Spürnase - Karin Köster - E-Book

Spürnase E-Book

Karin Köster

0,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Ein packender Roman über Liebe und Lüge, Freundschaft und Vertrauen, aus der Sicht des kleinen und außergewöhnlich intelligenten Mischlingshundes Napoleon. Ein Pferdeschänder geht um - und Napoleon ist der Einzige, der die Wahrheit kennt. Die Polizei steht vor einem Rätsel, denn sie hat die entscheidende Spur nicht gefunden. Nele setzt alles daran, den Fall zu lösen. Ihr kleiner Hund weiß, wer der Täter ist. Aber - wie soll er ihr das bloß klarmachen? Nele ahnt noch nicht, dass sie sich in größter Gefahr befindet... Leserstimmen: Krimi-Liebesroman mit Fellbesatz..." "Ein unvergessliches Abenteuer..." "Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite..." "Spannend und herzerfrischend zugleich..." Mehr Informationen und einen Video-Trailer zum Roman SPÜRNASE finden Sie auf der Autorenseite von Karin Köster und bei Youtube.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 383

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Spürnase

Karin Köster

Mehr über Karin Köster:

www.karin-koester.de

www.facebook.com/koester.karin

Weitere Romane von Karin Köster:

Puppenhaus

Verflixt verliebt - Ein Anwalt zum Küssen

Verrückt vor Glück - Hochzeit auf Umwegen

Film ab für die Liebe

Männer unerwünscht

Lass beim Sex die Socken an

Schnittenfänger

Kein Mord wie jeder andere

Wer zweimal stirbt, dem glaubt man nicht

Geschichten vom Dorf

Textpassagen von Robert Betz mit freundlicher Genehmigung von

Robert Betz, www.robert-betz.com

© 2015 © 2023 Karin Köster

1

Mein Name ist Napoleon. Ich bin eine gelungene Mischung aus Dackel und Terrier, jedenfalls meint Nele das. Sie hat Fotos und Beschreibungen in Hundebüchern miteinander verglichen und ist irgendwann zu diesem Ergebnis gekommen. Mein Stammplatz hier in der Lokalredaktion ist ein mit vielen flauschigen Decken und Schafwollkissen ausgestattetes Körbchen an der Heizung neben ihrem Schreibtisch.

Nele gibt ihr Geld am liebsten bei Zoomaxx aus. Wenn wir da reingehen, kommen wir immer mit prallen Tüten wieder raus, auch wenn sie eigentlich „nur mal gucken“ wollte. Bei Zoomaxx haben sie andauernd neue Sachen – neue Halsbänder, Leinen und Spielzeug – und eben Decken. Deswegen hab ich so viele davon.

Als ich noch ein winziger Kerl war, hat Nele mich in einer Mülltonne gefunden. Sie war auf dem Weg zum Bäcker, hörte mein jämmerliches Fiepen, wühlte im Müll und rettete mich. Ich spürte die Haut ihrer Hände und den weichen Stoff ihrer Jacke, und ihre sanfte Stimme beruhigte mich. Sie nahm mich mit in ihre Wohnung, säuberte behutsam mein Fell, fütterte mich aus einem Plastikfläschchen und ließ mich in ihrem Bett schlafen. Fortan sorgte sie Tag und Nacht für mich und während sie über mich wachte, sprach sie über ihre Vergangenheit. Sie hat viel geweint damals. Ich glaube, wir haben uns in gewisser Weise gegenseitig gerettet.

Der Tierarzt hat ihr keine Hoffnungen gemacht. Welpen, die schon so früh von der Mutter getrennt werden, haben wenig Aussicht zu überleben, meinte er. Nun, da hat er sich getäuscht. Und dann, als ich über‘n Berg war, hat er ihr prophezeit, dass ich ein Problemhund werden würde, weil ich nicht sozialisiert sei. Meine Mutter hätte mir ’ne Menge Dinge beibringen sollen, die für einen Hund wichtig sind. Und dass ich ohne Geschwister aufgewachsen bin, bemängelte er auch. Der Tierarzt ist ein alter Miesmacher.

Ich will ihm aber nicht Unrecht tun. In einem Punkt hat er leider nicht ganz falsch gelegen: Mir fehlt das Verständnis für meine Artgenossen und umgekehrt ist das ganz genauso. Ich verstehe die Sprache der Menschen besser als die der Hunde.

Nach langem Hin- und Herüberlegen nannte Nele mich Napoleon. Einen Mann mit diesem Namen hat es früher mal gegeben. Der Mensch Napoleon war ein kleiner, stämmiger Kerl, eine Kämpfernatur mit einem ausgeprägten Dickschädel, der sich durch nichts von seinem Ziel abbringen ließ. „Und“, erklärte mir Nele damals mit leisem Lächeln, „Napoleon war ein Charmeur.“ Scheint so, als ob der Name ganz gut zu mir passt.

Napoleon ist auf jeden Fall besser als Charly oder Rocky oder Max, so heißt ja fast jeder Hund. Wenn wir auf die Spielwiese gehen und jemand ruft „Charly“, drehen sich mindestens drei Hunde um. Ob einer von ihnen dann zu dem Rufenden hingeht, ist eine andere Sache. Was ich aber überhaupt nicht ausstehen kann, ist, wenn Menschen mich Napo, Nappi oder, noch schlimmer, Poldi nennen. Wozu hat man einen Namen, wenn sich keiner dran hält? Ich strafe diese Leute, indem ich sie stumpf ignoriere. Ich bin da konsequent. Wer mich Poldi nennt, von dem nehm ich nicht mal ein Stück Wurst. Und für ein Stück Wurst mach ich normalerweise ’ne ganze Menge.

Es ist später Vormittag und die Kollegen versammeln sich zur Konferenz im Besprechungsraum. Sie setzen sich rundherum auf die Stühle und ich leg mich unter den Tisch, der Beine aus Holz und eine Glasplatte hat. Sie diskutieren über die Titelseite der morgigen Ausgabe unserer Zeitung, und ich denk an die Kekse, die vor ihnen auf einem Teller bereit stehen. Niemand außer mir scheint Appetit darauf zu haben.

Die Stimmen werden lauter und dann beruhigen sie sich wieder. Der morgige Aufmacher ist ein Artikel von Dieter, und der hört nun endlich auf mit den Füßen zu scharren. Er lehnt sich zurück, schaut grinsend in die Runde und streckt die Beine aus. Ein unaufmerksamer Beobachter würde annehmen, dass Dieter jetzt entspannt ist. Aber Dieter steht immer unter Strom. Er kratzt über die trockene Haut hinter seinem Ohr, kratzt sich am Kinn und im nächsten Moment ballt er seine Hände unterm Tisch zu Fäusten.

Sein Artikel handelt vom Breitbandausbau, was auch immer das sein soll. Die Kollegen sind der Meinung, dass das Ding wichtig für unsere Stadt und den Landkreis ist. Somit hat Dieter gewonnen, und Niklas‘ Bericht kommt in den Innenteil. Niklas hat über alte Leute geschrieben, die in ein anderes Heim umziehen müssen, weil ihres geschlossen wird. Das ist ziemlich blöd für die alten Leute, denk ich mir. Es dauert eine Weile, bis man sich an einen neuen Schlafplatz gewöhnt hat, das weiß ich aus Erfahrung.

