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatte. Amy sah, wie er auf den Schiedsrichter zuging, ihm die Hand gab und sich bedankte.

Dann drehte er sich um. Langsam und ohne Hast wandte er den Kopf. Selbst auf diese Entfernung wirkten seine Augen dunkel, und der Blick, zwingend, irrte nicht suchend durch die Reihen der Zuschauer, sondern heftete sich ganz gezielt auf sie. Amy spürte, wie ihr Herz plötzlich schneller schlug. Sie hörte nicht mehr die Zuschauer um sich herum, die immer wieder seinen Namen schrien, sie sah nur noch in seine Augen. Amy war unfähig, diesen Kontakt zu brechen.

Dann war es zu Ende, genauso plötzlich, wie es begonnen hatte. Tad wandte sich ab, ein Lächeln ging über sein Gesicht, er reckte beide Arme in die Luft und ließ sich feiern.

Er hat es gewusst, dachte Amy, während die Menschen um sie herum zum Ausgang drängten. Er hat die ganze Zeit gewusst, dass ich hier war. Sie spürte, wie Zorn in ihr aufstieg. Wie früher, so hatte er auch diesmal wieder gewonnen, hatte ihren so sorgfältig erstellten Plan einfach über den Haufen geworfen.

Amy stand immer noch wie festgewurzelt und sah hinunter auf den leeren Platz. Die Zuschauerränge waren schon fast verwaist, aber sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen, ebenfalls zu gehen. Erinnerungen kamen zurück, und es gelang ihr nicht, sie einfach zu ignorieren. Tads Blick hatte einen solchen Aufruhr in ihr verursacht, dass sie all ihre Kraft brauchte, um wieder zur Ruhe zu kommen und ihm begegnen zu können.

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die interessierten Blicke der letzten Zuschauer, die an ihr vorbeigingen, überhaupt nicht bemerkte. Dabei hatten diese Blicke der Männer durchaus ihre Berechtigung. Amy hatte eine schlanke, makellose Figur und eine von den vielen Tennisstunden in der Sonne gebräunte Haut. Ihr Haar war immer noch so kurz geschnitten wie während ihrer aktiven Zeit. Ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht schien eher zu einem Mannequin zu passen als auf einen Tennisplatz, wo Profis verbissen und schweißtreibend um jeden Punkt rangen. Amys große Augen zeigten ein strahlendes Blau. Die dunkle Wimperntusche, die ihre langen Wimpern noch länger erscheinen ließ, war das einzige Make-up, das sie benutzte.

Als sie neunzehn war, hatte einer der Sportreporter, der sie interviewt hatte, für sie den Ausdruck »Das Gesicht« geprägt. Selbst als sie sich dann vom aktiven Sport zurückgezogen hatte, war dieser Name an ihr haften geblieben. Und auch jetzt, immerhin drei Jahre älter geworden, passte dieser Ausdruck noch genauso gut zu ihr.

So schön ihr Gesicht war, so ausdruckslos konnte es auch sein, wenn sie sich ganz unter Kontrolle hatte und nicht wollte, dass jemand in ihrer Umgebung ihre Gefühle davon ablesen sollte. Ihre Gegnerinnen auf dem Platz hatten häufig darüber geklagt, dass man bei Amy nie voraussehen könne, was sie als Nächstes tun werde, da aus ihrer Miene nichts abzulesen sei.

Tennis war so lange ihr Leben gewesen, dass es kaum noch einen Unterschied zwischen der Sportlerin und der privaten Amy gab. Immer wieder hatte ihr Vater ihr eingehämmert, so wenig wie möglich von sich selbst zu offenbaren, den bohrenden Fragen der Presseleute nicht nachzugeben. In ihrem Leben hatte es nur einen gegeben, der sie auch anders kannte – Tad.

Als Amy sich schließlich wieder stark genug fühlte, Tad gegenüberzutreten, machte sie sich auf den Weg in die Kabinen. In den Gängen hinter dem Platz begegneten ihr einige bekannte Gesichter. Eine Spielerin, die damals mit ihr zusammen Profi geworden war, ihre frühere Doppelpartnerin – und dann stand sie plötzlich Chuck Prince, Tads bestem Freund, gegenüber. Er schien sich zu freuen, sie zu sehen.

