Spurlos - Niklas Quast - E-Book

Spurlos E-Book

Niklas Quast

3,8

Beschreibung

Lewis, Janet, Jeff und Liz erhoffen sich ein Abenteuer, ein Wanderurlaub in den Bergen, genau nach ihrem Geschmack. Trotz einiger beängstigender Vorkommnisse während der Fahrt in die Berge entscheiden sie sich, zu bleiben. Als sie allerdings auf die Rucksäcke einer verschollenen Wandergruppe stoßen und nach und nach mysteriöse Anzeichen auf deren Verbleib finden, beginnt ein Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint ...

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Zum BUCH

2005: Lewis, Janet, Jeff und Liz erhoffen sich ein Abenteuer, ein Wanderurlaub in den Bergen - genau nach ihrem Geschmack. Trotz einiger beängstigender Vorkommnisse während der Fahrt in die Berge entscheiden sie sich, zu bleiben. Als sie allerdings auf die Rucksäcke einer verschollenen Wandergruppe stoßen und nach und nach mysteriöse Anzeichen auf deren Verbleib finden, beginnt ein Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint...

1995: Idyllische, weite Wälder und glasklare Seen… Nichts anderes wollen Marcel, Inge, Matthias, Gudrun, Alexander und Ralf, als sie sich dazu entscheiden, einen Urlaub in den Bergwäldern zu machen.

Doch dann verliert sich jede Spur von ihnen…

Zum AUTOR

Niklas Quast, geboren 2000, entdeckte früh seine Leidenschaft für das Schreiben. Zurzeit absolviert er eine Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Spurlos ist sein Debüt.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Epilog

1

Lewis stopfte sein T-Shirt in den Rucksack. Janet hatte ihren schon längst gepackt- nur bei Lewis dauerte es wie immer ein bisschen länger.

»Nun mach schon!«, drängte Janet.

»Wir haben nicht ewig Zeit. Außerdem warten Jeff und Liz bereits.«

»Ist ja gut. Aber es ist doch erst 12:35 Uhr, wollten wir uns nicht um 13:00 Uhr treffen?«

»Eigentlich schon, aber sie sind auch schon fertig. Wir können also früher starten.«

»Klingt logisch«, meinte Lewis zustimmend.

»Wie alles, was ich sage«, witzelte Janet.

»Das wage ich zu bezweifeln!«

Lewis musste lachen.

»Bist du dir sicher?«

»Ja. Lass uns los, ich bin jetzt fertig.«

»Wenn du meinst.«

Janet sah ihn zweifelnd an, Lewis konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Sie gingen zum Auto, Lewis schloss die Fahrertür auf. Im Inneren des Wagens war es enorm heiß, er startete den Motor und schaltete sofort die Klimaanlage an. Die kühle Luft tat beiden gut. Es war ein heißer Sommertag, schon zur Mittagszeit waren es laut des Thermometers fünfunddreißig Grad. Viel zu warm, wenn es nach Janet ginge. Deshalb hatte sie einen Wanderurlaub in den Bergen vorgeschlagen – um der Hitze zu entfliehen, wenn auch nur für fünf Tage. Die Idee war bei allen gut angekommen, nur Lewis hatte zu Anfang noch etwas darüber nachdenken müssen. Aber ihr zuliebe hatte er sich darauf eingelassen- und Janet war froh.

Lewis fuhr den Wagen rückwärts vom Hof auf die Straße.

Durch die Hitze weichte der Asphalt langsam auf, an einigen Stellen taten sich große Schlaglöcher auf. Den Pflanzen war die wochenlange Hitze auch schon anzusehen, viele hatten diese Zeit nicht überlebt.

Plötzlich ertönte ein Hupgeräusch. Janet sah im Rückspiegel, wie ein blauer Chevrolet heranraste und ihnen beinahe hinten auffuhr. Lewis schlug auf die Hupe.

Der Beifahrer kurbelte das Fenster runter und streckte während des Überholvorganges den Mittelfinger heraus.

»Vollidiot!«

»Was sollte das denn?«, fragte Janet irritiert.

»Ach keine Ahnung.«

Lewis wirkte verunsichert.

Er bog wenig später von der Straße auf den unbefestigten Weg vor Jeffs Haus ab. Der Kies knirschte unter den Reifen, und er fuhr so weit vor, bis die Front seines Wagens beinahe das Garagentor berührte. Nach einer Minute erschienen Jeff und Liz vor dem Haus, sie gingen in Richtung des Wagens. Beide trugen einen Rucksack auf den Rücken, Jeff öffnete Liz die Tür und stieg anschließend von der anderen Seite aus selbst in den Wagen. Lewis musste lächeln. Ein echter Gentleman.

»Na ihr beiden«, begann Liz das Gespräch.

»Wie siehts aus? Freut ihr euch schon?«

»Was denkst du denn?«, fragte Janet zurück.

»Ich wäre überrascht, das Gegenteil zu hören. Vorallem weil es ja deine Idee war.«

Er zwinkerte ihr zu.

»Eine gute Idee?«, wollte Janet von ihrer Freundin wissen.

»Das wird sich noch herausstellen. Aber ich denke schon.«

Liz grinste.

»Und du, Lewis?«

Liz sah ihn fragend an.

»Was?«

Er war so in den Straßenverkehr vertieft, dass er von dem Gespräch zwischen Janet und Liz nicht viel mitbekommen hatte.

»Ob du dich schon freust.«

»So einigermaßen.«

»Wo kaufen wir denn unseren Proviant?«, wechselte Liz das Thema.

