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Eine Kompilation ist die Zusammenfassung mehrerer Bücher in einem einzigen Buch. Die Kompilationen von STAR GATE – das Original umfassen immer ganze zehn Romane! Günstiger kommt man nicht mehr an seine Lieblingsbücher! Es gibt sie sowohl als sogenanntes eBook als auch gedruckt. Zum Beispiel hier:
STAR GATE – das Original: Die 9. Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 81 bis 90 der laufenden Serie STAR GATE – das Original – zusammengefasst!“
Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.
Für diese haben wir nun nach den ersten acht die neunte Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 81 bis 90 der laufenden Serie!
Die Kompilation beinhaltet die Romane:
81 »Mahlik-Salem« W. Kimball Kinnison (GB)
82 »Roboter unerwünscht« Wilfried A. Hary (GB)
83 »Die Geister des Saturns I« W. Berner (GB)
84 »Die Geister des Saturns II« W. Berner (GB)
85 »Die Festung« W. A. Travers (GB)
86 »Labyrinth des Todes« W. A. Travers (LB)
87 »Die Falle« W. A. Travers (GB)
88 »Schach dem König« W. A. Travers (TG)
89 »Marsch durch die Hölle« W. A. Travers (LB)
90 »Bote der Götter« W. A. Travers (TG)
(In Klammern: Abkürzung des jeweiligen Coverkünstlers des Originals!)
Viel Freude beim Lesen dieser immerhin wieder ganze 10(!) Bände umfassenden Kompilation!
Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie
STAR GATE - das Original:
Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary,
Frank Rehfeld
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch)
by hary-production.de
Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!
ISSN 1860-1855
© neu 2018 by HARY-PRODUCTION
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332-481150 * HaryPro.de * eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Coverhintergrund: Anistasius, Logo: Gerhard Börnsen, Titelbild: Gerhard Börnsen
Nähere Angaben zum Herausgeber und Hauptautor siehe Wikipedia, Suchbegriff Wilfried A. Hary: de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2018
Die 9.
Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original: Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld.
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de.
ISSN 1860-1855
Diese Fassung basiert auf den Romanen 71 bis 80
der laufenden Serie!
© 2018 by HARY-PRODUCTION
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332-481150
www.HaryPro.de
eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und
Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Lektorat: Werner Schubert
Titelbild: Gerhard Börnsen
Logo: Gerhard Börnsen
Coverhintergrund: Anistasius
Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!
Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.
Für diese haben wir nun nach den ersten acht die neunte Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 81 bis 90 der laufenden Serie!
Die Kompilation beinhaltet die Romane:
81 »Mahlik-Salem« W. Kimball Kinnison (GB)
82 »Roboter unerwünscht« Wilfried A. Hary (GB)
83 »Die Geister des Saturns I« W. Berner (GB)
84 »Die Geister des Saturns II« W. Berner (GB)
85 »Die Festung« W. A. Travers (GB)
86 »Labyrinth des Todes« W. A. Travers (LB)
87 »Die Falle« W. A. Travers (GB)
88 »Schach dem König« W. A. Travers (TG)
89 »Marsch durch die Hölle« W. A. Travers (LB)
90 »Bote der Götter« W. A. Travers (TG)
(In Klammern: Abkürzung des jeweiligen Coverkünstlers des Originals!)
Mahlik-Salem
von W. Kimball Kinnison:
„Willkommen im Hypererlebnispark!“
Schon wieder steht das Schicksal der Erde und sogar der gesamten Menschheit auf des Messers Schneide: Dem ziemlich komplizierten Parlament des Bundes von Dhuul-Kyphora erscheint es plötzlich taktisch klug, die Menschheit einfach auszurotten. Damit geht zwar ein beliebtes Fernsehformat verloren, in der Form einer Art Doku-Soap über die »verwerfliche Spezies namens Mensch« (siehe u. a. Band 27: Der Verräter), aber das will man billigend in Kauf nehmen. Vielleicht hilft es sogar, einen neuerlichen Superkrieg gegen die Galaxie der Prupper zu vermeiden. Und dann kommt doch alles ganz anders als von vielen geplant, denn das Schicksal der Menschheit wird diesmal ausgerechnet auf einer Welt entschieden, wie sie verrückter nicht denkbar wäre: Mahlik-Salem!
Von Beteiligten, die nicht weniger verrückt erscheinen...
Die Hauptpersonen
Rhe-Faro – das Schicksal der Erde hängt von einem der mächtigsten Kyphorer ab.
Trudi Rammstein – wird zu einem ungewöhnlichen Einsatz abkommandiert.
Amarthas – ist eine Prupperin, die Trudi behilflich ist.
Cassius Claydon, Walt Webster – die Anführer der ›Touristen‹ auf Mahlik-Salem.
Pieto – der Bulowa ist der einzige Exot der menschlichen ›Touristen‹-Gruppe.
Walter Barnes – gerät vom Regen in die Traufe und umgekehrt.
Scara the Mouch – ist ein Rouch und dazu ein netter Reiseführer.
Acras the Bouch – der Onkel von Scara macht den Menschen ein Angebot.
Jerry Bernstein – seine Neugier ist der ›Käse‹, mit der er sich die eigene Falle stellt.
Khanada-San, Talor-Koros – zwei Offiziere der Craahls mischen mit: Hochbrisant, denn sie haben die Position von Phönix entdeckt!
Tyhona, Festung auf Kyphor, Hauptwelt des Bundes von Dhuul-Kyphora – 3. 1. 2064
Das Star Gate hatte seine letzte Sendung empfangen. In der Mitte des Tetraeders stand ein hochgewachsenes und bis ins Detail menschenähnliches Wesen. Sein kantiges Gesicht wies strenge Züge und dünne, beinahe blutleere Lippen auf. Die dunklen Augen drückten an Arroganz grenzende Selbstsicherheit aus. Seine Haltung war straff und vermittelte das Machtbewusstheit eines hohen Militärs. Es trug eine hellbraune Uniform, von der im Wesentlichen nur ein weiter Umhang zu sehen war.
Auf dem eng anliegenden Trikot prangte ein sechseckiges Logo in Höhe des rechten Brustmuskels. Es setzte sich zusammen aus zwei übereinanderliegenden Dreiecken, deren Kanten alle gleichschenklig und etwa eine Handspanne lang waren. Die Linien des aufrechten Ecks blitzten metallisch, und in der Spitze funkelte es bläulich: Dies repräsentierte ein Star Gate. Das kopfüber dargestellte Dreieck symbolisierte ein Raumschiff, und auf den schwarzen Leisten erschienen abwechselnd Lichter wie ferne Sterne.
Rhe-Faro wartete, bis eine Wache die Tür des Star Gates weit geöffnet hatte. Er betrat mit bedächtigen Schritten das Podest im Zentrum des weiträumigen Auditoriums. Ein knappes Nicken galt dem hochrangigen Offizier, der ihm Einlass gewährt hatte. Dieser trug die gleiche Uniform mit demselben Abzeichen, lediglich etwas kleiner. Da sämtliche hohen Militärs des Bundes gleich gekleidet waren, ließ sich deren Rang nur an der Größe dieses Symbols erkennen. Die Wachen waren ausnahmslos höchste Dienstgrade und stets präsent, selbst wenn die Sitzungshalle von den Ratsmitgliedern jahrelang nicht aufgesucht wurde. Sicherheit hatte oberstes Gebot im ›Rechten Arm‹ der Bundes-Macht, gelegen inmitten der Superfestung Tyhona auf der Südhalbkugel des Planeten Kyphor; die hermetisch versiegelte Kuppel war nur per speziell kontrolliertem Star Gate betretbar.
Jedes Mal, wenn Rhe-Faro auf die dreieckige Empore hinaustrat, in deren Mitte der Tetraeder stand, überkam ihn die Erinnerung an sein erstes Erscheinen in diesem Kuppelsaal. Vor Jahrhunderten war er jüngstes Mitglied des Kriegsrats des Bundes von Dhuul-Kyphora geworden und voller Ehrfurcht als Erster hier eingetreten. Damals hatte er sich fast einen Tag lang gedulden müssen, bis die immer höheren Ränge nach und nach eingetroffen waren. Heute jedoch mussten sämtliche Mitglieder des Gremiums auf sein Erscheinen warten – bereits seit einer Dekade trug er nun das größte Abzeichen. Sein Herz schlug längst keinen Takt schneller, wenn er sich sofort zu seinem hoch aufragenden Podium begab, um als Vorsitzender die Sitzung zu eröffnen.
Am dritten Abend kündigte Rhe-Faro eine Aussprache zum letzten Tagungspunkt an. Seine Stimmung hatte wegen dieser Angelegenheit bereits zu Beginn der Versammlung einen erheblichen Dämpfer erhalten. Ihm hatte sehr viel daran gelegen, den Antrag nicht zuzulassen. Darum hatte er dieses Thema als äußerst unwichtig benotet und gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. Seine Intuition hatte ihn dazu bewogen.
Trotzdem war er überrascht, als gleich zu Sitzungsbeginn beide Fraktionen einmütig die Aufnahme dieses Punkts beantragten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ingrimmig die Tagesordnung zu ändern. Er spürte den heraufziehenden Zwist: Beide Parteien waren ersichtlich darauf aus, zum Abschluss eine heftige Kontroverse anzuzetteln. Ihm als Vorsitzendem konnte nicht daran gelegen sein, denn jegliche Missstimmung musste er dem Kronrat und dem Denkernetz des Bundes, dem ›Doppelten Willen‹, höchstpersönlich mitteilen und sich lang und breit rechtfertigen.
Tief im Raum schwebte dieses Zentrum des Willens. Es umkreiste den Planeten Kyphora im Herzen des Bundes und bezog seine Energie von dessen Sonne Faro, die sonstige Versorgung vom Planeten und seinen Trabanten. Die Station besaß eine bizarre Form. Sie war schon rein äußerlich ihrer Bedeutung angemessen: Es war eine Art riesiger, künstlerisch gestalteter Kopf. Sein Durchmesser betrug mehrere tausend Meter. An seiner Herstellung war Dutzende von Jahren gearbeitet worden.
Er war das Regierungs- und Verwaltungszentrum des dhuul-kyphorischen Reichs. In diesem Zentrum tagte der Kronrat, aus den Abgeordneten der zahllosen Planetenverwaltungen bestehend. Nicht alle Abgeordneten waren immer vor Ort; viele glänzten durch Abwesenheit. Das war normal. Wären alle zusammen in dem Zentrum erschienen, es wäre sehr eng geworden, trotz der enormen Größe. Denn die Größe war vor allem dafür geschaffen, Eindruck zu schinden. Den Eindruck von Überlegenheit und Stolz, von Macht und Wissen, von Prunk und Schönheit. Riesige Hallen mit künstlichen Gärten lieferten einen prachtvollen Hintergrund, wenn der Kronrat tagte und diese Tagungen zu den betroffenen Planeten live übertragen wurden.
Die äußere Form dieser Station im Weltraum hatte auch noch eine andere Bedeutung. Es war der Hinweis auf etwas, das sich im Innern dieser Station befand. Denn der Kronrat war nur ein Teil der Regierung des Bundes.