Nele tut so, als würde sie die Diskussion interessiert verfolgen. Vor ihr liegt ein Block, sie hält den Kugelschreiber einsatzbereit in der Hand. Sie arbeitet als Sekretärin in der Redaktion und muss sich um alles kümmern, was die anderen nicht hinkriegen oder wozu sie keine Lust haben. Unzählige Male am Tag klingelt ihr Telefon und wenn sie nicht telefoniert, dann hämmert sie auf den Tasten ihres Computers herum. Wie so oft ist sie mit ihren Gedanken woanders, aber sie passt auf, dass das niemand bemerkt.

Ich wär auch lieber woanders, nämlich auf dem Stuhl neben Nele. Wegen der Kekse und wegen Nele. Dazu müssten sich aber entweder Jens oder Silke auf den Fußboden setzen. Ich konzentriere mich auf Silke, weil die gerade eine Diät macht, und weil Jens nicht gut auf Tiere zu sprechen ist. Wenn Silke meine Gedanken auffängt, so wie Nele manchmal, gehören der Stuhl und die Kekse mir.

Doch Silke reagiert nicht. Null, nix. Die ist überhaupt nicht auf Empfang gestellt, sondern schmachtet Niklas an, aber wie immer merkt der nichts davon. Ich versteh nicht, wie man so blind sein kann. Ich habe Nele sagen hören, dass er bald vierzig wird und den Zug verpasst hat. Seinetwegen malt Silke ihre Lippen jeden Tag in einer anderen Farbe an und wenn sie ihn anguckt, dann formt sie sie zu einem Kussmund. Das muss man doch mitkriegen! Ich bin mir sicher, dass Silke ihm helfen würde, den Zug zu erwischen. Niklas bräuchte sie nur zu fragen.

Außer Nele, Silke, Jens, Niklas und dem zappeligen Dieter sitzen noch Olga und Jürgen mit am Tisch. Olga ist Volontärin, sie hat dunkle, kurz geschnittene Haare und sieht aus wie ein kleiner Junge. Vor kurzem ist sie aus einem Dorf in Ostdeutschland hierher gezogen, um Redakteurin bei unserer Zeitung zu werden. Sie ist schüchtern und macht den Mund nur auf, wenn sie was gefragt wird.

Jürgen ist der Ressortleiter, und das stinkt vor allem Jens und Dieter. Die beiden haben ständig was an ihm auszusetzen und klagen sich gegenseitig ihr Leid, sobald Jürgen außer Hörweite ist. Aber sie können schimpfen so viel sie wollen, er ist der Chef in der Redaktion, also bestimmt er, wo’s langgeht. Ich mag Jürgen. Er hat ein gutes Herz und gute Gedanken. Aber er ist eben auch nur ein Mensch und trifft mal ’ne falsche Entscheidung. Das ist nicht weiter schlimm, denn ’ne falsche Entscheidung ist besser als gar keine. Jürgen findet Hunde toll und deswegen darf Nele mich mit zur Arbeit nehmen. Er hat immer ein nettes Wort für mich und was er sagt, das meint er auch so.

Die Kollegen sprechen jetzt über die Beiträge für den Innenteil der morgigen Ausgabe. Olga, die Volontärin, hat einen Bericht über den Umzug des Finanzamts geschrieben. Der soll aktuell mit, so heißt das bei uns, wenn ein Artikel am nächsten Tag in der Zeitung erscheint, und damit ist Olgas Werk abgesegnet. Es ist selten, dass jemand in diesem Haus die Arbeit eines anderen lobt. Dazu sind sie angeblich viel zu beschäftigt. Anders ist das, wenn sie sich über irgendwas ärgern, da haben sie alle Zeit der Welt.

Um den übrigen Platz auf den Seiten zu füllen, werden Texte und Fotos von freien Mitarbeitern genommen. Freie Mitarbeiter besuchen Veranstaltungen, für die die Redakteure keine Zeit haben, und schreiben sie zu Hause in den Computer. Bevor diese Beiträge in die Zeitung kommen, müssen die Kollegen sie redigieren, das heißt durchlesen und Fehler verbessern.

Jürgen meint, wir haben genug Stoff für morgen, und kaum hat er das verkündet, nimmt er einen Schokoladenkeks vom Teller und steckt ihn in seinen Mund. Ich höre ihn kauen, lutschen und schlucken. Als hätte er ein Kommando gegeben, greifen die anderen nun ebenfalls zu und alles was ich tun kann, ist zu hoffen, dass möglichst viele Krümel auf den Fußboden fallen. Ich spring auf die Füße und behalte den Teppichboden rund um mich herum im Blick.

Jürgen nimmt sich den nächsten Keks, aber er beißt noch nicht rein. Die Köstlichkeit in den Fingern haltend, erzählt er den anderen, was die Polizei ihm gemeldet hat. Jürgen hat einen direkten Draht zu den Polizisten, sie schreiben ihm Neuigkeiten in seinen Computer oder sie rufen ihn an. Es gab einen Unfall mit Blechschaden und einen, bei dem eine junge Fahrradfahrerin angefahren wurde. In der Lindenstraße hat jemand ein Auto aufgebrochen und nun werden Leute gesucht, die das beobachtet haben. Der Keks verschwindet in seinem Mund, er kaut krachend, schluckt und dann fällt ihm ein, dass in Eversmühlen ein Pferd am Bauch verletzt wurde. Die Wunde könnte möglicherweise von einem Messer stammen, aber die Polizisten sind sich nicht sicher, und deswegen soll das nicht in der Zeitung stehen.

Ein Ruck geht durch Neles Körper, plötzlich ist sie hellwach, löchert Jürgen mit Fragen und will wissen, was da passiert ist. Ich höre ebenfalls genau zu und erfahre, dass das Pferd einem Mädchen gehört und dass es von einem Tierarzt behandelt werden musste.

„Das könnte der Pferdeschänder gewesen sein“, ruft sie aufgebracht.

Die Redakteure nehmen weitere Kekse vom Teller und kauen, außer Silke. Die nippt an ihrem Wasserglas, dann schaut sie Nele aus sorgfältig geschminkten Augen an. „Der Pferdeschänder? Wir haben vor Jahren darüber berichtet, ich erinnere mich vage. Wurde der eigentlich jemals gefasst?“, erkundigt sie sich.

Nele schüttelt den Kopf. „Nein, wurde er nicht.“ Sie hat einen dicken Kloß im Hals, in ihren Augen sammeln sich Tränen und sie schaut runter auf den Schreibblock. Automatisch dreht sie eine Strähne ihres langen Haars um ihren Zeigefinger, das macht sie immer, wenn sie durcheinander ist.

Jens seufzt genervt auf. „Lappalie“, schnauft er. „Kein Grund, ein Drama draus zu machen.“

Zustimmendes Gemurmel aus der Runde.

Nele hebt den Blick und lässt die Haarsträhne los. Eine steile Falte teilt ihre Stirn in zwei Hälften. „Morgen muss zumindest eine Notiz im Blatt erscheinen. Die anderen Pferdebesitzer müssen gewarnt werden!“, drängt sie.

