Spiritueller Rausch der Lust | Erotischer Roman - Henriette Jade - E-Book

Spiritueller Rausch der Lust | Erotischer Roman E-Book

Henriette Jade

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 184 Taschenbuchseiten ... Als Jette den Fotografen Henri kennenlernt, findet sie Zugang zu einer ihr neuen Welt voll sexueller Passion. Henri konfrontiert sie mit einem Spiel von Lust und Schmerz, Eingrenzung und Befreiung, Dominanz und Hingabe. Als sie mit ihm einen Sex-Club besucht, der in einer umgebauten Kirche stattfindet, wird sie vor große Herausforderungen der körperlichen Lust gestellt. Jette fühlt die spirituellen Energien in diesem besonderen Club. Hierbei spielt die Statue der Ekstase der heiligen Theresa von Avila eine ganz besondere Rolle, aber auch der geheimnisvolle Clubbetreiber Oliver. Er hat eine unglaubliche Überraschung für sie … Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 252

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Impressum:

Spiritueller Rausch der Lust | Erotischer Roman

von Henriette Jade

 

Henriette Jade (geb. 1978) ist eine deutsche Autorin. Sie hat Kultur- und Kunstwissenschaften studiert, lebt in Berlin und arbeitet in der Erwachsenenbildung. Sie veröffentlicht zu den Themen Geschichte, Kultur und Erotik. Ihr Motto hierbei lautet: „Im neuen Blick auf Gewohntes liegt ein ungemein großer Reiz!“Henriette entspannt bei längeren Wanderungen in den Bergen, isst gern Rhabarberkuchen und experimentiert nicht nur in der Liebeskunst, sondern auch mit ausgefallenen, selbst gemachten Marmeladensorten wie Holunder-Quitten-Gelee. In ihren Romanen kombiniert sie die intensiven Momente erotischer Geschichten mit historischen und kulturphilosophischen Sujets. So entsteht eine prickelnde und gleichzeitig tiefgründige Mischung.

 

Lektorat: Nicola Heubach

 

 

Originalausgabe

© 2020 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © AlexAnnaButs @ shutterstock.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783964772626

www.blue-panther-books.de

Prolog

Dieses Strömen, dieses Fließen, so tief und stark in mir ... Für mich, für ihn und auch für alle Menschen. Ich wollte alle an diesem mächtigen Gefühl teilhaben lassen, es offenbaren und zeigen. Das war meine Mission.

Wie es sich in mir anfühlte, während ich mit ihm Liebe machte, wie es dann plötzlich kam und sich einen Weg durch mich hindurch bahnte. Es war ein Abenteuer, eine Expedition, eine Reise zu mir selbst. Ich genoss die Liebkosungen meines mystischen Liebhabers, der mich fand, mich umschloss und mich überraschte. Das Zusammenziehen und das anschließende Lösen waren wie ein Ausatmen ... So befreiend trieb er es mit mir. Es war nie gleich, ähnlich ja, aber im konkreten Geschehen stets individuell.

Ich sah mich selbst ... von außen, wie ich so dalag, die Arme über dem Kopf ausgestreckt, die Finger in einer Mudras-Haltung, die Augen geschlossen, den Mund weit aufgerissen. Aus meiner Kehle entlud sich ein vibrierender Ton lange und kraftvoll im Strom des Ausatmens. Ich war ganz im Klang, in einer sanften Schwingung, durch die ich präsent war und ganz bewusst wahrnahm.

Endlich war ich angekommen. Schon nach dem berühmten ersten Mal wusste ich, da musste noch mehr sein, da geht noch viel mehr, und ich wollte es. Das war der ausschlaggebende Punkt, mich nicht mit einem kleinen netten Gefühl oder einer schönen Lust zufriedenzugeben, sondern ich wollte mehr verlangen, tiefer verlangen, nach Höherem streben, extremer sein.

Was war ich? Ein Körper, in dem sich eine orgastische Energie zeigte, der Höhepunkt der Lust, der Glückseligkeit. Ein Medium des Allerhöchsten. Eine indische Gottheit, ganz in sich ruhend. Eine mediatrix, wie im Mittelalter die Gottesmutter Maria genannt wurde, die Liebe gibt und den Geist einhüllt in ihr Fleisch. Das Resultat sexueller Ausschweifungen, eine Gekreuzigte und Genagelte. Was ich wurde und war, war ich, genauso wie ich bin.

Alles fing damit an, dass ich Henri kennenlernte und dass ich diesen seltsamen Auftrag angenommen hatte, was mich beides zur Erkenntnis brachte, dass die christliche Religionsausübung gar nicht so sexfeindlich war, wie ich es bis dahin immer geglaubt hatte.

1. Sankt Maria

Ich trat in die Pedale und lehnte meinen Oberkörper weit nach vorn. Eilig überwand ich die Straßenerhöhungen aus Pflastersteinen. Jetzt nur nicht mit dem Vorderreifen in den Fugen hängen bleiben. Ich wollte pünktlich zur Arbeit kommen, auch wenn niemand überprüfte, wann ich genau anfing.

