Star Trek - The Next Generation: Die andere Seite - Michael Jan Friedman - E-Book

Star Trek - The Next Generation: Die andere Seite E-Book

Michael Jan Friedman

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Beschreibung

Kann Picard Botschafter Spock retten?

Botschafter Spock bemüht sich, einer kleinen Gruppe von Romulanern die Logik der vulkanischen Lebensweise nahezubringen, um Romulus und Vulkan wieder zu vereinen. Doch er wird von einem Verräter getäuscht und zusammen mit seinen Schülern entführt. Um Spocks Leben zu retten und zu verhindern, dass seine Kenntnisse über das Sicherheitssystem in die falschen Hände geraten, schickt die Föderation ihr bestes Schiff: Die Enterprise unter Captain Jean-Luc Picard. Doch selbst für ihn und seine Crew scheint diese Aufgabe unlösbar.

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Starfleet-Botschafter Spock bemüht sich, einer kleinen Gruppe von Romulanern die Logik der vulkanischen Lebensweise zu vermitteln, um das Romulanische Reich und den Planeten Vulkan wieder zu vereinen. Doch er wird von einem Verräter getäuscht und zusammen mit seinen Schülern als Geiseln genommen.

Um Spocks Leben zu retten und zu verhindern, dass seine Kenntnisse des Sicherheitssystems der Föderation in die falschen Hände geraten, schickt Starfleet sein bestes Schiff und den angesehensten Captain los. Doch selbst für Jean-Luc Picard und die Crew der U.S.S. Enterprise 1701-D erweist sich diese Aufgabe als nahezu unlösbar …

MICHAEL JAN FRIEDMAN

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Star Trek™

The Next Generation

Danksagung

Wenn ich lese, dass sich Autoren in einem Vorwort beim Herausgeber bzw. Redakteur bedanken, so denkt der Zyniker in mir daran, dass sie den Betreffenden Honig ums Maul schmieren wollen. Ich meine, es kann sicher nicht schaden, zu den Leuten freundlich zu sein, von denen man seine Schecks bekommt.

In diesem Fall bleibt mir jedoch keine andere Wahl, als angemessenen Tribut zu zollen. Der Lektor dieses Werks, Kevin Ryan, verdient so viel Lob, wie ich ihm aufs wuschelige Haupt häufen kann.

Zunächst einmal: Die Idee, Spock, McCoy und Scotty zusammenzubringen, kam aus Kevins manchmal recht seltsam funktionierendem Gehirn – immerhin ist er einer der treuesten STARTREK-Fans auf der ganzen Welt.

Doch seine Beiträge hörten nicht etwa an dieser Stelle auf. Vielleicht wollte er, tief in seinem Innern, das Buch selbst schreiben, und deshalb engagierte er sich ebenso intensiv wie ich.

Vom Standpunkt des Autors aus gesehen folgte daraus eine Agonie, auf die ich hier lieber nicht eingehen möchte. Die Vorteile liegen beim Leser: Er bekommt ein besseres Buch, als es unter »normalen« Umständen der Fall gewesen wäre.

Nun, ich könnte viel Gutes über Kevin berichten – ich beziehe mich insbesondere auf seine Arbeit mit Jonas Salk, auf seinen Kampf gegen das organisierte Verbrechen und auf seinen lunaren Spaziergang –, aber aufgrund seiner strengen redaktionellen Maßstäbe bleibt mir dafür nicht genug Platz.

Außerdem möchte ich es nicht übertreiben …

Michael Jan Friedman

Long Island, New York

Historische Anmerkung

Dieser Roman spielt im achten Jahr von Jean-Luc Picards Kommando über die Enterprise-D, nach den Geschehnissen von Gestern, heute, morgen (1 + 2) und vor denen von STAR TREK: Treffen der Generationen.

Prolog

Der Vulkanier hörte die Schritte im Flur einige Sekunden vor dem Eintreffen des Romulaners – Zeit genug für ihn, die Meditation zu beenden.