»Gleich kommt ein Supermarkt«, sagte Lewis.

»Was und wie viel wollen wir denn überhaupt mitnehmen?«, schaltete Jeff sich ein.

»Wir müssen Sachen für vier Tage kaufen. Vieles wird nicht in die Rucksäcke passen, das bleibt dann halt im Kofferraum. Wir nehmen immer nur die Dinge, die wir für den jeweiligen Tag brauchen, mit. Wir werden öfter zum Auto zurückkehren müssen, da wir nicht alles transportieren können.«

»Aber womit...«

Lewis schnitt Jeff das Wort ab.

»Ich habe einen Campingkocher dabei. Darüber können wir uns kleinere Mahlzeiten zubereiten, und es ist ja nur für vier Tage, das geht ja noch.«

»Wir werden es schon aushalten«, erwiderte Liz zuversichtlich.

»Fünf Tage, weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Klingt wie ein billiger Horrorstreifen«, meinte Janet und lachte.

Sie steuerten auf den Parkplatz des Supermarktes zu.

Lewis ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Die Filiale des „Walmart“ hatten er und Janet schon des öfteren besucht, das letzte Mal vor etwa zwei Wochen, als sie Lewis Geburtstag gefeiert hatten. Auf dem Parkplatz standen einige Autos, und als Lewis sah, wer direkt vor der Eingangstür parkte, wurde ihm mulmig zumute. Es war der blaue Chevrolet, das Auto, mit dem sie beinahe den Unfall gehabt hatten.

»Was ist? Du siehst geschockt aus.«

Jeff wandte sich fragend an seinen Freund.

»Das Auto. Es ist uns vorhin beinahe aufgefahren und hat uns dann mit einem mordsmäßigen Tempo überholt. Als ob das nicht schon genug wäre, hat der Beifahrer auch noch den Mittelfinger in die Luft gestreckt, als ich gehupt habe.«

»Waren bestimmt nur solche Teenager-Idioten. Du weißt schon, die Jugend von heute«, meinte Jeff.

»Und wenn dem nicht so ist?«

Lewis war sich unsicher.

»Mit denen werden wir schon fertig. Mach dir keinen Kopf.«

Er parkte den Wagen mit etwas Abstand zu dem blauen Chevrolet, während Jeff, Liz und Janet schon zum Eingang des Supermarktes gingen. Er stieg aus, ging an dem blauen Chevrolet vorbei und begab sich selbst ins Innere des Marktes, wo sie ihn bereits erwarteten.

»Was denkst du, was sollen wir kaufen?«, wollte Jeff wissen.

»Na ja, ich habe wie gesagt einen Campingkocher, das heißt, wir können uns kleinere Mahlzeiten wie Ravioli oder sonst was zubereiten.«

»Ravioli klingt doch gut«, mischte sich Liz in das Gespräch ein.

»Wie viel wollen wir denn davon mitnehmen? Zwei Dosen? Oder vier?«, fragte Jeff »Erstmal zwei. Gibt ja auch noch andere Möglichkeiten«, war die Antwort von Lewis.

»Und du Janet? Was schlägst du noch vor?«, ergänzte er.

»Ravioli ist okay. Wir können uns noch Spaghetti mitnehmen, dann haben wir schon für zwei Tage Essen.

Die Frage ist, was wir die restlichen Tage zu uns nehmen wollen.«

»Ich könnte mein Glück beim Jagen versuchen. Ich... bin ziemlich gut«, gab Jeff nicht ohne Stolz von sich.

»Klingt gut. Hast du dich informiert, welche Tiere du da jagen kannst?«, fragte Lewis neugierig.

»Von Kaninchen über Rehe bis hin zu Hirschen und sogar auch Bergpumas. Alles dabei. Außerdem gibt es dort eine Menge Seen, in denen viele Fischarten beheimatet sind. Deswegen habe ich auch mein Angelzeug eingepackt.«

Im Augenwinkel bemerkte Lewis, wie zwei mittelgroße Gestalten den Gang neben ihnen entlanggingen. Es waren zweifellos die beiden Chevrolet Fahrer, Lewis erkannte sie an den Haaren desjenigen, der ihnen den Mittelfinger entgegengestreckt hatte.

»Scheiße!«

»Was ist denn?«

Jeff sah ihn fragend an, Janet übernahm das Wort.

»Das sind die beiden, die in dem Chevrolet saßen«, flüsterte sie.

Plötzlich kam einer der beiden jungen Männer genau auf Lewis zu. Er trug eine Baseballkappe mit dem Logo der Boston Red Sox.

»Entschuldigt mal eben. Könnt ihr uns kurz helfen?«

»Klar«, meinte Liz.

»Was sucht ihr denn?«

»Wir suchen nur Alkohol, aber das ist ja erstmal nebensächlich.«

Er zwinkerte ihr zu.

»Mein Name ist übrigens Josh. Er dahinten heißt Edward, ihr könnt ihn aber auch Ed nennen.«

»Hi«, sagte Ed.

»Mein Name ist Liz. Das ist mein Freund, Jeff, und das sind Lewis und Janet.«

Ein enttäuschter Blick huschte über Josh's Gesicht, als Liz erwähnte, dass Jeff ihr Freund sei. Liz lächelte. Josh war klein und stämmig, Ed etwas größer aber auch nicht gerade schlank. Jeff schätzte beide auf siebzehn, sie wirkten ungepflegt. Josh fuhr mit der Hand durch seine fettigen braunen Haare. Ed hatte rote Haare, die ihm an seiner verschwitzten Stirn klebten.