Der andere Teil war das Gedankenkollektiv im Verbund mit einem riesigen Rechengehirn. Der Rechner beinhaltete in seinen Speichern sämtliche Informationen über das interstellare Reich – zumindest sämtliche wichtig erscheinenden Informationen. Das war eine Datenfülle, die alle terranischen Computer zusammen überfordert hätte. Doch in diesem gewaltigen Zentrum fanden sie Platz und waren abrufbar. Bei dieser Datenfülle ging das trotz der Hochleistungstechnik nicht immer ganz so schnell, wie es nötig gewesen wäre.
Verbunden mit diesem Riesenrechner war das ›Denkernetz‹ oder auch Gehirnkollektiv. Kyphorer waren langlebig, sehr langlebig sogar, doch sie waren nicht unsterblich. Fühlte ein verdienter Politiker des Reichs sein Ende nahen, so wurde sein Gehirn, wenn er und die Berufskollegen von allen Planeten sowie das Denkernetz selbst einverstanden waren, aus dem zerfallenden Körper geborgen und dem Kollektiv hinzugefügt. Die meisten Gehirne waren viele Jahrtausende alt. Aber sie waren immer noch unverbraucht. Es war nie vorgekommen, dass ein Gehirn aus dem Kollektiv entfernt werden musste, weil seine Zellen dem Wahnsinn verfielen.
Dieses ›Denkernetz‹ besaß den Vorzug, stets verfügbar zu sein. Es war die eigentliche Legislative der dhuul-kyphorischen Regierung. Was die Gehirne bestimmten, wurde vom Rat der Völkerkontrolleure und/oder dem Kriegsrat durchgeführt.
Innerhalb aller Gremien des Bundes war Konfrontation höchstens in Form von Debatten erlaubt, bei den Abstimmungen jedoch wurde stets Einstimmigkeit eingefordert. Vor über einhundert Jahren hatte sich im Kriegsrat aber eine kleine Opposition gebildet, die sich seitdem stetig vergrößert hatte. Seit der letzten Sitzung hatte sich ihr politisches Gewicht so verstärkt, dass im Rat eine historische Pattsituation drohte. Vor allem für Rhe-Faro würde diese Balance unangenehm werden, denn dadurch wäre er genötigt, seine entscheidende Stimme in eine der beiden Waagschalen zu werfen.
Rhe-Faros Laune hatte sich während der lautstark und stundenlang geführten Debatte weiter verschlechtert. Er wünschte sich noch sehnlicher, endlich ins Star Gate treten und zu einem Kurzurlaub mit besonderem Service verschwinden zu können.
Er mahnte sich zur Geduld und neigte seinen Kopf leicht dem gerade sprechenden Hauptredner der Konservativen zu, der weit unter ihm saß. Äußerlich gab er sich den Anschein des neutral zuhörenden Vorsitzenden. Innerlich machte er aber diesen vermaledeiten Kar-Nol für seine miese Stimmung verantwortlich, denn dessen ständige Eingaben hatten letztendlich zur Aufnahme dieses leidigen Themas in die Tagesordnung geführt. Sie waren der ›Hebel‹, auf welchen die Opposition seit Langem gelauert hatte.
Das niedrigrangige Kriegsrats-Mitglied Kar-Nol gehörte der traditionellen Fraktion bereits seit seinem ersten Tag in diesem Gremium an. Zurzeit war er Waffenherr im Sektor »Er.Mo.2063>>P-SG487,68«. Die Sektoren wurden nach der Norm des ersten dort installierten Star Gates benannt. Dieses Sternentor war auf einem recht kleinen Himmelskörper errichtet worden. Craahls waren durch ein Star Gate dorthin gelangt, welches die Eingeborenen eines Planeten auf ihrem Trabanten installiert hatten. Den Mond hatten sie ›Mond‹ genannt und ›die Erde‹ nach der Erde, auf der sie gingen.
Primitiver geht es nicht, dachte Rhe-Faro geringschätzig. Und sie werden es bleiben, denn unsere kleine Strafexpedition hat diesem verbotenen Treiben ein schnelles Ende gesetzt!
Rhe-Faro hieb zornig auf das Podium, denn der Geräuschpegel hatte wieder einmal ein erträgliches Maß überschritten.
Mit diesem ›Drecks‹-Planeten also musste er sich herumärgern, ohne darauf vorbereitet zu sein. Jedoch hatte er Kar-Nols Hartnäckigkeit unterschätzt und zudem nicht damit gerechnet, dass die Hardliner-Fraktion ausgerechnet diese Bagatelle als Hebel zum Generalangriff auf den Friedenszustand des Bundes – eines Friedens besonderer Art, nämlich so, wie ihn die Kyphorer verstanden – einzusetzen versuchte.
Auf die neue harte Linie setzten sie, weil ihnen die Jahrtausende lang anhaltende Dominanz des Rats der Völkerkontrolleure missfiel. Eigentlich war dieses Gremium, dessen Mitglieder dunkelgrün gekleidet waren, ihnen gleichgestellt. Beide Räte regierten als ›Linker Arm‹ und ›Rechter Arm‹ den Bund gemeinsam – sie bildeten die Exekutive. Jedoch hatten in Friedenszeiten die Völkerkontrolleure das letzte Wort.
Daher war The-Faro der Vorgesetzte von Kar-Nol und verhinderte auf diese Weise dessen Vernichtungs-Bestrebungen in jenem bereits heimgesuchten Sektor. Als Mitglied des Rats der Völkerkontrolle, des ›Linken Arms‹, gelegen im Stadtpark Nyhona auf der Nordhalbkugel von Kyphor, lag ihm natürlich daran, dessen Interessen zu vertreten und Hilfsvölker zu rekrutieren, statt zuzulassen, dass buchstäblich alles plattgemacht wurde.
Die aufkommende Fraktion war daher bestrebt, diese ewig lange Friedenszeit durch einen bewusst herbeigeführten Krieg zu beenden. Befand sich der Bund erst einmal im Kriegszustand, dominierte folgerichtig ihr Kriegsrat. Sie lehnte daher die Vernichtung der Erde ab, weil deren Einwohner kriegsnützlich seien. Dabei waren jedem von ihnen die Erde und das Schicksal ihrer Einwohner gleichgültig – diese Begründung diente nur als Vorwand. Sie forderten stattdessen, die Rechnung mit einem alten Feind zu begleichen – als echte ›Erben der Dhuuls‹ waren sie für einen generellen Angriff auf die Galaxis der Prupper!
Diesen Angriffskrieg würden sie natürlich durch ihre Hilfsvölker ausführen lassen – sogar die Wesen auf jener Erde wären dafür nützlich. Dass ein Kyphorer höchstpersönlich Krieg geführt oder eine Waffe auf einen Feind gerichtet hatte, war Tausende von Jahre her und seit dem großen Krieg nicht mehr geschehen.
Rhe-Faro befand sich in der Zwickmühle.
Die Faros waren eine der mächtigsten Familiendynastien im Bund, sie trugen ihren Namen sogar nach ihrer Heimatsonne. Sein Clan war stets bestrebt, im Bund höchstmögliche Kontrolle zu erhalten, und befürchtete, diese in einem Krieg verlieren zu können. Daher hatten die Faros dafür gesorgt, dass auch der Kriegsrat von ihnen dominiert wurde und den permanenten Friedenszustand willig akzeptierte. Darum war er letztendlich Vorsitzender dieses Rats geworden. Im Grunde sabotierte er dessen Hauptinteresse: die Erlangung der exekutiven Dominanz im Bund. Über allem wachte mit Argusaugen ihr ältestes lebendes Oberhaupt, She-Faro, das im Kronrat vertreten war. Das Sagen im Clan hatte jedoch nach wie vor Khe-Faro, dessen Gehirn das Denkernetz vor Jahrtausenden mit begründet hatte.
Andererseits: Rhe-Faro war Militarist mit Leib und Seele. Innerlich drängte es ihn zur erstarkenden Opposition, die der Dekadenz der Obrigkeit den Kampf angesagt hatte. Nur mit ihr würde er in den Krieg ziehen und seine danach lechzenden Sinne befriedigen können. Liebend gern hätte er seine Stimme dem Krieg gegeben, obwohl er andererseits ganz gern ab und zu selbst ein wenig dekadent gewesen wäre.
Wiederum musste er The-Faro, einem Verwandten vom ihm, der Kar-Nol vorgesetzt war, in den Rücken fallen, weil das Interesse des Clans über die Loyalität ging, die er für seinen Neffen empfand. Gab er Kar-Nols Antrag nicht statt, würden wohl noch mehr zur Kriegspartei überlaufen, und das war nicht im Interesse seines Clans. Er hatte keine Sympathien für ihn – so starke Gefühle waren ihm fremd –, aber er war ihm nahe, weil er sein Nachfolger werden könnte.
Der ›Linke Arm‹ dominierte zwar, würde aber einen Beschluss des Kriegsrats, der vom Kronrat und dem ›Denkernetz‹ gutgeheißen würde, nicht zur Machtprobe auswachsen lassen. Letztendlich würde der Rat der Völkerkontrolle daher die Eliminierung der Erdbevölkerung zulassen.
Rhe-Faro hatte genug von den Palaverscharmützeln rings um ihn herum, denn ihm sausten die Ohren vom ständig auf- und abschwellenden Geräuschpegel. Er ließ am späten Abend des 5. 1. 2064, am dritten Tag der Sitzung, eine geheime Probeabstimmung im Kriegsrat durchführen. Sie ergab 171 Stimmen für die sofortige Eliminierung jener ›Erde‹, 171 Stimmen dagegen, weil für Krieg gegen die Prupper – und eine Enthaltung! Sein Votum würde also bei der endgültigen Abstimmung entscheiden.
Sein Entschluss stand aber bereits felsenfest: Er würde Kar-Nols Antrag unterstützen und ihn die Bevölkerung dieser Erde restlos eliminieren, jene Spezies bis zum letzten Exemplar in dieser Galaxie ausrotten lassen.
Denn er hatte noch einen Grund, der Familie treu zu bleiben: She-Faro war so alt, dass er im Einverständnis mit seiner Umgebung beschlossen hatte, sich auf sein Gehirn zu reduzieren. Er hatte bestimmt, dass Rhe-Faro seinen Rang im Kronrat erhalten sollte!
Dieser hielt es im Moment noch für besser, die Mitglieder des Kriegsrats im Glauben zu lassen, er sei beiden Seiten gleich zugetan und müsse sich zunächst mit Vertretern des ›Doppelten Willens‹ beraten. Mit dieser Begründung verschob er die Abstimmung um einen Tag. Er mutete ihnen damit nicht zu viel zu, denn jedes Ratsmitglied besaß ein Refugium innerhalb dieser riesigen Kuppel, in welches es sich zurückziehen konnte.
Als Einziger verließ Rhe-Faro schon Minuten später den Sitz des ›Rechten Arms‹ per Star Gate – die von ihm geheim eingegebene Zielnorm lautete: »MS.2063>>P-SG699,52«.
