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IE DUNKLE SEITE IST NIE DIE ANTWORT. ODER ETWA DOCH? Mehr als ein Jahr ist seit dem Fall der Starlight-Station vergangen. Seit dem besetzen die Nihil die sogenannte Okklusionszone. Jedi-Ritter Reath Silas hat mit Hilfe seines neuen Freundes, Padawan Amadeo Azzazzo, hart daran gearbeitet, das drängendste Rätsel zu lösen: Wie kann man jene machtverschlingenden Kreaturen aufhalten, die nur als die Namenlosen bekannt sind? Auf seiner verzweifelten Suche nach Antworten, wendet sich Reath an einen gefallenen Jedi, der ihm einen Weg aufzeigt, der allerdings gefährlich nahe an die dunkle Seite der Macht heranführt. Dann taucht auch noch Reaths ehemaliger Meister Cohmac Vitus auf, mit einer ganz eigenen Theorie zur Herkunft der Namenlosen. Zögerlich arbeiten die beiden wieder als Team zusammen und begeben sich auf die Suche nach den Spuren einer uralten Zivilisation, die vielleicht den Schlüssel zum Geheimnis der beängstigenden Kreaturen birgt. Wie weit ist Reath bereit zu gehen und was wird er dafür opfern müssen?
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Seitenzahl: 576
AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – Kampf um Valo
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4084-3
Star Wars: Die Hohe Republik – Mission ins Verderben
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4194-9
Star Wars: Die Hohe Republik – Flucht von Valo
Daniel José Older, Alyssa Wong – ISBN 978-3-8332-4497-1
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Die Hohe Republik – Aus den Schatten
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4083-6
Star Wars: Die Hohe Republik – Mitternachtshorizont
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4193-2
Star Wars: Die Hohe Republik – Trotzt dem Sturm
Tessa Gratton, Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4496-4
Star Wars: Padawan
Kiersten White – ISBN 978-3-8332-4257-1
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Hoffnung der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-4082-9
Star Wars: THE MANDALORIAN – Staffel 1 Jugendroman
Joe Schreiber – ISBN 978-3-8332-4013-3
Star Wars: THE MANDALORIAN – Staffel 2 Jugendroman
Joe Schreiber – ISBN 978-3-8332-4192-5
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DIE TRÄNEN DER NAMENLOSEN
ROMAN
Von George Mann
Ins Deutsche übertragen von Andreas Kasprzak & Tobias Toneguzzo
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: The High Republic – Tears of the Nameless“ by George Mann, published by Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books Inc., September 2024.
© & TM 2024 LUCASFILM LTD. All Rights Reserved.
Design by Kurt Hartmann, Soyoung Kim, Scott Piehl and Leigh Zieske
Deutsche Ausgabe 2024 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76,
70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Tobias Toneguzzo und Andreas Kasprzak
Lektorat: Katja Böhm
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWHR008E
ISBN 978-3-7569-9961-3
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, Juli2023,ISBN 978-3-8332-4566-4
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PaniniComicsDE
Für Elliot, clever und mutig.
STAR WARS DIE HOHE REPUBLIK
DIE PRÜFUNGEN DER JEDI
Viele Welten leiden in der undurchdringlichen OKKLUSIONSZONE, wo Marchion Ro und seine Horde von Nihil-Plünderern, für die Republik unerreichbar, mit eiserner Hand herrschen.
Der Jedi-Meisterin Avar Kriss gelang die Flucht aus dieser besetzten Zone, und gemeinsam mit Jedi Elzar Mann führt sie den Orden und die Republik seitdem in einem verzweifelten Kampf gegen die Nihil und ihre Kreaturen, die Namenlosen.
Doch jetzt droht der Galaxis von neuer Seite Gefahr. Eine mysteriöse VERDERBNIS breitet sich willkürlich von Welt zu Welt aus. Langsam, aber sicher befällt sie ganze Regionen und verwandelt alles Leben, das mit ihr in Kontakt kommt, zu Staub …
PROLOG
Vernestra Rwoh holte alles aus den Antrieben ihres gestohlenen Nihil-Schiffs heraus und zwang es nach oben.
Das Metall des flickwerkmäßig zusammengeschweißten Schiffs ächzte und klapperte unter der Belastung des rasanten Steigflugs, und sie hatte schon Angst, dass es jeden Moment in seine Einzelteile auseinanderbrechen könnte.
Warum hatte sie auch unbedingt dieses Schiff wählen müssen? Warum nicht eine der beiden Jagdmaschinen, die ihr nun im Nacken saßen und augenscheinlich viel robuster waren? Vernestra hatte deren schlanken Bautyp mit den zwei abstehenden Flügeln und dem mittigen, torpedoförmigen Rumpf noch nie zuvor gesehen. Die Maschinen unterschieden sich grundsätzlich von typischen Nihil-Schiffen … was sie zu der Vermutung führte, dass sie gestohlen waren.
Mit einem gezischten Fluch schüttelte sie den Kopf.
Sie vermisste ihren Jedi-Jäger, dessen Wrack irgendwo tief unter ihr auf der Oberfläche von Vixoseph I lag. Er würde nie wieder fliegen. Davon abgesehen würde ihn bald die Verderbnis verschlingen, die den Planeten befallen hatte und nun alles Organische in Asche verwandelte, während sie sich langsam ausbreitete.
Vernestra riss das Steuer herum und stieg in einer Korkenzieherrolle senkrecht auf, als einer der Jäger das Feuer eröffnete. Mehrere Schüsse trafen die Seite ihres gekaperten Schiffs und sprengten eine der schlampig zusammengeschweißten Hüllenplatten ab. Sie trudelte in die Tiefe davon, während Vernestra mit den Kontrollen kämpfte. Schließlich gelang es ihr, das Schiff nach links zu ziehen und seine Nase wieder in eine waagrechte Position zu drücken. Die Gravitationskräfte, die bei einem solchen Manöver bei solcher Geschwindigkeit entstanden, pressten die junge Pilotin in ihren Sitz, und das gesamte Cockpit begann einmal mehr zu klappern.
Ihre Verletzungen – die angeknacksten Rippen und die Schnittwunde am Kopf, die sie sich beim Kampf mit Marchion Ro zugezogen hatte – protestierten schmerzhaft.
Vernestras Blick huschte zu den Anzeigen auf der ramponierten Instrumententafel. Die beiden Sternjäger holten rasch auf.
Sie würde es nicht schaffen.
Es sei denn …
„Ich hoffe, du bist bereit“, sagte sie, als wäre das Schiff in der Lage, sie zu verstehen.
Natürlich erwiderte niemand etwas darauf; es waren ja nicht mal Droiden an Bord, die sie hören könnten.
„Ich werte das mal als Ja.“
Wie zur Antwort gab das metallene Skelett des Frachters ein weiteres, lang gezogenes Ächzen von sich.
Jetzt ist es zu spät, um dich zu beschweren.
Vernestra beruhigte ihre Atmung, dann schloss sie die Augen und streckte ihre Sinne aus. Die Macht leitete ihre Hände, während sie den Steuerbügel nach hinten riss und den Bug des Schiffs einmal mehr nach oben zwang. Alles um sie herum zitterte und klapperte, von den Bolzen in den Wänden bis hin zu dem Sitz, auf dem sie festgeschnallt war. Doch davon ließ sie sich nicht beeindrucken, als sie vollen Schub auf die Antriebe gab und den Frachter in eine enge Wende zog. Einen Herzschlag später ließ sie die Kontrollen los … und das Schiff raste mit metallenem Kreischen in die Tiefe, geradewegs auf ihre Verfolger zu, die sich noch immer im Steigflug befanden.
Der plötzliche Druck schnürte ihr die Kehle zu, und Vernestra verzog das Gesicht; es fühlte sich an, als würde ihr jemand mit einem Messer in die linke Seite stechen. Sie musste um jeden Atemzug kämpfen.
Die Piloten der beiden Nihil-Jäger waren offensichtlich in Panik und versuchten verzweifelt, ihre Maschinen aus der Bahn des in die Tiefe rasenden Frachters zu lenken, um eine Kollision zu vermeiden.
Vernestra hielt weiter direkt auf sie zu.
Die Zeit schien sich zu dehnen.
Einer der Sternenjäger zog seitlich weg, der andere drehte sich um seine Längsachse, während er weiter höherstieg. Der Pilot wollte ihr gerade genug Platz machen, damit sie vorbeikonnte. Zweifelsohne hatte er vor, ihr Manöver zu kopieren und sofort wieder die Verfolgung aufzunehmen, sobald sie ihn passiert hätte.
Doch dazu würde er keine Gelegenheit bekommen.
Vernestra zerrte am Steuer und lenkte den Frachter in eine Spirale. Er streifte den Sternenjäger, als die beiden Schiff aneinander vorbeirasten, und riss ihm einen seiner langen, weit vorstehenden Flügel vom Rumpf. Die Maschine kippte über die Seite weg und trudelte in einem hoffentlich unkontrollierten Sturzflug der Oberfläche entgegen.
Anschließend rang Vernestra mit den Kontrollen, bis sich der Frachter begleitet vom Quietschen protestierenden Metalls wieder in eine aufrechte Position hochgequält hatte. Irgendwo unter ihr zerschellte der trudelnde Sternenjäger zwischen den Bäumen, sodass ein gelb-orangener Feuerball aus der Tiefe emporloderte.
Einer hin …
Besser als nichts.