Ablehnendes Gemurmel aus der Runde.

„Pferde können sich leicht verletzen“, meint Jürgen. „Wir brauchen mindestens eine konkrete Aussage von offizieller Seite. Auch für eine kleine Notiz.“

„Wenn dem nicht so wäre, müssten wir auch berichten, dass unsere Nachbarskatze neuerdings humpelt. Wo kommen wir denn da hin?“, gibt Dieter seinen Senf dazu.

„Und dass das Meerschweinchen meiner Tante Schnupfen hat“, meint Jens kichernd, und rückt seine Brille zurecht. Die hat die Angewohnheit, bis zur Nasenspitze runterzurutschen. Kaum dass er sie hochgeschoben hat, macht sie sich wieder auf den Weg bergab.

Weil Nele keine Redakteurin ist, kann sie gegen die Entscheidung der anderen nichts ausrichten. Jürgen steht auf, nimmt noch einen Keks als Wegzehrung mit und die anderen erheben sich ebenfalls. Nicht ein einziger Krümel ist auf den Teppich gefallen. Verfressene Bande!

Zähneknirschend folgt Nele Jürgen in den Flur und ich flitz hinter den beiden her. Die Redaktion ist im Anbau einer alten Lagerhalle untergebracht. Früher wurden unten in der Halle die Zeitungen gedruckt, jetzt werden dort Kisten und Kartons einer Spedition gelagert. Das Gebäude ist aus roten Ziegelsteinen gebaut und die Büros haben schmale, hohe Fenster.

Hier im ersten Stock des Verlagshauses werden die acht Seiten geplant, die täglich der großen Zeitung als Regionalzeitung beiliegen. Die Regionalausgabe berichtet über alles Wissenswerte aus unserer Stadt und den Dörfern rundherum. Weil das Verbreitungsgebiet der großen Zeitung riesig ist, gibt es außer uns noch fünf weitere kleine Redaktionen irgendwo in anderen Städten oder Gemeinden.

Der knarrende Holzfußboden in unserem Stockwerk ist mit einem robusten Filzboden ausgelegt, der so alt ist wie das Gebäude selbst. Die Flure sind verwinkelt und bilden mit den einzelnen Büros eine Art Labyrinth. Wenn jemand neu bei uns ist, dann verliert er in aller Regel spätestens dann die Orientierung, wenn er hinten bei Niklas‘ Büro angekommen ist.

Das Sekretariat, in dem Nele arbeitet, hat eine Tür mit Glasausschnitt. Es liegt am Flur, an dem sich auch die Treppe nach unten befindet. Wenn man vom Flur ins Sekretariat reinkommt und um die Ecke biegt, ist man in Jürgens Büro. Er hat sein eigenes Reich, aber er macht seine Tür nur selten zu. Lieber hat er einen freien Blick von seinem Schreibtisch auf Neles Schreibtisch, dann kriegt er alles mit, was bei ihr so passiert. Außerdem kann er durch die offene Tür besser rüber rufen, was sie für ihn erledigen soll.

Nele und Jürgen gehen zurück an ihre Plätze und setzen sich an die Computer. Jürgen kaut seinen Keks zu Ende, schluckt runter und greift zum Telefonhörer. Ich klettere auf den Deckenberg und leg mich hin.

Nele macht sich Sorgen um das verletzte Pferd. Sie guckt in ihrem Computer nach, um mehr darüber zu erfahren, denn der Computer weiß fast alles. Wenig später schreibt sie ein paar Wörter auf einen Zettel, faltet ihn zusammen und steckt ihn in ihre Hosentasche. Ich kann mir denken, warum sie so betroffen ist: Weil sie früher mal ein eigenes Pferd hatte, das hieß Bonny und ist gestorben. Und nachdem das Bonny-Pferd gestorben ist, hatte sie einen Freund, und dessen Mutter gehört ein Reitstall. Nele hat erst ihr Bonny-Pferd und danach den Reiterhof geliebt, und ihren Freund hat sie auch geliebt. Die Mutter von diesem Freund ist eine Hexe, sagt Nele. Und der Freund ist nicht mehr ihr Freund, weil er sie betrogen hat. Hoffentlich hab ich das richtig wiedergegeben. Das alles ist nämlich passiert, bevor Nele mich gefunden hat.

Endlich hör ich draußen den Wagen vorfahren, der Bote ist da. Er kommt täglich vor der Mittagspause ins Büro, um seine Post abzugeben und unsere Post mitzunehmen. Der Bote ist mein Freund, er hat immer was Leckeres für mich dabei. Nele gefällt unsere Freundschaft überhaupt nicht. Sie meint, ich werde zu dick, was wirklich Unsinn ist. Jedenfalls darf der Bote mir neuerdings nur noch ein einziges Teil pro Tag geben. Ich bin mir sicher, dass er heute wieder Kaustreifen dabei hat, denn er hat die Tüte gestern erst aufgemacht.

Ich steige von den Decken runter und bringe mich in Position. Meine Speichelproduktion läuft auf Hochtouren, damit der Kaustreifen gleich gut rutscht.

Der Bote ist ein kleiner, dünner Mann mit schütterem Haar und er bewegt sich nahezu geräuschlos. Ich hör ihn natürlich trotzdem im Treppenhaus. Er kommt rein, wünscht allen einen schönen Tag und guckt Nele einen Moment länger an, als nötig gewesen wäre. Ich glaub, er ist ein bisschen verliebt in Nele. Sie aber nicht in ihn, denn sie trauert immer noch dem Freund und seinem Reiterhof hinterher. Schade eigentlich.

Dann hockt der Bote sich hin, ich freu mich riesig, er will eine Pfote, kann er haben, und dann krieg ich im Gegenzug den Kaustreifen. Er bricht ihn in kleine Stücke, damit er und ich länger davon zehren können. Trotzdem geht unser Ritual viel zu schnell vorbei. Ich werf mich auf den Rücken, er krault meinen Bauch und lacht.

Das Klingeln des Telefons macht unserem vergnüglichen Spiel ein Ende, Nele geht dran und der Bote richtet sich wieder auf. Er verabschiedet sich höflich und zieht die Tür leise hinter sich zu. Wenig später reißt Dieter sie wieder auf, lässt sie gegen die Wand knallen und vergisst, sie wieder zu schließen. Er will irgendwas von Jürgen und wie immer hat es den Anschein, als stünde uns eine Katastrophe bevor. Dieter ist ständig in Katastrophenstimmung. Ich blende seine sich überschlagende Stimme aus, lausche auf die verklingenden Schritte des Boten und höre, wie er in den Lieferwagen steigt und den Motor startet.

Mit einem Seufzer krabble ich zurück auf den Deckenberg und richte mir mein Lager ein. Ich lege den Kopf auf die Pfoten und hänge meinen Gedanken nach. Mein Körper ist behaglich zusammengerollt und mein Geist ist wach. Mit meinem Geist reise ich in die Vergangenheit und ich denke über Fragen des Lebens nach. Kein anderer Hund tut das, jedenfalls hab ich noch nicht davon gehört.