Zwei Sekunden später stand er wachsam neben dem Eingang. Er lauschte den Schritten und berechnete den Zeitpunkt, an dem der Romulaner sein Quartier betreten würde. Das gute Gehör gab dem Vulkanier einen gewissen Vorteil. Zwar hörten Romulaner ebenso gut wie gewöhnliche Vulkanier, aber in den Adern dieses besonderen Mannes floss nicht nur vulkanisches Blut.

Wenn die Natur verschiedene Gene miteinander verbindet, so kann es geschehen, dass sie bestimmte Eigenschaften verstärkt. Das war auch hier der Fall. Es handelte sich um eine logische Konsequenz des evolutionären Prozesses.

Der Vulkanier hatte die Romulaner nicht darauf hingewiesen, wie gut er wirklich hörte – was sich nun als kluge Entscheidung erwies.

Das Geräusch der Schritte verklang genau im erwarteten Augenblick, und fast sofort öffnete sich die Tür. Der Vulkanier zögerte einen Sekundenbruchteil, um dem Romulaner Gelegenheit zu geben, das Zimmer zu betreten. Dann schlug er zu und zielte nach dem Kopf.

In einem Reflex neigte sich der Romulaner zur Seite und wich dem Hieb dadurch teilweise aus: Die Faust traf ihn nicht am Kopf, nur an der Schulter. Doch die Wucht des Schlages genügte, um ihn zu Boden zu schicken.

Benommen blieb der Romulaner liegen und blickte verwirrt zum Vulkanier empor, der seine gute Chance gar nicht nutzte, einfach nur abwartete.

Der Romulaner stand auf. Und der Vulkanier beobachtete, wie sich sein Gegner von Zorn erfassen ließ.

Kaum war er auf den Beinen, begann der Romulaner mit einem wilden Gegenangriff und schlug mit beiden Fäusten zu. Der Vulkanier nutzte die Verteidigungstechnik seines Volkes und begegnete den Attacken mit knappen, präzisen Bewegungen, um die in ihnen steckende Energie abzulenken.

Doch die wütende Entschlossenheit des Angriffs überraschte ihn. Und damit nicht genug: Wenn es noch länger auf diese Weise weiterging, mochte er in echte Schwierigkeiten geraten.

Der Romulaner war viele Jahre jünger, verfügte also über ein größeres Potential an Kraft und Ausdauer.

Doch der Vulkanier hatte sein Ziel bereits erreicht. Und er glaubte sich fähig, den Kampf jetzt sofort zu beenden.

Er wartete, bis der Romulaner erneut zuschlug, wich dem Hieb aus, griff nach dem Arm und drehte ihn kurz – mit dem Ergebnis, dass sein ungestümer Widersacher erneut zu Boden ging.

Der Romulaner landete auf dem Rücken, blinzelte und schnappte nach Luft. Rasch erhob er sich wieder, hob die Fäuste …

»Genug«, sagte der Vulkanier ruhig.

Der Romulaner zögerte, und in seinen Augen loderte noch immer das Feuer des Zorns.

»Stellen Sie Ihre Angriffe ein«, sagte der Vulkanier etwas schärfer.

Der Romulaner bebte am ganzen Leib. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich zu beherrschen.

»Die Lektion ist beendet«, verkündete der Vulkanier schlicht.

Schließlich führten die Worte zu dem gewünschten Resultat. Der Romulaner bewegte sich nicht mehr und sah seinen Mentor an.

Der Zorn verschwand aus den Zügen und wich Scham. Der junge Mann trachtete danach, seine Empfindungen unter Kontrolle zu bringen. Die emotionalen Spuren in seinem Gesicht verflüchtigten sich allmählich, und zurück blieb ein Hauch Neugier.

»Warum haben Sie mich geschlagen, Lehrer?«, fragte der Romulaner.

Der Vulkanier musterte den Schüler einige Sekunden lang, bevor er erwiderte: »Welchen Anlass vermuten Sie?«

Zwar war Sel'dens Miene inzwischen zu einer ausdruckslosen Maske geworden, aber der Vulkanier bemerkte dennoch Anzeichen von Unbehagen.