Ich hatte seit zwei Wochen einen neuen, sehr inspirierenden Job. Es ging um die Instandsetzung einiger Kunstobjekte, die zwar nicht aus dem Mittelalter stammten, aber Nachbildungen aus dieser Zeit waren. Und das war ein hartes Stück Arbeit, denn die Schäden waren beträchtlich. Dennoch hatte ich mich über das Angebot gefreut. Der Auftrag lautete, zwei Skulpturen, zwei alte Blätter in Rahmungen und ein Gemälde zu restaurieren. Mein Kunde Oliver, ein agiler Geschäftsmann Mitte fünfzig, mittelgroß, mit Lederboots und immer einem lockeren Spruch auf den Lippen, hatte anscheinend ein Faible für religiöse Kunst – außergewöhnlich für solch einen Typ. Oder es war sein sicheres Gespür für einen neuen Party-Trend: Die Kunstobjekte sollten in seinem Nachtclub ein neues Zuhause finden. Kann man sich so etwas vorstellen!

Ich bog in die Pistoriusstraße ein, wechselte auf den Bürgersteig und fuhr mit Schwung in die Einfahrt zur Marienkirche.

Nachdem das Fahrradschloss eingerastet war, schaute ich mich auf dem Vorplatz der Kirche um. Das Gebäude lag von der Straße aus etwas nach hinten versetzt und wurde von den angrenzenden Wohnhäusern eingefasst. In der Mitte des Platzes, gleich am Sockel mit der Marienstatue, sah ich Bodo und Adrian, zwei Typen, die bei der Einrichtung des neuen Clubs halfen. Bodo war groß und kräftig und trug meist einen schwarzen Kapuzenpulli. Seine schulterlangen Haare waren zum Zopf gebunden. Adrian war schlanker und kleiner. Seine Jeans hing ihm auf halb acht und entblößte ein Tattoo oberhalb seines Gesäßes. Sie hoben Kartons aus einem weißen Lieferwagen auf eine Sackkarre und schoben sie langsam zum rechten Nebeneingang der Kirche.

Der in der Mitte liegende Haupteingang war verschlossen. Meine Augen blieben wieder an den aufwendig in Stein gearbeiteten Verzierungen des Portals hängen: Links und rechts wurde es von zwei Frauengestalten bewacht – die eine verkörperte die Ekklesia, die andere die Synagoge. Die Frauengestalt der Synagoge hatte die Augen verbunden und den Kopf seltsam nach hinten gedreht, als hätte man sie gefesselt. Während ich noch in die Betrachtung versunken war, warf ich mir meine Fahrradtasche über die Schulter, schob mir noch ein Pfefferminzbonbon in den Mund und ging hinter Bodo und Adrian her in Richtung Nebeneingang.

Als ich an ihnen vorbeikam, rief Adrian: »Guten Morgen, Madame da Vinci.«

Sehr witzig, dachte ich, viel mehr fällt dem auch nicht zum Thema Kunst ein. Ich ging weiter und bemerkte, wie er meinen Hintern förmlich taxierte. Ich hatte eine weibliche Figur mit einem runden, vollen Po und einer schlanken Taille. Ich war siebenunddreißig Jahre alt und ein femininer Typ, trug gern Röcke und Kleider. Adrians Blick schickte einen Stich durch meinen Unterleib und erinnerte mich daran, dass mein letzter Sex schon länger her war. Ich sehnte mich nach Berührungen. Ich wollte wieder Leidenschaft spüren, jemanden begehren und begehrt werden.

Das mächtige Eichenportal der Kirche war so schwer, dass ich es mit meinem gesamten Gewicht aufziehen musste, um hineinzukommen. Wie die Schleuse in eine andere Welt, dachte ich. Ein trockener Luftzug strömte mir aus dem Inneren entgegen, der staubige Geruch von Weihrauch und Kerzen. Ich schlüpfte ganz hinein und war abermals angenehm überrascht, wie taghell und offen die Atmosphäre war. Die Glasscheiben der Fenster waren nicht bemalt, sodass die Gegenstände im Kirchenraum den Anschein erweckten, als stünden sie unter freiem Himmel. Die Holzbänke waren mittlerweile weggeschafft worden, sodass eine große Freifläche entstanden war, die durch die schlichten, beigen Bodenfliesen mit Schwertlilien eine besonders eindrückliche Grundierung erhielt. Im Mittelschiff thronte nach wie vor der goldverzierte Altar, über dem das auffällige Kruzifix zu schweben schien. Das Gefühl der Erhabenheit durchströmte mich. Rechts davon hatte Oliver die vier Beichtstühle mit ihren dunkelroten Vorhängen stehen lassen.