Ich denke über die Liebe nach und über Freundschaft, und ich denk an Lola. Lola ist ein Hunde-Model, sie muss Pullover, Regenjacken oder Wintermäntel anziehen und damit über einen Laufsteg spazieren. Lola hat ein sanftes Wesen und sie ist total entspannt. Und das, obwohl sie meine Art mich mitzuteilen nicht versteht. Das geht anderen Hunden genauso, aber die regen sich für gewöhnlich mächtig darüber auf.

Leider nahm unsere Freundschaft ein jähes Ende. Lola ist vor kurzem in eine andere Stadt umgezogen und Nele meint, dass wir sie vermutlich nie wieder treffen werden.

Auch wenn ich inzwischen kapiert habe, dass ich anders bin als andere Hunde, so gibt es doch Dinge, in denen wir uns ähneln. Hunde fühlen mit ihren Menschen mit. Wenn Nele Angst hat, dann krieg ich auch Angst, und wenn sie fröhlich ist, dann bin ich das auch. Wir lieben unsere Menschen aufrichtig und bedingungslos. Auch Hunde, die nicht gut behandelt werden, tun das. Wir können nicht anders.

Hunde denken für gewöhnlich nicht an das, was vor drei Jahren, gestern, oder vorhin geschehen ist. Hunde leben im Augenblick und es ist schade, dass die meisten Menschen das nicht auch tun. Dann würden sie nicht durch den Tag hetzen und sie würden sich nicht mehr über dieses Ding beklagen, das sie Stress nennen. Wir Hunde sind voll da, bei allem, was wir tun. Das sind die Menschen fast nie, und deswegen verpassen sie den Augenblick und lassen das Leben an sich vorbeirauschen.

Wir haben Mittagspause. Nele zieht ihre Jacke an, kramt in den Taschen und findet ihren Schlüssel nicht. Sie ist noch immer durcheinander wegen der Pferde-Sache, und wenn sie auf diese kopflose Art weitersucht, dann wird das heute nichts mehr mit unserem Spaziergang. Ich schlängle mich ein paarmal zwischen ihren Beinen durch und wedle übertrieben mit dem Hinterteil, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Sie schaut mir kopfschüttelnd dabei zu, fängt an zu lachen und plötzlich findet sie den Schlüssel in ihrer Jackentasche.

Los geht’s, ich renn wie ein Irrer durchs Treppenhaus und über den unteren Flur bis zur Eingangstür. Durch die Scheibe beobachte ich einen Mann mit einer Harke, er bearbeitet den Streifen Erde unter der Hecke. Gleich hinter der Hecke beginnt der Park, in dem wir unsere Mittags-Runde drehen. Nele braucht ’ne Ewigkeit bis sie unten ist, ich platze fast vor Ungeduld, aber statt die Tür endlich zu öffnen, beugt sie sich runter zu mir und befestigt die Leine an meinem Halsband. Och nö, stimmt ja… Ich hatte für einen Moment verdrängt, dass ich seit einer Weile nicht mehr frei draußen rumlaufen darf.

Der Grund dafür ist ein wirklich blödes Gesetz, das sich ein paar schlaue Leute ausgedacht haben, und das einem den ganzen Frühling vermiesen kann. Regeln und Verordnungen sind wichtig fürs Zusammenleben, das ist logisch. Was ich allerdings nicht versteh, ist, warum die Menschen sie aufschreiben und dicke Bücher daraus machen müssen. Wir Hunde brauchen kein Papier und auch keine Stempel. Da stellt man mal kurz die Nackenhaare auf und zeigt die Zähne und schon weiß der andere, wie der Hase läuft. So viel Hundesprache versteh sogar ich.

Apropos Hase: Nele hat mir erzählt, dass ich wegen der Hasen an die Leine muss. Und wegen der anderen Tiere, die in der Natur wohnen. Nun, was mich betrifft, haben die nichts zu befürchten. Ich geb’s nicht gern zu: Ich bin zu langsam, ich krieg sie nicht. Deswegen beschränke ich mich darauf, sie gehörig zu erschrecken und habe meine helle Freude daran, wenn sie wegrennen als sei der Teufel persönlich ihnen auf den Fersen.

Dieses unselige Gesetz bedeutet braves Bei-Fuß-Laufen, und das ist wahrlich nicht immer ein Spaß. Das jedoch mit Abstand Schlimmste an der Anleinpflicht ist Rosalindes Grinsen. Rosalinde ist diese arrogante, schwarz-weiße Katze unseres seltsamen Übernachbarn. Ich liebe es, sie in die Flucht zu schlagen und sie fällt immer wieder darauf rein. Jeder Tag ist ein guter Tag, wenn wir morgens vor Arbeitsbeginn Rosalinde begegnen. Das hat sich geändert. Diese aufgeblasene Trulla hockt jetzt nämlich jeden Morgen ganz entspannt auf dem Bürgersteig und grinst sich einen. Was für eine Schmach! Warum hat eigentlich noch keiner die Anleinpflicht für Katzen erfunden?

Alle Dinge im Leben haben zwei Seiten, und so hat auch die Leinenpflicht ihr Gutes – wegen Typen wie Iwan. Iwan ist dieser großschnauzige braune Muskelprotz, dem ich manchmal in der Mittagspause begegne. Wir geraten jedes Mal böse aneinander, was stets damit endet, dass ich mit hängendem Kopf und eingeklemmtem Schwanz meiner Wege ziehe, und tagelang um meine Würde ringe.

Wenn man mich fragt, müssten Hunde wie Iwan ein großes Schild mit der Aufschrift „Ich kann mich nicht benehmen“ um den Hals tragen, und zwar rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit. Doch stattdessen ist dieser ungehobelte Klotz mit einem dieser albernen Brustgeschirre aus abwischbarem Material bekleidet. Es ist neongelb und in schwarzen Buchstaben steht auf beiden Seiten „Weiberheld“ drauf geschrieben. Das weiß ich von Nele und sie hat mir auch erklärt, was ein Weiberheld ist.

Heute ist es wieder so weit. Nele und ich gehen friedlich im Park spazieren, und wer kommt uns entgegen? Iwan. Na besten Dank! Mit einer Mischung aus grimmiger Genugtuung und Erleichterung erspähe ich den dicken Karabinerhaken samt breiter Lederleine an seinem Nietenhalsband.

Am anderen Ende der Leine befindet sich ein ungeschlachter Mann in olivgrünem Parka. Er riecht nach menschlichen Ausdünstungen und nach fettigem Essen. Nele fasst die Leine kurz, geht ein paar Schritte zur Seite und drängt mich sanft auf den Grünstreifen, damit Iwan und dem Mann der ganze Weg gehört. He, was soll das denn? Der Weg ist so breit, dass ein Reisebus darauf Platz hätte, und ich muss mich ins Gebüsch quetschen? Ich rege mich künstlich darüber auf, zerre an der Leine und stelle mich auf die Hinterpfoten. Nun bin ich mit der Großschnauze fast auf Augenhöhe, da fehlt nicht mehr viel. Nur gut, dass genügend Sicherheitsabstand zwischen uns ist.