»Wollten Sie mich auf die Probe stellen?«, fragte Sel'den.

Der Vulkanier nickte.

Sel'den runzelte die Stirn. »Und ich habe die Beherrschung verloren, indem ich meinerseits angriff. Ich ließ mich zu einer emotionalen Reaktion hinreißen, anstatt die Situation zu analysieren und mein Verhalten von Rationalität bestimmen zu lassen. Darüber hinaus habe ich nicht einmal die vulkanischen Verteidigungstechniken eingesetzt, die Sie mich lehrten.«

Der junge Mann dachte kurz über diese Fakten nach und zog den logischen Schluss aus ihnen. »Ich habe bei dem Test versagt.«

Trotz der inzwischen recht guten Selbstbeherrschung Sel'dens huschte ein grünlicher Schimmer über die Wangen und wies darauf hin, dass er sich gedemütigt fühlte.

Der Vulkanier schüttelte den Kopf. »Es lag nicht in meiner Absicht, über Sie zu urteilen. Es ging nur darum, die von Ihnen erzielten Fortschritte zu verifizieren. Versagen und Scham spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Wir haben beide neue Erkenntnisse gewonnen. Dadurch gibt es für uns viel zu besprechen – und für Sie Anlass, gründlich nachzudenken.«

»Eine Provokation genügte, um mich zu veranlassen, alles Gelernte zu vergessen«, stellte der Romulaner fest. »Ganz offensichtlich bin ich noch nicht so weit fortgeschritten, wie ich bisher dachte. Mein Verhalten beweist, dass die Prinzipien von Disziplin und Logik noch keinen integralen Bestandteil meines Wesens bilden. Ich habe versagt.«

Der Vulkanier sah die Gewissheit im Gesicht seines Schülers. Einmal mehr wurde er mit der romulanischen Tendenz zum Absoluten konfrontiert – offenbar lag noch viel Arbeit vor ihm.

»Denken Sie während Ihrer Meditationen heute Abend darüber nach«, riet er dem Romulaner. »Wir sprechen morgen darüber.«

Sel'den fühlte die Bürde aus Scham und Schuld vorübergehend von seinen Schultern genommen. Was ihm Gelegenheit gab, sich daran zu erinnern, warum er das Quartier des Lehrers aufgesucht hatte. »In zehn Minuten schwenken wir in die Umlaufbahn«, sagte er. »Die anderen sind bereit, Sie auf der Brücke zu empfangen.«

Kapitel 1

Der Vulkanier schritt durch die schmalen Korridore des Handelsschiffes. Sein Weg führte von den Mannschafts- und Passagierquartieren im Heck durch die Frachtsektion, die den größten Teil des Schiffes bildete.

Die Brücke war das Ziel des Lehrers. Sel'den folgte ihm wie immer.

Nur mit Mühe widerstand der junge Romulaner dem Versuch, sich für sein Verhalten in der Unterkunft des Lehrers Vorwürfe zu machen. Es war unproduktiv und unlogisch, sich immer wieder die eigene Schuld vor Augen zu halten – auch diese Erkenntnis hatte ihm der Vulkanier vermittelt.

Er beschloss, nicht noch einmal zu versagen. Später wollte er den Rat des Lehrers beherzigen und meditieren.

Am Ende des langen Ganges, der sich durch den Frachtbereich erstreckte, erreichten sie ein Schott, das mit einem leisen Zischen beiseite glitt. Lehrer und Schüler passierten den Zugang und betraten einen kleinen, praktisch eingerichteten Kontrollraum. Die anderen fünf Schüler warteten bereits und schienen sich darüber zu freuen, dass sich die Reise dem Ende näherte.

Sie hoben ihre Hände zum traditionellen vulkanischen Gruß. Der Lehrer erwiderte die Geste und sagte: »Friede und langes Leben.«

Ein Planet erschien auf dem Hauptschirm der Brücke, und Sel'den nahm an der Kommunikationskonsole Platz. Er hatte die Systeme des Schiffes schon vor einer ganzen Weile mit einem Code programmiert, der es ihnen erlauben würde, auf Constanthus zu landen. Trotzdem hielt er es für besser, den Überprüfungsvorgang direkt zu beobachten, als der planetare Verteidigungscomputer auf die Datenbanken des Frachters zugriff.