Sie überprüfte die Anzeigen. Der zweite Nihil war bereits mitten in einer Wende, um sich erneut hinter sie zu klemmen. Entschlossen drückte sie mehrere Knöpfe auf der Konsole, und ihr Schiff bäumte sich auf, bevor es einmal mehr mit maximaler Leistung losraste.
Höher und höher ging es, auf einem Schweif supraerhitzten Treibstoffs in den fahlen Himmel empor.
Sie hatte Bell und Burryaga gesagt, dass sie sofort nachkommen würde, als die beiden den Planeten verlassen hatten, um Marchion Ro zu verfolgen, aber es hatte unerwartet lange gedauert, ein Schiff zu finden. Jetzt wollte sie schleunigst nach Coruscant zurück, um allen zu berichten, was sie hier auf Vixoseph I beobachtet hatte … und was es für die Republik bedeutete.
Was sie mit eigenen Augen gesehen hatte, war nämlich, wie Marchion Ro über die Verderbnis hinweggestapft war, ganz, ohne von ihr beeinträchtigt zu werden. Mehr noch, er hatte eine Faust voll befallener Erde auf einen Drengir geschleudert, woraufhin die Pflanzenkreatur sofort von der Plage zerfressen worden war. Und das Auge der Nihil hatte sich lediglich die Hände abgeklopft, bevor es davonflog, um auf Coruscant mit der Kanzlerin zu sprechen.
War das ein Beweis dafür, dass Ro die Verderbnis kontrollieren konnte, so, wie er es behauptete? Vernestra war sich nicht sicher, aber es bewies definitiv, dass seine Worte nicht gänzlich erlogen waren.
Andererseits … Falls er diese Macht besaß, hatte er sie nicht eingesetzt, um seine Leute zu retten. In dem Lager, wo Vernestra den Frachter gestohlen hatte, hatte sie mehrere Nihil gesehen, die gerade von der Infektion zerfressen wurden.
Also, entweder war Marchion Ro nicht so allmächtig, wie er sie glauben machen wollte, oder ihm war einfach nur egal, was mit seinen Anhängern geschah.
Vermutlich lag die Wahrheit irgendwo dazwischen.
Alarme heulten los, als der verbliebene Sternenjäger wieder aufholte. Kanonenfeuer blitzte an Vernestra vorbei, und sie riss das Schiff erst nach links, dann nach rechts. Nur mit knapper Not konnte sie einen Treffer verhindern.
Sie bezweifelte, dass der Nihil ein zweites Mal auf ihr Wendemanöver hereinfallen würde, ganz abgesehen davon, dass der gestohlene Frachter die Belastung vermutlich ohnehin nicht überstehen würde. Dummerweise war sie allein, ohne einen Co-Piloten, der die Zwillingsgeschütze bedienen oder sie am Steuer ablösen könnte, während sie selbst die Kanonen bemannte.
Ihr blieben allein Hoffnung, Glück und das Vertrauen auf die Macht.
Großartig.
Vernestra lenkte das Schiff in eine weitere Spirale, als der Jäger die nächste Salve entfesselte.
Inzwischen war sie in die oberen Schichten der Atmosphäre vorgestoßen, wo die dunkle Sichel des Alls am Horizont heranwuchs wie ein umgekehrter Sonnenaufgang.
„Wir sind fast da!“, rief sie, als könnte sie die Antriebe so zum Durchhalten motivieren. „Komm schon!“
Wenn sie es aus dem Gravitationsfeld des Planeten schaffte, könnte sie in den Hyperraum springen.
Ein harter Ruck ging durch den Frachter, als ein Schuss die Hülle traf; die Schilde waren praktisch nicht mehr existent. Vernestra brachte den schrillen Alarm zum Schweigen und presste die Zähne zusammen, während sie die letzten Schwaden der Atmosphäre hinter sich zurückließ und – nach wie vor in ihrem schwindelerregenden, spiralförmigen Steilflug – in die Leere hinausschoss.
Der Jäger holte weiter auf.
Mit einem weiteren Piepsen warnte der Computer sie, dass ihr Verfolger mit seinen Zielsystemen den Antrieb erfasst hatte.
Vernestra wappnete sich, behielt die Hände aber fest um die Kontrollen geschlossen. Selbst die kleinste Abweichung würde jetzt den sicheren Tod bedeuten.
Nur noch eine Sekunde …
Die Konsole summte.
Sie rammte den Hyperraumregler nach vorne und beobachtete, wie sich die Sternenlandschaft vor ihr in die Länge zog und zu einem Tunnel aus hypnotisierendem blauem Licht verschmolz.
Mit einem erleichterten Seufzen lehnte die Jedi sich auf ihrem Sitz zurück, eine Hand auf ihren schmerzenden Rippen.
Sie wusste nicht, was sie wohl auf Coruscant erwartete.
Sie hoffte nur, dass es in der Krankenstation noch ein freies Bett gab.
1. TEIL
1. KAPITEL
Jedi-Padawan Amadeo Azzazzo hatte noch nie etwas so Trostloses gesehen wie das Meer verseuchter grauer Verwüstung, das sich unter seinem Aussichtspunkt auf einem Felsvorsprung ausbreitete.
Die Verderbnis erstreckte sich in alle Richtungen, bis hin zum Horizont, wo sie an die zinnoberroten Wolken von Cethis grenzte – Kilometer um Kilometer einstmals üppiger Wälder, von denen nur noch verbleichte Hüllen aus Asche übrig geblieben waren.
Eine verwüstete Landschaft, in dumpfes Grau getaucht.
Amadeo ließ den Blick über die Ödnis schweifen. Abgesehen vom schwachen Wind rührte sich nichts; nirgends eine Spur von Leben, nicht mal Aasvögel oder Ratten. Der Padawan konnte auch nichts riechen, weder den Geruch von Vegetation noch den Morgentau, der eigentlich frisch in der Luft hängen sollte.
Nichts.
Hie und da ragte noch ein Baumstumpf auf, in trotzigem Widerstand gegen die um sich greifende Verderbnis, doch selbst die waren jeder Farbe und jedes Anflugs von Leben beraubt.
Es war herzzerreißend: ein Wald, der vor Amadeos Augen starb. Und es war nicht der erste. Auf Vixoseph war es genauso gewesen. Und auch auf den beiden anderen Missionen, die er seitdem gemeinsam mit seinem Meister Mirro Lox bestritten hatte, um die Bewohner vor der plötzlich auftretenden Plage in Sicherheit zu bringen. Er war noch immer nicht sicher, wie er die Verderbnis eigentlich beschreiben sollte. Und er wusste auch immer noch nicht, wodurch sie ausgelöst wurde. War sie ein natürliches Phänomen oder etwas Bösartiges? Einige Jedi glaubten, dass eine Verbindung zwischen der Verderbnis und den mysteriösen Kreaturen existierte, die als die Namenlosen gefürchtet wurden. Doch so weit Amadeo wusste, gab es bislang noch keine konkreten Beweise für einen solchen Zusammenhang.
Das Einzige, was er – und die anderen Jedi und die Republik – im Augenblick mit Gewissheit sagen konnten, war, dass die Plage sich ausbreitete. Alles andere blieb ein Rätsel; sie wussten ja nicht einmal, ob diese Ausbreitung einem bestimmten Muster folgte. Soweit es Amadeo anging, schien die Plage willkürlich irgendwo aufzutauchen. Ein kleiner grauer Fleck zeigte sich auf einer Welt, um dann langsam, aber unerbittlich heranzuwachsen und alles organische Material aufzufressen, während benachbarte Planeten völlig unberührt blieben. Die Verderbnis bewegte sich weder in eine bestimmte Richtung noch mit einem bestimmten Tempo, und sie wurde auch nicht durch Reisende verbreitet.
Doch wo immer sie sich zeigte, folgte absolute Zerstörung. Am Ende blieb nichts weiter zurück als ein zerbröckelndes Echo dessen, was einmal gewesen war.
Ganz gleich, was ihr im Weg stand – oder sich ihr in den Weg stellte –, die Plage verschlang es. Amadeo konnte nur hoffen, dass die Jedi und Wissenschaftler, die sich mit dem Problem befassten, möglichst bald eine Lösung finden würden.
Der Wind zerzauste seinen lockigen braunen Haarschopf, und er zog fröstelnd die Robe um sich.
„Alles in Ordnung, Padawan?“
Als er über die Schulter blickte, sah er seinen Meister näher kommen. Mirro Lox’ dunkle Augen waren auf seinen Schüler gerichtet, und er strich mit der Hand über sein kurz geschorenes Haar. Das rote Licht der Sonne ließ seine braune Haut warm glühen.
„Glaubt Ihr, wir finden eine Möglichkeit, um es aufzuhalten?“, fragte Amadeo, während er sich wieder den verseuchten Wäldern zuwandte.
Lox nickte. „Ja. Ich bin sicher, die Macht wird uns auf den rechten Weg führen, und alles wird gut.“ Er klopfte Amadeo auf die Schulter. „Wir finden eine Lösung für unser Problem, Amadeo. Und während wir auf diese Lösung warten, tun wir, was wir immer tun.“
„Denen helfen, die sich selbst nicht helfen können“, wiederholte Amadeo das Mantra, das sein Meister so gern benutzte. Er versuchte sogar, Lox’ Stimme und Akzent zu imitieren.