Iwan hängt sich ebenfalls in die Leine, der Mann schlittert ein Stück über die Schottersteine, und mir wird plötzlich ganz mulmig angesichts Iwans gelber Fangzähne, die sich jetzt dicht vor meiner Nase befinden. Der Mann taumelt, kommt keuchend zum Stehen und reißt mit aller Kraft an der Leine, sodass Iwan einen unfreiwilligen Satz rückwärts macht. „Verdammter Scheißköter!“, brüllt er. Merkwürdig, ich dachte, die Großschnauze heißt Iwan.

Jetzt wird Nele aber sauer. Ihr Atem stockt, ihr Herz rast. „Haben Sie schon mal was von Erziehung gehört?“, faucht sie den Mann an.

Die Wut des Mannes verfliegt im Nu. Er grinst so breit, als wär er einer von den smarten Sonnyboys aus diesen Dating-Shows im Fernsehen. Nele und ich gucken oft solche Sendungen. Im Gegensatz zu den Sonnyboys sollte Iwans Begleiter den Mund jedoch lieber zu lassen, denn seine Zähne sind genauso gelb wie die seines Hundes.

„Erziehung? Für wen? Für meinen Hund?“, fragt er in einem Ton, den die Sonnyboys im Fernsehen für Sätze wie „Ich will dir Honig um den Bauchnabel streichen“ benutzen. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass der Mann das Brustgeschirr seines Hundes bestimmt am liebsten selber anziehen würde.

Geifer tropft von Iwans Lefzen, jeder Muskel seines massigen Körpers ist auf Hochspannung. Er starrt mich aus stechend schwarzen Augen an, als würde er mich am liebsten in einem Stück runter schlingen. Ich spiele den Gleichmütigen, indem ich einfach so tu, als hätt ich soeben was total Interessantes im Gebüsch entdeckt.

„Für Sie. Wenn Sie wüssten was Benehmen ist, dann könnten Sie das auch Ihrem Hund beibringen“, entgegnet Nele eisig, woraufhin der Mann aus der Wäsche guckt wie ein Trottel.

Sie zupft an der Leine, geht mit langen Schritten weiter und ich trabe neben ihr her. Ich kann nicht umhin, mich noch einmal umzudrehen, um Iwan einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. Wenn ich ein Brustgeschirr hätte, dann würde da „So sehen Sieger aus“ drauf stehen.

Nach der Spazierrunde isst Nele mit den Kollegen zu Mittag, und ich muss währenddessen die Stellung im Sekretariat halten. Jens besteht darauf, dass ich im Büro bleibe, weil er Hundehaare in seinem Joghurt befürchtet. Eine völlig haltlose Befürchtung. Ich würde darauf achten, ganz bestimmt kein einziges Haar zu verlieren, wenn ich dabei sein dürfte, aber Jens lässt sich nicht mal auf einen Versuch ein. Zuhause hat er zwei Kinder, und ich hoffe, die verlieren keine Haare. Andernfalls täten sie mir wirklich leid.

Die Küche ist nur ein paar Schritte entfernt, und ich hör die Kollegen trotz der geschlossenen Tür miteinander sprechen. Und natürlich steigen mir die Düfte ihrer Mikrowellen-Gerichte und Fertigpizzen in die Nase. Ohne große Hoffnung suche ich den Teppichboden nach Kaustreifen-Partikeln ab und beende die Suche schließlich ergebnislos. Ich trinke ein paar Schlucke aus meinem Wassernapf, erklimme den Deckenberg und richte mich ein.

Langatmig erzählt Jens vom Highlight seines einwöchigen Urlaubs, der gestern zu Ende ging. Er hatte bei einem Versandhaus seltene und außergewöhnlich wertvolle Pflanzen für seinen Garten bestellt und statt sieben nur sechs Pflanzen geliefert bekommen. Auf der Rechnung standen aber sieben. Daraufhin hat er bei dem Versandhaus angerufen und sich böse beschwert. Nach dem Telefonat hat dann seine Frau die Pflanzen durchgezählt und da waren es plötzlich sieben. Die erste wichtige Information in der Geschichte ist die Tatsache, dass eine Pflanze etwa hundertfünfzig Euro kostet. Und die zweite wichtige Information ist, dass Jens den Sachbearbeiter gehörig zur Schnecke gemacht hat.

Jens tut zwar immer so, als würde er in Arbeit ersticken, aber in Wirklichkeit trödelt er rum und hält sich ’ne Ewigkeit an Kleinkram auf. Außerdem ist er der Unruhestifter Nummer eins in der Redaktion. Ich weiß, dass Jürgen ihn rauswerfen würde, wenn er könnte, aber weil Jens schon so lange da ist, darf er das nicht. Und Geld für einen neuen Mitarbeiter hat Jürgen auch nicht.

Alle anderen außer Jens sind tatsächlich im Dauerstress und beklagen sich täglich über die viele Arbeit. Weil sie so viel Stress und so wenig Spaß haben, sind sie oft krank. Trotzdem arbeiten sie Tag für Tag weiter wie verrückt und ich frag mich wirklich, warum sie das machen. Sie haben doch gesehen, was mit Frank passiert ist. Der hat als Redakteur hier gearbeitet und jede Menge Pillen gegen seine Krankheiten geschluckt, bis er eines Tages unterm Schreibtisch lag und vom Krankenwagen abgeholt wurde. Er hatte einen Herzinfarkt und ist jetzt zur Reha, damit er wieder auf die Beine kommt. Ich kenn mich mit Krankheiten nicht aus und weiß auch nicht, was man in einer Reha so macht. Ich vermute aber, dass es da fröhlicher und entspannter zugeht als in der Redaktion und deswegen denk ich, wär eine Reha auch für die anderen Kollegen eine gute Sache.

Jürgen will bestimmt nicht zur Reha, aber er sollte wenigstens mal Urlaub machen. Er macht nie Urlaub, nicht einen einzigen Tag. Wenn er Urlaub hat, dann zieht er sich ein Hawaiihemd und Bermudashorts an und kommt trotzdem in die Redaktion. Er hat ein dauerndes Piepen im Ohr, und war deswegen schon bei allerlei Ärzten, aber keiner konnte ihm helfen. Vielleicht will das Piepen ihm sagen, dass er nicht nur an die Redaktion, sondern auch mal an sich und seine Familie denken soll.

Nele braucht nicht zur Reha, sie hat zwar auch zu viel Arbeit und keinen Spaß daran, aber sie hat ja mich. Ich halt sie bei Laune, sie geht viel mit mir spazieren, und Bewegung in der Natur ist gut für die Seele. Jeden Tag fahren wir nach der Arbeit ein Stück mit dem Auto aus der Stadt raus. Meistens nach Wiesmoor, wo große Weidenflächen, weite Felder und einsame Sandwege sind. Herrlich ist das da.

Die Kollegen schieben ihre Stühle zurück und klappern mit dem Geschirr. Sie haben fertig gespeist und nun geht’s wieder an die Schreibtische. Die Tür schwingt auf, und Nele und Jürgen kommen rein. Ich zeige ihnen deutlich, dass ich mich über ihr Erscheinen freue, krabble dafür aber nicht extra vom Deckenstapel runter. Nele lächelt mich an, hockt sich hin und krault mich hinter den Ohren. Mmmh, sehr angenehm! Ich hebe ein Vorderbein, damit sie auch meine Lieblingsstelle am Bauch krault. Da klingelt das blöde Telefon schon wieder.