»Ihr sucht Alkohol?«, fragte Jeff, um wieder zum ursprünglichen Thema zurückzukommen.

»Ja. Soll schon was Härteres sein«, meinte Josh.

»Wozu braucht ihr das?« fragte Liz.

»Wir werden in die Berge fahren. Wandern, saufen...

Genau das Richtige!«, sagte Josh und lachte.

Lewis wurde übel. Jetzt fahren die Spinner uns auch noch hinterher, dachte er. Das kann ja was werden.

»Wir fahren auch in die Berge, für vier Tage. Ihr könnt euch uns gerne anschließen«, erwiderte Liz.

Lewis und Janet blickten sie entsetzt an.

»Das Angebot nehmen wir gerne an. Wohin fahrt ihr genau?«, fragte Josh neugierig.

»In die Berge halt. Folgt uns einfach.«, sagte Liz lachend.

»Machen wir. Oder Ed? Was denkst du?«

»Das ist eine sehr gute Idee!«, erwiderte sein Freund gut gelaunt.

»Gut.«

Josh ließ seinen Blick durch die Regalreihen streifen.

Lewis‘ Laune befand sich auf dem Tiefpunkt. Was soll das?, fragte er sich. Was bezweckt Liz damit, diese beiden mitzunehmen?

»Dann kaufen wir den Rest ein und fahren los. Bleibt ihr auch fünf Tage?«, wandte Liz sich an die beiden jungen Männer.

»Logo. Fünf Tage ist eigentlich zu wenig, aber mehr konnten wir nicht machen. Besser gesagt mein Chef wollte nicht mehr machen«, meinte Josh und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Habt ihr euch denn schon genug Proviant geholt?«

Liz sah die beiden fragend an.

»Viel brauchen wir nicht. Chips, Schokolade... Das Übliche halt, hier sieht unsere Ernährung auch nicht viel anders aus.«

Kein Wunder, dass die so aussehen, dachte Lewis.

»Wir kümmern uns um die richtigen Mahlzeiten. Ravioli, Spaghetti... Was noch?«, fragte Liz.

»Wozu brauch man schon richtige Mahlzeiten?«, fragte Josh mehr sich selbst als die anderen.

Lewis wollte erst „Vielleicht, um nicht so auszusehen wie du“ sagen, verkniff sich jedoch die Bemerkung, um nicht unnötigen Ärger heraufzubeschwören.

»Na ja, ich habe keine Lust, mich die ganze Zeit von Chips und Schokolade zu ernähren. Das ist doch auf Dauer nichts. Außerdem hat es viel zu viele Kalorien«, meinte Jeff bestimmt.

»Kalorien zählen, hab ich noch nie gemacht«, murmelte Josh.

Lewis wollte darüber gar nicht weiter nachdenken, hoffte nur, dass dieses Gespräch bald enden würde.

»Ist doch auch egal jetzt«, mischte Liz sich ein.

»Also, was wollen wir noch mitnehmen?«

»Ich glaube mehr werden wir nicht brauchen. Vielleicht noch etwas Brot oder so, da wir ja nicht immer warm essen werden können. Aber ich gehe jagen, ich denke, ich werde viel fangen. Es wird da nur so wimmeln vor Tieren. Und falls nicht, gibt es viele Gebirgsseen. Da werden wir auch einige Fische zu Gesicht bekommen.«

»Nicht ganz nach meinem Geschmack«, murmelte Josh.

»Aber es ist auszuhalten. Es sind ja nur vier Tage.«

»Genau. Wir werden ja nicht für immer da bleiben«, bestätigte Ed.

»Zum Glück«, sagte Josh leise, so dass es keiner mitbekam.

»Also Jungs. Ich würde sagen, wir bezahlen jetzt unsere Sachen. Nehmt ruhig noch ein paar Tüten Chips oder so mit, die kann man ja immer mal essen«, meinte Liz freudig.

Josh und Ed gingen in die Abteilung mit den Chips und kamen mit fünf Tüten in den Händen wieder. Diese legten sie mit einem Sechserpack Cola auf das Kassenlaufband und bezahlten. Liz, Jeff, Lewis und Janet folgten ihnen mit etwas Abstand, außer Hörweite.

»Was soll das denn werden?«, zischte Lewis.

»Bleib locker. Wir werden bestimmt Spaß haben.«

Liz wirkte sehr zuversichtlich.

»Spaß haben? Weißt du eigentlich, wie knapp das vorhin war? Wären die uns hinten aufgefahren, wären wir jetzt nicht hier«, erwiderte Lewis wütend.

»Vergiss das Ganze einfach. Bist du dir überhaupt sicher, dass das die beiden waren?«

»So viele blaue Chevrolet Epica werden hier wohl kaum rumfahren!«

»Trotzdem bestünde die Möglichkeit, dass du dich getäuscht hast! Oder hast du dir das Kennzeichen gemerkt?«

Liz sah ihn fragend an.

»Nein«, meinte Lewis.

Er sah Janet an.

»Und du?«

»Ich auch nicht. Das ging viel zu schnell! Aber... ich glaube, dass sie es waren.«

»Ist ja auch egal. Wir werden sehen, wie sie sich machen. Wenn es Streit geben sollte, trennen wir uns einfach.«

Jetzt gingen auch sie zur Kasse. Lewis packte die Raviolidosen und die Spaghetti auf das Laufband, Jeff legte das Brot dahinter. Während Ed und Josh vor ihnen bezahlten, versuchte Lewis, die Situation so positiv wie möglich zu sehen. Was, wenn wir uns tatsächlich nur getäuscht haben? Er glaubte es zwar selber nicht, aber es war immerhin möglich.

