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Vom Rand des Wilden Raums bis zur Unterstadt von Coruscant, von der Starlight-Station bis zu den Meeren von Eiram und darüber hinaus – diese Geschichten voller erstaunlicher Geheimnisse, tiefster Enttäuschungen, wundersamer Rettung und unerschütterlicher Hoffnung führen uns tief in die Herzen und Köpfe der jungen Helden und Schurken der Hohen Republik. Mutig stellen sie sich tödlichen Herausforderungen, heimtückischem Verrat und ihren eigenen inneren Dämonen in dieser spannenden Kurzgeschichtensammlung aus einer weit, weit entfernten Galaxis, die Geheimnisse der Vergangenheit lüftet und gleichzeitig einen verheißungsvollen Ausblick auf das gibt, was noch kommen wird ...
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Seitenzahl: 444
AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – Kampf um Valo
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4084-3
Star Wars: Die Hohe Republik – Mission ins Verderben
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4194-9
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Suche nach der verborgenen Stadt
George Mann – ISBN 978-3-8332-4253-3
Star Wars: Die Hohe Republik – Auf der Suche nach Planet X
Tessa Gratton – ISBN 978-3-8332-4337-0
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Die Hohe Republik – Aus den Schatten
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4083-6
Star Wars: Die Hohe Republik – Mitternachtshorizont
Daniel José Older – ISBN 978-3-8332-4193-2
Star Wars: Die Hohe Republik – Der Pfad der Täuschung
Tessa Gratton und Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-4254-0
Star Wars: Die Hohe Republik – Der Pfad der Rache
Cavan Scott – ISBN 978-3-8332-4338-7
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Leia, Prinzessin von Alderaan
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3569-6
Star Wars: Poe Dameron – Freier Fall
Alex Segura – ISBN 978-3-8332-3942-7
Star Wars: Meistgesucht
Rae Carson – ISBN 978-3-8332-3637-2
Nähere Infos und weitere Bände unter:
www.paninibooks.de
GESCHICHTEN VON LICHT UND LEBEN
Von Zoraida Córdova, Tessa Gratton, Claudia Gray, Justina Ireland, Lydia Kang, George Mann, Daniel José Older, Cavan Scott, Charles Soule & Alyssa Wong
Ins Deutsche übertragen von Tobias Toneguzzo
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: The High Republic – Tales of Light and Life“, published by Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books Inc., September 2023.
© & TM 2023 LUCASFILM LTD. All Rights Reserved.
Deutsche Ausgabe 2023 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76,
70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Tobias Toneguzzo
Lektorat: Karin Weidlich
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWHR006E
ISBN 978-3-7569-9976-7
Gedruckte Ausgabe:
1. Auflage, Dezember2023, ISBN 978-3-8332-4412-4
Findet uns im Netz:
www.starwars.com
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PaniniComicsDE
INHALT
Einleitung
Von Michael Siglain
Die Königsblüte
Von Zoraida Córdova
Eine Faust hat keine Klauen
Von Tessa Gratton
Der Schild der Jedi
Von George Mann
Wo sich der einsame Reisende zu Hause fühlt
Von Daniel José Older
Nach dem Fall
Von Claudia Gray
Die Macht weist den Weg
Von Justina Ireland
Der Weg eines Jedi
Von Charles Soule
Licht im Dunkel
Von Cavan Scott
Coruscant ruft
Von Lydia Kang
Der unbekannte Faktor
Von Alyssa Wong
Über die Autorinnen und Autoren
EINLEITUNG
VON MICHAEL SIGLAIN
Hallo, wie geht’s denn so? Willkommen in der glorreichen Ära der Hohen Republik! Wir haben etwas ganz Besonderes für euch: Eine Sammlung von Geschichten voller Abenteuer, Verrat, Schrecken, Freundschaft und Horror. Aber eins nach dem anderen.