»Amy!« Er griff ihren Arm und hielt sie fest. »Schön, dich wiederzusehen. Du siehst fantastisch aus.«

Amy lachte erfreut. »Das Kompliment kann ich unbedenklich zurückgeben.«

»Ich habe ja gar nicht gewusst, dass du kommen würdest.« Chuck hielt immer noch ihren Arm fest und führte sie durch die Menschen, die sich in den engen Fluren angesammelt hatten. »Und ich hab dich auch nicht gesehen, bis …« Er brach ab, aber Amy wusste genau, dass er auf den Blick zwischen Tad und ihr anspielte. »Bis nach dem Spiel«, schloss er. »Warum hast du nicht vorher angerufen?«

»Ich war mir bis zuletzt nicht sicher, ob ich wirklich kommen könnte«, antwortete Amy. »Und dann habe ich mich erst einmal auf die Tribüne gesetzt und mir das Spiel angesehen.«

»Ein besseres hättest du dir gar nicht aussuchen können«, meinte Chuck. »Ich habe Tad nie besser gesehen als im letzten Satz. Drei Asse hat er geschlagen.«

»Sein Aufschlag war immer seine stärkste Waffe«, antwortete sie.

»Hast du ihn schon begrüßt?«

»Nein, noch nicht.«

Chuck zögerte. »Amy …« Aber dann fasste er sich doch ein Herz. »Er hat sehr darunter gelitten, als du ihn verlassen hast.«

»Ich bin sicher, er hat sich schnell erholt.« Amy spürte, dass ihre Antwort zu kurz angebunden ausgefallen war. Schnell griff sie nach seinem Arm, lächelte und wechselte das Thema. »Chuck, wie ist es dir ergangen? Ich habe vor kurzem eine Anzeige mit dir gesehen, in der du für die neuen Tennisschuhe wirbst.«

»Und? Wie fandest du mich?«

Amy musste lachen. »So überzeugend, dass ich drauf und dran war, mir welche zu kaufen.«

»Na bitte! Da soll doch noch mal einer sagen, ich wäre nicht für die Werbung geeignet«, meinte er stolz. Dann jedoch wurde er wieder ernst und sah Amy an. »Wir alle haben dich sehr vermisst, weißt du das?«

»Oh, Chuck.« Sie lehnte für einen Augenblick den Kopf gegen seine Schulter. »Ich euch auch. Erst als ich heute hier in die Halle kam, ist mir klar geworden, wie sehr ich euch alle vermisst habe. Drei Jahre sind eine lange Zeit.«

»Aber jetzt bist du ja wieder dabei.«

Amy nickte. »Ja, bald. In zwei Wochen geht es wieder los.«

»Das Foro Italico.«

Amy nickte. »Ja, bisher habe ich noch nie dort gewonnen, aber diesmal werde ich gewinnen.«

»Auf Sand warst du noch nie sonderlich gut.«

Amy zuckte zusammen, als sie plötzlich Tads Stimme hinter sich hörte. Aber einen Augenblick später hatte sie sich wieder in der Gewalt und drehte sich langsam um. Tad sah sofort, dass sie auch aus der Nähe nichts von ihrer Schönheit eingebüßt hatte, und dass sie es auch noch nicht verlernt hatte, sich unter Kontrolle zu halten.

»Das hast du mir immer einzureden versucht«, antwortete sie ruhig. »Du hast sehr gut gespielt, Tad … nach dem ersten Satz.«

Sie standen nur wenige Schritte voneinander entfernt. Beide stellten sie fest, dass die drei Jahre nichts verändert hatten. Und wenn es zwanzig wären, dachte Amy plötzlich, auch dann wäre es noch genauso. Ihr Herz würde immer noch schneller schlagen, der Kloß in ihrem Hals wäre da, und auch das seltsame Gefühl in der Magengegend.

Während sie noch damit beschäftigt war, solche Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen, hatten die Reporter sie in dem engen Gang aufgespürt. Sie drängten so nahe heran, dass Amy noch näher an Tad herangedrückt wurde, und stellten ununterbrochen Fragen.

Ohne ein Wort zu sagen, griff Tad plötzlich nach ihrem Arm und zog sie in ein angrenzendes Zimmer. Bevor die Presseleute noch reagieren konnten, hatte er die Tür von innen verschlossen.