Sie bezahlten. Ed und Josh warteten schon vor ihrem Auto, dem blauen Chevrolet Epica. Lewis wurde ganz mulmig zumute, als sich die Situation von vorhin vor seinem inneren Auge wieder zeigte. Es war wirklich sehr knapp gewesen, es hatte nicht viel gefehlt. Lewis ignorierte die beiden und stieg in seinen Ford Fiesta ein.

Die Hitze schlug ihm erneut entgegen, obwohl er im Schatten unter dem Dach des „Walmart“ geparkt hatte.

Janet setzte sich auf den Beifahrersitz, Jeff und Liz nahmen wieder auf der hinteren Sitzbank Platz. Sofort schaltete Lewis die Klimaanlage an, nachdem er den Motor gestartet hatte. Er fuhr rückwärts vom Parkplatz und steuerte auf die Straße zu.

»Wie weit ist es jetzt bis zu dem Sportgeschäft?«, wollte Liz wissen.

»Ungefähr eine Meile«, erwiderte Lewis knapp.

Er war noch immer sauer, obwohl er wusste, dass das jetzt nichts außer Unruhe innerhalb der Gruppe bringen konnte. Er musste sich auf die Situation einlassen und die Gegebenheiten akzeptieren. Hoffentlich benehmen sie sich wenigstens ordentlich.

Lewis fuhr über den aufgeweichten Asphalt, der von Schlaglöchern nahezu übersät war.

»Was für eine Piste«, murmelte Jeff.

»Warte mal ab. Nachher wird es noch schlimmer. Die ganzen Gebirgsstraßen rauf und runter«, sagte Lewis.

»Ich freu mich jetzt schon drauf«, murmelte Liz.

Lewis konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Endlich war es mal Liz, die sich mit der Situation nicht anfreunden konnte.

»Du klingst so negativ. Wie kommt's?«

»Nun ja, ich kann dieses Ruckeln nicht so ab. Frag nur mal Jeff.«

Lewis blickte Jeff durch den Innenspiegel an.

»Sie hat mir das ganze Auto vollgekotzt, allerdings auch nur, weil sie zu viel gegessen und getrunken hat. Aber das ist lange her.«

Sie erreichten das Sportgeschäft. Mithilfe des Blinkers gab Lewis Josh und Ed zu verstehen, links auf den Parkplatz zu fahren. Als er die Tür öffnete, schlug ihm eine Hitzewelle entgegen, er begann sofort wieder zu schwitzen. Ätzende Hitze! Sie trug nicht gerade zu einer Verbesserung seiner allgemeinen Laune bei.

Janet schien das Gleiche zu denken, denn sie fächerte sich mit der Hand Luft zu. Lewis lächelte, sie lächelte zurück. Josh und Ed stiegen nun aus ihrem Auto und blickten Lewis an.

»Was wollt ihr hier denn noch?«, fragte Josh genervt.

»Wir brauchen Wanderschuhe und Trinkflaschen.«, meinte Liz.

»Glaubt ihr wirklich, dass wir Wanderschuhe brauchen werden?«, wollte Josh von ihr wissen.

»Natürlich!«, erwiderte Lewis überzeugt.

»Wir werden viel auf unbefestigten Pfaden wandern. Und mit den Schuhen hat man einfach den besten Halt.«

»Dann holen wir uns auch welche oder Ed?«

»Na klar. Ist einfach am Besten, wie Lewis schon sagt.«

»Und Flaschen zum Auffüllen, da wir an vielen Seen vorbeikommen werden und die Getränke nur unnötiger Ballast sind«, ergänzte Jeff.

Sie betraten das Geschäft. Janet ging mit Liz im Schlepptau in die Damenabteilung, Jeff, Lewis, Josh und Ed schlugen den Weg in die Herrenabteilung ein. Sie erreichten den Abschnitt, in dem es Wanderschuhe gab.

»89,95 Dollar. Krass«

Josh war entsetzt, als er den Preis der Schuhe sah.

»So viel muss man schon ausgeben, wenn man wirklich gute Schuhe haben möchte. Du wirst noch staunen, wenn du die teilweise unbefestigten Wege siehst, die wir gehen müssen«, meinte Lewis.

»Na gut. Zum Glück haben wir genug Geld mitgenommen.«, murmelte Josh.

»Wie viel hast du dabei?«, fragte Ed ihn.

»Zweihundert Dollar oder so.«

»Das reicht ja.«

»Wie viel hast du denn noch mit?«

»Hundert.«

»Denkt dran, dass ihr auch noch Benzingeld braucht. Der Weg ist noch weit, und ihr werdet nicht drum herum kommen, noch mindestens einmal zu tanken.«

»Sollte doch reichen. Hundertsiebzig und dann noch Benzingeld«

»Und die Feldflasche, die kostet zehn Dollar«, meinte Lewis.

»Dann eben noch zwanzig Dollar dazu. Macht Zweihundert Dollar. Wären noch hundert für Benzin. Das reicht ja locker!«

»Wenn du meinst.«

Lewis wandte sich ab und ging zu Liz und Janet. Sie hatten sich ihre Schuhe schon ausgesucht, und standen nun bei den weiteren Outdoor-Sachen.

»Na ihr beiden«, grüßte Lewis.

»Na. Seid ihr fertig?«, fragte Janet ihn.

»Noch nicht ganz. Also ich schon, aber Josh und Ed noch nicht. Die können sich nicht entscheiden.«

Er rollte die Augen.