Schon in dem auf den SG-Sprung folgenden Augenblick veränderte der Tetraeder wieder seine Längen, und der Code wurde gelöscht, so dass niemand nachsehen konnte, wohin die Reise des Ratsvorsitzenden gegangen war.
Phönix, Phönix-Town, Star-Gate-Gebäude – 3. 1. 2064
»MS.2063>>P-SG699,52« – wieder begann es unvermittelt hinter der Pultverkleidung zu rattern und ein Schlitz weitete sich zu einer handbreiten Öffnung. Durch sie wurde eine längliche Plastikhülle ausgeworfen, auf der sich große, undefinierbare Zeichen befanden. Walter Barnes nahm den auf einer kleinen Ablage in Bauchhöhe des Wissenschaftlers liegen gebliebenen Gegenstand auf. Es handelte sich um ein Etui, das er sogleich öffnete. Es kam ein Apparat zum Vorschein, der wie ein zu groß geratener Rechenschieber aussah. An ihm befanden sich ungefähr hundert kleine und flache Knöpfe sowie ein etwa zehn mal zehn Zentimeter großer Bildschirm. Es sah wahnsinnig kompliziert aus.
Der Wissenschaftler grinste breit und zeigte den Gegenstand herum.
»Na, bitte! Jedes Mal, wenn jemand von hier aus nach Mahlik-Salem transportiert werden will, bekommt er diesen ulkigen Reiseführer vom Computer spendiert – er heißt ›Per Anhalter durch die Galaxis‹ und auf der Plastikhülle steht: KEINE PANIK!«
»Panik? Auf Mahlik-Salem? So ein Unsinn! Dieser Führer taugt nichts auf meiner Welt, denn dort ändert sich ständig etwas, da Mahlik-Salem immer topaktuell ist!« Scara the Mouch wirkte ehrlich empört und bedachte das Gerät mittels sämtlicher Hände und einem Fuß mit abfälligen Gebärden.
Dieses Wesen von der Rasse der Rouch war etwa so groß wie Walter Barnes, aber längst nicht so schwergewichtig. Trotzdem schien es stabiler durchs Leben wandeln zu können, denn es hatte drei Beine und drei Arme. Auf dem schlanken Rumpf steckte ein fußballartiger Kopf mit drei Augen, und unter jedem befand sich eine Nase mit nur einem Loch. Mitten auf dem fast kahlen Kopf wuchsen aus einem daumendicken und fingerlangen Ansatz drei Hörorgane, die großen irdischen Miesmuscheln täuschend ähnlich sahen. Sie waren so beweglich auf ihrem einzigen Stängel, dass sie in alle Richtungen gewendet werden konnten. Zwei der Ohrmuscheln hielt Scara the Mouch jetzt auf Barnes gerichtet. Der eine Handspanne messende Mund, eher ein Riesenmaul, beherrschte durch seine Breite und mit seinen wulstigen Lippen das ganze Gesicht. Obwohl dieses Esswerkzeug nach der Präsentation des ›Reiseführers‹ nur noch zu einem Sechstel geöffnet war, konnte man sowohl oben als auch unten drei Reihen nadelspitzer Zähne erkennen. Da diese scharfen Reißerzeilen versetzt gewachsen waren, war Walter Barnes in der Lage, alle Zähne einzusehen. Er schätzte, dass momentan etwa hundert Stück davon sichtbar waren. Sein Blick verharrte kurz auf den Ohrmuscheln – sie hingen etwas herab.
Der Star-Gate-Wissenschaftler hatte seinen 67 menschlichen Mitreisenden vorsorglich eine kurze Instruktion über den Zielplaneten erteilt und auch eine kurze Abhandlung über die Physiognomie der Rouch verfasst. Sein neuer Freund Pieto, der Bulowa, brauchte sie nicht lesen zu können, denn er wusste auch so schon Bescheid.
Über die Gestik dieser sechsgliedrigen Wesen hatte er notiert:
Über 600 nadelspitz scharfe Reiß(!)-Zähne befinden sich sowohl oben als unten im Kiefer in drei Reihen versetzt – dadurch sind sie fast alle mindestens mit ihrer Spitze sichtbar. Ihre Mimik äußert sich vornehmlich durch deren sichtbare Anzahl:
Der Mund ist fest geschlossen: Äußerst erschrocken!
Nur 50 Zähne sind zu sehen: Erschrocken, ängstlich!
100 Zähne: Erstaunt, verblüfft bzw. ernst, empört, wenn zudem die Ohren etwas herabhängen.
150 – freudig überrascht.
200 – u. a. freundlich willkommen heißend.
250 – kann eine herzliche Begrüßung sein.
300 – zufrieden, z. B. mit seiner eigenen Leistung.
350 – amüsiert sich über den ihm bietenden Anblick.
400 – Begeisterung, z. B. wegen eines Verkaufserfolgs.
450 – sehr begeistert.
500 – verlegen.
550 – sehr verlegen.
600 – äußerst verlegen.
Barnes erinnerte sich noch lebhaft, wie Scara the Mouch ihm zunächst 350 Zähne gezeigt – also tüchtig ausgelacht hatte, als er ihn auf Mahlik-Salem empfangen hatte. Zurück auf Phönix hatte er es daher eilig gehabt, seine auch ihm nun lächerlich erscheinende Touristen-Ausstaffierung mit seinem üblichen Wissenschaftler-Habitus zu tauschen.
»Prächtig!«, ließ sich Cassius Claydon vernehmen. »Jungs! Jetzt bin ich aber mal gespannt auf diesen planetaren Vergnügungspark!« Nur ungern hatte er sich von seiner gülden strahlenden Rüstung getrennt, die er während des Zweikampfs vor den Toren von Xarith getragen hatte. Selbst nach der Rückkehr hatte er noch in ihr gesteckt und Scara the Mouch damit beim ersten Mal gewaltig erschreckt. Noch tagelang war er auf diese Weise in Phönix-Town umherstolziert. Nun jedoch trug er wieder seine vorschriftsmäßige Kommandeursuniform und fühlte sich darin längst nicht mehr so wohl wie früher.
Er wandte sich an die dreizehn Zurückbleibenden, welche die Stadt der Menschen auf diesem Planeten bewachen sollten. Befehligt wurden sie von Lieutenant Asher. »Tja, Leute. Leider musste ich euch abkommandieren, um diese Stellung hier zu halten. Aber das muss sein. Ich verspreche euch jedoch, dass ihr abgelöst werdet und auch mal dorthin könnt – wenn möglich!«
Brett Simon, John Garfunkel, William Nolan sowie die anderen neun Personen dachten sich ihren Teil. Die meisten waren sicher, dass es an der Formulierung ›wenn möglich‹ scheitern würde. Nichtsdestotrotz nahmen alle Ex-Söldner der Gruppe eine exakt ausgeführte Habachtstellung ein. Der Commander grüßte militärisch zurück und winkte der ersten Gruppe, das Star Gate zu betreten. 25 Personen standen bereit im Tetraedergitter, und das Tor wurde geschlossen. Das Fluoreszenzfeld im Transmitter wurde erzeugt – und 25 Personen waren auf der Stelle verschwunden.
Mahlik-Salem, Star-Gate-Port-Galaxial – einen Wimpernschlag später
Walter Barnes wollte sogleich die Tür öffnen, jedoch kam ihm Scara the Mouch zuvor und hielt die anderen zurück. Er flitzte in den dreieckigen Raum und sah überall nach dem Rechten. Erst dann winkte er, dass sie eintreten könnten. Sogleich räumte die Gruppe den Tetraeder bis auf den letzten Krümel, um Platz für die beiden nachfolgenden Schübe zu schaffen.
Während das Tor des Star Gates für die nächste Transmission geschlossen wurde, beobachtete Barnes, wie der Einheimische hastig nach etwas suchte. Nach kurzer Zeit ließ er etwa 300 Zähne blicken – woraus Barnes schloss, dass er zufrieden über seinen Fund war.
Mit einem kofferartigen Behältnis kehrte Scara the Mouch zurück. Er öffnete den Deckel des großen Kastens und präsentierte den Ankömmlingen einen Haufen lose darin liegender Brillen in allen möglichen Farben.
»Bitteschön! Nagelneu aus der Fabrik. Speziell für euch Menschen hergestellt.«
»Das sind Translatorbrillen!«, erkläre Barnes seinen Mitreisenden. »Sehr nützlich. Wirklich – nur für Pieto nicht.«
Der arme Bulowa blickte sogleich finster drein. Daher beeilte sich sein Freund, ihn zu trösten. »Ich bringe dir so bald wie möglich Lesen und Schreiben bei. Versprochen!«
Walter Barnes hielt die Umstehenden an, die Brillen auszuprobieren. Als alle ein passendes Gestell gefunden hatten, setzte der Wissenschaftler seine eigene auf.
»Jetzt schaut euch unseren charmanten ›Öffnefix‹ hier mal genauer an. Was steht denn auf seinem Overall?«
Der neben ihm stehende Jerry Bernstein schaltete am schnellsten – das gehörte schließlich zu seinem Job – und las sogleich laut vor: »Grandhotel Galaktiko Fantastiko – die Premiumherberge von Mahlik Salem – Scara the Mouch heißt Sie herzlich willkommen!«
»Richtig, Jerry. Tolle Dinger, nicht wahr? Apropos, Premium! Mein lieber Scara. Da wollen wir aber nicht hin, denn vor allem die Preise sind Extraklasse. Das habe ich zu meinem Leidwesen bei den teuersten Burgern aller Zeiten und aller Galaxien bereits erfahren müssen.«
»Aber ich muss, ähm, mir liegt viel daran, euch das Bestmögliche zu bieten. Darum ...«, versuchte der Rouch zu insistieren.
»Nix da. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass du uns dahin abschleppen sollst. Wenn du uns nicht etwas Preiswerteres besorgst, holen wir uns eben einen anderen Reiseführ...«
»Schon gut, schon gut! Es ist ja im Grunde genommen egal, wo wir euch melk..., ähm, unterbringen. Ich schlage also vor, dass...«
BONG!
»Auuu!«
Alle erschraken, denn sie hatten rücklings zum Star Gate gestanden, während die nächste Sendung still und heimlich eingetroffen war. Commander Cassius Claydon hatte nicht lange mit dem Aussteigen gefackelt und dem armen Jerry Bernstein die Star-Gate-Tür absichtlich mit Schwung in den Rücken gerammt.
»Schlafmützen!«, polterte er sogleich los. »Oberpenner! Euch kann man ja hinterrücks überfallen und plattmachen, ohne dass ihr es überhaupt merkt! So eine Schlamperei passiert nicht noch einmal! Klar? Ausräumen, Kameraden, und Tür zu für die nächste Runde. Und zwar ein bisschen dalli, dalli!«
Die bereits Anwesenden spritzen förmlich auseinander, um den Ankömmlingen genug Platz zu schaffen.