Mit hallenden Schritten durchquerte ich das Mittelschiff der Kirche und lief in die Seitenkapelle. Hier stand in der Mitte des zirka dreißig Quadratmeter großen Raumes das Taufbecken. Von draußen fiel ausreichend Licht herein – optimale Bedingungen für meine Restaurierungsarbeiten. Ich stellte meine Fahrradtasche ab, um die mitgebrachten Sachen auszupacken. Dann wandte ich mich den Kunstobjekten zu, um sie erneut auf mich wirken zu lassen. So hatte ich es bisher jeden Morgen gehalten – ich näherte mich meiner Aufgabe erst einmal meditativ an. Danach entschied ich mich, an welchem Detail ich heute weiterarbeiten wollte.

Auf meinem Arbeitstisch stand eine kleine Skulptur aus bemaltem Nussbaumholz. Es war eine Kopie der »Christus-Johannes-Gruppe« des Meisters Heinrich von Konstanz, die ich schon zu Studienzeiten sehr bewundert hatte. Johannes der Täufer hatte seinen Kopf auf Jesus Schultern gelegt und die Augen geschlossen. Diese Geste ließ auf eine sehr innige und ruhende Beziehung voller Hingabe schließen. Daneben lag in einem Rahmen der Nachdruck einer Buchmalerei aus dem 15. Jahrhundert, der die Selbstgeißelung der Katharina von Siena vor dem Kreuz Christi zeigte. Der Rahmen war angegriffen, es gab einige Fehlstellen zu beheben.

Warum Oliver nun gerade an diesen beiden Arbeiten Interesse zeigte und die mittelalterlichen Werke für seinen Club erworben hatte, war mir schleierhaft. Es war schon ungewöhnlich genug, ausgerechnet eine Kirche für einen Erotik-Club anzumieten, aber diesen dann auch noch mit mittelalterlichen Kunstwerken aus Frauenklöstern zu bestücken, schien mir gewagt, fast schon frevelhaft. In Berlin war zwar alles möglich und in Bewegung, immer wieder wurden ungewöhnliche Orte gefunden, um Events zu starten und Partys zu feiern, aber was wollte er mit diesen Werken in einem Nachtclub? Ich spürte, dass ich mich innerlich über diese Entweihung aufregte. Im Mittelalter hatte doch alles einen Bezug zu Gott gehabt. Es war um die geistige Liebe gegangen, die Nonnen und Mönche dem Einen, dem Großen, entgegengebracht hatten. Sie hatten in den Klöstern ein keusches Leben geführt. Und so schwang bei meiner Restaurierungstätigkeit auch immer ein wenig Skepsis hinsichtlich der Verbindung von Klosterkultur und Sex-Business mit. Aber was tat ich nicht alles für den Erhalt historischer Kulturgüter.

Oliver war ganz stolz darauf gewesen, in Italien eine Nachbildung der »Ekstase der Heiligen Theresa von Avila« erwerben zu können, die im 17. Jahrhundert von Bernini in Marmor verewigt worden war. Ich hatte die Statue in die Mitte des Raumes auf einen Sockel stellen lassen, damit ich sie von allen Seiten bearbeiten konnte. Leider waren der Fuß und die Hand von Theresa stark beschädigt. Weniger Arbeit würde mir vermutlich eine Kopie des Holzschnitts mit dem Titel »Aristoteles und Phyllis« von Lucas van Leyden aus dem 16. Jahrhundert machen. Der Holzschnitt zeigte, wie Phyllis auf dem Rücken des Philosophen saß, ihn am Zügel führte und eine Peitsche schwang. Ähnlich wie bei der »Selbstgeißelung« der Katharina von Siena galt es hier, nur den Rahmen zu restaurieren. Und dann war da noch ein letztes Werk, das ich auf eine Staffelei gestellt hatte: »Die Lactatio des heiligen Bernhard von Clairvaux«. Das bunte Ölgemälde von Alonso Cano aus dem 17. Jahrhundert zeigte, wie der Mönch in seinem Mund einen Milchstrahl aus der Brust von Maria empfing. Die Kopie des Originals hatte lange in einem Frauenkonvent in Spanien gehangen und dort einen schwerwiegenden Schaden durch Feuchtigkeit davongetragen.

Für Oliver war es einerlei, wenn nicht alles wieder originalgetreu hergestellt wurde. Als er mir das gesagt hatte, dachte ich nur: du Banause! Alles nur Deko, was? Für ihn ging es lediglich um seinen Club und eine beflügelnde Atmosphäre. Als Restauratorin war ich in diesem Punkt überhaupt nicht seiner Meinung. Für mich waren alle diese mittelalterlichen Kunstobjekte wahre Schätze, die es unbedingt zu erhalten galt, auch wenn es sich nur um Kopien der Originale handelte.

Heute sprach mich das Bild der »Lactatio« besonders an. Ich zog meinen Arbeitskittel an und nahm Pinsel und Spatel zur Hand, schob den Hocker vor die Staffelei und fing mit der Beseitigung von Schmutzablagerungen an.