Murrend setzt sie sich auf ihren Drehstuhl, zwingt sich zu einem Lächeln und nimmt den Hörer ab. Sie lauscht einem Redeschwall und sagt dann und wann freundlich „Aha“ und „Soso“. Ich roll mich zusammen und schließe die Augen, um besser nachdenken zu können.

Nach einer Weile legt sie wieder auf und schimpft leise vor sich hin. Jürgen, dem fast nie was entgeht, will wissen, mit wem sie telefoniert hat.

„Das war ein Leser, der sich über einen Kommafehler beschwert hat“, knurrt sie. „Auf Seite drei unten rechts im vorletzten Absatz ist ein Komma zu viel. Haben die Leute nichts Besseres zu tun, als sich mit solchen Nichtigkeiten zu beschäftigen?“

Jürgen kichert und klappert auf seiner Tastatur herum.

Seufzend lehnt sie sich in ihrem Drehstuhl zurück, worauf dieser mit einem leisen Quietschen reagiert. „Gibt‘s was Neues von der Polizei? Wegen des verletzten Pferdes?“, erkundigt sie sich bei Jürgen.

„Nö“, macht er fröhlich und klappert weiter. Nele seufzt nochmal, dann quietscht der Stuhl wieder und sie klappert ebenfalls.

Kurz vor Feierabend wach ich von meinem eigenen Schnarchen auf. Na sowas, da bin ich doch glatt eingenickt! Nele packt ihre Tasche und schaltet den Computer aus. Ich erhebe mich, klettere umständlich vom Berg und strecke meine Glieder, bis die Gelenke knacken. Ich schüttle mich und bin startklar.

Die Nachmittagssonne hat aus dem Auto einen Backofen gemacht. Widerwillig klettere ich in die Transportbox, die auf dem Rücksitz festgeschnallt und mit mehreren Schichten Zoomaxx-Decken ausgestattet ist. Nele wirft ihre Jacke auf den Beifahrersitz und lässt die Tür eine Weile auf, bevor auch sie einsteigt.

Ich japse nach Luft und hechle, mein dickes Fell ist nicht die beste Wahl heute. Hoffentlich fahren wir nach Wiesmoor und hoffentlich ist der grüne Geländewagen nicht in Sicht. Der gehört dem Jäger und wenn er nicht da ist, darf ich frei laufen. Ich brauch gleich ganz dringend eine Abkühlung, ich werd den erstbesten Graben anpeilen und mit vollem Karacho rein springen, jawoll! Auch auf die Gefahr hin, dass ich hinterher nach Gülle oder Moder rieche und Nele mich daheim in die Badewanne steckt und mit grässlich parfümiertem Schaum wäscht. Das Zeug hat sie, wen wundert‘s, bei Zoomaxx gekauft, und sie findet den Geruch „voll klasse“. Ich finde, ich stink frisch gebadet ganz furchtbar, da ist Gülle gar nichts dagegen.

Nele startet den Wagen und schaltet die Klimaanlage ein. Im Radio singt eine Frau ein Lied über einen Mann, der sie betrogen hat und deshalb gehen soll, und als er seinen Koffer gepackt hat und in der Tür steht, will sie plötzlich, dass er bleibt und den Koffer wieder auspackt. Nele schaltet das Radio aus, das kommt nur selten vor. Sie kann Stille nicht gut aushalten, darum hat sie Radios, einen tragbaren Computer und einen Fernseher. Doch jetzt will sie mit mir reden. Hoffentlich nichts Ernstes. Wenn sie mir den Graben von vornherein verbietet, hab ich ein Problem.

Sie schaltet den Blinker ein und guckt in den Rückspiegel. „Wir fahren heute nicht nach Wiesmoor“, eröffnet sie mir.

Nein? Aber wieso nicht? He, das kannst du nicht machen, ich muss in den Graben, sonst geh ich kaputt! Zugegeben, manchmal neige ich dazu, die Dinge zu dramatisieren.

Urplötzlich wird mir klar, was die Alternative sein könnte, und ich stöhne entsetzt auf. Oh nein, jetzt sag bitte nicht, dass wir in die Fußgängerzone gehen! Ich will nicht stundenlang in einem dieser langweiligen Läden auf einem Fleck stehen, während du dich nicht entscheiden kannst, ob du ein rotes oder ein blaues T-Shirt kaufen willst. Bitte nicht heute!

Sie löst eine Hand vom Lenkrad, greift in ihre hintere Hosentasche und kramt den Zettel hervor. Ich behalte den Straßenverkehr im Auge, während sie den Zettel auseinanderfaltet und liest, was sie vorhin aufgeschrieben hat. Manchmal ist sie ganz schön leichtsinnig. Sie legt den Zettel auf den Beifahrersitz und guckt wieder auf die Straße.

„Wir fahren zu dem verletzten Pferd nach Eversmühlen. Ich muss da hin, sonst krieg ich heute Nacht kein Auge zu.“

Ich atme auf. Wir gehen nicht shoppen, dem Himmel sei Dank. Wenn’s gut läuft, gibt’s an der Pferdeweide einen Graben. Ein Tümpel wär mir auch recht.

Wir lassen die Stadt hinter uns. Die Klimaanlage leistet ganze Arbeit und ich stelle das Hecheln ein, mach’s mir auf den Decken bequem und lasse die Landschaft an mir vorüberziehen. Nach einer Weile guckt Nele nochmal auf den Zettel, der Wagen wird langsamer und der Blinker klackert. Ich spring auf und sehe einzelne Bäume, jede Menge Wiesen und die schmale Straße, auf der wir fahren. Wir kommen an ein paar Häusern vorbei, auf einer Weide grasen Kühe. Der Wagen wird langsamer und wir biegen nochmal ab. Wiederum eine schmale Straße.

„Da vorne muss es sein“, murmelt sie. „Hoffentlich sind die Besitzer bereit, mit mir zu sprechen.“

Ich erblicke ein großes, einzelnes Haus, das von Weideflächen umgeben ist. Sie bremst ab, lässt den Wagen ausrollen und hält auf dem Grünstreifen vorm Hausgrundstück an. Bevor ich aussteigen darf, befestigt sie die Leine an meinem Halsband. Ihre Finger zittern.

Pferde sind weit und breit nicht zu sehen, aber ich rieche sie trotzdem. Wir gehen einen mit Steinplatten belegten Gartenweg entlang in Richtung Haustür. Bienen summen in einem Busch, sie fliegen raus, umkreisen ihn und fliegen wieder rein. Ich verlangsame meinen Schritt, schlage einen Bogen und schleiche geräuschlos vorbei. Seit mich mal eine Biene in die Nase gestochen hat, bin ich vorsichtig, wenn’s irgendwo summt.

Nele atmet geräuschvoll ein und aus, dann drückt sie auf den Klingelknopf. Ich höre Schritte, die Tür schwingt auf. Eine Frau schaut uns fragend an.