Der ältere Jedi lachte donnernd. „Siehst du! Du lernst.“ Er wusste, dass sein Schüler nicht respektlos sein wollte; es war mehr wie ein kleines Spiel, das sie schon hundertmal gespielt hatten. „Aber im Ernst, Padawan: Du solltest Trost daraus ziehen“, fuhr er fort. „Den Leuten zu helfen, ist Balsam für unheilvolle Gedanken, und wie der Zufall so will, ist es außerdem unsere Spezialität.“
Amadeo nickte. „Ja, Meister.“
Lox hatte recht. Andere zu beschützen, war ihre Spezialität. Und Trübsal zu blasen, lag eigentlich auch gar nicht in seiner Natur. Es war einfach nur … Der Anblick der Verderbnis … zu sehen, was sie anrichtete. Das konnte einem schon mal aufs Gemüt schlagen.
Amadeo schüttelte das Gefühl ab. Er musste dem Beispiel seines Meisters folgen und in jeder Situation das Positive sehen. Sie hatten eine Aufgabe zu erledigen, und er war bereit dafür. Also blickte er zu Lox hoch und fragte: „Was jetzt?“
Sein Lehrmeister lächelte, aber was immer er antworten wollte, es ging im trommelfellmarternden Donnern unter, als mehrere Transporter ganz in der Nähe zur Landung ansetzten. Amadeo drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um drei riesige Schiffe zu sehen, denen überhastet die Insignien der Republikanischen Verteidigungskoalition auf ihre makellosen Rümpfe gemalt worden waren. Während sie ihre Landefüße ausklappten, kreiste in der Höhe über ihnen eine Eskorte aus Sternenjägern wie ein Schwarm wachsamer Raubvögel.
Meister Lox deutete mit dem Daumen, und Amadeo folgte ihm, als der ältere Mann in Richtung der Landezone aufbrach, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen.
Auf dem Hochplateau, auf dem sich die beiden Jedi befanden, drängten sich Hunderte Flüchtlinge zusammen, die in Zelten, behelfsmäßig errichteten Hütten und Bodenfahrzeugen auf ihre Evakuierung warteten. Es war ein bedrückender Anblick: Familien, die gezwungen waren, ihr Zuhause, ihr Eigentum, ihr Leben hinter sich zu lassen, um vor der unaufhaltsamen Woge der Zerstörung zu fliehen. Während sie den Pfad entlangschritten, der das Lager in zwei Hälften teilte, blickte Amadeo immer wieder von einer Seite zur anderen, und er fühlte tiefes Mitleid mit den Dutzenden kleinen Kindern, die auf den Armen ihrer Eltern weinten; mit den Erwachsenen, die mit hoffnungsloser Miene umherstapften; mit den Jugendlichen – einige in seinem Alter –, deren Leben gerade vollkommen zusammengebrochen war.
Als Jedi war Amadeo an ein nomadisches Dasein gewöhnt; sie verbrachten zwischen ihren Missionen nie viel Zeit am selben Ort, waren mal in diesem Außenposten, mal in jenem. Doch diese Leute hatten sich hier eine fest verwurzelte Existenz aufgebaut. Jetzt wurden all diese Wurzeln durch die näher rückende Verderbnis brutal durchtrennt.
Bis vor Kurzem hatte sich auf dem Plateau nur eine kleine, kreisförmig angeordnete Siedlung namens Haven befunden, mit Straßen, die sich wie die Speichen eines Rades in den umliegenden, üppigen Wald erstreckten. Laut den vorläufigen Berichten war der Großteil des Terrains im Osten bereits vor ihrer Ankunft der Verderbnis anheimgefallen, und falls niemand der Plage Einhalt gebieten konnte, würde sie bald auch Haven erreichen. Also war entschieden worden, die Bevölkerung zu evakuieren, bevor es so weit kam und die Einheimischen infiziert wurden.
Amadeo, Lox und das kleine Kontingent von RVK-Freiwilligen, das sie auf dieser Mission begleitete, hatten geholfen, die Bewohner der umliegenden Ortschaften zu diesem zentralen Sammelpunkt zu bringen. Das Plateau erhob sich hoch genug über dem Rest der Gegend, dass die Verderbnis noch eine kleine Weile brauchen würde, um hierher zu gelangen.
Hoffentlich.
Das RVK hatte bereits auf einer Insel in der südlichen Hemisphäre ein Auffanglager für die Flüchtlinge vorbereitet; eine hastig errichtete kleine Siedlung mit vorgefertigten Unterkünften, einem Wasserfiltrierungssystem und einer Handvoll öffentlicher Einrichtungen. Es war nicht das erste Mal, dass sie solche Maßnahmen ergreifen mussten, und mit jedem Mal wurde der Prozess schneller und effizienter.
Die Evakuierten nahmen mit, so viel sie tragen konnten, außerdem falls möglich ihre Fahrzeuge und Droiden. Amadeo sah, dass die RVK-Freiwilligen die Einheimischen bereits aufgefordert hatten, sich in langen Schlangen aufzustellen, während Droiden damit begannen, Gleiter und persönliche Habseligkeiten an Bord der drei großen Transporter zu bringen. Die Schiffe waren in einer ordentlichen Reihe nebeneinander gelandet, und durch die offenen Frachttüren konnte man ins höhlenartige Innere sehen. Schon bald würden diese Laderäume bis unter die Decke gefüllt sein; trotzdem würden sie mehrere Male fliegen müssen, um alle aus der unmittelbaren Gefahrenzone fortzubringen. Und das war erst der Anfang. Anschließend mussten sie den Einheimischen helfen, sich in ihrer neuen Umgebung einzugewöhnen.
Trotz der niedergeschlagenen Gesichter, die er ringsum erblickte, spürte Amadeo plötzlich eine Woge der Hoffnung in sich aufsteigen. Diese Leute waren gerettet worden; sie konnten ein neues Leben beginnen. Es würde nicht einfach sein, ja, aber sie waren die erste Generation von Siedlern auf Cethis, und sie waren an Entbehrungen und harte Arbeit gewöhnt. Sie konnten auch eine weitere Welt zu ihrem Zuhause machen. Und wer weiß, vielleicht würden sie ja eines Tages, wenn die Verderbnis besiegt war, hierher zurückkehren. Dann hätten all diese Mühen einen Sinn gehabt. Diese Hoffnung war es wert, daran festzuhalten.
Jedes Leben zählt.
„Ich werde die Transporter begleiten“, erklärte er. Eigentlich war es das Letzte, was er wollte, aber genau deswegen wusste er, dass er es tun musste. Und er würde vollen Einsatz zeigen, egal, ob es nun darum ging, Streit zwischen den Flüchtlingen zu schlichten, wenn die neuen Wohnplätze verteilt wurden, Familien beim Entladen ihrer Besitztümer zu helfen oder ihnen zu zeigen, wie die Wasserpumpen funktionierten.
Ein Jedi darf nie seine Pflichten ignorieren. Daran war er vor gar nicht allzu langer Zeit bei seinem letzten Besuch auf Coruscant erinnert worden. Er hatte Einblicke in ein anderes Leben gewonnen – eines jenseits von Pflichten und Meditation und den Regeln des Ordens –, und es hatte ihm nur umso deutlicher vor Augen geführt, was er war und was er immer sein würde: ein Jedi. Als Jüngling hatte er davon geträumt, die galaktische Grenzregion zu erkunden, aufregende Abenteuer im Wilden Raum zu erleben und wie die Pfadfinder aus der alten Zeit Kontakt zu neuen Völkern herzustellen und fremde Welten weit draußen am Äußeren Rand zu besuchen.
Als Meister Lox ihn zum Padawan genommen hatte, hatte Amadeo jedoch schnell erkannt, dass das Leben eines Jedi nicht wie in den Geschichten war, die er so liebte. Die Abenteuer und die Gefahren waren nur ein kleiner Teil des Jedi-Daseins. Doch Meister Lox hatte ihm gezeigt, wie man auch aus den alltäglichsten Pflichten Genugtuung, ja, sogar Spaß ziehen konnte. Und deswegen konnte Amadeo selbst an Tagen wie diesem, wenn er mit Not und Verzweiflung konfrontiert war, etwas finden, was ein Lächeln wert war und ihn optimistisch stimmte.
Er wollte schon zu den wartenden Transportern hinübergehen, da hielt Lox ihn am Arm zurück.
„Nein, Amadeo“, sagte er. „Die RVK kann das übernehmen. Wir sollten uns auf Coruscant melden. Vielleicht werden wir anderswo gebraucht.“
Ganz in der Nähe stritt ein junges Menschenmädchen von vielleicht zwölf Jahren mit einem Mann, vermutlich ihrem Vater oder Vormund.
„Nein, Aaila! Es ist zu spät. Tut mir leid, aber wir können nicht zurück. Ich weiß, es ist schwer …“
„Wir haben sie zurückgelassen!“
„Aaila …“ Der Mann klang frustriert.
„Aber was ist mit Papa Jo, Elias, Miramo, Iriana …“ Das Mädchen stieß ein zittriges Schluchzen aus.
„Wir hatten keine Wahl.“
Lox war kurz stehen geblieben, um zu lauschen. Nun blickte er Amadeo an und zog dabei eine Augenbraue hoch – ein Ausdruck, den der Padawan nur zu gut kannte.
Er folgte seinem Meister zu den schmalen Weidenmatten, wo die beiden streitenden Flüchtlinge standen. All ihre Habseligkeiten waren in einen kleinen Rucksack gestopft, den sie gegen einen nahen Felsen gelehnt hatten.