Scara the Mouch jedoch fuhr fort, als sei nichts geschehen: »... schlage also vor, euch in den gerade eingerichteten Terra-Park zu bringen. Dort gibt es preiswerte Fünf-Sterne-Hotels, mit für euch passendem Inventar. Also alles ganz nach menschlichem Geschmack.«
»Das hört sich schon besser an«, zeigte sich Barnes einverstanden. Den Erfahrungsvorsprung auf dieser Welt wollte er nicht so schnell hergeben und nahm mit Wonne die Gelegenheit wahr, vor allen Leuten im Mittelpunkt zu stehen. Das Gefühl, unentbehrlich zu sein, überflutete ihn mit Schüben von Wohlbehagen, die ihn im Kopf ganz schummrig werden ließen. »CC! Wir sollten uns geradewegs in dieses Viertel begeben und unsere Basis dort errichten.«
»Und du übernimmst auf dem Dach den Posten in unserem MG-Nest!«, kommandierte der Commander in einem derart barschen Ton, dass Barnes zusammenfuhr und unwillkürlich eine einigermaßen geglückte Habachtstellung einnahm.
Cassius Claydon nickte anerkennend und setzte ein zufriedenes Grinsen auf. Eingeschüchtert versuchte Barnes seinerseits ein winziges Lächeln. Schlagartig verwandelte sich das Gesicht des Schwarzen in eine Grimasse, ähnlich der eines brüllenden Löwen. »Rühren!«
Der Wissenschaftler erschrak jedoch dermaßen, dass er noch strammere Haltung annahm und die Arme stocksteif an imaginäre Hosennähte legte.
Das Gesicht des Commanders nahm unversehens den Ausdruck eines gutmütigen Pandabären an. »Keine Sorge, mein guter Walter Barnes. Für solch martialische Jobs bist du mir viel zu schade, mein Lieber.«
Im nächsten Augenblick stemmte der als ›CC‹ Geduzte die Hände in die Hüften und brüllte auf, wie ein mit Banderillas gereizter Stier: »Aber das Sagen habe ich! Klar?«
Der wieder auf den Boden der Tatsachen geholte Wissenschaftler nickte ergeben und sank leicht in sich zusammen.
»Aber der Vorschlag ist schon okay, Barnes.« Gutmütig blickte ein Augenpaar den Wissenschaftler an, der vermeinte, einem fürsorglichen Gorilla-Häuptling gegenüberzustehen, der ihn am liebsten adoptieren würde.
»Wir werden also zunächst diesen Ort aufsuchen. Scara, was bedeutet eigentlich Terra-Park?«
»Oh. Das ist unsere neueste Attraktion. Alles wie bei euch zuhause! Wir haben vieles von euch hergehol..., ähm, nachgebaut, und nun ergötzt sich die halbe Galaxie in diesen exotischen Kulissen. Ein Riesengeschäft! Ähm, ich meinte, es geht so mit den Einnahmen.«
»Unsere Erde hier als Attraktion?« Der Commander wollte es nicht glauben.
»Doch, doch! Alles genauso, wie es war.«
»Wieso war?«
»Claydon!«, warf Barnes ein, der sich wieder wichtiger vorkam. »Er meint vor der Invasion! Ich hab’s dir doch lang und breit verklickert.«
»Zu deinem Glück bist du Zivi. Wirklich! So respektlos, wie du schon wieder mit mir redest, könntest du dich sonst auf schärfste Disziplinarmaßnahmen gefasst machen!«, grollte der Schwarze wieder. Dem einst dicklichen Mann mit dem noch immer gutmütigen Gesicht konnte er jedoch nie lange zürnen. Außerdem hatte die Loslösung von den Strukturen von Mechanics Inc. längst dazu geführt, dass der Umgang miteinander kameradschaftlicher geworden war. Die Befehlshierarchie funktionierte eher durch die allseitige Einsicht, dass in ihrer Lage freiwillig akzeptierte Führung besser war als Anarchie. Ab und zu kehrte er jedoch ganz gern den großen Boss heraus.
»Ah, da haben wir ja den Rest!«, begrüßte der Commander die dritte Welle, die gerade im Star Gate erschienen war.
Das ›Unternehmen Mahlik-Salem‹ konnte beginnen. Siebzig Wesen standen nun im Raum, um auf einer riesigen Welt nach dem Rechten zu schauen. Der größte Teil der Gruppe bestand aus jenen Leuten, die nach Xarith geflohen waren und dort wiederum weichen hatten müssen. Letztendlich hatte Scara the Mouch – der mit seinem Können das kyphorische Schloss am Star-Gate-Gebäude geknackt hatte – dafür gesorgt, dass sie wieder unerlaubt das fremde Netz nutzen konnten.
Unangefochtener Anführer war Commander Cassius Claydon, unterstützt von Lieutenant Walt Webster. Beide waren Ehrenmitglieder im berüchtigten ›CC- und WW-Club‹, der mit seinen 49 ›Fans‹ vollzählig hier vertreten war. Die Bekanntesten unter ihnen waren vier ›Special-Rangers‹ sowie deren gute Freundin, die frisch zum Lieutenant beförderte Trudi Rammstein. Jerry Bernstein wandelte in den Spuren von Egon Erwin Kisch – er war in der Tat zu einem ›Rasenden Reporter‹ geworden. Walter Barnes war der Chef der kleinen Gruppe von Wissenschaftlern aller Art. Ein Arzt und weitere Söldner komplettierten das Aufgebot – auf den Koch hatten sie verzichtet. Begleitet wurden sie von zwei Exoten: dem Phönix-Bulowa Pieto und dem Mahlik-Salem-Rouch Scara the Mouch.
Dieser Trupp machte sich also auf den Weg, eine Welt zu erkunden, auf der sich ständig über eine Billion mehr oder weniger intelligenter Wesen tummelten – über diese Tatsache hatte ihr dreibeiniger Fremdenführer sie schon auf Phönix informiert.
Walter Barnes hielt sich neben Scara the Mouch und Cassius Claydon, als sie die Rampe überquerten, die sich vom Star-Gate-Portal zum Hauptgebäude spannte.
Er wollte sich noch einmal vergewissern und sah zurück. Über dem Torbogen stand immer noch in knallroter, ständig blinkender Leuchtschrift: MS.2063>>P-SG: DEFEKT! AUSSER BETRIEB!
Wenn das bloß keinen Ärger versprach.
Jerry Bernstein wankte als Letzter heraus, denn der Commander hatte ihm, um ihn freundschaftlich zu trösten, noch einen ›herzhaften Klaps‹ versetzt. Dabei hatte er vergessen, dass der Reporter eine normalsterbliche Statur besaß. Nun schmerzte nicht nur sein Rückgrat, sondern er hatte das Gefühl, sein linkes Schulterblatt sei gebrochen.
Als der Reporter nun die tetraederförmige Kammer mit dem Star Gate verließ und ins hellgelbe, angenehm wärmende Licht der hiesigen Sonne trat, stand er auf dem Beginn einer frei schwebenden Rampe, die von dem Empfangsraum in einem eleganten Bogen zum himmelwärts ragenden, aber luftig leichten Zentralgebäude führte. Bernstein fühlte sich wie auf einer Gangway. Allerdings war das Geländer nicht sichtbar; er konnte es nur ertasten.
Als er sich nun umsah, klappte sein Mund herunter. Das kleine Star-Gate-Gebäude, das sie soeben verlassen hatten, war nur eines von hunderten, nein: tausenden, die, zu einer gewaltigen Pyramide von knapp einem Kilometer Kantenlänge getürmt, einen riesigen SG-Bahnhof bildeten! Und ringsherum das riesige Glasgebäude, das die Hyperpyramide von allen Seiten und von oben her einfasste. Auf den zahllosen Rampen wimmelte es von Lebewesen jeglicher Art.
Dermaßen viele Aliens auf einem Haufen hatte Bernstein noch nie gesehen, nicht einmal in der Abschluss-Szene seines uralten Lieblingsfilms ›Men in Black II‹! Und wie unterschiedlich sie alle waren: Da kreuchte und fleuchte, glibberte, flitterte, klatschte, flatschte, zischte, fauchte und krauchte es nur so.
»Mahlik-Salem-Star-Gate-Port-Galaxial!« Inniger Stolz klang mit in der Stimme von Scara the Mouch. »Der größte Star-Gate-Bahnhof der ganzen Milchstraße! Kein Wunder, denn hier trifft sich alles, was es in dieser Galaxis gibt. Sie kommen zum Ferienmachen oder um das Tollste zu erleben, was es je in ihrem Leben geben wird. Mahlik Salem eben! Auf der anderen Seite dieser Welt befindet sich übrigens ein Verlade-Bahnhof mit Lasten-Star-Gates bis zu einer Größe von 99,20 Meter Kantenlänge!”
In der Ferne sah Jerry Bernstein riesige Gestalten aus einem besonders großen Tor treten – Gerbaschianer, wie er später erfuhr.
»Die riesigen Kerle da hinten sind doch ganz bestimmt ganz andere Schwerkräfte gewöhnt als wir!«, entfuhr es ihm. »Scara! Wie kommt es, dass alle Wesen hier mit der Schwerkraft und der Luft zurechtkommen? Da hinten zum Beispiel sind mindestens ein Dutzend Kiemenwesen unterwegs, die an der Luft doch wohl ersticken müssten. Außerdem hast du behauptet, Mahlik-Salem sei sechzehnmal so groß wie die Erde. Da müssten wir doch auf dem Boden platt herumliegen!«
Scara the Mouch jedoch hatte es wieder sehr eilig, von der frei einsichtbaren Rampe herunterzukommen. Als nächste Aktion verstaute er die gesamte Gruppe in einem Doppeldecker-Bus, Marke ACE Routemaster, der laut Scara the Mouch vorgestern noch als Sightseeing-Rundfahrtbus durch die City von London gekurvt war. Erst als er während der Besichtigungstour neben dem Fahrer stand wie ein Reiseführer, gab er Antworten und erklärte seinen Gästen diesen fantastischen Planeten. Dazu bediente er sich der Rundsprechanlage des Fahrzeugs, in welcher ein Translator eingebaut war.
»Der Grundstein zu Mahlik-Salem wurde vor 4.448 Jahren gelegt – es war ein frei im Weltraum schwebender Kassenautomat! Die Idee bestand darin, einen Gegenplaneten zu Khalim-Salem zu konstruieren. Das Konzept war von Anfang an so, wie ihr es hier heute noch seht. Der Rohbau zog sich über einhundert Jahre hin, der Innenausbau noch einmal etwa fünfzig Jahre. Dieser Kunstplanet hat einen Durchmesser von 102.200 Kilometern, wegen der vielen Hohlräume jedoch eine relativ geringe Schwerkraft von 4,5 g und eine ziemlich sauerstoffarme Lufthülle, weil das Grünzeug bis auf einen erdgroßen Dschungelpark ziemlich rar ist. Mahlik-Salems Achse rotiert senkrecht zur Sonne. Daher ist auf den Breitengraden immer das gleiche Klima. Es gibt aber genügend Wesen, die sich lieber auf der immer dunklen und kalten Seite des Trabanten aufhalten. Unter anderem befindet sich dort der gigantische Ewig-Eis-Park – eine supertolle Anlage, deren Besuch ich euch nur empfehlen kann!