»Hast du deine Meinung über sie mittlerweile geändert?«, fragte Janet leise, damit Liz, die in der Umkleide verschwunden war, sie nicht hören konnte.

»Was soll das denn heißen? Natürlich nicht, du etwa?«

Lewis sah sie eindringlich an.

»Ich glaube, wir haben uns getäuscht. Es gibt so viele Chevrolet Epica in blau, das ist einfach ein normales Auto in einer alltäglichen Farbe. Das war bestimmt nur Zufall.«

Lewis würde gerne glauben, was Janet gerade gesagt hatte, aber er konnte es nicht. Er glaubte nicht an Zufälle, außerdem passte alles bisher so gut zusammen.

Deren Verhalten…

»Das Letzte, was ich glauben würde ist, dass das alles Zufall ist. Das kannst du mir nicht erzählen!«

»Trotzdem denke ich nicht, dass sie was böses wollen.

Sie würden sich ansonsten anders verhalten.«

»Ich muss mir erst noch ein Bild von ihnen machen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher.«

In diesem Moment kam Liz aus der Umkleidekabine.

»Wie stehen mir die Schuhe?«

Im Augenwinkel sah Lewis wie Jeff, Josh und Ed näher kamen.

»Ausgezeichnet!«, meinte Jeff.

»Ja, die sehen echt gut aus!«

Josh staunte.

»Ich schließe mich den beiden an«, bestätigte Ed.

Schleimer, dachte Lewis und grinste in sich hinein.

»Janet hat die Feldflaschen. Dann können wir ja jetzt bezahlen gehen.«, beendete er das Gespräch.

Sie bezahlten ihre Schuhe und die Flaschen. Da es im Laden angenehm klimatisiert war, bekam Lewis wieder einen Hitzeschlag, als er das Geschäft verließ. Sofort bildeten sich Schweißtropfen auf seiner Stirn. Er ging zu seinem Wagen, verstaute die Schuhe und Flaschen im Kofferraum, setzte sich auf den Fahrersitz, ließ die anderen einsteigen und wartete, bis Josh und Ed ihr Auto betreten hatten. Danach fuhr er los.

Im Auto wurde dank der Klimaanlage gleich angenehmer, während die Temperatur außerhalb immer weiter anstieg.

Der Asphalt besserte sich mit der Zeit, es traten weniger Schlaglöcher auf.

»Wie schaut`s aus? Wollen wir nachher in einem Restaurant essen oder uns was holen?«

Lewis wandte sich fragend an seine Freunde.

»Wir können ja irgendwann später anhalten. Wir fahren bestimmt an einigen Restaurants oder so vorbei«, antwortete ihm Liz.

Die Straße wurde schon bald wieder unebener; die Berge waren nicht mehr weit entfernt. Um 15:35 Uhr erreichten sie ein kleines Dorf. Auf der linken Seite befand sich ein Supermarkt, über dem ein Schild mit dem Namen „Desert Market“ prangte. Die Buchstaben hingen herab, an einigen Stellen war die Farbe bereits abgeblättert. Ein Restaurant auf der rechten Seite trug den Namen „Desert Valley“, hier sah das Schild etwas neuer aus. Dennoch wirkte das Restaurant von außen hin nicht gerade einladend.

»Wollen wir hier halten?«, fragte Janet.

»Ja. Langsam kriege ich Hunger«, antwortete Jeff.

»Ich auch«, entgegnete Liz.

Lewis setzte den Blinker und bog auf den Restaurantparkplatz. Josh und Ed folgten ihm, sie parkten direkt vor dem Eingang. Außer seinem Auto und dem blauem Chevrolet stand nur ein einziges weiteres Fahrzeug auf dem Parkplatz: ein grauer Bentley, er sah schon ziemlich alt aus. Sie stiegen aus, betraten das Restaurant und setzten sich an einen Tisch, der sich nah am Fenster befand. Lewis durchblickte das kleine Restaurant. Vor dem Tresen standen mehrere Barhocker, dahinter waren einige Gläser sauber aufgereiht.

Liz nahm die Speisekarte in die Hand und warf einen Blick darauf.

»Ich nehme ein Thunfisch-Sandwich«, sagte sie, als die Bedienung an den Tisch kam. Sie reichte die Speisekarte weiter.

»Und was möchten Sie trinken?«, fragte die Bedienung, die laut ihres Namensschildes Tanya hieß.

»Eine große Cola Light, bitte.«

»Ich nehme das Gleiche wie sie. Nur... eine normale Cola dazu«, schloss sich Josh an.

»Dasselbe bitte auch für mich«, sagte Ed.

»Ich hätte gerne ein Schinken-Sandwich«, bestellte Janet.

»Und auch eine Cola dazu, bitte.«

»Ich nehme einen Burger mit einer großen Portion French Fries. Und du, Jeff?«, wollte Lewis wissen.

»Ich auch. Und als Getränk eine Sprite.«

»Und Sie?«

Tanya blickte Lewis fragend an.

»Wie bitte?«

»Ihr Getränk.«

»Ach so. Auch eine Sprite, bitte.«

Tanya notierte sich die Bestellungen und verschwand im Küchenbereich. Josh gaffte ihr hinterher, und auch Ed starrte sie aus großen Augen an. Liz lächelte.

Lewis ließ seinen Blick weiter durch den Raum schweifen.

Außer ihnen saß nur ein älteres Ehepaar im Restaurant, das Essen befand sich bereits vor ihnen auf dem Tisch.