Nach einiger Zeit hörte ich aus dem Hauptschiff Schritte und Stimmen. Zwei Elektrotechniker unterhielten sich darüber, dass der Altar einem DJ-Pult Platz machen sollte. Tanzfläche, Boxen und Lichtanlage sollten dahin, wo vorher die Holzbänke gestanden hatten. Die zwei Männer standen vor dem Altar und betrachteten Pläne und Skizzen. Dann sah ich Bodo und Adrian in die Kirche kommen. Adrian schob eine Sackkarre in Richtung Krypta, auf die er einen gynäkologischen Stuhl geschnallt hatte. Die Krypta befand sich im mittleren Unterbau der Kirche. Bodo kam hinterher und schleppte ein Andreaskreuz mit schwarzen Lederschlaufen.

Ich schüttelte unmerklich den Kopf und wandte mich schnell wieder meiner Arbeit zu. Wo würde man wohl das Gemälde der »Lactatio« in den neuen Räumlichkeiten hinhängen? Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich mit vierzehn Jahren in Köln konfirmiert worden war und vor der versammelten Gemeinde eine Bibelstelle hatte auswendig vortragen müssen. Mein Sprechen schien mir damals im weiten Kirchenraum eine so große Tragweite zu haben. Und nun? Dröhnende Musik und Lichtanlage.

Die katholische Gemeinde hatte in diesem Stadtteil Berlins anscheinend zu wenige Mitglieder, als dass sich die Bewirtschaftung von zwei Kirchengebäuden finanziell noch tragen ließe. An der Marienkirche war erst der Betreiber von »Torres Tobewelt« interessiert gewesen, der Erlebnisparks für Kinder mit Labyrinth und Hüpfburg einrichtete. Als er abgesprungen war, war der Gemeinde schließlich noch Oliver geblieben. Er hatte den Erhalt der baulichen Substanz und die Übernahme und schonende Nutzung vieler Einrichtungsgegenstände zugesichert, wie etwa der Beichtstühle, sodass er einen Mietvertrag für zunächst drei Jahre bekommen hatte. Er plante, eine Theke zu bauen und ein paar Separees im Seitenschiff einzurichten, und dann sollte es in ein paar Monaten losgehen. Ich widmete mich wieder der Restaurierung. Der Firnis musste runter, er war total vergilbt.

***

Gegen halb vier packte ich meine Sachen zusammen, um meine beiden Kinder von der Kita abzuholen. Draußen trat ich ins Sonnenlicht, schwang mich aufs Rad und gliederte mich in den Berufsverkehr ein.

Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig, stellte mein Rad ab und ging zügig auf das Eingangstor zum Kita-Garten zu. Von der Terrasse aus suchte ich mit forschenden Blicken nach meinen Kindern. Meistens sah mich meine fünfjährige Tochter Zoe eher als ich sie. Sie schien ab einer gewissen Uhrzeit mit mir zu rechnen. Und auch heute strahlte mir ihr Gesicht schon entgegen. Als sie zu mir kam, streichelte ich über ihr feines Haar. Sofort kam auch Lukas auf mich zu, der sich gern in der Nähe seiner drei Jahre älteren Schwester aufhielt. Er blickte mich mit seinen braunen Augen schelmisch an.

Die Kinder wollten unbedingt Eis essen gehen. Also sammelten wir die Jacken und Bastelarbeiten aus den Fächern der Garderoben ein, dann ging es zur Eisdiele.

»Mango-Lassi in der Waffel mit Streusel«, sagte Lukas wie aus der Pistole geschossen. Wenn es ihm wichtig war, dann lief er mit seinen zwei Jahren bereits zur Höchstform auf.

Vor dem Laden quetschten wir uns auf eine Holzbank, die von der Sonne beschienen wurde. In der Ferne sah ich eine große, schlanke Frau mit zwei Kindern herankommen. Es war Sonja, die ich aus dem Pekip-Kurs und aus der Kirchengemeinde kannte. Ich winkte ihr zu, und wir begrüßten uns herzlich.

Mit Sonja verband mich ein vertrautes Gefühl, obwohl wir nur locker miteinander befreundet waren. Sie war mir zur Zeit der Trennung von Philip eine gute Freundin gewesen. Philip hatte damals eine neue Frau kennengelernt und sich Hals über Kopf verschossen, da hatte kein Reden und Bitten mehr geholfen. Auch Sonja hatte es kaum fassen können – in ihrer Welt gehörte ein Stein auf den anderen, da hatten blindwütige Affären keinen Raum.

»Wie läuft es mit Philip?«, fragte sie.

Ich zuckte die Schultern. »Hab jetzt ab und an sturmfreie Bude. Die Kinder übernachten regelmäßig bei ihm.«

In der Tat kümmerte sich Philip fürsorglich um die beiden. Ich konnte Sonja berichten, dass ich wenig Grund hatte, mir Sorgen zu machen.