Der Planet ist auf eine Art und Weise konstruiert worden, dass sich jede Rasse frei auf ihm bewegen kann, unabhängig von Gravitation, Konstitution und Metabolismus. Dafür sorgen Schwerkraftfelder, die auf Schritt und Tritt folgen können, und jedes Wesen bewegt sich innerhalb einer unsichtbaren Blase, in der Bedingungen wie auf seinem Heimatplaneten herrschen. Auch diese Blase folgt überall nach und ist so konzipiert, dass das Wesen nicht in der Lage ist, ihren Rand zu erkennen, geschweige denn, die Hülle zu zerstören. Erst beim Verlassen des Planeten durch ein Star Gate ziehen sich diese Service-Felder zurück. Zudem gibt es für jede Rasse planetenweit die gewohnten Fortbewegungsmittel und Unterkünfte. Kurzum, diese Welt ist für alle da!«
Inzwischen zockelte ihr knallrotes Gefährt in gemütlicher Fahrt auf einer Allee Richtung Terra-Park. Dieses Tempo war lebensgefährlich – für alle anderen Verkehrsteilnehmer neben und hauptsächlich über ihnen, die zu gewagten Ausweichmanövern gedrängt wurden.
Walter Barnes hielt Ausschau nach dem Schild, welches ihn bei seinem ersten Besuch auf die Menschen im Zoo aufmerksam gemacht hatte.
»Da!«
Der Bus fuhr an die Seite und stoppte vor dem riesigen virtuellen Reklameschild.
Jerry Bernstein stürzte wie alle anderen Insassen nach vorn, um den Text besser lesen zu können. Mit zunehmendem Entsetzen entzifferte er: »Menschen! Neueste Attraktion im Mega-Zoo Trans-Universal! Wieder eine Sensation mehr in der größten Raubtierabteilung der Galaxis: Menschen! Wesen, wie Sie noch nie welche gesehen haben! Nichts wie hin – also sofort die nächste Abfahrt raus und dann nur noch geradeaus!«
»Wir müssen sie da sofort heraushauen!«, wandte er sich erregt zu Cassius Claydon um.
Der Commander, der grundsätzlich keine Hektik mochte, war seelenruhig sitzen geblieben. »Barnes hat uns doch von dem Bananenautomaten erzählt. Die werden also schon nicht verhungern!« Er wandte sich dabei an Scara, um von diesem eine Bestätigung zu erhalten.
Der Rough schüttelte erwartungsgemäß heftig Kopf und Rumpf. »Bestimmt nicht. Genug Bananen da – ganzer Palmenhain. Ein Riesengeschäft! Ähm, ich meinte, es geht so mit den Einnahmen.«
»Wir wollen auch nichts überstürzen, Bernstein«, beugte sich der Schwarze zum Reporter nach vorne und legte ihm zur Beruhigung seine mächtige Pranke ausgerechnet auf die Schulter, die sich gerade vom gröbsten Schmerz erholt hatte. Er missverstand Jerrys Grimasse und insistierte: »Glaub mir ruhig. Die sind nicht mehr lange da drin. Scara wird uns morgen seinem Clan-Obersten vorstellen, einem gewissen Acras the Bouch! Mit ihm verhandeln wir natürlich auch über die Freilassung unserer Kameraden. Außerdem: Vergiss nicht, Jerry, was dieser Ex-Lieutenant und derzeitige Affenhäuptling Frank Wayne dir einst Schlimmes antun wollte! Lassen wir sie noch ein wenig schmoren, dann sind sie noch einsichtiger und dankbarer. Ich hoffe, dann wissen sie endlich alle, auf welche Seite sie gehören!«
Nach einer guten Stunde Fahrt wurde ihr Fremdenführer sichtlich hibbeliger – sie näherten sich dem nagelneuen Terra-Park.
Als Erstes erkannten sie ... William Maverick!
Allerdings nicht in persona, sondern in der Form einer fast identischen Nachbildung der Statue of Liberty, die mit seinem Gesicht versehen worden war. Der Bus stoppte vor diesem Monument der Freiheit, und alle Insassen rannten wieder nach vorn, um die Inschrift auf der Tafel am Sockel lesen zu können:
»Eure Freiheit endet dort, wo die Freiheit der anderen beginnt! Ihr Menschen wagtet es, die Freiheit des Bundes von Dhuul-Kyphora zu beschneiden! STRAFE MUSS SEIN – IHR BEKOMMT WILLIAM MAVERICK!«
»Weiterfahren!« Cassius Claydon hatte es auf einmal eilig, in den Terra-Park zu kommen. »Wenn ich noch eine Sekunde da hinblicke, fange ich an zu kotzen!«
Scara wedelte dem Fahrer, einem seiner unzähligen Vettern, hastig mit allen Händen zu. Der ließ sich nicht lange bitten und kuppelte mit Verve ein. Nach einem ordentlichen Satz nach vorn kam das Gefährt wieder in die Gänge, und nach zehn Minuten Fahrt auf der Avenue des Champs-Élysées erreichten sie den Arc de Triomphe.
Nachdem sie den Triumphbogen umkurvt hatten, gerieten sie auf die Straße des 17. Juni. Der Bus zuckelte um den Großen Stern herum, in dessen Mitte die Siegessäule mit der Viktoria stand. Sie näherten sich dem Brandenburger Tor mit der Quadriga. Nach der Durchfahrt nahm der Wagen eine kleine Kurve und hielt vor dem Hotel Adlon an.
Alle Menschen stiegen aus, um in dieser noblen Herberge einzuchecken – nach Mahlik-Salem-Maßstäben allerdings die mit Abstand billigste. Nur Walter Barnes war den anderen nicht durch den Eingang gefolgt, denn er hatte am Rande des Pariser Platzes einen Kiosk entdeckt.
Mal sehen, ob das allerneueste Heft meiner so heiß geliebten Lieblingsserie hier ausliegt?, dachte er hoffnungsvoll.
Richtig! Erfreut nahm er das oberste Heft von einem fast meterhohen Stapel in die Hand. Es war ein eingeschweißter Heftroman – der Perry-Rhodan-Band Nr. 5281, gerade erst zum 1. 1. 2064 erschienen! Die Überschrift auf der wunderschön gestalteten und illustrierten Titelseite lautete ›Unternehmen Star Gate‹ – geschrieben worden war die Story vom unverwüstlichen Uwe Anton, dem ältesten aktiven SF-Schriftsteller der Erde.
Walter Barnes steckte sofort seine Kreditkarte in den Schlitz ein, auf den der Verkäufer, unterstützt von einem 400-Zähne-Grinsen, hinwies. Jener konnte – den hiesigen Wirtschafts- und Verwandtschafts-Verhältnissen nach – eigentlich nur einer der vielen Vettern von Scara the Mouch sein.
19,5 VE!
Wieder hatte er gekauft, ohne nach dem Preis zu fragen. Das hatte er also davon. Wenn der irdische Verlag wüsste, was ein Heft hier kostete – ein Wochengehalt eines gut bezahlten Wissenschaftlers ... Zum Kotzen! Jetzt wusste er zu schätzen, dass das Heft eingeschweißt war.
Missmutig trollte er sich ins Hotel und sah seinen Schwebekoffer mutterseelenallein in der Empfangshalle stehen. Er aktivierte ihn und folgte seinen Mitreisenden in die oberste Etage, die sie für sich allein hatten. Auf den letzten Treppenabsätzen und vor den Fahrstuhleingängen zu dieser Etage standen bereits ihre eigenen Wachen, die ihn aber anstandslos passieren ließen.
Mahlik-Salem, Terra-Park, Hotel Adlon – 4. 1. 2064
Cassius Claydon orderte Ausgangssperre an, indem er seine zurückbleibenden Leute anwies, ›die Stellung zu halten‹, und machte sich – nach eintägiger Erfrischungs- und Erholungspause – mit seiner Delegation auf den Weg zu jenem einflussreichen Onkel von Scara the Mouch.
Dieser residierte zurzeit im Kanzleramt gleich hinter dem Reichstagsgebäude. Auf dem Weg dorthin – den sie auf Segways zurücklegten – blickten sie zur gläsernen Kuppel hoch, innerhalb derer Unmassen von Aliens über die Rampen auf und ab wimmelten. Von dort hatten diese Besucher einen weiten Rundblick über einen Teil von Terra-Park. Vor allem der Eiffelturm bot eine prachtvolle Ansicht!
Am Eingang zum Kanzleramt mussten sie sich alle einer Leibesvisitation unterziehen. Dann konnten sie den siebten Stock betreten, in dem sich das Büro von Acras the Bouch befand. Dieser Rouch war etwas kleiner als ihr Reiseführer und sichtlich älter. Seine Haltung ließ aber auf eine hohe Autorität schließen. In der Tat – ihr Begleiter machte sich recht klein und wirkte ziemlich eingeschüchtert. Wie er ihnen auf dem Weg erklärt hatte, war es für ihn eine große Ehre, hierher kommen zu dürfen – und seinen Onkel hatte er noch nie gesehen!
Acras the Bouch stellte sich namentlich vor und bot seinen Gästen Stühle an. Es waren richtig bequeme Möbelstücke, in denen einst so mancher irdischer Politiker von Rang gesessen hatte. Denn es waren ›preiswert organisierte‹ Originale, wie Scara – sich wieder mal – zuvor verraten hatte.
Cassius Claydon machte seine Delegation bekannt, die aus Walt Webster, Walter Barnes und Trudi Rammstein bestand. Letztere sollte auf ausdrücklichen Wunsch ihres Gastgebers dabei sein. Jerry Bernstein hatte er nicht mitgenommen, obwohl dieser ihn geradezu angefleht hatte. Denn er traute dem Reporter zu, durch vorlautes Verhalten wieder einmal alles zu versauen.
»Kommen wir gleich zur Sache!«, begann Acras the Bouch ohne Umschweife. »Wir rechnen jeden Moment mit dem Eintreffen eines hohen Bundesherren. Dann wollen wir bereits bereit sein.«
»Wir?«, warf der Commander ein. »Sind wir damit auch gemeint?«
»Aber sicher! Wir rechnen fest mit Ihnen und Ihrem Einsatz – in jeglicher Hinsicht!«
»Jeglicher Hinsicht?« Claydon kratzte sich an seiner Schläfe und sah sein Gegenüber skeptisch an – ihm schwante etwas. »Heißt das, Sie versprechen sich auf verschiedene Art und Weise etwas von uns?«
»In der Tat!« Eifrig beugte sich der Rouch vor und gestikulierte mit allen Händen. »Man muss alle Optionen belegen und dann sehen, welche am besten zieht. Die wird intensiver verfolgt, und die anderen können dann vernachlässigt werden.«
»Und wir sind mit mehreren Optionen dabei! Das habe ich wohl richtig verstanden?« zeigte sich ›CC‹ von rascher Auffassungsgabe.