Wie vorhin auf dem Platz, so nahm er sich auch jetzt wieder Zeit, sie ausgiebig zu betrachten.

»Du hast dich nicht verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, Amy«, sagte er schließlich.

»Oh, doch.« Warum nur schlug ihr Herz so hart gegen ihre Brust, dass sie kaum Luft bekam?

»Wirklich?« Skeptisch zog er die Augenbrauen hoch. »Wir werden sehen.«

Tad stand nur einen Schritt von ihr entfernt, aber er fasste sie nicht an. Normalerweise konnte er nicht sprechen, ohne seine Worte mit Gesten zu unterstreichen, und wenn er sich mit jemandem unterhielt, geschah es häufig, dass er seinen Gesprächspartner am Arm packte. Diesmal allerdings stand er ganz still, hielt seine Arme vor der Brust verschränkt und sah sie nur an.

»Bei dir habe ich allerdings eine Veränderung festgestellt«, unterbrach Amy das Schweigen. »Du hast dich nicht mit dem Schiedsrichter angelegt, und als der Linienrichter dem Ball das ›Aus‹ gab, hast du das schweigend hingenommen.«

»Das habe ich mir abgewöhnt.«

»Wirklich? Mir scheint, ich bin nicht mehr auf dem Laufenden.«

»Das scheint mir auch so.«

Amy fühlte sich unbehaglich unter seinem Blick. Sie hatte Angst, er könnte ihre gemeinsame Vergangenheit erwähnen, und war froh, dass das Gespräch sich bisher auf Tennis konzentrierte.

»Ich werde wieder spielen«, sagte sie. Scheinbar unbeabsichtigt trat sie einen Schritt zurück. Sie konnte einfach seine Nähe nicht länger ertragen, ohne ihn auch berühren zu wollen.

Wie oft hatte Amy Tads Körper gespürt! Wie viele Stunden hatten sie miteinander verbracht, in denen er Gefühle in ihr geweckt hatte, von denen sie vorher nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte. Nachts, morgens nach dem Training, nachmittags, wenn draußen der Regen gegen die Fenster prasselte – es gab keine Zeit, die sie nicht ausgenutzt hatten, um sich zu lieben.

Hoffentlich streckte er nicht die Hand aus und berührte sie! Sie wusste nicht, wie sie mit einer solchen Geste umgehen würde, was sie fühlen würde. Verzweifelt verschränkte sie ihre Hände hinter dem Rücken, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Obwohl seine Augen ständig auf ihr Gesicht gerichtet waren, sah Tad diese Bewegung. Er lächelte.

»In Rom?«

Amy räusperte sich. »Ja, in Rom werde ich wieder anfangen. Natürlich als Ungesetzte. Schließlich sind drei Jahre vergangen.«

»Wie steht’s mit deiner Rückhand?«

»Gut.« Ganz automatisch reckte sie das Kinn vor. »Besser als je zuvor.«

Ganz langsam streckte er die Hand vor und griff nach ihrem Arm. Amy spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden. »Das hab ich nie verstanden«, sagte er, »dass in so schlanken Armen so viel Kraft stecken kann. Machst du immer noch Krafttraining?«

»Ja.«

Seine Finger glitten weiter runter bis zu ihrem Ellbogen. »So, so«, murmelte er. »Lady Wickerton kommt also zurück in den Tenniszirkus.«

»Miss Wolfe«, verbesserte Amy sofort. »Ich habe meinen Mädchennamen wieder angenommen.«

Sein Blick suchte vergebens einen Ehering an ihrer Hand. »Dann ist die Scheidung also durch?«

»Ja, vor drei Monaten.«

»Schade.« Seine Augen waren ganz dunkel geworden, als er sie wieder ansah. »Der Titel hat gut zu dir gepasst. Vermutlich hast du dich in diesem englischen Schloss so perfekt benommen, als wärst du dort aufgewachsen.«

»Die Reporter warten auf dich.« Amy wollte sich aus seinem Griff befreien, aber er ließ sie nicht los.