„Hallo“, sagte Lox. Seine Stimme war ruhig, ebenmäßig … besänftigend. „Ich kann verstehen, dass sie Angst haben und verunsichert sind, aber alles wird wieder gut.“
„Verzeiht“, erwiderte der Mann, während er sich das wellige Haar aus der Stirn strich. Er sah müde aus, und seine Kleidung war mit Erde verschmiert.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Lox lächelte. „Gibt es irgendetwas, was wir tun können, um Ihnen zu helfen.“
Der Mann schüttelte den Kopf, woraufhin ihm das junge Mädchen einen bösen Blick zuwarf. „Ja“, korrigierte er sich. „Vielleicht.“
Der Jedi-Meister ging in die Hocke, sodass er auf Augenhöhe mit dem Kind war. „Ja?“
„Wir haben sie zurückgelassen.“
„Wen?“, fragte der Jedi. „Wen habt ihr zurückgelassen?“
„Unsere Freunde und Nachbarn“, antwortete sie.
Lox blickte zu dem Mann hoch.
„Wir hatten keine Wahl“, erklärte dieser mit einem niedergeschlagenen Ton in der Stimme. „Sie waren zu langsam, und ich musste Aaila in Sicherheit bringen.“
Lox neigte verständnisvoll den Kopf. Amadeo konnte dem Mann auch keinen Vorwurf machen. Er hatte lediglich getan, was die meisten in so einer Situation tun würden; er hatte den Schutz seiner Familie über alles andere gestellt.
„Ich will nicht ohne sie gehen“, sagte Aaila.
„Wie viele sind es?“, hakte Lox nach.
„Ungefähr zwanzig“, murmelte der Einheimische.
„Waren sie infiziert?“
„Nicht, als wir sie zurückließen.“
Der Meister blickte seinen Padawan an. „Amadeo.“
Er musterte Aaila. Dies war nicht der ungestüme Protest eines Mädchens, das den Ernst der Situation nicht begreifen wollte; sie wusste, was die Verderbnis mit ihren Freunden anrichten würde, falls sie in dem befallenen Wald zurückblieben. Amadeo fühlte mit ihr. Niemand sollte mit diesem Wissen leben müssen – erst recht kein Kind. „Haben wir genug Zeit, um uns dort umzusehen?“, fragte er.
Aaila blickte hoffnungsvoll zu ihm auf.
Lox nickte zustimmend. „Es wird mehrere Stunden dauern, bis alles auf die Transporter verladen ist. Falls wir Leute übersehen haben, müssen wir zurück und nach ihnen suchen.“ Er richtete sich auf und streckte seine breiten Schultern. „Also gut“, wandte er sich anschließend an den Mann. „Sagen Sie uns, wo wir suchen sollen.“
2. KAPITEL
Westlich vom Fuß des felsigen Hochplateaus war ein überraschend großes Stück Wald von der Verderbnis verschont geblieben, zumindest bis jetzt. Hier bekam Amadeo zum ersten Mal einen Eindruck davon, wie schön dieser Planet einmal gewesen sein musste.
Und jetzt ist alles verloren.
Ein schier unerträglicher Gedanke.
Das Unterholz war dicht und feucht, und Laub blieb an seinen Stiefeln kleben, während er zwischen großen, farnartigen Wedeln hindurchstapfte, immer Meister Lox nach, der ihnen mit seinem summenden blauen Lichtschwert einen Pfad durch die üppige Vegetation bahnte.
Erst hatte Amadeo Bedenken gehabt, lebende Pflanzen zurückzudrängen und zu zerstören, nur damit sie leichter vorankamen, aber dann hatte ihn die Erkenntnis getroffen, dass diese Bäume und Farne bald ohnehin tot sein würden. Die Verderbnis rückte aus allen Richtungen näher, und nichts und niemand konnte sie aufhalten. Da war es besser, sich auf die Suche nach den gestrandeten Siedlern zu konzentrieren … falls sie noch lebten. Und darum surrte Amadeos eigene, grüne Klinge nun ebenfalls durch die Luft, während er sie hin- und herschwang und einen behelfsmäßigen Weg zwischen sehnigen Wurzeln und herabhängenden Ästen freischlug.
Aailas Vater hatte erklärt, dass ihr Dorf mehrere Kilometer von Haven entfernt lag, am Ende einer der Straßen, die von dem Plateau ausgingen.
Diese Straße – der direkteste Weg zu ihrem Ziel – war inzwischen von der Verderbnis verschlungen worden, aber es war möglich, dass die Überlebenden versuchten, sich durch den Wald in Sicherheit zu bringen.
Leider war der Boden so dicht bewachsen, dass man nur sehr langsam vorankam, zumindest wenn man nicht gerade zufällig ein Lichtschwert zur Hand hatte. Falls diese Leute noch da draußen waren, würden sie es niemals rechtzeitig zu den Transportern schaffen … es sei denn, die beiden Jedi fanden sie rechtzeitig.
„Alles in Ordnung da hinten?“, rief Lox über die Schulter.
Amadeo grinste. Sein Meister vergewisserte sich oft, ob es ihm gut ging. Sehr oft. Lange Zeit hatte es ihn gestört; er hatte es als einengend empfunden, geradezu als erdrückend. Als hätte sein Meister kein Vertrauen in ihn und seine Fähigkeiten. Amadeo hatte sich Mal um Mal bewiesen, auf gefährlichen Missionen ebenso wie in heiklen diplomatischen Situationen oder einfach nur dadurch, dass er an den zentralen Grundsätzen des Jedi-Kodex festhielt. Und dennoch fragte ihn sein Meister immer noch regelmäßig, ob alles in Ordnung sei. Ob es ihm gut gehe.
Doch in jüngster Zeit war Amadeo zu der Erkenntnis gelangt, dass es nicht wirklich um einen Mangel an Vertrauen ging. Lox sorgte sich einfach nur um ihn. Er wollte, dass es seinem Schüler gut ging, das war alles, und seine Fragen dienten in erster Linie dazu, ihn selbst zu beruhigen, nicht seinen Padawan. Es war das Verhalten eines Mannes, der immer zuerst an andere dachte, nicht an sich selbst.
„Ich bin direkt hinter Euch, Meister“, sagte er, nachdem er mit seinem Lichtschwert einen weiteren herabhängenden Ast durchtrennt hatte.
Einen Moment später spürte Amadeo eine Bewegung, und er drehte gerade rechtzeitig den Kopf nach links, um zu sehen, wie ein bunter Vogel aus dem Blattwerk hervorbrach und mit flatternden Flügeln zu den Baumkronen aufstieg. Das rote Sonnenlicht fiel in schmalen Streifen durch das üppige Laubdach auf den Boden herab. Dieser gesamte Bereich steckte noch immer voller Leben, das konnte Amadeo deutlich in der Macht fühlen: Tiere, die umherhuschten oder sich durchs Erdreich gruben; der pulsierende Rhythmus der Bäume und Ranken; das Netzwerk der Pilze, das tief unter den Boden reichte. So viel Leben. Und so viel Furcht. Auch das konnte der Padawan spüren. Der verzweifelte Wunsch zu überleben war wie eine schäumende, drängende Strömung, die sich durch alles hindurchzog. Die Flora und Fauna von Cethis blickten dem näher rückenden Ende nicht mit ruhiger Akzeptanz entgegen, sondern mit dem animalischen Instinkt zu fliehen.
„Wir sollten uns glücklich schätzen, dass wir das sehen durften“, meinte Lox, der selbst der deprimierendsten Situation etwas Positives abgewinnen konnte. „Bald wird alles fort sein. Es ist ein Privileg, diese Welt so zu erleben, wie sie einmal war.“
Amadeo legte den Kopf schräg und lauschte – nicht auf die Geräuschkulisse des Waldes, sondern auf das tiefe Summen der Macht, auf die Vibrationen der Welt ringsum.
Auf die Präsenz zwischen den Bäumen.
Es waren nicht nur die Tiere, die Angst hatten.
„Hier entlang“, rief er, wobei er mit dem Finger nach rechts deutete. Sein Meister drehte sich herum und zog fragend eine Braue hoch. „Dort sind sie. Die Leute, nach denen wir suchen. Ich kann ihre Furcht spüren.“
Lox nickte knapp und marschierte in die angezeigte Richtung. Ohne Zögern. Ohne Zweifel.
Amadeo eilte hinter ihm her.
Es sollte nicht lange dauern, bis sich sein Instinkt bestätigte. Nach ungefähr einem Kilometer erreichten sie eine natürliche runde Lichtung, die größtenteils im Schatten der ausladenden Äste ringsum lag. Abgebrochene Zweige und ein dichter Moosteppich bedeckten den Boden.
Amadeo hörte sie, bevor er sie sah: eine Gruppe von ungefähr zwanzig Wesen, die jenseits der Lichtung durch das Unterholz rannten, viel schneller, als angesichts der knorrigen Wurzeln und des unebenen Terrains ratsam war.
„Hallo? Hier drüben!“, rief Lox.
Beide Jedi deaktivierten ihre Lichtschwerter und winkten mit den Armen.
Amadeo sah Farben zwischen den dichten Büschen hervorblitzen. Hemden, Roben, Jacken. Dann die schwarzen Augen eines Rodianers. Eine Pau’anerin. Ein Quarren.
Ihre Furcht brandete über den Padawan hinweg wie eine Sturmwoge.
„Es ist nicht die Verderbnis“, entfuhr es ihm. „Sie laufen vor etwas anderem davon.“
Lox machte einen Schritt nach vorne und suchte die Baumgrenze mit den Augen ab.
Die Dorfbewohner brachen aus dem Unterholz hervor und taumelten über die Lichtung, so schnell sie ihre Füße trugen.