»Allerdings regt er sich auf, wenn ich mal fünf Minuten zu spät bin!«

»Immerhin hast du etwas Zeit. Auch nicht schlecht!«, sagte sie.

»Das stimmt. Und soll ich dir mal was verraten: Seit neuestem date ich wieder. Ich will jetzt endlich den Richtigen finden, auch für die Kinder!«

Überrascht zog Sonja die Augenbrauen hoch. »Echt? Das geht aber fix, mutig, mutig!«

Weil ihre Kinder in der Schlange langsam unruhig wurden, kramte Sonja in ihrem Buggy und fischte zwei Trinkflaschen und Frischhalteboxen mit fein säuberlich geschnittenem Obst und Gemüse heraus. Dadurch wurden die Standards mütterlicher Fürsorge wieder einmal eine Latte höher gehängt. Eine top organisierte Mutter eben und davon gab es am Prenzlauer Berg viele.

Kurze Zeit später verabschiedete sie sich. Pünktlich um achtzehn Uhr wollte sie für ihre Kinder das Abendessen auf dem Tisch haben. Alles perfekt geplant eben. Ich schlug ebenfalls den Heimweg ein.

***

Nach dem Essen leitete ich heute das allabendliche Zu-Bett-Geh-Ritual etwas schneller ein, und las nur zwei Kapitel vom kleinen Drachen Kokosnuss vor, denn ich wollte gleich noch meine E-Mails checken. Doch nachdem ich das Licht gelöscht hatte, klingelte erst einmal das Telefon. Es war meine Mutter.

»Na, hattet ihr einen schönen Tag? Und hat sich schon etwas ergeben, im Internet-Portal?«, fragte sie.

Meine Mutter wollte immer gern alles wissen und auf dem Laufenden sein. Nach der Trennung hatte ich in meinen Eltern, besonders in ihr, großen Rückhalt gefunden, wodurch unser Verhältnis viel enger geworden war. So war sie, nachdem Philip mich während der Schwangerschaft mit Lukas alleingelassen hatte, nach der Geburt vier Wochen am Stück bei uns gewesen.

Dass sie nun so mitfieberte, war ihrer Sorge um mich geschuldet und ihrer Hoffnung, dass es vielleicht doch noch mit einem neuen Mann klappen könnte. Obgleich sie eine Feministin der alten Schule war, hieß sie seit neuestem sogar Online-Singlebörsen gut, und es war keine Rede mehr von »sich billig anbieten« oder dergleichen.

Ich berichtete ihr noch eine Weile und als sie auflegte, nahm ich mir reflexartig ein Pfefferminzbonbon. Es gehörte zu den Eigenarten meiner Mutter, dass sie stets Pfefferminzbonbons in der Tasche, der Schublade oder auf der Küchenanrichte bunkerte.

Nach dem Telefonat öffnete ich meinen E-Mail-Account und sah, dass Henri meinen Vorschlag für unser erstes Date bestätigt hatte:

»Morgen Nachmittag um fünfzehn Uhr klappt, bin sehr gespannt auf dein Lächeln, möchte dir am liebsten schon jetzt tief in die Augen blicken, liebe Grüße Henri!«

Ich schrieb jetzt seit einer Woche mit ihm, konnte mir aber noch kein richtiges Bild von ihm machen. War er nicht vielleicht doch ein wenig überschwänglich und manipulativ? Er hatte mir jeden Tag geschrieben, um den Kontakt zu mir nicht zu verlieren und mein Wohlwollen hinsichtlich eines realen Treffens aufrecht zu erhalten. Stets hatte er mir in seinen Mails ziemlich geschmeichelt. Besser gesagt, mich mit sexuellen Anspielungen überhäuft. Das entsprach eigentlich nicht meinen bisherigen Flirtgewohnheiten. Doch diese Art, auf direkte erotische Weise mit mir umzugehen, reizte mich irgendwie. Ich war neugierig auf ihn – umso mehr, als ich ansonsten gar nicht so viel von ihm wusste, noch nicht einmal, was er beruflich genau machte und ob er Kinder hatte. Das würde ich erst bei unserem ersten Date erfahren.

2. Eine überraschende Begegnung

Wir hatten uns an der Oberbaumbrücke in Friedrichshain verabredet. Ich war zuerst da. Nervös zupfte ich an Rock und Bluse. Von der Spree her wehte ein leichter, warmer Wind, der mir durch die Haare strich. Mein zartrosa Look, die Hochsteckfrisur und die flachen weißen Schuhe gefielen mir gut. Ich wartete gespannt. Was er wohl sagen würde, wenn wir uns gleich gegenüberstehen würden? Welche Klamotten würde er tragen? Ob er wohl wie in seinen Mails mit mir flirten würde? Schweißperlen bildeten sich auf meiner Nasenspitze, wie immer, wenn ich nervös wurde.