»Warum, Amy?« Er hatte sich geschworen, niemals diese Frage zu stellen, wenn sie ihm noch einmal über den Weg laufen sollte. Aber jetzt konnte er nicht anders. »Warum hast du mich verlassen? Warum bist du ohne ein Wort weggelaufen und hast diesen verdammten englischen Lord geheiratet?«

Amy wehrte sich nicht mehr gegen seinen Griff. Sie stand ganz still. »Das geht nur mich etwas an.«

»Nur dich?«, wiederholte er wütend. »Wir waren bereits seit Monaten zusammen – die ganze Saison über. In der Nacht vorher warst du noch in meinem Bett, und am nächsten Tag bist du mit diesem Lord auf und davon.« Seine Hände griffen noch fester zu, und er schüttelte sie hin und her. »Meine Schwester musste es mir sagen. Du hattest noch nicht einmal den Mut, dich von mir zu verabschieden.«

Äußerlich blieb Amy ganz ruhig und hoffte, dass auch ihre Augen sie nicht verraten würden. »Ich hatte eben meine Entscheidung getroffen.«

»Aber wir waren beinahe sechs Monate lang zusammen«, erinnerte Tad sie.

»Ich war nicht die erste Frau in deinem Bett.«

»Das wusstest du von Anfang an.«

»Ja, das wusste ich.« Sie kämpfte das Verlangen nieder, mit beiden Fäusten gegen seine Brust zu hämmern. Sie musste sich jetzt zusammenreißen, durfte keine Schwäche zeigen. »Wie ich schon sagte, ich hatte meine Entscheidung getroffen. So, und jetzt lass mich bitte gehen.«

Ihre kühle Selbstdisziplin hatte Tad immer ebenso fasziniert wie wütend gemacht. Dabei kannte er Amy so viel besser als alle anderen – sogar besser als ihr Vater, und bestimmt auch besser als ihr Exmann. Er wusste, dass das nur der äußere Schutzwall war, den sie um sich herum aufgebaut hatte. In ihrem Inneren war sie ganz anders, weich und sensibel, wild und leidenschaftlich, wenn sie in seinen Armen lag.

Er wollte sie schütteln – nein, mehr noch wollte er sie spüren, sie küssen und sehen, wie sie die Kontrolle über sich verlor. Aber wenn er diesem Wunsch nachgab, würde er nicht mehr aufhören können.

»Wir sind noch nicht fertig miteinander, Amy«, sagte er, und sein Griff lockerte sich etwas. »Du schuldest mir noch etwas.«

»Nein.« Sie riss sich los. »Nein, ich schulde dir nichts.«

»Drei Jahre«, antwortete er. »Du schuldest mir drei Jahre, Amy, und dafür wirst du bezahlen. Das schwöre ich dir.«

Er öffnete die Tür und ließ Amy den Vortritt, sodass sie keine Möglichkeit hatte, den Reportern zu entkommen.

»Amy, was ist das für ein Gefühl, wieder in Amerika zu sein?«

»Ich bin sehr froh darüber.«

»Was ist an den Gerüchten, dass Sie wieder Profi werden wollen?«

»Beim ersten europäischen Turnier in Rom werde ich wieder spielen.«

Die Fragen überschlugen sich, und die Blitzlichter der Fotoreporter stachen in ihren Augen. Amy hatte sich nie wohl gefühlt, wenn sie von der Presse ausgefragt wurde, und auch jetzt wieder glaubte sie die Warnung ihres Vaters zu hören: Sag nie mehr, als unbedingt nötig. Zeig denen nie, was du fühlst, oder sie reißen dich in Stücke.

Äußerlich ruhig ließ sie alle Fragen über sich ergehen. Ja, sie lächelte sogar, während ihre Augen nach einem Fluchtweg suchten. Tad stand neben ihr an die Tür gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Wird Ihr Vater in Rom wieder bei Ihnen sein?«

»Vielleicht.« Nur nicht zeigen, wie weh diese Frage tat! »Haben Sie sich von Lord Wickerton scheiden lassen, um wieder spielen zu können?«

»Meine Scheidung hat nichts mit meinem Beruf als Tennis-Profi zu tun.«

»Haben Sie Angst davor, gegen die jungen Talente wie Kingston spielen zu müssen?«

»Nein, ich freue mich darauf.«

»Werden Sie und Tad Starbuck wieder ein Paar?«

So hatte Amy sich nun doch nicht in der Gewalt, als dass man ihr ihren Zorn jetzt nicht angemerkt hätte. »Tad Starbuck spielt nur Einzel.«

»Jungs, ihr werdet sehen, ob das so bleibt«, mischte Tad sich mit einem breiten Lächeln ein und legte seinen Arm um Amys Schultern. »Man weiß ja nie, oder, Amy?«

»Nein, bei dir bestimmt nicht«, zischte sie.