Der Computer kontrollierte die Listen der Passagiere und Besatzungsmitglieder, das Frachtverzeichnis und den Autorisierungscode. Von seiner Konsole aus übermittelte Sel'den die vorbereiteten Datenblöcke und erhielt alle erforderlichen Genehmigungen.

Sel'den war immer vorsichtig, wenn er den Vulkanier zu einem neuen Ort brachte, doch diesmal spürte er, wie sich größere Besorgnis als sonst in ihm regte. Bisher hatten der Lehrer und seine Anhänger ihre Aktivitäten auf Romulus beschränkt. Jene Welt bot eine vertraute Umgebung, denn dort war Sel'den aufgewachsen.

Auf Romulus hatte er seine Sicherheitsausbildung absolviert. Er kannte alle Aspekte seiner Heimatwelt, was ihn in die Lage versetzte, eventuelle Probleme schon von weitem zu erkennen.

Bei Constanthus sah die Sache ganz anders aus. Es handelte sich dabei um eine Peripheriewelt des romulanischen Reiches, die jedoch immer mehr an Bedeutung gewann. Ihr Gouverneur regierte mit eiserner Faust – ein gefährlicher Ort für einen Vereiniger.

Sel'den rechnete auf Constanthus mit subtilen Unterschieden in den Bereichen Sicherheit und Innenpolitik. Dadurch fiel es ihm bestimmt sehr schwer, Situationen und ihre Risiken richtig einzuschätzen.

Trotz Sel'dens Einwände hatte der Lehrer auf der Reise bestanden. Der Vulkanier hielt es für sehr wichtig, die Bewegung auch nach Constanthus zu bringen. Die Gründe dafür hatte er nicht erläutert, aber Sel'den ahnte das eine und andere.

Als das kleine Handelsschiff durch die Atmosphäre des Planeten glitt, blickte der junge Romulaner zu seinem Mentor. Der große Vulkanier wirkte würdevoll; er hatte deutlich ausgeprägte Wangenknochen und dunkle, geduldig blickende Augen. Sel'den kannte niemanden, der dem Lehrer ähnelte. Vermutlich gab es selbst auf Vulkan keinen anderen Mann wie ihn.

Nach einer Weile spürte Sel'den, wie das Schiff aufsetzte. Erst jetzt wagte er es, sich von den Kontrollen des Computerterminals abzuwenden.

Er atmete tief durch. Der schwierigste Teil lag hinter ihnen – jetzt brauchten sie nur noch auszusteigen.

Sel'den verließ seine Station und schloss sich den anderen Schülern an, die dem Lehrer über eine Treppe zur Luftschleuse folgten. Vor ihnen schwang die Luke auf, und die Luft von Constanthus wehte ihnen entgegen. Sie unterschied sich kaum von der auf Romulus, abgesehen von einem bitteren Geruch, der vermutlich auf die lokale Flora zurückging.

Der Vulkanier setzte als erster seinen Fuß auf den Boden. Sel'den hatte mehrmals betont, es sei besser, wenn der Lehrer seinen Schülern den Vortritt ließ, um die Gefahren für sich und damit auch für die Bewegung zu verringern. Stattdessen zog es der Vulkanier vor, sich vor allen anderen neuen Risiken auszusetzen, und inzwischen stellte Sel'den die Logik eines derartigen Gebarens nicht mehr infrage.

Als sie alle das Schiff verlassen hatten, trat ihnen ein älterer, untersetzter Romulaner entgegen. Sein fleischiges Gesicht wies deutlich darauf hin, wie sehr er gutes Essen liebte. Sel'den erkannte ihn als Belan, den Leiter der noch sehr kleinen Vereinigungsbewegung auf Constanthus.