Der Quarren – ein älterer Mann in einem zerschlissenen blauen Pilotenoverall – starrte die beiden Jedi mit großen, panischen Augen an. „Es kommt! Es ist zwischen den Bäumen! Es kommt!“
Die anderen Wesen hatten Amadeo und Lox ebenfalls erblickt und rannten zu ihnen herüber.
Hinter ihnen ertönte ein knirschendes Donnern tief zwischen den Bäumen. Dann noch einmal. Und noch mal. Die obersten Äste gerieten in Bewegung und schwangen im Rhythmus der polternden Schritte hin und her. Amadeos Mund fühlte sich mit einem Mal trocken an. Dieses Monster musste ja riesig sein!
„Gehen Sie hinter uns in Deckung!“, befahl Lox den Flüchtlingen, während das Lichtschwert in seiner Hand erneut zum Leben erwachte.
Amadeo aktivierte seine Waffe ebenfalls, dann ließ er die Schultern kreisen und ging in Verteidigungshaltung.
Einen Moment lang herrschte Stille.
Dann stürmte die Kreatur in einer Explosion aus zersplitternden Ästen, aufgewirbeltem Laub und tödlichen Klauen aus dem Wald.
Sie war wirklich riesig – gut und gern so groß wie ein kleines Shuttle. Die gefiederte Echse hatte einen schlanken Körper und mächtige, fleischige Schwingen, die sie im Moment wie Vorderbeine benutzte, um dahinzustaksen. Ihr gewölbter Schädel verjüngte sich zu einem spitzen Schnabel, in dem gezackte Zähne blitzten, und auf beiden Seiten stierten drei nebeneinander angeordnete schwarze Augen in die sterbende Welt hinaus.
Was immer es für ein Tier war … es war nicht glücklich.
Der Schnabel öffnete sich zu einem Kreischen, so laut, dass Amadeos gesamter Körper zu vibrieren schien. Ein Schwall heißen, übel riechenden Atems schlug ihm entgegen.
Das Tier drehte den Kopf auf seinem langen Hals hin und her, während es sich mit seinen sechs glasigen Augen umsah, dann katapultierte es sich mit geradezu unheimlicher Geschwindigkeit nach vorne – direkt auf die Jedi zu.
Amadeos Instinkte übernahmen die Kontrolle. Er sprang nach rechts, zog die Knie in der Luft dicht an seine Brust und brachte sich mit einem Salto in Sicherheit. Dort, wo er eben noch gestanden war, schnappten die beiden Hälften des Echsenschnabels mit einem lauten Klacken zu.
Kaum dass er gelandet war, riss der Padawan seine Klinge herum und hielt sie abwehrend vor sich. Auf der anderen Seite der Lichtung war sein Meister bereits in die Offensive gegangen: Lox holte aus und rammte seinen Schwertgriff mit aller Kraft auf den Schädel der Echse.
Die Kreatur kreischte erneut, während sie zurücktaumelte, dann breitete sie ihre Schwingen aus und stieg mit ein paar schnellen Flügelschlägen in die Luft hoch. Die Windstöße waren heftig genug, um Amadeo stolpern zu lassen, und ein kurzer Blick zeigte ihm, dass die meisten Dorfbewohner von den Füßen gefegt worden waren.
Rasch konzentrierte er sich wieder auf die Echse. Sie flog in engen Kreisen über der Lichtung empor, und jetzt, wo sie straff gespannt waren, wirkten ihre Schwingen beinahe durchscheinend, sodass man im Licht von Cethis’ Sonne das Geflecht blauer Adern unter der Haut sehen konnte. Das Tier war so riesig, dass die gesamte Gruppe in ihren Schatten gehüllt war.
Lox wies die Dorfbewohner an, die Köpfe unten zu halten. Dieser Kampf war noch nicht zu Ende. Die Kreatur war hungrig, verzweifelt und offensichtlich von großen Schmerzen geplagt; sie konnte nicht klar denken. Amadeo versuchte, ihren Geist in der Macht zu berühren und sie zu beruhigen, doch die schiere Wucht ihrer Qualen ließ ihn zurückschrecken. Einen Moment später, als die Echse ein weiteres Mal über ihnen kreiste, konnte er sehen, woher diese Schmerzen stammten.
Das Tier war von der Verderbnis befallen.
Es zog eines seiner Beine schlaff hinter sich her, während es durch die Luft glitt, und das Fleisch dort wirkte grau und matt. Die Infektion begann bereits, sich in dünnen Linien über den Rücken nach oben zu fressen. Die Schuppenhaut war porös, die einst strahlenden Federn lösten sich in Asche auf.
Amadeo empfand tiefes Mitleid mit der Kreatur. Die Zerstörung des Waldes hatte sie ihrer Jagdgründe und all ihrer Nahrung beraubt; vermutlich war sie vollkommen ausgehungert. Und nun wurde sie auch noch Stück für Stück von der Verderbnis verschlungen.
Die Echse kreischte wütend, während sie weiter über ihrer vermeintlichen Beute kreiste.
„Halte dich bereit, Padawan“, sagte Lox mit leiser Stimme.
Das Tier legte die Schwingen an seinen schlanken Körper an. Amadeo folgte ihren Bewegungen mit den Augen und hob sein Lichtschwert.
„Lass dich nicht von ihm berühren“, warnte ihn sein Meister.
„Hatte ich auch nicht vor“, erwiderte er.
„Es ist befallen. Ein Kratzer durch dieses Hinterbein …“ Lox musste den Satz nicht beenden. Amadeo wusste genau, was dann geschehen würde.
Dann wäre ich auch infiziert.
„Ich weiß.“
Mit lautem Kreischen stieß die Kreatur vom Himmel herab.
Amadeo tänzelte zur Seite, um sich ein wenig mehr Freiraum zu verschaffen, während die mächtige Riesenechse wie eine Rakete auf die Lichtung zuraste. Ihre bunten Federn flatterten dabei schillernd im Wind – ein ebenso schöner wie tödlicher Anblick.
Aber irgendetwas fühlte sich falsch an.
Während Amadeo noch hinsah, krümmte sich das Tier plötzlich in der Luft, um die Richtung seines Sturzfluges zu ändern. Es hielt nicht länger auf ihn oder Lox zu, obwohl die beiden Jedi in der Mitte der Lichtung standen und sich zu offensichtlichen Zielen gemacht hatten.
Nein, es schnellte der Gruppe der zusammengekauerten Dorfbewohner entgegen.
Amadeo blickte zu Lox hinüber, dann rannte er los.
Sein Meister begriff sofort, ganz intuitiv. Er wirbelte herum, ging auf ein Knie und senkte die linke Schulter, während seine Lichtschwertklinge dicht über dem feuchten Moos knisterte.
Amadeo sprang, stieß sich mit dem Fuß von der Schulter seines Meisters ab und benutzte dann die Macht, um sich höher und höher in die Luft hochzuschrauben. Das Lichtschwert hielt er herumgedreht in der rechten Hand, sodass die Klinge an seinem Unterarm entlang nach hinten zeigte.
Unter sich konnte er die Panik fühlen, die in lodernden Wellen von den kreischenden Zivilisten ausströmte.
Der Padawan drehte sich in der Luft und schwang seinen rechten Arm in einem weiten, fließenden Bogen nach vorne, genau in dem Augenblick, als sich seine Flugbahn mit der der Riesenechse kreuzte.
Er spürte, wie die Klinge auf hartes Fleisch traf, wie Schmerzen im Bewusstsein des Tieres explodierten, ehe sein Hunger und seine Furcht und seine Qualen mit einem Mal erloschen.
Amadeo deaktivierte sein Lichtschwert und rollte sich zu einem Ball zusammen.
Die Schwingen der Kreatur lagen nicht mehr eng an ihrem Leib an, sondern wurden vom Wind nach außen gedrückt, sodass sie in einem bizarren Tanz hin- und herwackelten. Das veränderte die Flugbahn des leblosen Geschöpfes ein weiteres Mal, und es stürzte unkontrolliert auf den Rand der Lichtung zu, wo es mit zerschmetternder Wucht gegen einen Baumstamm prallte und anschließend knirschend und knacksend durch das Geäst auf den Boden hinabrutschte – nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo die Dorfbewohner sich flach auf die Erde geworfen hatten.
Amadeo landete, rollte sich zweimal ab und kam in einer eleganten Bewegung wieder auf die Beine.
Hastig vergewisserte er sich, dass alle unverletzt waren. Die Zivilisten starrten ihn mit offen stehenden Mündern an, und er nickte ihnen zu, brachte aber kein Lächeln zustande. Er hasste es, dass er gezwungen gewesen war, ein Leben zu beenden.
Lox joggte zu ihm herüber. „Es war die richtige Entscheidung, Amadeo“, antwortete er, bevor sein Schüler die Frage auch nur laut stellen konnte. „Außerdem hast du das Tier von seinen Qualen erlöst. Ich bin stolz auf dich.“
Amadeo betrachtete den verkrümmten Kadaver der Echse und stellte fest, dass die Verderbnis bereits weiter um sich gegriffen hatte, als auf den ersten Blick sichtbar gewesen war. Fahle graue Flecken zogen sich über den langen Hals und eine der Schwingen. Viel Zeit wäre der armen Kreatur nicht mehr geblieben.
Die Dorfbewohner halfen einander keuchend und ächzend auf die Beine.
„Warten sie!“ Lox bedeutete ihnen mit der Hand, zurückzubleiben.
„Was ist?“, fragte Amadeo.
Der ältere Jedi blickte mit schmalen Augen zum Waldrand hinüber. „Da ist noch eine Echse. Sie beobachtet uns und wartet auf eine Gelegenheit zum Angriff.“
Amadeo griff nach seinem Lichtschwert …
„Noch nicht.“
… und zog die Hand wieder zurück.