»Richtig!«
»Falls wir aber die Option ›Njet!‹ bevorzugen und Mahlik-Salem auf schnellstem Weg wieder verlassen – was dann?«
»Oh! Dass Sie das überhaupt in Erwägung ziehen ...!« Der Ober-Rouch schüttelte den Kopf und schien richtig enttäuscht zu sein. »Dann liefern wir Sie sofort den Kyphorern aus. Ein Riesengeschäft! Ähm, ich meinte, es geht so mit den Einnahmen.«
»Oh? Dass Sie das überhaupt in Erwägung ziehen ...?« Der Commander war nicht auf den Kopf gefallen und fuhr sogleich die Retourkutsche: »Dass Sie das aber nicht schon längst getan haben, lässt mich darauf schließen, dass wir als nicht ausgelieferte Individuen ein noch riesigeres Riesengeschäft sind! Nicht wahr?«
Der Rouch lehnte sich zurück und zeigte ein 550-Zähne-Grinsen. Claydon wusste durch den Notizzettel von Walter Barnes, dass diese Mimik so viel wie ›sehr verlegen‹ bedeutete.
Acras the Bouch winkte dreifach ab und kam wieder zur Sache: »Sie sollen für uns arbeiten, in mehrfacher Hinsicht. Wir brauchen Sie alle und zahlen gut! Söldner, Wissenschaftler, Reporter und Domin..., ähm, Sie alle eben!«
Cassius Claydon hatte sich natürlich schon viel früher darüber Gedanken gemacht. Denn durch die Äußerungen von Scara the Mouch hatte er bereits geahnt, worum es gehen würde. Er hatte sich mit seinen engsten Mitarbeitern besprochen, und man war zu dem Entschluss gekommen, in die Dienste der Rouch zu treten, falls diese das tatsächlich anbieten würden. Nach dem Motto: Wer mit den Wölfenessen will, muss mit den Wölfen heulen.
Es ging ihm jetzt nur noch darum, möglichst gute Bedingungen auszuhandeln.
»Sie zahlen gut?« Der Commander grinste und wiegte skeptisch den Kopf. »Meistens gibt jemand, der so liebend gern einnimmt, gar zu ungern etwas aus! Nicht wahr, Mister Bouch?«
Wieder zeigte der Rouch seine 550-Zähne-Mimik. Er schien nur widerwillig den Betrag zu nennen. »Fünfhundert Verrechnungseinheiten! Jährlich. Für die Offiziere. Der Rest bekommt die Hälfte.«
»Waaas?«, ereiferte sich Walter Barnes auf der Stelle, dem die Gepflogenheiten auf dieser Welt langsam stanken. »Bei Mechanics Inc. habe ich eintausendEierbekommen! Genau so viel wie der Herr Militäroffizier hier neben mir! Und jetzt soll ich nur noch die Hälfte von der Hälfte wert sein? Nee, Freunde! Ohne mich!«
»Mein Gott, Walter!«, versuchte Walt Webster den Wissenschaftler zu bremsen.
»Nix Gott Walther!« Barnes schüttelte schroff die Hand des Lieutenants ab, die dieser zur Besänftigung auf seine Schulter gelegt hatte. »Nur ein Viertel verdienen bei Preisen, die ein Vielfaches höher sind als auf der Erde? Das geht doch gar nicht!«
»Stimmt!«, warf zur Überraschung der Menschen Acras the Bouch ein. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, Ihnen zu sagen, dass für Sie die Touristenpreise nicht mehr berechnet werden. Sie erhalten die gleichen Modalitäten wie alle Mitglieder der Chamäleon-System-Unterhöhler von Touch, kurz CSU – das ist etwa ein Zehntel des Üblichen auf Ihrem Planeten. Sie verdienen also wirklich besser als früher. Mein Neffe Scara the Mouch, der Sie hierher begleitet hat, erhält zum Beispiel jährlich nur einhundertundzwanzig Verrechnungseinheiten – der übliche Satz. Übrigens, mein lieber Neffe, erhältst du für deine Verdienste ab sofort, ähm, nächstes Jahr, eine fünfzigprozentige Gehaltserhöhung – also einhundertachtzig!«
Der Angesprochene machte einen Hüpfer vor Freude und zeigte etwa 450 Zähne.
»Na gut«, gab sich Walter Barnes einverstanden, ohne auf den Blick des Commanders zu achten, der ihm am liebsten den Mund mit seiner riesigen Faust gestopft hätte. »Aber sozial sind Sie deswegen noch lange nicht!«
»Doch!« Wie ein Gummiball sprang Acras the Bouch auf und stand unversehens auf dem Tisch. »Wir sind die sozialsten Wesen der ganzen Galaxie!« Dann sprang er herunter und sank langsam wieder in seinen Sessel. »Schon gut. Wie sollten Sie das auch verstehen? Daher hat unser Rat längst beschlossen, eine Delegation von Ihnen nach Touch zu entsenden, damit Sie sich selbst ein Bild davon machen können. Dieser Herr Bernstein, den Sie dabei haben, soll auf jeden Fall mit!«
»Ist diese Tour auch idiotensicher?«, wollte ›CC‹ sofort wissen. »Dieser Bursche hat nämlich die Fähigkeit, zielsicher in jedes Fettnäpfchen zu treten.«
»Keine Sorge. Wir wollen ihn aber unbedingt dabei haben. Wir haben unsere Gründe. Übrigens wird Scara the Mouch Ihre Gruppe nach Touch begleiten – als Anerkennung für seine letzten Taten.«
Der gute ›Öffnefix‹ sprang vor Überraschung fast bis an die Decke. Sein 150-Zähne-Grinsen wollte gar nicht mehr aufhören. Dann musste er sich vor Schwäche hinsetzen.
Nachsichtig schob ihm sein Onkel einen passenden Stuhl unter und wandte sich wieder an die Delegation der Menschen: »Jetzt kommen wir zu einer besonders delikaten Angelegenheit. Diese ist auch der Grund, warum ich darauf bestanden habe, dass Madame Rammstein mitkommt!«
»Delikat? Ich?«, ließ sich Trudi erstmals vernehmen. Ein weichliches Adjektiv im Zusammenhang mit ihr, der stahlharten Rammsteinschen, kam ihr ›spanisch‹ vor.
»Äußerst delikat sogar!«, steigerte Acras und vermied es, die Dame anzusehen. Stattdessen insistierte er beim Commander: »Leider kann ich nichts Eingehenderes dazu sagen. Jedenfalls ist diese Angelegenheit von eminenter Wichtigkeit, und ich ersuche Sie daher, sich damit zufrieden zu geben, dass die Dame nun zu ihrem Einsatzgebiet gebracht wird. Dort wird sie instruiert, und ich bin sicher, sie wird ihre Sache großartig machen. Sie bringt nämlich alle Voraussetzungen für einen durchschlagenden Erfolg mit!«
Trudi sah ratlos an sich herab. Sie hatte nichts mitgebracht, noch konnte sie an sich etwas entdecken, was zu einem erfolgreichen ›Durchschlag‹ gereicht hätte. Sie sah wieder hoch und erblickte vor sich das ernst gewordene Gesicht ihres Vorgesetzten. Blitzartig erkannte sie, dass ihr ›CC‹ tatsächlich bereit war, sie in diese ›delikate Sache‹ hineinzustoßen.
»Commander?«, murmelte sie schwach. »Ich...«
»Lieutenant Rammstein!«
»Ja? Commander!«
»Sie werden den beiden Rouch folgen, die Sie zu Ihrem Einsatzgebiet bringen werden. Dort werden Sie tun, was man von Ihnen verlangt. Klar?«
»Aber ... Commander!«
»Das ist ein Befehl, Lieutenant Rammstein!«
»Jawoll, Commander! Zu Befehl!« Trudi Rammstein ging in stramme Habachtstellung. Dann drehte sie sich wie ein Stock halb um ihre eigene Achse und stampfte im Marschtritt hinaus. Sie folgte brav den beiden Rouch, die bisher rechts und links neben der Tür gestanden hatten.
Erst als sich Cassius Claydon sicher war, dass sie außer Hörweite war, sackte er etwas in sich und murmelte betrübt: »Arme Trudi. Hoffentlich pressiert’s nicht allzu arg.«
»Aber nicht doch, Herr Commander. Sie werden sehen – im Gegenteil. Alles wird gut!« Acras the Bouch zeigte ein zuversichtliches Grinsen – etwa 300 Zähne.
»Alles wird gut!«, murmelte Walter Barnes, zeigte immerhin 20 seiner 32 Beißerchen und grinste sarkastisch: »Aber erst im Star-Gate-Band 1000!«
Mahlik-Salem, Terra-Park, Hotel Adlon – 5. 1. 2064
Den nächsten Tag, ihre letzten freien Stunden, nutzten alle bis auf jeweils diejenigen, die in ihrer Hoteletage Wachschicht schieben mussten, um in kleinen Gruppen, über den ganzen Terra-Parkverstreut, dessen Attraktionen in Augenschein zu nehmen. Der Commander hatte einige Leute ausgewählt, die mit ihm in die nachgebaute Innenstadt von Detroit gehen sollten, um dort ›ihre‹ Firma Mechanics Inc. zu besuchen. Unterwegs kamen sie kaum voran – es wimmelte nur so von Aliens.
Mahlik-Salem, Terra-Park, Mechanics Inc. – 5. 1. 2064
»Was zum Teufel haben Sie da angestellt, Holmes?«, fragte der Graue. Aufgerichtet stand er hinter seinem wuchtigen Schreibtisch und sah Holmes durchdringend an. Seine grauen Augen wurden schmal.
»Für Sie immer noch Professor Holmes, Mister Fisher«, sagte Holmes frostig. »Wir wollen doch die Form wahren, nicht? Ich bin nicht irgendein kleiner Hilfsarbeiter, den Sie nach Belieben fertigmachen können.«
»Dann erzählen Sie mir, was Sie sind, Mister Professor.«
Clint Fisher stieß mit dem glimmenden Zigarillo wie mit einem Dolch nach Holmes.
»Ich bin der Leiter des Projekts Star Gate. Ich bin der Mann, der Star Gate erfand und entwickelte, und ich bin der Mann, der im Moment nicht weiß, warum die sieben Personen nicht auf dem Mond eingetroffen sind. Außerdem bin ich der Mann, der von einem gewissen Clint Fisher davon abgehalten wird, die Lösung dieses Problems zu finden. Statt mich zu diesem sinnlosen Verhör – oh, Verzeihung: zu diesem überflüssigen Gespräch hierher zu befehlen, hätten Sie mich die Zeit entschieden besser nutzen lassen können. Vielleicht sind diese Menschen in akuter Lebensgefahr, und jede Sekunde zählt?«
»Meinen Sie, das sei mir nicht bewusst?«, knurrte Fisher. »Ich will von Ihnen wissen, ob Sabotage im Spiel ist, oder ob wir diese ausschließen können.«
»Für meine Mitarbeiter lege ich die Hand ins Feuer!«, fuhr Holmes auf.
»Nicht, bevor Sie sich eine Prothese haben anfertigen lassen«, erwiderte Fisher trocken.