„Entschuldigen Sie die Störung“, stammelt Nele. „Ich, äh, ich möchte mich gern erkundigen, wie es Ihrem Pferd geht.“

Die Frau guckt immer noch fragend. „Kennen wir uns?“

Nele schüttelt den Kopf. Sie sagt ihren Namen und dass sie in der Redaktion arbeitet. „Die Polizei meint, dass die Verletzungen von einem Messer stammen könnten“, ergänzt sie.

Die Frau legt die Stirn in Falten. „Sind Sie Journalistin?“, fragt sie abweisend. „Ich möchte nicht, dass in der Zeitung darüber berichtet wird. Emily hat schon genug Kummer wegen Happy, da muss sie nicht noch von allen Leuten darauf angesprochen werden.“ Ihre Körpersprache besagt, dass das Gespräch für sie beendet ist, doch sie ist zu höflich, die Tür vor unserer Nase zuzuschlagen. Sie steht mit aufeinander gepressten Lippen da und wartet darauf, dass wir gehen.

„Ich… nein, ich bin Sekretärin. Ich schreib keine Artikel. Es… ist rein persönliches Interesse.“

Die Frau steht noch immer abwartend in der Tür, sie bleibt stumm.

Nele schluckt hart. „Ich… mein Pferd…“, stammelt sie. „Es wurde erstochen… Jemand hat es regelrecht… abgeschlachtet.“

Ach du Schande, das wusste ich nicht! Ich dachte, ihr Bonny-Pferd wäre ganz normal gestorben, wie man eben stirbt, wenn man alt ist. Hat sie mir davon erzählt? Hab ich das etwa überhört? Vergessen hätt ich’s bestimmt nicht. Dann ist’s ja kein Wunder, dass sie heute so aufgewühlt war. Ich spüre, dass sie mit den Tränen kämpft, streiche an ihrem Bein entlang und setze mich auf ihren Schuh.

Die Frau guckt jetzt nicht mehr abweisend, sondern mitfühlend. „Das tut mir aber leid für Sie“, sagt sie betroffen. „Wurde der Täter denn gefasst?“

Nele schüttelt den Kopf. „Nein. Womöglich ist es derselbe, der auch Ihr Pferd angegriffen hat. Deswegen bin ich hier.“

Die Frau schaut sie zweifelnd an. „Ich glaube, da irren Sie sich. Aber nichtsdestotrotz...“ Sie öffnet die Tür weit, als wolle sie uns hereinbitten, überlegt es sich anders und sagt, wir sollen einen Moment warten. Sie schlüpft in ein Paar Schuhe, ruft die Treppe hoch, dass sie gleich wieder da ist, kommt nach draußen und macht die Tür hinter sich zu.

„Kommen Sie. Wir gehen nach hinten zu den Pferden.“ Sie setzt sich in Bewegung und wir folgen ihr. Die Steinplatten führen um das Haus herum an Beeten und Blumenkübeln vorbei. Im Garten stehen große Eichbäume, sie breiten ihr Blätterdach über uns aus und spenden kühlen Schatten. Von einem dicken Ast hängen zwei Seile runter, daran ist ein Brett als Schaukel befestigt.

Unter der Terrassenüberdachung stehen zwei runde Futternäpfe aus Kunststoff. Im ersten Napf befindet sich Wasser und – oh la la – im zweiten Reste von Katzenfutter aus der Dose. Die braune Köstlichkeit ist durch die Wärme des Tages hart geworden und klebt wie Schorf am Rand und Boden des Napfes. Sehnsüchtig schiele ich zu Napf Nummer zwei. Wie gern würde ich mich darüber hermachen, in Windeseile wär er blitzblank. Ein Wunschtraum, denn wir gehen daran vorbei und überqueren die Rasenfläche. Meine Begleiterinnen ziehen die Köpfe ein, als wir unter einer Wäscheleine hindurchgehen. Das Ende des Rasens bildet ein akkurat aufgeschichteter Misthaufen aus Stroh und Pferdeäpfeln. Misthaufen sind spannend, denn da verbirgt sich viel mehr drin, als man auf den ersten Blick vermuten mag.

Ich rieche den Pferdegeruch nun noch deutlicher und ich erblicke den Stall. Er ist aus dicken, braun gestrichenen Holzbrettern gebaut, die Fenster sind weiß umrandet. Wir gehen durch ein breites Metalltor und über hellen Sand.

„Wie lange ist das denn her mit Ihrem Pferd?“, erkundigt sich die Frau bei Nele.

„Etwa vier Jahre.“

Die Frau bleibt stehen und nickt stumm. Dann sagt sie: „Unsere Happy hat Glück gehabt. Sie ist zwar verletzt, aber sie wird wieder ganz gesund werden. Der Tierarzt kann nicht mit Sicherheit sagen, woher die Wunden stammen, theoretisch könnte Darius nach ihr ausgeschlagen haben. Ich persönlich hätte das nicht der Polizei gemeldet, aber der Tierarzt hat’s gemacht für den Fall, dass so etwas in nächster Zeit nochmal in der Gegend vorkommt.“

„Das, was meinem Pferd passiert ist, war leider kein Einzelfall.“

Die Frau hebt erstaunt die Brauen. „Nein?“

„Etwa ein Jahr später wurde eine junge Hannoveranerstute in Schönebeck zu Tode gequält. Der Besitzer war Züchter, er war um die achtzig, und er verstarb etwa zwei Wochen später. Die Erben haben sich nicht weiter um den Vorfall gekümmert und die Polizei…“ Nele hebt in einer hilflosen Geste die Schultern. „Nun, sie kamen mit ihren Ermittlungen nicht weiter und haben die Akte irgendwann beiseitegelegt.“

Das Trampeln der Pferdehufe im Stall überträgt sich auf den Erdboden, ich spüre es durch meine Pfoten in meinem Körper. Ein Pferd schnaubt unwillig, dann gibt es einen lauten Knall, als ein Huf gegen die Holzwand schlägt.

Die Frau zuckt zusammen und öffnet die Stalltür. „Sie sind es nicht gewohnt, Tag und Nacht drinnen zu sein“, erklärt sie. „Aber es nützt nichts. Happy muss wegen der Verletzung in der Box bleiben und damit sie ruhiger ist, haben wir Darius daneben gestellt.“

Sie tritt ein und bedeutet Nele, ihr zu folgen. Zwei riesige Pferdeköpfe, ein heller und ein dunkler, schauen uns erwartungsvoll entgegen. Die Frau tätschelt den Hals des hellen Pferdes und dann den Hals des anderen. „Schauen Sie, das ist Happy.“ Sie winkt Nele, die mit mir in der Stalltür stehengeblieben ist, zu sich heran.

Nele setzt sich langsam in Bewegung, ihr Gang ist plötzlich steif. Wenn sie in der Nähe von Pferden ist, benimmt sie sich immer irgendwie seltsam. Sie stakst auf die riesigen Köpfe zu und ich halte mich in ihrem Windschatten. Mir sind diese Tiere nicht geheuer.

Das dunkle Pferd weicht zurück, bläht die Nüstern und legt die Ohren an. „Na du Hübsche“, flüstert sie ihm liebevoll zu. Hübsch? Nun ja, über Geschmack lässt sich streiten.