Lox linste kurz zu ihm herüber. „Bist du bereit, das Manöver zu probieren, das wir geübt haben.“
Amadeos Augen wurden groß. Er wusste genau, was sein Meister meinte: ein Angriff, den sie mehrmals während des Trainings geübt hatten … der bislang aber stets damit geendet hatte, dass einer von ihnen mit verknoteten Gliedmaßen auf dem Boden lag. „Das haben wir noch nie geschafft!“
Lox zwinkerte. „Ja, aber bislang kam es ja auch nie drauf an. Diesmal wird es funktionieren.“
„Was macht Euch da so sicher?“, fragte Amadeo. Trotz allem musste er grinsen; der Enthusiasmus seines Meisters war einfach ansteckend.
„Weil es klappen muss“, erwiderte Lox. Er aktivierte sein Lichtschwert. „Mach dich bereit. Es kommt näher.“
Jetzt konnte auch der Padawan eine Bewegung zwischen den Bäumen spüren, und er hörte die schweren Schritte der Kreatur.
Lox streckte seinen linken Arm aus. Einen Moment lang starrte Amadeo ihn an, dann griff er danach, und Lox’ Finger schlossen sich um sein Handgelenk.
Die beiden Jedi wechselten einen kurzen Blick.
Hinter ihnen schrie einer der Dorfbewohner …
Die zweite Riesenechse hatte die Lichtung erreicht.
„Du schaffst das“, sagte Lox. Anschließend rannte er los.
Ohne loszulassen, setzte Amadeo sich in entgegengesetzter Richtung in Bewegung, und Meister und Schüler wirbelten in engen Kreisen umeinander herum, wobei sie mit jeder Drehung mehr Schwung aufnahmen.
„Jetzt!“, schrie Lox.
Amadeo öffnete die Hand, und sein Meister stieß sich vom Boden ab, wobei er den Schwung ihrer Drehbewegung und die Macht benutzte, um sich hoch in die Luft zu katapultieren.
Der Padawan plumpste derweil auf die Erde. In seinem Kopf drehte sich alles, aber er konnte sehen, wie Lox in die Höhe schoss, seine Lichtschwertklinge wie eine Speerspitze vorgereckt.
Die Echse – deren gesamte linke Seite mit Flecken fahlgrauer Verderbnis verkrustet war – hatte sich in die Luft emporgeschwungen, um leichter zwischen den Bäumen hervorzubrechen. Sie war nicht in der Lage, ihren Flugwinkel noch zu ändern, also versuchte sie, zumindest den Kopf von dem heranrasenden Jedi wegzudrehen. Doch es war zu spät, und Lox’ Lichtschwert bohrte sich durch ihren Unterkiefer nach oben in ihr Gehirn. Die Kreatur war sofort tot.
Lox landete zuerst und rollte sich in Richtung des Waldes ab.
Die Echse schlug einen Moment später mit einem dumpfen Knall neben ihm auf.
Jubel erklang aus der Richtung der Dorfbewohner. Die meisten von ihnen kauerten noch immer auf dem Boden, und sie starrten voller Ehrfurcht zu Lox hinüber, als sich der Jedi aufrichtete und seine Kleidung glatt strich. Er hob abwehrend die Hände, um ihren Beifall zu beenden, dennoch konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen, während er wieder an Amadeos Seite zurückkehrte.
„Ich habe doch gesagt, dass wir es schaffen“, sagte er mit gedämpfter Stimme.
Amadeo unterdrückte ein Lachen. Er hatte das Gefühl, als würden seine Wangen vor Stolz glühen. „Ja, Ihr hattet recht, Meister.“
Lox klopfte ihm auf die Schulter. „Und jetzt lass uns diese Leute zu ihren Freunden eskortieren.“
Die Dorfbewohner musterten sie unsicher.
„Jedi“, begann die Pau’anerin. „Warum …?“
„Ihre Freundin Aaila schickt uns“, erklärte Amadeo, sobald sich sein Atem wieder beruhigt hatte. „Wir sind hier, um Sie in Sicherheit zu bringen.“
„Aaila! Dann haben sie und Makel es geschafft?“
„In der Tat“, antwortete Lox. Sein Grinsen wuchs in die Breite. „Sie sind unversehrt und warten auf Sie.“
„Wir haben die Transportschiffe gesehen“, erklärte eine Menschenfrau in einer erdverschmierten, braunen Tunika. Sie stützte sich schwer auf den Quarren; es sah aus, als könnte sie ihren linken Fuß nicht belasten. „Wir dachten schon, wir würden es nicht mehr rechtzeitig schaffen.“
Amadeo lächelte. „Keine Sorge. Wir haben Zeit. Sie sind jetzt sicher.“
Der Quarren spähte über die Schulter, aber sein abwesender Blick verriet Amadeo, dass der Mann nicht die Bäume am Rand der Lichtung sah, sondern etwas, was weit jenseits der moosbehangenen Äste und Farne lag – in seinem zerstörten, von der Verderbnis zerfressenen Heimatdorf. „Sicher?“ Er klang alles andere als überzeugt. „Ich weiß nicht, ob wir je wieder wirklich sicher sein werden.“
„Ich kann Sie verstehen“, erwiderte Amadeo, wobei er sich um denselben mitfühlenden Ton bemühte, den er schon hundertmal aus dem Mund von Meister Lox gehört hatte. „Sie haben viel verloren. Aber wir können Ihnen Vorräte und ein Dach über dem Kopf anbieten, weit weg von hier. Zumindest bis wir einen Weg finden, diese Plage aufzuhalten.“
Der Quarren nickte. Trotz der gut gemeinten Worte wirkte er noch immer skeptisch. Und wenn Amadeo ehrlich mit sich sein sollte, war ein Teil von ihm auch nicht wirklich überzeugt.
Die Verderbnis breitet sich unaufhaltsam aus, und wir können nichts tun, um ihr Einhalt zu gebieten.
3. KAPITEL
Affie Hollow hatte einen guten Tag.
Genau genommen war er sogar besser als gut. Sie fühlte sich großartig.
Alles lief hervorragend. Die Byne-Gilde wurde beständig größer und einflussreicher, und auch wenn sie vielleicht nicht so viele Credits scheffelten wie früher einmal, konnten sie mit ihren Aufträgen nun zumindest wirklich etwas bewirken.
Ja, in der Galaxis herrschte Chaos. Ja, sie wurde durch den abscheulichen Sturmwall der Nihil in zwei Teile gespalten. Ja, wohin man auch blickte, litten Wesen. Affie glaubte keinen Moment lang, dass Marchion Ros hochtrabendes Angebot, die Galaxis von der Verderbnis zu befreien, ehrlich gemeint war. Nicht nach allem, was er angerichtet hatte. Es musste eine Falle sein oder ein Trick, um die Republik zu verwirren. Nicht zu vergessen, dass seine Nihil unvermindert ihre Raubzüge fortsetzten und jeden ermordeten, dessen Nase ihnen nicht passte.
Das Sturmwall-Fiasko hatte Affie einen neuen Fokus gegeben. Es hatte ihr gezeigt, dass sie helfen konnte. Sie, Leox und Geode waren keine Kämpfer; sie konnten nicht mit den Jedi oder mit Soldaten mithalten. Aber sie konnten den Kampf gegen die Nihil nichtsdestotrotz unterstützen, weil es eine Sache gab, in der sie absolute Experten waren – die Schiff zu fliegen.
So wie jetzt. Sie leisteten gerade etwas, was für viele Wesen einen spürbaren Unterschied machte und ihnen das Leben erleichterte, wenn vielleicht auch nur kurzfristig.
Sie transportierten zwei Jedi – und einen Frachtraum voller Vorräte – zum Planeten Oisin an der Grenze des Nihil-Raums.
Wie so viele Wesen, die in der Nähe des Sturmwalls lebten, hatten auch die Oisinianer mit schwindenden Ressourcen zu kämpfen. Ihre engen Handelsbeziehungen zu dem Planeten Malorin waren jäh unterbrochen worden, als die Nihil so plötzlich ihre Barriere errichtet hatten. Für die Malorinianer auf der anderen Seite des Walls konnte Affie leider nichts tun, aber den Oisinianern? Ja, denen konnte sie helfen.
„Wie weit noch?“, fragte sie, während sie ihre müden Glieder streckte und gähnte. Sie saß auf dem Platz des Co-Piloten im Cockpit, neben ihr hatte sich Leox Gyasi auf seinem eigenen Sessel zurückgelehnt, ein Bein auf die Konsole hochgelegt, während der Navigationscomputer die Schiff auf ihrem Flugvektor hielt. Das Gesicht des erfahrenen Piloten wurde vom Glühen des Hyperraumtunnels in ein pulsierendes Blau getaucht. Sein Haar hatte er schlampig zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden, und wenn er sich nicht bald rasierte, würden die Stoppel auf seinem Kinn zu einem Vollbart ausarten.
Langsam setzte er sich auf, um die Anzeigen zu konsultieren. „Noch ein paar Stunden, Kleines“, erklärte er, bevor er in seine vorige Position zurückkehrte und den Stiefel wieder auf die Konsole bettete.