Holmes seufzte vernehmlich. »Wenn Sie mich in Ruhe ließen, Mister Fisher, könnte ich auch das herausfinden«, sagte er. »Ich denke, wir sollten diese fruchtlose Unterhaltung beenden.«
»Kommen Sie zu einem Ergebnis, Mister Professor«, sagte Fisher. »Möglichst schnell. Wir müssen wissen, was mit unseren Leuten passiert ist. Wenn das Star Gate sie umgebracht hat, wird das Projekt auf Jahre abgeblasen. Oder wir...«
Er unterbrach sich.
Holmes verließ das Büro des Sicherheitschefs, durchquerte die beiden Vorzimmer und trat auf den riesigen Korridor hinaus.
Tief atmete er durch.
Dann gab er sich einen heftigen Ruck und setzte sich wieder in Bewegung...
Die Besucher der nachgebauten Konzernzentrale vom Mechanics Inc. folgten Professor Holmes. Sie betrachteten kopfschüttelnd und voller Bewunderung diese perfekte Kopie der ihnen nur zu gut bekannten irdischen Anlage. Das war aber noch gar nichts gegen diese lebensechten Avatare, die sie bei der Nachahmung der damals tatsächlich so abgelaufenen Situationen beobachteten. Hätten sie nicht gewusst, dass es sich um Kopien handelte, sie hätten die Szenerie für echt befunden.
»Da sind die Wachsfiguren bei der guten alten Madame Tussauds ein Klacks gegen. Guckt euch bloß den Professor Holmes an, wie er geht. Haargenau so watschelt er jetzt über das Gras von Vetus...«
»Schnauze!«, fuhr Walt Webster dem unvorsichtigen Jerry Bernstein schroff in die Parade. »Du Ober-Idiot! Feind hört mit!«
Jerry Bernstein zuckte schuldbewusst zusammen und verstummte für lange Zeit. Wieder hatte ihn seine flapsige Ausdrucksweise in die Bredouille gebracht. Schlimmer noch, er hätte alle gefährden können. Vielleicht hatte tatsächlich jemand mitgehört – bei den Möglichkeiten, die diese Wesen hier hatten, ja eigentlich sicher. Er schielte zu Scara the Mouch hinüber und überlegte, wie weit sie diesem Rouch eigentlich trauen konnten. Waren sie nicht schon viel zu sorglos im Umgang mit ihm? Er konnte sie ohne Weiteres ans Messer liefern.
Jerry Bernstein blieb einfach stehen, ließ die anderen laufen, drehte sich um und ging seinen eigenen Weg.
Mahlik-Salem, Terra-Park, Hotel Adlon – 5. 1. 2064
Jerry Bernstein fühlte sich überhaupt nicht mehr wohl, obwohl seit Beginn der Star-Gate-Story sich ein fantastisches Abenteuer nach dem anderen anbot. Mahlik-Salem allein präsentierte ihm schon Stoff für ungezählte Reportagen, die ihn zum Star der Weltpresse machen würden – falls er jemals die Gelegenheit dazu hätte. Nach der Erde jedoch sehnte er sich keineswegs zurück. Sein Stern war woanders aufgegangen und erst erloschen, als der Umsturz auf Phönix begonnen hatte.
Dort war er unumschränkter Medienchef gewesen. Unersetzlich, laut Commander Jeff Haller, für die Aufrechterhaltung der Moral der Truppen von Mechanics Inc. Außerdem hatte er auch ein zwischenmenschliches Hoch wie nie zuvor erlebt. Sogar Filmstar war er geworden, wenn auch ein etwas anrüchiger und daher inkognito.
Lieutenant Harry Schmitt-Wesson jedoch hatte ihn aus seinem Phönix-Paradies vertrieben. Seit der Flucht der Haller-Getreuen nach Xarith waren nur noch Qualitäten gefragt, über die er nicht verfügte. Immer mehr geriet er ins Hintertreffen, wurde wieder zur Randfigur wie damals, als er noch so dämliche Rubriken wie ›Du und dein Hobby‹ zu betreuen hatte.
Ständig musste er jetzt Angst haben, oder er trat voll ins Fettnäpfchen.
Wie ›CC‹ und ›WW‹ gegrinst hatten, als sie ihn in der Festung aus der Schusslinie kommandierten – wohl wissend, wie feige er eigentlich war. Dabei hatte er sich wie ein Tiger auf Lieutenant Frank Wayne gestürzt, als dieser das Studio von Phönix-Town im Handstreich hatte nehmen wollen, und dadurch immerhin die Haller-Getreuen gerettet. Doch das schienen diese Banausen als absolut selbstverständlich anzusehen, und er hatte bis zum heutigen Tag dafür von niemandem das leiseste Murmeln eines »Dankeschön« vernommen!
Wie der Schwarze ihn angebrüllt hatte, nachdem er wie von Sinnen zum Star Gate gestürzt war, um es aufzureißen, um Daisy Daily doch noch nach Vestusta begleiten zu können. Dass er deswegen die Kuppe seines rechten Mittelfingers verloren hatte – die alte Wunde schmerzte gelegentlich noch...
Zu guter Letzt hatte ›CC‹ ihm, kaum auf Mahlik-Salem angekommen, die Star-Gate-Tür absichtlich ins Kreuz gerammt und ihm viel zu fest auf die Schulter gehauen. Er hatte eindeutig seine Gunst verloren. Sowohl im Rückgrat als auch im Schultergelenk meldete sich immer noch der Schmerz in Wellen und verstärkte sein Unbehagen.
Jerry Bernstein sehnte sich nach Selbstbefreiung aus seiner misslichen Lage. Ein Gefühl, eher dumpf und ungewiss, verleitete ihn, diese abseits seiner Mitreisenden in Angriff zu nehmen. Es wurde Zeit, wieder seine Stärken auszuspielen. Diese konnte er nur in seinem Job als Reporter und Informationsagent beweisen.
Bevor er aber dazu kam, sich abzuseilen, verfügte Commander Cassius Claydon, dass er mitkommen solle zur Besichtigung von Mechanics Inc. Kaum waren sie angekommen, bekam er wieder einen Anschiss, dieses Mal von Walt Webster. Jerry Bernstein hatte die Schnauze gestrichen voll...
Er blieb einfach stehen, ließ die anderen laufen, drehte sich um und ging seinen eigenen Weg.
Der führte ihn erst einmal raus aus diesem vermaledeiten Konzerngelände und weg von dieser Detroit-Kulisse. Er winkte ein gelbes New-York-Taxi heran und ließ sich ins benachbarte St. Petersburg kutschieren. Dort spazierte er über den berühmten Newski-Prospekt, als ihm etwas Wichtiges einfiel: Verrechnungseinheiten! Er brauchte Bares – was mit Sicherheit nötig war, wenn man hier hinter Informationen her war.
Ihm fiel das Richtige ein. Er hatte immer noch den schweren Kugelschreiber! Er nahm ihn heraus und betrachtete die Gravur: »Sanford Presidential for Lino Frascati, Mechanics Inc., 18 K gold M Duofold«. Wo hatte Jeff Haller den bloß her gehabt?
»Viel Spaß damit«, hatte ihm der Commander gewünscht. In der Tat! Immerhin entsprach das jetzt in Verrechnungseinheiten mindestens dem gesamten Salär der restlichen sechs Jahre seines Zehnjahresvertrages, das er somit buchstäblich hier in der Tasche hatte und einlösen konnte.
Er setzte seine Translatorbrille auf und sah sich um, ob er etwas in der gewünschten Art finden würde. Bald fiel ihm ein Schild auf: Pfandleihe! VE für alles, was etwas wert ist!
Er betrat den überraschend kleinen Raum, in dem nur ein Automat stand, ähnlich den früheren Geldabhebe-Automaten der Sparkassen. Er legte den Kugelschreiber ins Eingabefach, schob seine Kreditkarte in den Schlitz daneben und wartete skeptisch auf das Ergebnis.
Tatsächlich speicherte der Beleih-Automat so viele Verrechnungseinheiten in den Chip seiner Card ein, wie er noch nie in seinem Leben besessen hatte! Jerry Bernstein war selig – jetzt konnte er wirklich auf eine Sensations-Erkundungs-Tour gehen...
Jedoch kam er nicht allzu weit – genau genommen nur eintausendeinhundertelf Schritte.
Mahlik-Salem, Terra-Park, Mechanics Inc. – 5. 1. 2064
»Wer hätte gedacht, dass Clint Fisher jedes Gespräch für sich aufgezeichnet hat und auch den ganzen Konzern durch ein eigenes Kamerasystem kontrollierte«, wunderte sich Walter Barnes. »Dadurch, dass die Invasoren diese Aufzeichnungen gefunden haben, konnten sie auch diese Szene nachstellen und...«
»Mensch, Walter!«, lachte Cassius Claydon los. »Wenn du ihn so gut kennen würdest wie ich, würdest du dich eher wundern, wenn er es nicht getan hätte!« Jovial wie fast immer klapste der Commander dem Wissenschaftler auf die Schulter und schob ihn in eine etwas flottere Gangart. Der Holmes-Avatar ging nämlich um eine Kurve in einen anderen Flur. Die Gruppe eilte ihm nach und folgte ihm durch die Gänge des nächsten Gebäudes, bis sie eine große Halle mit Glasdach erreichten. In deren sonnbeleuchteter Mitte stand ein Star Gate – ihr Erdgate, welches sie in Detroit auf dem Gelände von Mechanics Inc. als Pioniertat erbaut hatten!
Ehrfürchtig umschritten sie dieses Wunderwerk menschlicher Technik und kniffen die Augen zu – zu so etwas waren sie fähig gewesen! Zu einem Werk, mit dem sie der herrschenden Klasse dieser Galaxie, sinnbildlich gesehen, glatt auf den Schwanz getreten waren. Und doch waren sie so klein, so winzig angesichts dieses milchstraßenumspannenden Imperiums namens Bund von Dhuul-Kyphora!
Auf einem Panorama-Bildschirm an der Wand hinter der Anlage lief gerade eine Aufzeichnung der Transmitterkatastrophe ab. So erfuhren sie davon und vor allem von dem ungewissen Schicksal des ›Genada-Randall-Teams‹. Auch das der anderen Menschen, die sich zu dieser Zeit auf dem Weg zur Erde befunden hatten, ging ihnen nahe. Sie mussten davon ausgehen, dass die Explosion sie alle vernichtet hatte, denn in einer Superzeitlupe war zu erkennen, wie die fünfundzwanzig Menschen in dem Tetraeder materialisierten, zur gleichen Nanosekunde, als die Katastrophe erfolgte.
Walter Barnes seufzte, beugte sich vor und stützte sich erschöpft auf seine Knie. Ihm schien alles nur noch absolut hoffnungslos, was sie hier taten.
In diesem Moment pupste jemand neben ihm, laut und vernehmlich. Gleich darauf begann es, unangenehm zu stinken.
Empört richtete sich Walter Barnes auf, um den Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen: Walter Barnes stand neben ihm und widmete sich mit Hingabe einer Bedientafel des Star Gates!
Walter Barnes blähte die Backen auf und konnte es nicht fassen: Das war ja er selbst, Walter Barnes!