»Siehst du!« Immer noch lächelnd beugte er sich plötzlich vor und strich mit seinen Lippen über ihren Mund. Ihre Blicke begegneten sich, und er sah, wie wütend sie war. »Amy und ich haben noch einiges vor«, wandte er sich wieder an die Reporter.

»In Rom?«, fragte einer.

Tad zog Amy noch enger an sich. »Immerhin hat da alles begonnen.«

2. KAPITEL

Rom – die Ewige Stadt. Das Kolosseum, der Trevi-Brunnen, der Vatikan. Eine alte Stadt voller Geschichten, Tragödien und Triumphe. Im Foro Italico brannte die Sonne so auf die modernen Gladiatoren, wie sie es wohl in der Antike getan hatte, als Wagenrennen veranstaltet wurden oder starke, halbnackte Männer gegen wilde Tiere kämpften.

Die Zweige der Pinien wiegten sich leicht im Wind, die Statuen in dem weitläufigen Gelände ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass man sich auf historischem Boden befand, und das italienische Publikum machte seinem Ruf als eines der temperamentvollsten im internationalen Tennis alle Ehre.

Amys Erinnerungen an die unglaubliche, unverwechselbare Atmosphäre auf diesem Centre-Court waren noch genauso frisch wie die Erinnerungen daran, dass hier in Rom alles begonnen hatte. Hier hatte sie vor Jahren ihr erstes Spiel als Profi bestritten, und hier hatte ihre Liebe zu Tad ihren Anfang genommen.

Sieben Jahre war sie alt gewesen, als sie zum ersten Mal bewusst miterlebt hatte, wie ihr Vater ein großes, internationales Turnier gewonnen hatte. Jim Wolfe hatte seine ersten Erfolge als Tennis-Profi bereits vor Amys Geburt gehabt, und ihr Leben lang hatte sie versucht, ihm nachzueifern.

Mit drei Jahren hatte ihr Vater ihr den ersten Schläger in die Hand gedrückt. Da sie immer mit ihm durch die Welt gereist war, hatte es ihr an Trainingspartnern nie gefehlt. Die berühmten Kollegen ihres Vaters und auch er selbst hatten ihr das Einmaleins des Tennis so spielerisch beigebracht, dass sie diesen Sport erlernt hatte, ohne es sich wirklich bewusst zu sein.

Das niedliche kleine Mädchen war damals aus der großen Tennisszene nicht wegzudenken gewesen. Für die Profis war sie fast so etwas wie ein Maskottchen geworden, und sie hatte es genossen. Ihr Leben spielte sich zwischen Tennisplatz und Hotel ab. Geschlafen hatte sie auch schon mal auf dem hinteren Sitz eines Autos, während ihr Vater mit ihr zum nächsten Turnier fuhr. Und der heilige Rasen von Wimbledon, dem Tennis-Mekka überhaupt, hatte ihr als Spielwiese gedient.

Ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter hatte Amy ihrem Vater eröffnet, dass sie Tennisspielerin werden und nicht eher ruhen wolle, bis sie mindestens so erfolgreich sei wie er.

Ihr Vater hatte nicht widersprochen, und wenn Amy so zurückdachte, dann war er eigentlich von dem Tag an in die Rolle des Trainers, Beraters und Managers geschlüpft.

Vierzehn Jahre später, und nachdem sie selbst bereits im Viertelfinale ausgeschieden war, hatte Amy zugesehen, wie Tad Starbuck sein erstes Turnier gewann. Es gab keine Gemeinsamkeiten in der Spielweise ihres Vaters und der von Tad. War ihr Vater der elegante, immer leicht unterkühlte Spieler, so setzte Tad sein ganzes Temperament und seine Wildheit dagegen.

Monatelang hatte Tad versucht, an Amy heranzukommen, sie für sich zu gewinnen, aber immer wieder hatte sie ihn abgewiesen. Sein Ruf als Casanova war ihm vorausgeeilt, und sie hatte sich geschworen, sich nicht in die lange Liste der Frauen einzureihen, die ihm erlegen waren.