Augenscheinlich die Besitzer des grauen Bentleys, er schätzte sie auf Mitte sechzig. Die wollen bestimmt auch in die Berge, dachte er. Vielleicht sieht man sich ja wieder.

Wer hier essen ging, wohnte entweder in dem kleinen Dorf oder hatte vor, in die Berge zu fahren. Lewis überlegte kurzzeitig, die beiden zu fragen, ob sie ebenfalls in die Berge fahren wollten, verwarf die Idee jedoch sofort wieder. Man wird sehen, dachte er.

Sein Blick wanderte weiter durch die Umgebung. Das Thermometer, welches auf der gegenüberliegenden Seite am „Desert Market“ angebracht war, zeigte mittlerweile eine Temperatur von fünfunddreißig Grad an. Es wurde immer wärmer.

Zehn Minuten später erschien Tanya mit den Mahlzeiten und Getränken. Nachdem Ed und Josh ihre Sandwiches aufgegessen hatten, entschieden sie sich noch mal zwei Sandwiches zu bestellen, dieses Mal allerdings mit Schinken belegt. Lewis aß in kleinen Bissen seinen Burger und biss lustlos von den French Fries ab. Janet hatte ihr Sandwich ebenfalls mittlerweile aufgegessen und schlürfte an ihrer Cola, während Liz gerade ihren letzten Bissen kaute. Jeff und Lewis waren noch mit ihren Mahlzeiten beschäftigt, als Tanya schon die beiden Sandwiches für Josh und Ed brachte. Sie ließen sich nicht viel Zeit und schlangen diese regelrecht in sich hinein.

Lewis musste in seinem Inneren den Kopf schütteln. Das kann ja noch was werden, dachte er. Seine Laune wollte sich einfach nicht bessern. Die Einzige, die seinen missmutigen Blick bemerkte, war Janet. Sie gab ihm ohne ein Wort zu verstehen, die beiden einfach nicht zu beachten. Wenige Zeit später fühlte Lewis sich satt.

Jeff war gerade fertig, er winkte Tanya herbei und gab ihr per Handzeichen zu verstehen, dass sie bezahlen wollten.

Zwei Minuten später erschien sie bereits mit der Rechnung am Tisch.

»Das macht insgesamt 29,50 Dollar.«

Lewis bezahlte für sich und Janet, Jeff für sich und Liz und Josh und Ed für sich selbst. Nach kurzer Zeit standen sie wieder auf dem Parkplatz vor ihren Autos. Lewis hatte sich mittlerweile an die Temperatur gewöhnt, ihm kam es nicht mehr so heiß vor, obwohl die Sonne noch immer brannte.

»So Jungs, wie siehts aus? Wir haben noch eine weite Strecke vor uns. Unser Tank reicht noch für maximal 230 Meilen. Wie schaut es bei euch aus?«

Lewis wandte sich fragend an ihre beiden Begleiter, Josh und Ed.

Josh steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn nach rechts. Er warf einen Blick auf den Stand des Tanks.

»Maximal fünfzig Meilen. Ich würde sagen, bei der nächsten Möglichkeit tanken wir«, meinte er.

»Gut. Dann wollen wir mal weiter.«

Lewis wollte das Auto starten, stockte jedoch plötzlich.

Moment…

»Was ist?« fragte Janet verblüfft.

»Irgendwas ist mit dem Auto nicht in Ordnung.«

Lewis stieg aus und inspizierte den Wagen. Als er hinten ankam, sah er, was das Problem war.

»Wir haben einen platten Reifen. Hinten rechts«, bestätigte er knapp, als er sich wieder im Wageninneren befand.

»Na toll! Und jetzt?«

Janet sah ihn fragend an.

»Wir haben ja zum Glück ein Ersatzrad im Kofferraum.

Du und Liz, ihr könnt sitzen bleiben. Jeff und ich kriegen das schon hin.«

Die beiden Männer gingen zum Kofferraum und wollten dann den Ersatzreifen aufziehen, als plötzlich Josh und Ed hinter ihnen standen.

»Was ist los?«, fragte Josh.

»Wir haben einen Platten«, erklärte Lewis.

Josh und Ed gingen zum Heck ihres Wagens und wollten sich versichern, ob mit ihrem Auto alles in Ordnung war.

Das Resultat verschlug ihnen die Sprache.

»Hinten rechts«, murmelte Ed.

»Ihr habt auch einen Platten?«, fragte Lewis irritiert.

»Ja«, bestätigte er.

»Nun, das kann eigentlich kein Zufall mehr sein«, meinte Lewis.

In diesem Moment stieg Janet aus dem Auto. Sie ging zu Lewis, beugte sich nach unten und begutachtete nun ebenfalls den kaputten Reifen.

»Was kann kein Zufall sein?«, wollte sie wissen, nachdem sie wieder aufrecht stand.

»Dass der Reifen platt ist. Das ist bei Josh und Ed genau so, sogar genau an der selben Stelle!«

Lewis schaute sich den Reifen näher an. Er drehte ihn, bis er die Stelle fand, an der der Reifen an Luft verlor.

»Aufgeschlitzt. Schaut!«

Lewis wies auf den kaputten Reifen.

Jeff und die anderen warf einen Blick darauf.

»Das sieht übel aus! Aber zum Glück hast du ein Ersatzrad.«

Auch Josh hatte jetzt den Reifen abmontiert. Sie legten beide nebeneinander und stellten fest, dass der Einschnitt genau an der selben Stelle erfolgt war.

»Krass!«, meinte Josh.

»Ja«, bestätigte Ed.

»Da wusste aber jemand, was er macht«, fügte Jeff hinzu.