„In Ordnung“, sagte Affie. Sie stützte sich mit den Händen ab und stand auf. „Ich werde mal nach unseren Passagieren sehen.“
Leox nickte abwesend. „Sag Geode, er soll ihnen nicht den letzten Credit aus der Tasche ziehen. Du weißt ja, wie er sein kann, wenn er neue Opfer für seine Spiele gefunden hat.“
Affie lachte. Ja, das wusste sie allerdings, schließlich war sie selbst schon mehrfach auf seine meisterhaften Bluffs hereingefallen.
Mit eingezogenem Kopf duckte sie sich durch die Tür, dann schlenderte sie nach hinten zur Hauptkabine, wo die beiden Jedi in Meditationshaltung auf dem Boden saßen, die Hände im Schoß, die Augen geschlossen.
Affie konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Das war so ziemlich das Jedihafteste, was man sich überhaupt vorstellen konnte. Von Geode fehlte jede Spur, was vermutlich bedeutete, dass er gerade im hinteren Teil des Schiffs war und ein Diagnoseprogramm durchlaufen ließ; wenn es um die Antriebe ihres Transporters ging, war er ein echter Perfektionist.
Einen Moment lang blieb Affie zögerlich am Eingang stehen, während sie die Jedi anstarrte. Sie hatten beide einen so friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht, und sie war sich nicht sicher, ob sie sie stören sollte.
Gerade als sie sich umdrehen und ins Cockpit zurückkehren wollte, klappte einer von ihnen – ein hochgewachsener, muskulöser Zeltroner mit roter Haut – ein bernsteinfarbenes Auge auf.
„Ja?“, fragte er.
Affie ließ ihre Belustigung zu einem breiten Lächeln erblühen. „Hallo, Zaph!“
Wenn sie raten müsste, würde sie Padawan Zaph Mora trotz seines hünenhaften Körperbaus auf ungefähr sechzehn Jahre schätzen. Selbst im Schneidersitz war er fast so groß wie sie, und seine Robe wirkte zu klein für seine breiten Schultern und muskelschweren Arme, als hätte er kürzlich einen Wachstumsschub erlebt und noch keine Gelegenheit gehabt, sich im Tempel neue Kleidung auszusuchen. Tatsächlich hätte es Affie nicht überrascht, wenn genau das der Fall wäre. Seit diese Krise begonnen hatte, schienen die Jedi pausenlos von einer Mission zur nächsten zu hetzen.
Zaph öffnete sein anderes Auge und streckte sich. „Ist alles in Ordnung?“
„Bei mir, ja“, erwiderte sie, dann ging sie zur Erfrischungsstation und schenkte sich zu trinken ein. „Willst du auch etwas? Du bist sicher ganz durstig von all dem … Meditieren.“
Falls Zaph erkannte, dass sie einen Scherz machte, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen blickte er kurz zu seiner Meisterin hinüber, die weiterhin stoisch in Meditationshaltung verharrte. „Danke. Etwas Wasser wäre nett.“
Affie füllte ein Glas, und als sie sich damit umdrehte, war der Padawan bereits aufgestanden und herübergekommen. Er nahm das Wasser mit einem dankbaren Nicken entgegen und nippte daran.
Seine Reaktion ließ Affie lächeln. Sie hatte noch nie jemanden gesehen, der ein simples Glas Wasser so sehr zu schätzen wusste. Genau genommen schien ihn absolut alles mit Ehrfurcht zu erfüllen – jede neue Umgebung, jede neue Person, jeder Geruch und Geschmack. Es musste schön sein, sich für jede noch so triviale Kleinigkeit begeistern zu können.
„Warum hast du das getan?“, fragte sie, während sie sich auf eine in die Wand eingelassene Sitzbank fallen ließ.
Er streckte weiter seine Muskeln. „Was getan?“
„Es so genussvoll getrunken? Das Wasser, meine ich. Die meisten Leute hätten es einfach hinuntergekippt.“
Aber nicht Zaph. Nicht mal nach einer brutalen Trainingseinheit … wie Affie zu Beginn ihres Fluges selbst schon gesehen hatte, als sich der Padawan und seine Meisterin Eve Byre – die Menschenfrau saß noch immer mit geschlossenen Augen auf dem Boden – mehr als eine Stunde mit ihren Lichtschwertern duelliert hatten. Danach hatte Zaph genau wie gerade eben an seinem Wasser genippt, als wäre jeder Tropfen wertvoll wie Coaxium.
Er blickte auf das Glas in seiner Hand hinab. „Ich bin dankbar für alles, was die Galaxis mir schenkt. Ich möchte die Stärkung, die sie bietet, und das Leben, das sie ermöglicht, respektvoll behandeln.“ Er nahm einen weiteren winzigen Schluck. „Das Leben ist ein Privileg. Hier zu sein, in diesem Moment. Sich all dessen bewusst zu sein, was um uns herum ist. All das, wovon man ein Teil ist. Ich möchte jede Sekunde auskosten und die Freuden genießen, die das Leben bringt, das ist alles.“
Affie nickte. „Das ist vermutlich eine ziemlich weise Einstellung“, kommentierte sie. „Niemals einen Moment unbeachtet verstreichen zu lassen.“
Zaph zog leicht die Schultern hoch. „Die Macht schenkt uns diese flüchtigen Augenblicke als Individuum, bevor wir einmal mehr ein Teil des Ganzen werden. Also sollten wir uns gut überlegen, wie wir diese Zeit nutzen wollen.“
Affie lächelte. So mitfühlend und gütig Zaph auch war, er hatte immer diese Intensität an sich. Trotzdem konnte sie ihn gut leiden. Er wusste, wer er war und was er sein wollte, und das gefiel ihr, vor allem, weil sie sich mit dieser Art von Selbstsicherheit immer schwergetan hatte. Kurz überlegte sie, ob es wohl bei allen Jedi so war. Hatten alle, die im Orden aufwuchsen, diese Gewissheit und Zuversicht? Ein Teil von ihr wünschte, sie könnte auch so sein, aber sie wusste, dass sie nicht zur Jedi taugte. Disziplin war einfach nicht ihr Ding.
Dennoch hinterließen Zaphs letzte Worte bleibenden Eindruck bei ihr. Ja, es war wichtig, darüber nachzudenken, wie man sein Leben nutzen wollte. Und genau das hatte sie in letzter Zeit auch immer wieder getan.
Sie spürte eine Bewegung und drehte sich herum; Zaphs Meisterin Eve Byre hatte ihre Meditation beendet und streckte die Arme.
Sie war ein Mensch mit heller Haut und dunkelbraunem Haar, das sie zu einem strengen Pferdeschwanz nach hinten gebunden trug. Eve hatte einen kantigen Kiefer, durchdringende bernsteinfarbene Augen und einen seltsamen Akzent, der gleichzeitig förmlich und ein wenig bemutternd klang. Doch hinter ihrem formellen Auftreten verbarg sich eine offene, freundliche Natur – oder zumindest war das der Eindruck, den Affie bislang von ihr gewonnen hatte.
Sie beobachtete, wie die Jedi die Augen öffnete. „Entschuldigt, falls ich Euch gestört habe.“
Eve winkte ab, dann löste sie sich aus ihrer Meditationshaltung und stand mit müheloser Eleganz auf.
„Deswegen musst du dir keine Gedanken machen“, sagte Zaph mit einem Schmunzeln. „Meisterin Byre kann überall und jederzeit meditieren. Ich kann selbst manchmal nur darüber staunen.“
Oho! Vielleicht war der Padawan ja doch nicht so verklemmt, wie sie gedacht hatte.
Eve warf ihm einen tadelnden Blick zu, aber Affie konnte sehen, dass ihre Mundwinkel dabei nach oben verzogen waren. „Ach, ist das so, Padawan?“
„Ihr wisst, dass es stimmt“, wehrte Zaph ab. „Außerdem war es ein Kompliment. Ich wünschte, ich hätte Eure Konzentration.“
„Du bist selbst gar nicht so übel“, erwiderte Eve, dann wurden ihre Augen schmal. „Für einen Schüler.“
Zaph lachte und nippte erneut von seinem Wasser.
Die Zuneigung zwischen den beiden war deutlich spürbar und ließ Affie grinsen. Sie fragte sich, wie lange die beiden wohl schon Padawan und Meisterin waren.
„Gibt es etwas Neues?“, wandte Eve sich an die junge Pilotin.
Sie zog die Schultern hoch. „Nicht wirklich. Wir sind noch ein paar Stunden von Oisin entfernt. Ich wollte nur mal nach meinen Passagieren sehen, das ist alles.“
Eve nickte. „Du hast Fragen.“
Affie blinzelte überrascht. Das war nicht der Grund, warum sie hergekommen war … oder? Sie hatte nur mal nach dem Rechten sehen wollen. Andererseits hatte sie während der letzten Stunden viel über die Mission nachgedacht und darüber, was sie bewirken würde. Nach kurzem Zögern nickte sie.
„Ich schätze, ja.“
Eve lächelte anmutig. „Dann will ich gerne versuchen, deine Fragen zu beantworten.“
„Ich habe mich gewundert … All die Vorräte für die Oisinianer, die wir an Bord haben …“ Affie deutete in Richtung des Frachtraums. „Wie lange werden die wohl ausreichen?“
„Nicht lange genug“, erwiderte Eve offen. „Aber in diesen Kisten ist mehr als nur Proteinpacks und Getreide. Wir haben Saatgut mitgebracht, genug für eine ganze Ernte. Als der Sturmwall ursprünglich aktiviert wurde, nach dem Untergang der Starlight-Station, da dienten Missionen wie diese allein der Entlastung. Es ging um das unmittelbare Überleben von zahllosen Wesen. Aber inzwischen ist das Ziel, langfristig ihre Zukunft zu sichern. Wir helfen Völkern wie den Oisinianern dabei, sich selbst zu ernähren. Die alten Handelsabkommen, auf die sie sich so lange verließen, sind hinfällig, also müssen sie sich selbst versorgen können.“
Das ergab natürlich Sinn. Der Sturmwall hatte alles verändert, und sie mussten sich mit der neuen Situation arrangieren. Das bedeutete nicht nur, Städte und Häuser wiederaufzubauen; es bedeutete auch, Lösungen für wirtschaftliche und ökologische Probleme zu finden, die zuvor gar nicht existiert hatten. Aber sollte das alles nicht nur kurzfristig sein? Bis die Schreckensherrschaft der Nihil beendet wäre?