Belan näherte sich dem Lehrer und nickte knapp, eine Geste, die der Vulkanier erwiderte. Sel'den wusste, warum sie nicht den traditionellen vulkanischen Gruß wechselten – sie wollten vermeiden, von den romulanischen Arbeitern im Landebereich dabei beobachtet zu werden.

Der kräftig gebaute Mann ließ den Blick über die Gruppe schweifen. »Willkommen«, sagte er, drehte sich dann um und schritt vor den Besuchern zu einer breiten Steintreppe, die aus der rechteckigen Landegrube führte.

Die Stadt Auranthus erwies sich als primitiv und schmucklos, wenn man die Maßstäbe der Heimatwelt anlegte. Sie bestand aus einigen grauen Kästen unter einem blaugrünen Himmel. Hier fehlten die stattlichen Bögen und hohen Türme, die zu den Wahrzeichen der Hauptstadt von Romulus zählten.

Aber auf den Außenwelten kam praktischen Erwägungen weitaus größere Bedeutung zu als der Ästhetik. Die importierten roten und orangefarbenen Maqrana-Bäume an den Seitenstraßen erschienen müde und apathisch, als hätten sie angesichts der tristen Umgebung zumindest einen Teil ihres Lebenswillens eingebüßt.

Es dauerte nicht lange, bis sie das Industriegebiet der Stadt erreichten, und dort näherten sie sich einer kleinen Fabrik. Sel'den erkannte das Gebäude wieder: Er hatte es während eines Kom-Kontakts mit Belan im Hintergrund gesehen.

Belan war der Eigentümer dieser Anlage. Hier wurden viele der Baumaterialien hergestellt, die man auf Constanthus verwendete. Dieser Umstand diente auch als Erklärung für die Präsenz der Besucher: Die Frachtkammern des Schiffes enthielten Mineralien und andere Rohstoffe für Belans Fabrik.

Sie betraten das Gebäude durch die vordere Eingangstür und durchquerten ein Vorzimmer. Kurze Zeit später fanden sie sich in einem großen, saalartigen Raum wieder, in dem sie etwa vierzig Romulanern begegneten. Es schien eine Lagerhalle zu sein, die man leergeräumt hatte, damit sie als Versammlungsort dienen konnte.

Die Gesichter der anwesenden Constanthuraner sah Sel'den nun zum ersten Mal. Dennoch: Es waren Romulaner und Brüder, denn sie gehörten ebenfalls zur Vereinigungsbewegung.

Sie alle hoben die Hand zum vulkanischen Gruß. Der Lehrer erwiderte die Geste und sagte: »Glück und langes Leben, Anhänger von Surak.«

»Ich wünsche Ihnen Frieden und langes Leben«, entgegnete Belan. »Wir sind hier an einem sicheren Ort und können frei sprechen.«

Der Lehrer nickte und vertraute den Worten. In Sel'den hingegen verharrte ein Rest von Argwohn.

Er sah sich um. Der große Raum hatte keine Fenster und nur zwei Zugänge: jenen, durch den sie hereingekommen waren, und einen weiteren in der gegenüberliegenden Wand.

Mit einem Wink beauftragte Sel'den zwei andere Schüler, den Eingang direkt hinter ihnen zu bewachen. Anschließend ging er, von einem weiteren Romulaner begleitet, zur zweiten Tür.

Unterdessen trat der Lehrer an ein vorbereitetes Podium heran, um zu den Versammelten zu sprechen. So sehr sich Sel'den auch für das interessierte, was der Vulkanier sagen wollte: Er richtete seine Aufmerksamkeit zunächst auf die Tür, wandte sich erst dann dem Lehrer zu, als er ganz sicher sein konnte, dass an dem zweiten Zugang keine Gefahren drohten.

»Schüler von Surak …«, begann der Vulkanier. Er zeigte perfekte Kontrolle über sich selbst, verriet nicht die geringste Emotion.