Dann fiel bei ihm der Groschen: Das war ja nur sein Avatar. Aber wirklich tausendprozentig identisch.
Halt! Nein! Natürlich nicht! Inzwischen war er gut vierzig Pfund leichter, körperlich ertüchtigt, achtete sehr auf sein Äußeres und wusste, was er anscheinend gut konnte – auf einem ganz speziellen Gebiet!
»Guck mal, Mama! Wie saublöd der Typ da aus seiner Wäsche schaut!« Barnes brauchte sich nicht einmal umzudrehen, um zu erraten, wer so flapsig über ihn urteilte – das konnte nur »Klein Schkröti« sein, der aufgeweckte und aufmüpfige Frechdachs aus dem Zoo vor dem Menschengehege! Das war ein junger, pubertierender Schkröteneck, der vorn zwei stämmige Beine wie die von Schildkröten hatte und hinten in einen langen Schleimfortsatz auslief, wie bei einer Schnecke. Die vier lebhaft blickenden Augen steckten auf langen Fühlern; der Mund war schnabelförmig, aber sehr beweglich.
Die Schkrötenecken, erinnerte sich der Wissenschaftler, kommen aus dem Adlihcs-System.
In der Tat, es war der kleine Schkröteneck! Er schleimschob sich, von seiner resoluten Mutter begleitet, in Walter Barnes’ Gesichtsfeld. Beide richteten neugierig ihre zahlreichen Tentakel auf den eifrig tippenden Avatar-Wissenschaftler. Sie schienen zusehends angewiderter zu sein. »Wie der stinkt, Mama! Und die Haare – strubbelig, fettig und verfilzt! Und so eine Wampe! Und stopplige Hamsterbacken und Doppelkinn! Und angezogen wie ein Penner! Und jetzt kratzt der sich auch noch da unten zwischen seinen Beinen! Die soll’n da zwei Eier in der Hose haben, hab’ ich vorhin gelesen. Die hauen sie den Weibern in die Pfanne und nach neun Monate langem Brutzeln kommt der Nachwuchs ... oder so ähnlich. Glaub’ ich jedenfalls. Mama, komm schon. Ich will weiter. Mir wird schlecht von dem Gestank von diesem Pult-Furzer!«
Barnes sah die Ehre seines Avatars als zutiefst verletzt an. Er suchte – mit hochrotem Kopf durch den angestauten Zorn – nach einer Art Stange, ordentlich lang und dick und möglichst kruppstahlhart. Doch es fand sich einfach nichts zum herausreißen, um es dem vorlauten Kerlchen mit Schmackes kreuz und quer übers Kreuz zu ziehen.
Am liebsten hätte er danach diese Miss-Figur seiner selbst genommen und aus dem nächsten Fenster geschmissen. Das einzig Gute an der ganzen Sache war, dass er sich so sehr zu seinem Vorteil verändert hatte.
Walter Barnes hatte jetzt die Nase von diesem Star-Gate-Ambiente, vornehmlich sich selbst, gestrichen voll und suchte einen Ausgang ins Weite. Er folgte dem Hauptstrom der Aliens und gelangte in einen weiteren Saal, dessen V-Form sogleich an einen riesigen Kinosaal erinnerte. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen jeglicher Spezies. Dazwischen sah er auch magenumdrehende Scheußlichkeiten, die beweglichen Karzinomen glichen.
Der Wissenschaftler strengte sich an, fortzusehen und sich auf das Dargebotene zu konzentrieren. Offensichtlich hatte die Präsentation gerade angefangen, denn eine Stimme donnerte durch den Raum:
»So ergeht es allen, die sich den Gesetzen des Bundes von Dhuul-Kyphora widersetzen und Star Gates und/oder Raumschiffe bauen!«
Am liebsten hätte Barnes sich seine Ohren fest zugehalten, dermaßen vibrierte sein Translator durch die adäquate Verstärkung der Botschaft. Gleichzeitig begann die Projektion, die den gleichen Text in einem fortlaufenden Band unterhalb des 3D-Films permanent wiederholte. Er konnte ihn lesen, weil er gleich seine Translatorbrille aufgezogen hatte.
Soeben sah er einen Pulk von einhundertzwanzig Raumschiffen in pyramidenförmiger Formation den Asteroiden Pallas in einer Entfernung von 0,72 Astronomischen Einheiten passieren. Sie zielten genau auf die Erde.
Barnes verstand alles, weil die Stimme aus dem Off sowie erläuternde Textbalken im Raum die nötigen Informationen lieferten. Als zu sehen war, wie die orangeroten Strahlen die Oberfläche der Erde, vornehmlich die großen Städte, durch- und umpflügten, konnte er nicht mehr hinsehen und flüchtete in den nächsten Saal.
»Wanted!«, donnerte hier wieder eine Stimme aus dem Off, und Barnes blieb wie angewurzelt stehen. Vor sich erblickte er ein riesiges Holografiebild von Professor Holmes. Dreidimensional drehte es sich um seine Achse, bestaunt von den zahllosen Aliens. »Einhunderttausend Verrechnungseinheiten sind auf die Ergreifung – tot oder lebendig – von Professor Holmes ausgesetzt! Seine Vergehen: Verstöße gegen §§ 2 und 3, sowie 23n+t! Bau und Einsatz von Star Gates sowie deren Nutzung zwecks Ausübung terroristischer Anschläge auf den Bund! Die entsprechenden Daten können Sie jederzeit an jedem Ort des Bundes abrufen! Zweckdienliche Hinweise nimmt jede Dienststelle entgegen!«
»Wanted!«, dröhnte die gleiche Stimme weiter. »Fünfzigtausend Verrechnungseinheiten sind auf die Ergreifung – tot oder lebend – von Walter Barnes ausgesetzt! Seine Vergehen: Verstöße gegen §§ 2a und 3a sowie 23n+t! Hilfe beim Bau und Einsatz von Star Gates, so wie deren Nutzung zwecks Ausübung terroristischer Anschläge auf den Bund! Die entsprechenden Daten können Sie...«
Walter Barnes hatte bereits kehrtgemacht, als die riesige Abbildung seinesgleichen erschienen war, und versuchte dennoch sogleich, sich zu bremsen. Denn am liebsten wäre er getürmt, aber er schaffte es, möglichst gelangweilt zu blicken. Scheinbar aus diesem Grund verließ er den Saal wieder in der gleichen Richtung, wie er ihn betreten hatte. Er war heilfroh, dass er sich dermaßen zu seinem Besten verändert hatte, dass er kaum erkannt werden konnte. Jetzt musste er aber schleunigst seine Kameraden warnen. Er war sicher, dass alle Personen, die den Dunstkreis des Sol-Systems verlassen hatten – abzüglich jener, die durch den fiesen Trick von William Maverick wieder eingefangen worden waren –, gesucht wurden!
»Leute!«, krächzte er, weil er seinen Schreidrang unterdrücken musste und eigentlich flüstern wollte. Dann zog er seine widerwilligen Begleiter aus dem Star-Gate-Raum, um sie zu retten. Glücklicherweise hatte er festgestellt, dass hier auch Gerbaschianer herumliefen – sie schauten durch die gläsernen Kuppeln herab, da sie viel zu groß waren, um hereinkommen zu können. Zudem hatte er im Gang zum Kinoraum eine riesige Toilettenanlage entdeckt.
»Hört ein einziges Mal auf mich!«, japste der panikerfüllte und kopflos gewordene Wissenschaftler und winkte den anderen, ihm in die Toilettenanlagen zu folgen. »Wir müssen hier verschwinden! Und zwar auf dem schnellsten Weg!«
Er setzte sich rasch seine Translatorbrille auf, um nicht den richtigen Eingang zu verpassen. Außerdem schienen sie Glück zu haben: Den Erschütterungen nach zu urteilen, befand sich zurzeit ein Gerbaschianer hier in der Anlage.
Barnes suchte nach einer bestimmten Tür. Da sah er eine fast rahmenlose Tür, deren Blatt jedoch exakt irdischen Maßen entsprach. Über ihr stand klar und deutlich auf einem Schild:
Achtung! Wartungseingang zur Gerbaschianer-Toilette! Erstickungsgefahr! Möglichst nur zu reinigen, wenn keine Wesen dieser Art im Museum sind! Zutritt nur für geschultes Personal!
Erleichtert öffnete er sie.
»Hier rein! Alle Mann!«, kommandierte er, sprang sogleich hindurch, und merkwürdigerweise folgten ihm alle, sogar der Commander. »Folgt mir!«
Dahinter war nur ein kurzer, schwach beleuchteter Flur, der zu einer weiteren Tür führte. Diese war weiß, porzellanartig, merkwürdig konvex gebogen und begann erst etwa dreißig Zentimeter über dem Boden, so dass diese runde Tür nach unten schwingen konnte, als Barnes sie hastig öffnete. Er betrat jedoch den Raum dahinter nicht, sondern wartete auf etwas. Diese riesige, rundum weiß emaillierte Schüssel – deren Tiefe er nun vor sich hatte und in die sich die Tür, wenn verschlossen, nahtlos einpasste – erinnerte durchaus an eine irdische Toilette. Nur war sie mindestens fünfundzwanzigmal größer.
Dann begriffen die anderen auch sogleich, warum er wartete: Der Boden bebte leicht, als ein scheinbar massiges Wesen den riesigen Raum dieser Toilette betrat und sogleich, wohl mit seinem Hinterteil, auf dem oberen Rand der Schüssel Platz nahm und darunter nun alles stockdunkel wurde.
Walter Barnes reagierte nun endlich, schubste alle Mitstreiter hinunter ins Becken und sprang mit einem unnachahmlichen Satz hinterher. Schon hörten sie ein mächtiges Matschen über sich, und eine breiige Masse klatschte auf sie herab.
Da waren sie wirklich in eine riesige Scheiße hineingeraten!
Aber dann ging es ganz schnell. Das Wesen betätigte die Spülung, und die ganze Sippe rauschte mit der wasserähnlichen Substanz davon in die Kanalisation – eher ein Abflussrohr von elbtunnelähnlichen Ausmaßen.
Die Glitschtour dauerte aber nicht allzu lang, da sausten unsere Helden bereits ins Freie und fielen mittenmang in eine große, gut gefüllte Grube.
PLATSCH!
PLATSCH!
Mahlik-Salem, Terra-Park, St. Petersburg, Newski-Prospekt – 5. 1. 2064
Vier ovale Flugscheiben mit einem Durchmesser von rund drei Metern landeten um Jerry Bernstein herum, so dass er von ihnen umzingelt wurde. Auf jedem der Schweber stand ein Wesen, dessen Körperbau absolut humanoid, aber größer und schlanker war als der eines Menschen. Sie trugen bizarr anmutende Schusswaffen, deren Mündungen auf ihn gerichtet waren. Hauchdünne, bläuliche und im Sonnenlicht kaum wahrnehmbare Lichtfinger zischten in ihn hinein. Es waren Leitstrahlen, die Schockenergie ins Ziel transportierten und den ›Rasenden Reporter‹ auf der Stelle lähmten.