Und dann sah ich ihn. Langsam kam er auf mich zu. Ich schluckte. Er trug eine Stonewash Jeans, Turnschuhe, Ohrringe und einen Kapuzenpulli, unter dessen rechtem Ärmel ein großes Tattoo hervorblitzte. Mir war zwar klar, dass ich bisher nur seine Mails und sein Foto kannte, doch hatte ich geglaubt, ihn zumindest ein wenig einschätzen zu können. Die Realität allerdings übertraf nun meine Vorstellungswelt bei Weitem: Ich konnte kaum glauben, wie enorm fremd er mir erschien. Sollte das der Typ sein, der laut des Persönlichkeitstests der Partnervermittlung besonders gut zu mir passte?

Er begrüßte mich freundlich, und wir blickten uns erwartungsvoll an. Seine Augen schickten mir ein Lächeln, und seine tiefe Stimme hüllte mich im Nu ein. Doch drangen gleichzeitig seine äußere Erscheinung und sein Outfit vollends in mein Bewusstsein wie eine graue, unbekannte Landschaft, die mich ins Wanken brachte. Ich holte tief Luft, und Ernüchterung machte sich breit. Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt.

Er aber ergriff die Initiative und schlug vor, gemeinsam einen Kaffee in der Cafeteria der nahe gelegenen »Universal Music Studios« zu trinken. Ich spürte, wie ich mich innerlich dagegen sträubte, und sich meine Beine kaum in Bewegung setzen ließen, doch dann gab ich mir einen Ruck. Ich wollte keine Spielverderberin sein.

An der Theke bestellten wir Cappuccino und Milchkaffee. Er bezahlte. Sein Portemonnaie zog er aus einer Hüfttasche von »Eastpak«, so eine hatte ich das letzte Mal auf meiner Interrail-Tour vor zwanzig Jahren gesehen. Nachdem wir feinen, braunen Kakaostaub auf unsere geschäumte Milch gestreut hatten, setzten wir uns an einen freien Tisch mit Blick auf die Spree. Er verriet mir seinen Nachnamen. Ich sagte ihm, dass Jette eine Kurzform von Henriette wäre, und ich es lustig fände, dass sein Vorname Henri dann ja in meinem Vornamen Henriette enthalten sei. Mit solchen feinsinnigen Gedanken spielte ich gern.

Interessiert blickte er mich an, ging aber nicht näher darauf ein, sondern fragte: »Ist das dein erstes Date?«

»Ja, richtig. Mein allererstes.« Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

»Okay, dann darf ich jetzt wohl nichts falsch machen. Na, dann stoßen wir auf unser erstes Treffen erst einmal an!«, fuhr er fort.

Wir hoben unsere Kaffeetassen und prosteten uns zu. Ich erzählte ihm von mir, von meiner Tätigkeit als Restauratorin und meinen akademischen Ambitionen.

Er stellte sich als gelernter Maurer vor. »Aber vor gut dreizehn Jahren habe ich die Fotografie entdeckt und mich damit selbstständig gemacht.«

Es kam mir seltsam vor, dass er davon in seinem Online-Profil nichts erwähnt hatte, und so hakte ich gleich einmal nach: »Aber warum nennst du im Netz dann als Beruf ›Flirtcoach‹? Das passt doch gar nicht zusammen.«

Er antwortete flachsend: »›Flirtcoach‹ hört sich doch viel spannender an als ›Maurer‹ oder ›Fotograf‹, findest du nicht?«

Diese Antwort schien mir wenig befriedigend. Ich dachte bei mir, der will sich wahrscheinlich einfach nur interessant machen. Ich entschuldigte mich, ließ meine Handtasche in seiner Obhut und ging in Richtung Toiletten. Dort hielt ich inne und schaute in den Spiegel.

Wie bringst du ihm jetzt bei, dass du dich gern verabschieden möchtest? Was sagst du nur? Vielleicht: »Ich habe es mir überlegt, ich denke, wir passen nicht zusammen ...«? Andererseits hatte ich meine Babysitterin für zwei Stunden bestellt. Und was hatte ich schon zu verlieren? Hin- und hergerissen ging ich wieder zurück zum Tisch und beschloss dann, es auf einen weiteren Versuch ankommen zu lassen.