„Die alten Handelsrouten werden doch wiederhergestellt, sobald wir die Nihil besiegt haben, oder?“, fragte Affie. Sie hatte eine der vielen Ansprachen von Kanzlerin Soh gehört, in welcher sie genau das gesagt hatte: dass die Republik und die Jedi die alte Normalität in der Galaxis – soweit möglich – wiederherstellen würden. Dass sie in Ordnung bringen würden, was die Nihil angerichtet hatten.
„Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Sturmwall fallen wird“, begann Eve, „aber wir können nicht einfach davon ausgehen, dass die Welten, die gegenwärtig innerhalb der Okklusionszone gefangen sind, dann noch genauso sein werden, wie sie es zuvor waren. Es wird weitreichender Maßnahmen bedürfen, um sie zu unterstützen oder wieder in die Republik zu integrieren … sofern sie das wünschen.“
Affie dachte an das grausame Regime, unter welchem sich die Bewohner dieser Welten wiedergefunden hatten. Sie hoffte, dass Eve sich irrte, aber niemand konnte die Auswirkungen abschätzen, wenn Planeten und Systeme so lange Zeit vom Rest der Galaxis abgeschnitten waren und der Brutalität der Nihil ausgesetzt wurden.
Die Befreiung konnte gar nicht schnell genug kommen.
Doch es war gut, dass der Orden und die Republik an die Zukunft dachten – an eine Zeit, wenn die Nihil besiegt wären und keine Gefahr mehr darstellten. Sie hatten sich viel zu lange in die Defensive drängen lassen; die Jedi hatten sich angesichts der Bedrohung durch die Namenlosen sogar bis nach Coruscant zurückgezogen.
Affie konnte diese Furcht, diese Gefahr nur zu gut verstehen, denn sie hatte selbst gesehen, was die Kreaturen mit Machtbenutzern anstellen. Dennoch musste es eine Möglichkeit geben, zurückzuschlagen. Und sie war sich sicher, dass Leute wie Reath Silas und Vernestra Rwoh diese Möglichkeit finden würden. Affie glaubte fest an sie, und sie hatte nicht vor, die Hoffnung aufzugeben.
Ihre Zeit würde kommen.
Bis es so weit war … Nun, bis dahin würde sie mit der Schiff ihren Beitrag leisten. Sie würde so viele Hilfsmissionen übernehmen, wie sie nur konnte, damit niemand in der Galaxis verhungern musste.
„Also, wie sieht der Plan aus?“, fragte sie. „Wir liefern unsere Fracht ab und kehren dann nach Coruscant zurück, um die nächste Lieferung abzuholen?“
„Oh nein.“ Zaph schüttelte den Kopf. „Wir sind ein Teil der Fracht. Meisterin Byre und ich werden auf Oisin bleiben.“
„Ach ja?“ Affie zog die Brauen zusammen. „Ich bin davon ausgegangen, dass wir gleich wieder zurückfliegen.“
„Verzeih“, schaltete sich Eve ein. „Ein kleines Missverständnis. Wir bleiben ein paar Wochen hier, um der oisinianischen Regierung bei ihren Verteidigungsplänen zu helfen. Es gibt Gerüchte über Nihil-Plünderer, die immer wieder mit ihren Pfadantrieben den Sturmwall durchqueren und die Siedlungen in den Randgebieten überfallen.“
Affie nickte. „Aber dann braucht Ihr jemanden, der Euch wieder abholt, wenn Ihr nach Coruscant zurückwollt.“
„Sobald wir auf Oisin fertig sind, ja“, erklärte Eve. „Ich hoffe, das ist in Ordnung für euch.“
Affie lächelte. „Kein Problem.“ Sie richtete sich wieder auf. „Ich gebe Leox Bescheid. Bestimmt können wir uns so lange mit ein paar weiteren Versorgungsflügen die Zeit vertreiben.“
Je mehr sie tun konnten, um anderen zu helfen, desto besser.
„Danke, Affie“, sagte Zaph.
Sie lächelte ihm noch einmal zu, bevor sie wieder nach vorne ins Cockpit ging. In der Hand hielt sie noch immer ihr Glas.
4. KAPITEL
Cohmac Vitus war kein Jedi-Ritter mehr, und es verging kein Tag, an dem er nicht über diese Tatsache nachdachte.
Die Erkenntnis erschütterte ihn noch immer bis ins Mark; nie hätte er gedacht, dass er einmal so etwas sagen würde. Bis vor einem Jahr noch wäre allein der Gedanke absolut unvorstellbar gewesen – bis sich die gesamte Galaxis auf den Kopf gestellt und seine unvermeidbare Abkehr vom Orden begonnen hatte.
An manchen Tagen fühlte sich das einsame, nomadische Dasein beinahe normal an, für das er sich nach dem Untergang der Starlight-Station entschieden hatte. An anderen Tagen – na schön, an den meisten Tagen, wenn er ehrlich sein sollte – war die Erinnerung noch immer unmittelbar und schmerzhaft, wie eine offene Wunde, die einfach nicht heilen wollte. Eine Wunde, in der er immer weiter herumstocherte. Eine Wunde, die er sich selbst zugefügt hatte, wenn auch mit den besten Absichten.
Den Orden zu verlassen, war die schwerste Entscheidung seines gesamten Lebens gewesen. Er hatte alles hinter sich gelassen, was er je gekannt hatte; seine Freunde, seine Familie. Und auch alles, woran er je geglaubt hatte.
In der Vergangenheit hatte er stets an der Überzeugung festgehalten, dass er ein Teil von etwas Größerem war: einer Galaxis voll blühendem Leben und Mitgefühl. Daran, dass die Jedi dort draußen zwischen den Sternen Gutes tun konnten. Doch an diese Weltanschauung zu glauben, war zunehmend schwerer geworden, als Monster aus alten Schauergeschichten in der Galaxis aufgetaucht waren. Als er mehr und mehr Freunde verlor. Durch die Nihil. Durch die Große Katastrophe. Durch den Angriff auf die Republik-Schau. Durch den Fall der Starlight-Station.
So viel war geschehen.
Zu viel.
Selbst jetzt konnte er es kaum ertragen.
Wie sollte er einen Unterschied machen, wenn die gesamte Galaxis von Chaos und Unsicherheit zerfressen wurde?
Wie sollte er ein Vorbild sein, ein Lehrer, ein Anführer, wenn er keinen Weg aus dem Dunkel sah?
Die Antwort war simpel: Cohmac Vitus war machtlos.
Selbst die Jedi wussten nicht weiter. Schlimmer noch, sie versteckten sich, und das in der Stunde, da die Galaxis sie am dringendsten brauchte.
Die Namenlosen waren eine existenzielle Bedrohung für die Jedi, für alle Machtbenutzer; eine tödliche Gefahr, welche die Nihil in eine Waffe verwandelt hatten, um den Orden in die Knie zu zwingen. Doch sich nach Coruscant zurückzuziehen, sich von der Kanzlerin und der Republik beschützen zu lassen und dann auch noch einen gefallenen Jedi in ihre Reihen zurückzubringen … Es fühlte sich an, als wäre der Orden drauf und dran, sich geschlagen zu geben.
Also war Cohmac gegangen. Nach all der Zeit, in der sich sein Leben um den Tempel gedreht hatte, war er nun kein Jedi mehr, ganz gleich, wie sehr ihn der Gedanke auch quälte.
Das Problem war: Er hatte keine Ahnung, was er stattdessen sein sollte.
Was geschah mit einem Jedi, wenn er den Orden verließ?
Wer war er ohne die Grundpfeiler, nach denen er sein ganzes Leben ausgerichtet hatte?
Fragen, auf die er keine Antwort hatte. Tatsächlich fragte er sich, ob überhaupt jemand eine Antwort darauf kannte. Es kam nur höchst selten vor, dass sich ein Jedi von seiner Berufung abwandte.
Alles, was Cohmac wusste, war: Er fühlte sich orientierungslos. Ziellos. Allein.
Seine Gedanken wanderten zu Orla Jareni. Seiner besten Freundin. Der einzigen Person, die ihm hätte helfen können, sich über seine Optionen klar zu werden und eine Wahl zu treffen.
Er hatte ihren Tod in der Macht gespürt – eine Schockwelle, die ihn mit der Wucht eines Faustschlags getroffen hatte. Und obwohl er wusste, dass sie nun eins mit der Macht war … tat es verdammt weh.
Vermutlich hatte er deswegen so lange weitergesucht. Er hatte nach ihrer Aura geforscht, hatte seine Sinne nach den Orten ausgestreckt, die sie gemeinsam besucht hatten. Nur für den Fall, dass er sich irrte und sie noch dort draußen war.
Doch da war nichts, nur eine Leere, wo einst ihr strahlendes Licht gewesen war, in der Macht ebenso wie in seinem Herzen. Alles fühlte sich so … unvollendet