Das Beispiel des Lehrers bestärkte Sel'den in seiner Entschlossenheit, auch weiterhin zu versuchen, den Pfad von Logik und Rationalität zu beschreiten – um irgendwann solche Weisheit zu erreichen, solche Selbstbeherrschung. Ja, irgendwann würde er die Erleuchtung und Würde des Vulkaniers teilen.

»Sie ehren mich mit Ihrer Anwesenheit«, sagte der Lehrer, und sein Blick glitt über die Mienen der Versammelten. »Sie zeigen großen Mut mit Ihrem Versuch, die Kluft zwischen zwei Völkern zu überbrücken, die eins sind im Blut. Während der kommenden Wochen und Monate werde ich mein Wissen mit Ihnen teilen, von Surak und den Prinzipien der Logik berichten.«

Die Zuhörer lauschten hingerissen, gaben nicht den geringsten Laut von sich. Sel'den erinnerte sich daran, wie er zum ersten Mal die Worte des Lehrers vernommen hatte – er war zutiefst bewegt gewesen. Diesen Romulanern ging es offenbar ähnlich.

»Surak war vor allem Lehrer«, fuhr der Vulkanier fort. »Im Verlauf der Jahre bemühte er sich sehr, seine Weisheit anderen näherzubringen, doch gleichzeitig blieb er auch Schüler. Surak betonte einmal, einem besonders guten Schüler läge die Bildung des Lehrers am Herzen.

Dieser Hinweis ruft uns folgendes ins Gedächtnis: Damals, als unsere beiden Völker noch ein Volk waren, kam der Beziehung zwischen Schüler und Lehrer fast sakrale Bedeutung zu. Das Fundament dieser Beziehung ist der Dialog, der sowohl den Schüler als auch den Lehrer der Erleuchtung näherbringt.«

Der Vulkanier legte eine kurze Pause ein, um den Romulanern Gelegenheit zu geben, über seine Ausführungen nachzudenken. Einige Sekunden verstrichen ereignislos, und dann trat jemand durch die Tür auf der anderen Seite.

Sel'den erkannte den Mann: Ganos, einer von Belans Leuten. Bei den verschiedenen Kom-Kontakten hatte er ihn mehrmals gesehen. Ganos versuchte nicht, seine Aufregung zu verbergen, als er sich Belan näherte.

»Einer der Anwesenden benutzt einen Sender«, berichtete der Romulaner.

Erstaunlicherweise gelang es Belan, ganz ruhig zu bleiben, als er sich den Versammelten zuwandte. »Man hat uns verraten«, sagte er schlicht.

Nein!, fuhr es Sel'den durch den Sinn.

Die ersten romulanischen Soldaten stürmten mit schussbereiten Disruptoren in den großen Raum. Sie kamen durch die gleiche Tür wie zuvor Ganos.

Die an dem Eingang postierten Wachen stellten sich ihnen in den Weg, konnten jedoch nur für kurze Zeit Widerstand leisten. Fauchende blaue Energiestrahlen zuckten ihnen entgegen, brachten heißen Schmerz und Tod.

Sel'den holte seine bis dahin verborgene Waffe hervor und bedeutete dem auf der anderen Seite des Zugangs stehenden Schüler, ihm zu folgen, als er durch den Saal eilte. Mit dem eigenen Disruptor in der Hand schob er sich an Gefährten und Gesinnungsgenossen vorbei, dachte dabei nur an eins: Der Lehrer muss gerettet werden, damit er seine Mission fortsetzen kann.

Wenn es ihm gelang, die Soldaten zurückzuhalten … Vielleicht konnte der Vulkanier dann durch den rückwärtigen Eingang entkommen. Sel'den blieb kurz stehen, lange genug, um seinen Begleiter in Richtung des Lehrers zu schicken.

Dann setzte er den Weg zur Tür fort, obwohl immer mehr romulanische Soldaten hereinströmten. Und wenn schon, dachte Sel'den. Es kam nur darauf an, die Gefahr vom Lehrer abzuwenden. Alles andere spielte nur eine untergeordnete Rolle.

Er hob seinen Strahler, zielte …

»Nein, Sel'den!« Die Stimme des Vulkaniers übertönte den Lärm im großen Raum.