Es war für sie alles andere als leicht gewesen, ihm zu widerstehen. Sie hatte sich bereits Hals über Kopf in ihn verliebt, als er ihr zum ersten Mal über den Weg gelaufen war. Trotzdem hatte Amy es geschafft, weiterhin nur ihrem Verstand zu gehorchen und nicht ihrem Gefühl – bis zu jenem Tag im Mai.

Tad hatte fünf Sätze gebraucht, bis er seinen Gegner niedergerungen hatte. Die Italiener auf den Rängen hatten ihn zuerst erbarmungslos ausgepfiffen, aber als sie dann im Laufe des verbissen geführten Spiels merkten, dass er alles gab, sich nicht schonte und bis zum Umfallen kämpfte, hatte er schnell ihre Sympathie und lautstarke Begeisterung gewonnen.

In der Nacht nach diesem Spiel hatte Amy ihre Unschuld verloren. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte nicht der Verstand gesiegt, sondern sie hatte sich völlig ihren Gefühlen untergeordnet. War sie bis dahin so stolz darauf gewesen, sich beherrschen zu können, so lernte sie in jener Nacht, wie wundervoll es war, sich in Tads leidenschaftlicher Umarmung zu verlieren.

Während Amy frühmorgens auf dem Trainingsplatz stand, kamen die Erinnerungen zurück. An wilde, zärtliche Nächte, an Stunden voller Lachen und Neckereien. Die Erinnerungen waren bitter und doch so süß, dass sie sich nicht davon befreien konnte.

»Wenn du heute Nachmittag genauso unkonzentriert bist, wird die Kingston dich vom Platz fegen.«

»Oh, es tut mir leid«, schreckte Amy plötzlich auf.

»Das sollte es auch, wenn eine alte Frau morgens um sechs aufsteht, um mit dir zu trainieren, du aber mit deinen Gedanken ganz woanders bist.«

Amy lachte. Auch mit dreiunddreißig war Madge Haverbeck auf der anderen Seite des Netzes immer noch eine Gegnerin, die ihr das Leben schwer machen konnte. Zweimal hatte sie im Laufe ihrer Karriere Wimbledon gewonnen – nicht zu zählen die anderen Siege bei Turnieren auf der ganzen Welt. Zwei Jahre lang hatten Madge und sie sehr erfolgreich Doppel gespielt, und Amy dachte gerne an diese Zeit zurück. Madges Mann war Professor für Soziologie an der Yale Universität, und wenn sie von ihm sprach, nannte sie ihn immer nur den »Professor«.

»Nun, alte Frauen sollten auch nicht auf dem Tennisplatz stehen«, neckte Amy sie lächelnd. »Geh lieber in die Cafeteria und trink einen Kaffee mit viel Milch.«

Madge gab keine Antwort, aber stattdessen kam der nächste Ball mit einer solchen Wucht über das Netz, dass Amy alle Mühe hatte, ihn richtig zurückzubringen. Jetzt war ihr Ehrgeiz geweckt, die Gedanken an Tad waren in den Hintergrund gedrängt, für sie existierte nur noch Tennis.

Madge hatte nicht vor, ihr einen ruhigen Morgen zu gönnen. Sie gestaltete ihr Spiel so variantenreich, dass Amy gezwungen war, über den Platz zu hetzen. Zurück zur Grundlinie, auf die andere Seite, dann wieder ans Netz. Die Bälle flogen ihr nur so um die Ohren, und sie musste ihr ganzes Können einsetzen, um dem standzuhalten.

Der Boden auf den Plätzen hier in Rom behagte ihr überhaupt nicht. Für einen schnellen, aggressiven Spieler war der sandige Untergrund viel zu langsam. Auf diesem Boden waren Kraft und Ausdauer mehr gefragt als Spritzigkeit und Schnelligkeit. Amy war froh, dass sie bei der Vorbereitung auf dieses Turnier sehr viel Wert auf Krafttraining gelegt hatte. Das kam ihr jetzt zugute.

Madge konnte einem hart geschlagenen Return von Amy nur noch bedauernd nachsehen.

»Auch nach drei Jahren Pause bist du noch verflixt gut«, meinte Madge schwer atmend und mit anerkennendem Lächeln.