„Happy ist ein schwieriges Pferd“, sagt die Frau. „Sie hat vermutlich bei ihren früheren Besitzern schlechte Erfahrungen gemacht. Aber Emily kommt super mit ihr klar, die beiden sind ein Herz und eine Seele.“

„Sie ist Fremden gegenüber misstrauisch“, stellt Nele fest. „Ihr fehlt das Vertrauen.“

Die Frau nickt. „Deswegen glaube ich auch nicht, dass sie einen fremden Menschen auf der Weide an sich rangelassen hätte. Wenn jemand unseren Pferden schaden wollte, dann hätte er es bei Darius viel leichter gehabt.“ Sie krault wieder das helle Pferd.

„Darius ist ein Wallach. Die beiden bisherigen Opfer waren Stuten, und Happy ist ebenfalls eine Stute. Vielleicht hat sie sich gewehrt, und deshalb ist sie mit dem Leben davongekommen“, erwidert Nele nachdenklich.

Weil ich mich ausgeschlossen fühle, wage ich mich zwei Schritte vor. Da senkt das helle Pferd den Kopf und pustet mich aus seinen riesigen Nasenlöchern an. Ich erschrecke mich dermaßen, dass ich drei Schritte rückwärts springe.

Die Frau lacht. „Keine Angst, mein Kleiner, Darius tut dir nichts. Er will dir nur guten Tag sagen.“

Nele angelt nach der Leine, sie ist ihr bei meinem Rückwärtssprung aus der Hand gerutscht. Das bringt die Frau auf einensehr guten Gedanken.

„Sie können Ihren Hund ruhig laufenlassen. Er scheint ja brav zu sein.“

Ich lege den Kopf schief, weil alle Leute das niedlich finden, und wackle bestätigend mit dem Hinterteil.

Nele zögert, aber weil die Frau so eine gute Meinung von mir hat und ich so lieb gucke, bleibt ihr nichts anderes übrig.

„Benimm dich, Napoleon“, ermahnt sie mich, was wirklich nicht nötig gewesen wäre. Ich weiß schließlich, was sich gehört und was nicht. Sie beugt sich runter, es macht Klick und ich bin frei. Katzenfutter, ich komme!

Ganz entspannt, ohne auch nur eine Spur von Eile, schlendere ich zur Tür und schnupper unterwegs an einem Heuballen. Wie ich erwartet habe, beobachten Nele und die Frau mich eine Weile, dann wenden sie sich wieder den Pferden zu und setzen ihr Gespräch fort. Ich halte die Nase nach draußen, setze einen Fuß vor die Tür, und als ich außer Sichtweite bin, geb ich Vollgas. Ich renne über den Sand, springe zwischen den Streben des Metalltors hindurch, überquere den Rasen und entere die Terrasse. Juhu, der Katzennapf ist mein! Das wird ein Festmahl! Doch, halt, was ist das denn? Ich ramme meine Pfoten in den Erdboden und mach eine Vollbremsung.

Ein dicker gelber Kater spaziert über die Terrasse. Mein Gott, das ist kein Kater, das ist eine Mutation! Ich hab schon ein paarmal mit Nele „Das Ding aus einer anderen Welt“ geguckt, deswegen kenn ich mich mit mutierten Lebewesen bestens aus.

Das gelbe Monster schnurrt wie der Motor eines Traktors und reibt seine Längsseite an der Gartenliege, während es gemächlich Kurs auf mich nimmt. Ich schalte den Rückwärtsgang ein, um für Sicherheitsabstand zu sorgen, und lasse dabei weder den Kater noch den Napf aus den Augen. Nach ein paar Schritten bleibe ich stehen, was ganz schön mutig von mir ist. Ich hätt weglaufen können wie die Leute im Film. Aber ich hieße nicht Napoleon, wenn ich ein armseliger Feigling wäre.

Er wirft mir einen abschätzenden Blick zu und springt mit einem für sein Volumen erstaunlich athletischen Satz auf das Fußende der Liege. Von seiner nun deutlich erhöhten Position aus schaut er mich wiederum an, und zwar ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Gleichzeitig rammt er seine Krallen erbarmungslos ins Polster und schärft seine Waffen. Oha, wenn das keine Ansage ist! Ich zwinge mich, seinem Treiben regungslos zuzugucken, während ich im Geiste eine Strategie entwickle. Da öffnet sich die Terrassentür.

Ein Mädchen tritt nach draußen. Ihre Haare sind zu einem langen Zopf geflochten, sie hat einen herzförmigen Mund und ihr ganzes Gesicht ist von Sommersprossen übersät. Niedlich ist die. Sie klatscht in die Hände, so sehr freut sie sich, mich zu sehen.

„Wer bist du denn?“, fragt sie mit heller Stimme und ich hätte ihr liebend gerne geantwortet, wenn ich so sprechen könnte wie die Menschen. Sie hat Pantoffeln an den Füßen und kommt langsam in gebückter Haltung, die Hand nach mir ausgestreckt, näher. Zärtlich streichelt sie über meinen Kopf, was ich gar nicht richtig genießen kann, weil ich den Kampfkater im Auge behalten muss. Der ist fertig mit der Waffenpflege und streckt sich nun der Länge nach auf dem Polster aus. Ich bin mir nicht schlüssig, was das zu bedeuten hat.

Das Mädchen hockt sich ins Gras und krault den buschigen Kragen an meinem Hals. Sie kann das gut. Der Druck ist genau richtig, nicht zu sanft und nicht zu fest. Ich hebe mein Vorderbein, damit sie meine Lieblingsstelle streichelt, seufze wohlig und vergesse vor lauter Hingabe sogar den Kater und seinen Napf.

Während sie mich krault, erzählt sie mir, dass sie Emily heißt und das Monster auf der Liege heißt Fred. Sie ist dreizehn Jahre alt und geht in die siebte Klasse, ihre Lieblingsfächer sind Kunst und Sport. Zu ihrem Geburtstag hat sie ein Pferd von ihren Eltern geschenkt bekommen, das heißt Happy. Ihre Mutter hat auch ein Pferd und das heißt Darius.

Emily liebt ihre Happy über alles und hat mit ihr schon ein paar Preise bei Turnieren gewonnen. Letztes Wochenende haben sie den zweiten Platz beim Springen belegt und waren sogar in der Zeitung abgebildet. Weil Happy sich vergangene Nacht verletzt hat und ihre Wunde genäht werden musste, darf sie für längere Zeit nicht geritten werden. Dass Emily nicht reiten darf, macht ihr nichts aus, aber sie befürchtet, dass ihr Pferd Schmerzen haben könnte. Ich bin mir sicher, dass sie geweint hat wegen ihrer Happy und es hat den Anschein, als würde sie in diesem Augenblick wieder mit den Tränen kämpfen.

Ich lecke zart über ihre Streichelhand, ihre Haut ist weich und schmeckt süß. Im Nu ist sie nicht mehr traurig, sondern kichert glucksend. Plötzlich springt sie auf und flitzt in ihren Pantoffeln über den Rasen.

„Komm mit!“, ruft sie. „Ich zeig dir Happy.“ Sie bleibt stehen und klopft auffordernd auf ihre Oberschenkel.