Weitere Anweisungen waren nicht erforderlich. Der junge Mann biss sich auf die Lippe – es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen.

Er ließ die Waffe fallen, bevor sie jemand in seiner Hand sah, lenkte seine Schritte zum Lehrer zurück. Hinter dem Vulkanier trafen weitere Romulaner ein. Sie kamen durch den zweiten Zugang, den Sel'den bis eben bewacht hatte.

Sel'den beobachtete, wie das Durcheinander zum Chaos wurde, und er begriff: Es gab keine Möglichkeit mehr für den Lehrer, aus der Falle zu entkommen. Selbst wenn es Sel'den gelungen wäre, die Hälfte der Soldaten zu erschießen: Die anderen hätten genügt, um alle Surak-Anhänger und auch den Vulkanier zu überwältigen.

Der junge Mann fühlte sich dazu gedrängt, sofort etwas zu unternehmen, zu handeln. Er brauchte die ganze erlernte Selbstdisziplin, um die aggressiven romulanischen Instinkte unter Kontrolle zu halten.

Der Kampf verhieß wenigstens einen ehrenvollen Tod – und das war mehr, als er verdiente, nachdem er so sehr vor seinem Mentor versagt hatte. Dennoch: Er gehorchte dem Befehl des Lehrers, blieb reglos stehen und beobachtete.

Nur wenige Schüler setzten sich zur Wehr, und die romulanischen Soldaten gingen rücksichtslos mit ihren Disruptoren gegen sie vor. Hilflose Constanthuraner sanken zu Boden und starben einen qualvollen Tod. Es stank so sehr nach verbranntem Fleisch, dass Sel'den würgte.

Schließlich entstand wieder so etwas wie Ordnung. Stille senkte sich herab, und mit ihr kam Verzweiflung.

Noch vor kurzer Zeit hatte Sel'den Hoffnung in den Gesichtern der constanthuranischen Vereiniger gesehen – immerhin empfingen sie einen berühmten Lehrer, der sie auf Suraks Weg geleiten wollte. Doch jetzt zeigten die gleichen Gesichter tiefe Enttäuschung und Entsetzen.

Auch die von Romulus stammenden Schüler waren zutiefst schockiert. Es gelang ihnen nicht, ihre Emotionen zu kontrollieren, und Sel'den schämte sich für sie.

Er sah wieder zum Lehrer und versuchte, Kraft aus seiner Unerschütterlichkeit zu schöpfen, jene von Logik geprägten, leidenschaftslosen Gedanken nachzuvollziehen, die als Basis für die Würde des Vulkaniers dienten.

Der Lehrer schien Sel'dens Blick zu bemerken, denn er drehte den Kopf. Mit ruhiger Gelassenheit nahm er den inneren Konflikt seines Schülers zur Kenntnis.

In den Augen des Vulkaniers bemerkte Sel'den weder Enttäuschung noch einen stummen Vorwurf, nur die Bereitschaft, das Unvermeidliche zu akzeptieren.

Die Soldaten sicherten beide Zugänge – eine Maßnahme, die auch Sel'den getroffen hätte, um zu verhindern, dass jemand floh. Der Leiter des Einsatzteams, ein Sicherheitsoffizier, sah sich um.

Der Mann machte einen erfahrenen und sehr tüchtigen Eindruck. Wonach hielt er Ausschau? Er hatte die Situation doch schon fest in der Hand …

Plötzlich verstand Sel'den, und die Erkenntnis traf ihn mit der Wucht eines Fausthiebs. Sein Puls raste plötzlich, und fast hätte er den tief in ihm brodelnden Gefühlen nachgegeben. Er besann sich auf Logik.

Während ein Plan Gestalt in ihm annahm, setzte sich Sel'den in Bewegung, näherte sich langsam und vorsichtig dem Podium. Überall um ihn herum schritten Romulaner hin und her; deshalb fiel er kaum auf.