Amy holte tief Luft. »Danke, Madge, aber ich habe mich auch sehr intensiv vorbereitet.«

Madge hätte gern gefragt, ob sie während ihrer Ehe nie gespielt habe, aber sie kannte Amy viel zu gut, um ihr eine solche Frage zu stellen, auf die sie mit Sicherheit keine oder nur eine ausweichende Antwort bekommen würde. »Die Kingston spielt nicht gern am Netz. Denk dran, Amy, da kannst du sie packen.«

»Ich weiß.« Amy sammelte die Bälle auf und steckte sie in ihre Tasche. »Ich hab mir angesehen, wie sie spielt. Und ich schwöre dir, heute wird sie gar nicht erst zu ihrem Spiel kommen.«

»Aber sei vorsichtig, sie ist auf Sand besser als auf Gras.«

Amy sah auf und lächelte. »Das macht nichts. Glaub mir, nächste Woche stehe ich auf dem Centre-Court.«

Madge schlüpfte in ihre Trainingsjacke und lachte laut auf. »Mir scheint, dein Ehrgeiz ist noch der alte, oder?«

»Darauf kannst du dich verlassen.« Amy griff nach ihrer Tasche und ging hinüber zu Madge. »Und was ist mit dir? Wie willst du gegen Fortini spielen?«

»Ich werde sie in Grund und Boden spielen.«

»Oh, Madge, du hast dich auch nicht verändert.«

»Wenn du mir vorher gesagt hättest, dass du wieder zurückkommst, hätten wir beide in dieser Saison schon wieder zusammen Doppel spielen können«, meinte Madge. »Die Fischer ist zwar nicht schlecht als Partnerin, aber …«

»Madge, ich konnte diese Entscheidung erst treffen, als ich ganz sicher war, dass ich nichts verlernt hatte«, unterbrach Amy sie. »Drei Jahre sind eine lange Zeit. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für einen Muskelkater hatte, nachdem ich das erste Training hinter mir hatte.«

»Doch, das kann ich. Mir ist es nach meiner Operation auch nicht anders ergangen.«

»Oh, ja, Madge. Entschuldige bitte.« Amy griff nach ihrem Arm. »Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie es deinem Knie geht.«

»Gut. Die Operation war die einzig richtige Lösung.«

»Es tut mir leid, dass ich dich nicht besuchen konnte.«

Madge legte einen Arm um ihre Taille. »Ich habe nicht von dir erwartet, dass du Tausende von Kilometern anreist, nur um mich zu besuchen, Amy.«

»Ich wäre gekommen, aber …« Amy brach ab. Genau in der Zeit, als Madge im Krankenhaus lag, war ihre Ehe endgültig zerbrochen. Sie konnte auch jetzt noch nicht daran denken, ohne dass ihr ein Schauer über den Rücken lief.

»Es war auch gar nicht so schlimm, wie die Presse es hingestellt hat«, riss Madge sie aus ihren Gedanken. »Als die Schmerzen weg waren, hab ich es sogar genossen. Stell dir vor, der Professor hat mir doch jeden Morgen das Frühstück ans Bett gebracht.«

»Und dann hast du im ersten Spiel die Rayski in New York geschlagen.«

»Ja.« Madge lachte. »Das hat mir wieder Auftrieb gegeben.«

Amy ließ ihren Blick über die schöne Anlage gleiten. Sanfte, bewaldete Hügel grenzten sie im Hintergrund ein, die Luft so früh am Morgen war lau und weich, die einzigen Geräusche kamen von den weiter entfernten Trainingsplätzen. »Ich muss dieses Turnier gewinnen, Madge«, sagte sie leise. »Ich muss es allen beweisen, dass ich nichts verlernt habe.«

»Wem willst du das beweisen?«

»Zuallererst einmal mir«, antwortete Amy und nahm die Tasche in die andere Hand. »Und einigen anderen ebenfalls.«

»Tad Starbuck?«, fragte Madge ganz spontan. »Nein, sag nichts. Es tut mir leid, Amy, ich wollte eigentlich nicht davon anfangen.«

»Was zwischen Tad und mir war, ist vor drei Jahren zu Ende gegangen«, antwortete Amy ganz ruhig.

»Schade. Ich mag ihn nämlich.«

»So?«