»Das kann kein Zufall sein«, war Liz der Ansicht, die mittlerweile auch dazugekommen war, aber bislang nur still zughörte hatte.

»War bestimmt nur irgendein Streich von Leuten, die Langeweile hatten«, war Janets Meinung.

Lewis wusste nicht, was er sagen sollte. Es passte nicht in das Bild, das er sich von der Situation gemacht hatte.

Er war ratlos. Es bestätigte den Verdacht, dass Josh und Ed nichts mit der Sache zu tun hatten, dass sie also eigentlich harmlos waren.

Lewis war der Meinung, dass das Ganze miteinander verbunden sein musste, weil er einfach nicht an Zufälle glaubte. Er gab insgeheim denjenigen die Schuld an dem Vorfall mit dem aufgeschlitzten Reifen, die ihnen vorhin beinahe aufgefahren waren, was also bedeutete, dass es einen weiteren blauen Chevrolet Epica geben musste.

Lewis warf noch einmal einen letzten Blick auf den Reifen. Es war ein ziemlich großer Einschnitt, er fragte sich, mit was für einem Gegenstand dieser gemacht wurde. Es musste etwas Größeres gewesen sein, größer als eine Glasscherbe. Vielleicht ein Taschenmesser.

Vielleicht ein spitzer Stein. Lewis wollte sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, sondern wollte nur noch weg aus diesem unheimlichem Kaff. Es bereitete ihm Unbehagen.

Schnell drehte er den Ersatzreifen fest und nach zehn Minuten waren beide Autos wieder startklar. Es konnte weitergehen.

Schon bald wurde aus der wüstenartigen Landschaft dichter Wald, der nie aufzuhören schien. Neben der Fahrbahn ragten Bäume hoch in den Himmel, von der kargen Landschaft war nichts mehr zu sehen.

»Wie lang zieht sich das denn noch hin?«, fragte Lewis in die Runde.

»Ist doch angenehm«, meinte Liz entspannt.

»Besser als dieses grelle Licht auf offener Fläche. Der Sand reflektiert das Ganze ja zusätzlich noch, und ich finde das auch gerade für die Augen wesentlich angenehmer.«

»Stimmt«, bestätigte Lewis.

Lewis warf einen Blick auf den Kilometerstand. Siebzig Meilen, seit sie aus dem Dorf losgefahren waren. Plötzlich erinnerte er sich an Josh's Worte. Maximal fünfzig Meilen.

Er blickte in den Rückspiegel, entdeckte sie nicht, drosselte das Tempo, fuhr rechts ran und wartete.

»Entweder sie sind liegengeblieben, oder sie haben umgedreht, weil sie keine Lust mehr hatten«, vermutete Lewis.

»Also ich glaube kaum, dass sie einfach umgedreht sind«, erwiderte Liz kopfschüttelnd.

»Nicht ohne einen triftigen Grund.«

»Es besteht, wie gesagt, auch die Möglichkeit, dass sie liegengeblieben sind. Das ist sogar am Wahrscheinlichsten! Josh meinte vorhin auf dem Parkplatz, dass er noch knapp fünfzig Meilen Reichweite hätte, und das ist jetzt 70 Meilen her. Wir werden wohl umdrehen müssen und zwanzig Meilen zurückfahren, um uns zu vergewissern, ob sie wirklich liegengeblieben sind.

Für den Fall habe ich mehrere volle Ersatzkanister im Kofferraum.«

»Sie hätten ja wenigstens mal hupen oder sonst irgendwie auf sich aufmerksam machen können«, war Janet der Ansicht.

»Sie hätten uns auf jeden Fall in Kenntnis setzen müssen! Aber egal, ich denke, das lässt sich klären.«

Lewis bog in einen engen Waldweg ein, um zu wenden.

Es hatte wohl die letzten Tage einige Regenschauer gegeben, der Boden um das Auto herum war ziemlich aufgeweicht. Plötzlich sackte der Ford im Schlamm ein, und nur unter sehr großer Anstrengung gelang es Lewis, rückwärts wieder herauszukommen. Er wendete und fuhr in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Es war jetzt 18:15 Uhr. Wenn das so weiter geht, erreichen wir unser Ziel nie!, dachte Lewis. Er war genervt. Um 18:43 Uhr erreichten sie die Stelle, an der Josh's Auto hätte stehen müssen. Doch da war nichts, selbst in den kaum einsehbaren Waldwegen nicht. Er fuhr noch weitere zehn Meilen in diese Richtung, mit demselben Ergebnis.

»Entweder sie sind abgehauen, oder sie haben sich in Luft aufgelöst«, meinte Lewis sichtlich verärgert.

»Wobei Möglichkeit Nummer eins nun deutlich wahrscheinlicher ist.«

»Ich glaube es immer noch nicht. Sie haben doch so viel Geld für die Wanderausrüstung ausgegeben, einfach so abzuhauen wäre ziemlich dumm!«, meinte Liz.

Lewis drehte wieder um, es hatte keinen Sinn, weiter zu suchen.

»Na ja, aber wo sollten sie denn sein?«

Während der weiteren Fahrt sagten sie nicht mehr viel, eine angespannte Stille herrschte im Inneren des Wagens.

Um Punkt zwanzig Uhr war es laut der Karte nicht mehr weit. Lewis konnte nur noch mit Mühe seine Augen offenhalten, weshalb er rechts ran fuhr.

»Was ist los?«

Jeff warf ihm einen fragenden Blick zu.

»Wir müssen mal tauschen. Ich kann mich gar nicht mehr richtig konzentrieren«, erwiderte Lewis.