Aber bestimmt dauerte es nicht mehr lange, bis man ihm und dem Vulkanier Beachtung schenkte. Noch einige Meter …

Der Vulkanier bedachte ihn mit einem fragenden Blick, doch Sel'den durfte jetzt keine Zeit mit Erklärungen vergeuden. Der Sicherheitsoffizier und zwei Soldaten näherten sich ebenfalls dem Podium.

Als Sprecher musste der Vulkanier wie der Anführer dieser Vereinigungsgruppe wirken. Und das kam praktisch einem Todesurteil gleich.

Um den Widerstandswillen einer Gruppe von Gefangenen zu brechen, war es bei den romulanischen Streitkräften und der Polizei üblich, den Anführer zu identifizieren und ihn auf der Stelle zu eliminieren.

Das wollte Sel'den nicht hinnehmen. Das Überleben des Mentors bedeutete auch ein Überleben der Bewegung. Daher war es logisch, den Lehrer um jeden Preis vor dem Tod zu bewahren.

Er versperrte dem Sicherheitsoffizier den Weg und sprach in einem selbstsicheren Tonfall. »Ich leite diese Gruppe. Wer gibt Ihnen das Recht, hier einfach so einzudringen und Gewalt gegen uns anzuwenden?«

Mit der Lüge verstieß er gegen die vulkanischen Prinzipien. Doch hier und jetzt sah er keine andere Wahl.

Sel'den konnte das Gesicht des Vulkaniers nicht sehen, aber seine Phantasie zeigte ihm ein entsprechendes Bild. Vermutlich wurde dem Lehrer gerade klar, welche Gefahr ihm drohte – und was der Schüler beabsichtigte.

Die erste Reaktion bestand vielleicht aus Enttäuschung. Sel'den schien auf der Grundlage von Emotionen zu handeln. Es mochte den Anschein haben, dass er sich von übertriebenem Mut zu einer Dummheit hinreißen ließ.

Doch diesmal wusste Sel'den, dass seine Logik fehlerlos war. Bestimmt sah der Vulkanier das später ein.

»Sie sind der Anführer?«, fragte der Offizier und wandte sich an einen seiner Männer.

Der Vulkanier trat vor. »Nein, er …«

Zu spät.

Sel'den bedauerte nur eins: dass es keine Gelegenheit für ihn gab, seine Entscheidung mit dem Lehrer zu diskutieren. Er hörte die scharfe Stimme des Sicherheitsoffiziers und sah, wie einer der Soldaten seine Waffe hob.

Stumm bedankte er sich bei Spock für die Ehre, sein Schüler gewesen zu sein. Dann blitzte es so grell, dass er die Augen zusammenkniff.

Destruktive Energie erfasste ihn, brachte unerträglichen Schmerz.

Sel'den nahm seine Dankbarkeit mit ins Grab.

Kapitel 2

Es fand eine jener Besprechungen statt, bei denen Leonard McCoy dazu neigte, schon nach kurzer Zeit einzuschlafen.

Zweimal wäre er während der vergangenen Stunde fast eingenickt. In beiden Fällen hatte er die Müdigkeit weit genug überwinden können, um wach zu bleiben und den Gesprächen zu folgen. Allerdings: McCoy wusste nicht recht, ob er sich darüber freuen oder diesen Umstand bedauern sollte.

Derzeit hörte er einem Kulturanthropologen von Starfleet zu, der im Konferenzzimmer der Zapata auf der anderen Seite des Tisches saß. Der Mann hieß Gibbs.

»Die Stugg sind in vielerlei Hinsicht ein Volk voller Widersprüche«, sagte er und strich sich dabei über den dünnen braunen Kinnbart. »Sie zeigten sich aufgeschlossen, als sie Starfleet vor fünfundsiebzig Jahren zu einem Besuch ihrer Heimatwelt einluden, wodurch es zu einer Begegnung zwischen ihnen und Admiral McCoy kam. Andererseits haben sie bei inzwischen vier Gelegenheiten das gesamte Föderationspersonal aufgefordert, den Planeten zu verlassen ohne irgendeine Erklärung dafür zu nennen.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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