Schließlich kamen wir auf die Filme von David Lynch zu sprechen. Sachkundig beschrieb er den typischen Stil von Lynch, und tatsächlich – ich hörte fasziniert zu. Ihm entging nicht, dass ich ganz Ohr war, und da ergriff er die Gelegenheit, den Mittelfinger meiner linken Hand zu berühren. Floss durch diesen Finger eine besondere Kraft? Sofort spürte ich eine kribbelnde Energie, die in meinen Finger strömte und mich sehr aufmerksam werden ließ. Heute weiß ich, dass Lynch wohl ein süßer Köder gewesen war und dass Henri seine Begabungen mit »Flirtcoach« durchaus gut getroffen hatte. Ich konzentrierte mich nun mehr und mehr auf ihn, auf das, was er erzählte, und auf unseren gemeinsamen Moment. Er schob seine Hand in meine. Dann beugte er sich zu mir herüber, ganz nah, und schaute mir in die Augen. Seine Körperspannung drang stark auf mich ein. Ich wollte ihn berühren. Langsam näherte ich mich seinem Gesicht und drückte meine Lippen auf seine. Er wich nicht zurück. Vorsichtig und sehr bedacht tasteten sich unsere Lippen vor. Sein Atem floss in meinen Mund. Dann spürte ich seine forschende Zunge und schloss die Augen. Seine Zunge kreiste in meinem Mund, dann stieß sie tiefer und kam wieder höher. Ich folgte diesen zärtlichen Stimulationen, indem sich meine Zunge an seine schmiegte und versuchte, sie festzuhalten, dann saugte ich an seiner Zunge, wollte sie ganz zu mir, in mich hineinziehen. Es war, als würde ich an ihm kleben. Er erwiderte meinen Kuss und gab mir immer wieder seine Zunge. So ging es einige Sekunden, daraus wurden Minuten, eine Viertelstunde ... Unsere Küsse wurden immer intensiver. Dies ging solange, bis die Cafeteria geschlossen wurde, und wir von der Bedienung aufgefordert wurden, zu gehen.

Wir nahmen unsere Sachen und verließen das Café, doch wir konnten noch nicht voneinander lassen und setzten uns im Foyer auf eine Couch, um uns weiter zu küssen. Da war plötzlich eine Anziehung zwischen uns, die sehr vereinnahmend war und mich Zeit und Ort vergessen ließ. Was war da bloß mit ihm, warum war ich so hin und weg? Er hatte die Ärmel seines Sweatshirts nach oben geschoben, und ich schaute mir sein Tattoo am Unterarm zwischendurch genauer an. Die Vorderseite zeigte zwei schwarzhaarige Mädchen mit langen roten Fingernägeln und schwarzen Sternen, die kokett an Lollis lutschten. Drehte man den Arm um, war ein weißer Hase mit schwarzem Zylinder, Frack und einer Taschenuhr zu sehen, der mahnend zu sagen schien: »Folge mir, schnell, wir haben keine Zeit.«

***

Irgendwann gingen wir. Die Empfangsdame des Hauses, eine blondierte Mittvierzigerin, grinste. Wir standen auf der Straße. Er bot mir einen Fruchtkaugummi an, den ich zögernd nahm. Ich war noch ganz verwirrt. Was war da bloß gerade mit mir passiert? Fragend kaute ich mich durch die Zuckerglasur. Mein Begehren nach Berührung und nach Küssen war so schnell entflammt worden. Ich spürte meine tief sitzende Sehnsucht nach Liebe und Sex, die ich so lange unterdrückt hatte. Der sauer-süße Geschmack des Kaugummis prickelte an meinem Gaumen und blieb mir eine Rückfahrt lang im Mund.

***

Zu Hause setzte sich dieser Schwebezustand fort. Ich fertigte die häuslichen Angelegenheiten routinemäßig ab und spürte meinen Körper so, als würde er neben den Dingen stehen, die passierten.

Lukas, mein Sohn, wollte mehr Schokolade. Ich gab sie ihm. Zoe mochte länger aufbleiben, ich gewährte es ihr. Ich war ganz versunken in meinen Gedanken und fühlte noch Henris Lippen auf meinen, diese Zungenküsse, perplex darüber, dass meine Sehnsucht nach Berührung so stark aus mir herausgebrochen war. Ich hörte den ganzen Tag lang nichts von ihm.

***

Am nächsten Morgen meldete ich mich schließlich selbst. In meiner E-Mail brachte ich meine Zweifel darüber zum Ausdruck, ob wir überhaupt zueinander passten. Ich schrieb, dass wir in zwei völlig verschiedenen Welten lebten und der Altersunterschied viel zu groß wäre. Er war um die fünfzig, also mehr als zehn Jahre älter als ich. In seiner Antwortmail pflichtete er mir zwar bei, unterstrich aber, dass doch gerade das den Reiz ausmachte. Dass er sicherlich über mehr Lebenserfahrung verfügen würde, von der ich nur profitieren könnte. Wieder trug er ganz schön dick auf, wie ich fand. Und obwohl es mir nicht gefiel, dass sein Bildungsniveau so gar nicht dem meinen entsprach und sein Klamottenstil katastrophal war, gelang es ihm dennoch, mich zu einem nächsten Treffen zu überreden.

»Am Flutgraben in zwei Tagen«, einigten wir uns.

3. An Kanälen entlang

Als ich den Flutgraben in Kreuzberg erreichte, war er schon da. Mit einer verspiegelten Sonnenbrille stand er vor mir, sodass ich seine Reaktion auf unser Wiedersehen nicht einschätzen konnte. Wahrscheinlich hatte er sich über den Effekt, dass er mit der Spiegelbrille unnahbar erschien, keine Gedanken gemacht. Oder war es gar seine Absicht?