Er stieg aus, und sie tauschten ihre Plätze, danach fuhren sie weiter.

Langsam wurde der Weg unebener, da es immer wieder bergauf und bergab ging. Wenigstens ist die Strecke nicht so mit Schlaglöchern gesäumt, dachte Lewis. Um 21:30 Uhr erreichten sie die ausgewählte Stelle. Sie stiegen aus, Lewis öffnete den Kofferraum. Die Sonne hatte mittlerweile ihren Tiefpunkt erreicht, sie stand kurz davor, unterzugehen. Er holte die Rucksäcke und Zelte heraus und reichte sie herum. Jeder nahm den für ihn vorgesehenen Rucksack, Lewis und Jeff schleppten außerdem noch die Zelte.

»Jetzt müssen wir zwanzig Minuten gehen, dann erreichen wir den See, an dem wir campen können.«, erklärte Lewis.

Sie zogen ihre Wanderschuhe an und machten sich auf den Weg durch das dichte Unterholz. Der Boden war übersät von Blättern und zudem ziemlich rutschig, mehrmals mussten sie aufpassen, dass sie nicht ausrutschten. Liz war die Erste, die es nicht mehr schaffte, sich auf den Beinen zu halten: ihr Fuß rutschte weg und sie fiel auf den Rücken.

»Scheiße!«, keuchte sie.

»Alles okay?«, fragte Janet.

»Ich denke schon. Das ist aber auch schwierig, hier zu gehen!«

Liz rappelte sich auf, und sie setzten ihre Wanderung fort. Nach besagten zwanzig Minuten erreichten sie den See.

Der Weg dahin war steinig und rutschig, doch er stellte kein größeres Problem dar. Lewis ließ seinen Blick über den Zeltplatz schweifen. Er schien schon einmal bewohnt gewesen zu sein, da verlassene Rucksäcke die Lichtung um sie herum ausfüllten. Jedoch hielt sich keine Menschenseele in der Nähe auf. Über den schlammigen Boden begab Lewis sich zu einem der verwaisten Rucksäcke und packte ihn unter den gespannten Blicken der anderen aus. Eine ungeöffnete, abgelaufene Dose mit Fisch in Tomatensoße, ein Foto mit vier Menschen drauf (Lewis schätzte, dass es ein Familienfoto war), ein altes Nokia Handy und ein Portemonnaie mit einem Ausweis.

Lewis betrachtete diesen näher: Matthias Frohling, geboren am 27.2.1964 in Brandenburg, Deutschland. Das Foto musste 1989 aufgenommen worden sein, und der Ausweis war seit sechs Jahren abgelaufen.

Es befanden sich außerdem jede Menge Geldscheine im Portemonnaie, doch Lewis beließ sie an Ort und Stelle. Er schaute sich die weiteren Rucksäcke an. Mit den anderen wechselte er kein Wort, bis Janet von hinten auf ihn zukam, als er gerade den zweiten Rucksack durchsuchte.

»Ziemlich merkwürdig, oder?«, fragte sie ihn.

»Auf jeden Fall. Mir ist dabei nicht so geheuer!«

Lewis ließ von dem Rucksack ab und zählte die verstreuten Ausweise.

»Sechs Stück. Ich werde die alle gleich einmal überprüfen.«

In den weiteren Rucksäcken fand er bis auf eine ältere Kamera, mehrere Notizbücher und eine Thermoskanne nichts besonderes. Jetzt hatte er alle Ausweise zusammen. Er legte sie nebeneinander und betrachtete sie genauer.

Matthias Frohling

Gudrun Frohling

Alexander Reising

Marcel Reising

Inge Möller

Ralf Schneider

Alles Deutsche, alle gebürtig in Berlin, Potsdam oder Brandenburg. Eine deutsche Reisegruppe, dachte Lewis.

»Die Rucksäcke scheinen sich schon länger an Ort und Stelle zu befinden. Das ist seltsam. Merkwürdig ist auch, dass jede Spur fehlt. Oder habt ihr irgendetwas gesehen?«, fragte Janet.

»Nein«, antwortete Liz.

»Da stimmt irgendetwas nicht. Ich meine, guckt euch nur das Alter an. Und die Ausweise sind alle fünf bis sieben Jahre abgelaufen. Dieser Platz scheint schon lange unbewohnt zu sein«, schaltete Jeff sich ein.

»Keine Lebenszeichen. Nichts«, murmelte Liz.

»Wartet mal eben.«

Jeff wandte sich von der Gruppe ab und betrat den naheliegenden Wald. Nach zwei Minuten kam er wieder, die Arme voller Äste.

»Wo hast du die denn her?«

Lewis runzelte die Stirn.

»Die lagen da einfach so rum. Ein riesen Haufen! Guckt selber! Eine gute Quelle für Feuerholz. Ist mir eben zufällig aufgefallen.«

Liz, Lewis und Janet folgten Jeff. Tatsächlich lag mitten im Wald ein riesiger Stapel voller Äste, darunter auch einige Holzplatten, die Jeff vielleicht vorher gar nicht aufgefallen waren. Lewis war verwundert. Es sah fast so aus, als hätte jemand seinen Sperrmüll hier entladen.

»Nehmt alle mal etwas mit. Heute Abend wird es kalt«, wies Jeff seine Freunde an.

Wortlos nahm jeder so viel mit, wie er tragen konnte. Jeff ging voran, Lewis, Janet und Liz folgten ihm. Sie erreichten wieder ihren Platz und breiteten das Holz aus.