Wir gingen ins Restaurant »Der Freischwimmer« und suchten uns einen Tisch am Kanal. Jetzt endlich nahm er seine Brille ab, und ich blickte in seine grünen, ovalen Augen. Sein Haar war grau-meliert und etwas länger. Er wirkte trainiert, was ihm eine besondere Jungendlichkeit verlieh.

Als er meinen Blick erwiderte, stieg ein leichtes Kribbeln in mir auf. Gespannt konzentrierte ich mich auf ihn. Er erzählte mir von seiner Kindheit in Kreuzberg. Dann beschrieb ich ihm meinen Alltag mit Zoe und Lukas, dass mir meine Zeit bedauerlicherweise nicht zur freien Verfügung stand. Er nickte zu diesem Thema nur, konnte sich da nicht so direkt hineinversetzen. Er selbst hatte keine Kinder und führte ein Singleleben, wie er fast schon stolz zugab. Dann nahm er meine Hand und streichelte sie, führte sie zu seinen Lippen und bedeckte sie mit kleinen Küssen, zog dann zwei meiner Fingerspitzen zu seinem Mund. Diese schob er zwischen seine Zähne, biss leicht zu und hielt mich so gefangen. Mich überkam eine Gänsehaut. Ich konnte mich kaum mehr rühren und geriet in einen fast schon hypnotischen Zustand. Ich folgte seinen Bewegungen und hing im wahrsten Sinne des Wortes an seinen Lippen. Ich war seine Beute. Und er hatte mich am Wickel und wusste, dass ich an ihm klebte. Hinter ihm sah ich die rote Backsteinziegelmauer des gegenüberliegenden Fabrikgebäudes und das davorliegende vibrierende Wasser des Kanals, für einen Moment, der ewig zu dauern schien.

Schließlich aber kam ich zurück ins Hier und Jetzt. Ich löste meine Finger aus seinem Mund, und er gab sie frei. Wir verließen das Restaurant und spazierten Hand in Hand los. Doch schon auf der nächsten Brücke griff ich nach seinen Hüften und zog ihn an mich. Da war sie wieder, meine so lange unterdrückte Lust. Er ging auf sie ein, indem er meinen Nacken packte und mich küsste. Sanft schob er mir seine Zunge in den Mund. Ich fühlte seine Bewegungen und erwiderte sie. Wieder war unsere Berührung so intensiv, dass die Zeit stillzustehen schien und der Moment auf der Brücke uns einschloss. Als wir uns wieder lösten, war es geradezu eine selbstverständliche Konsequenz, seiner Aufforderung zu entsprechen und ihn nach Hause zu begleiten.

***

Er wohnte nicht weit entfernt in einer aufwendig ausgebauten Fabriketage. Zunächst liefen wir durch den Görlitzer Park. An lilafarbenen Rhododendronblüten summten Bienen. Auf der anderen Seite des Parks ging der Weg weiter durch eine schmale Straße, bis wir ein großes Tor erreichten, das offenbar auch Autos als Einfahrt diente. Wir gingen bis zum zweiten Hof und betraten den Seiteneingang eines alten Gewerbegebäudes. Die knarrenden Holzdielen auf der Treppe waren noch original.

Henri drückte meine Hand fester und nahm mich mit in die zweite Etage. Die zwei Schlösser der riesigen Metalltür schloss er umständlich auf. Dahinter verbarg sich noch eine zweite Tür, die eher einer normalen Wohnungstür glich. Was für eine Trutzburg. Auch sie hatte ein Sicherheitsschloss, das Henri entriegelte.

Das Loft hatte hohe Decken und war mit teurem Parkett im Fischgrätenmuster ausgelegt. Direkt vor uns lag die offene große Küche und dahinter kam ein Raum mit Säulen ins Blickfeld, die verputzt und weiß gestrichen waren. Henri führte mich durch die Küche hindurch gleich in diesen großen Raum. Vor seinem Kamin blieben wir stehen, und er erklärte stolz, dass er ihn selbst eingebaut hätte. Dann zeigte er mir im angrenzenden Bad den Whirlpool und die Sauna, die ich bewundernd betrachtete. Richtig zum Wohlfühlen. Überall standen Kameras, Lampen, Monitore und weitere technische Geräte für seine Fotoaufnahmen. Sogar ein Tonstudio hatte er sich eingerichtet, weil er früher ab und an auch Filme gedreht hatte.

»Magst du etwas trinken?«, fragte er dann einladend und ging zum Kühlschrank.

Ich nickte.

Er entschied sich für eine Flasche Rosé-Champagner, öffnete sie routiniert, füllte die Gläser und reichte mir eines. Wir prosteten uns zu.

»Also hier machst du deine Fotos?«, begann ich das Gespräch.

»Genau. Meistens kommen die Models zu mir, nur ab und an fahre ich zu ihnen«, erläuterte er.

»Und was sind das für Bilder, die hier entstehen?«