Wie ihr vielleicht wisst, ist Star Wars: Die Hohe Republik eine ehrgeizige Megageschichte, die über mehrere Formate hinweg erzählt wird. Angesiedelt ist sie Hunderte Jahre bevor Luke Skywalker, Prinzessin Leia und Han Solo der Tyrannei des Galaktischen Imperiums ein Ende machten. Es gibt drei Phasen, und wie bei der Skywalker-Saga beginnen wir mit dem Mittelteil der Geschichte (Phase I: Das Licht der Jedi), bevor wir zum Anfang zurückkehren (Phase II: Die Mission der Jedi) und schließlich die Geschichte abschließen (Phase III: Die Prüfungen der Jedi). Am Anfang steht eine galaktische Renaissance, gefolgt von einer großen Katastrophe, und schließlich finden wir eine Antwort auf die Frage: „Wovor haben selbst die Jedi Angst?“
Vom ersten Tag dieses Projekts an stand Teamarbeit bei Star Wars: Die Hohe Republik im Mittelpunkt. Von unseren großartigen Autorinnen und Autoren über die fantastischen Künstlerinnen und Künstler bis hin zum Verlagsteam und all den Leuten hinter den Kulissen – alle haben gemeinsam an dieser völlig neuen Ära gearbeitet, die die Jedi auf ihrem Höhepunkt zeigt. Und nirgends wird dieser Teamgeist deutlicher als bei diesem Buch.
Lucasfilm Publishing möchte Geschichten und Formate für alle Leser bieten, und in diesem Buch geht es ganz klar um Erstere. Unsere fantastischen Autorinnen und Autoren haben viel Herzblut in diese neuen Erzählungen gesteckt, die vor, während und nach unseren Phasen spielen. Manche bieten neue Einblicke in Ereignisse, die wir bereits in Romanen, Comics und Magazinen gesehen haben, andere deuten Entwicklungen an, die noch in der Zukunft liegen.
Falls ihr noch keine der anderen Geschichten aus der HohenRepublik gelesen habt – kein Grund zur Sorge. Auch für euch ist an Bord dieses Langträgers ein Sitz reserviert! Jeder ist willkommen. Und falls ihr einige der Geschichten bereits kennt – großartig! Dann werdet ihr sicher einige der kleinen Easter Eggs und Bezüge aufschnappen, die in diesem Buch versteckt sind. So oder so, macht euch bereit für Geschichten voller Spannung und fantastischer Welten.
Ohne zu viel zu verraten, kann ich euch versprechen, dass euch epische Jedi-Abenteuer erwarten, persönliche Geschichten, die bestimmte Helden und Bösewichte näher beleuchten, und dass wir die Geschehnisse der Ära aus einer neuen Perspektive betrachten, sowohl rückblickend als auch in die Zukunft schauend. Manche Storys stellen euch dabei neue Charaktere vor, andere verraten, wie es bekannten Gesichtern seit eurer letzten Begegnung ergangen ist. Aber sie alle versetzen euch in eine gefährliche Zeit voller Möglichkeiten und Träume – in eine Zeit, als die galaktische Grenzregion in den hoffnungsvollen, schützenden Schimmer einer Lichtschwertklinge getaucht war.
Also lasst uns loslegen. Und natürlich beginnen diese Geschichten wie alle großen Star Wars-Abenteuer mit: Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Ich hoffe, ihr genießt die Reise. Danke fürs Lesen.
Für Licht und Leben!
Michael Siglain
Creative Director, Lucasfilm Publishing
DIE KÖNIGSBLÜTE
VON ZORAIDA CÓRDOVA
EINS
Axel Greylark lag im Sterben.
Zumindest hatte es diesen Anschein. Schweiß perlte auf seiner Oberlippe und seiner glatten Stirn. Das weiche schwarze Haar klebte an seinen Schläfen. Er hielt das metallene Handgelenk des Medidroiden umklammert, während er sich unter seiner durchnässten Decke hin und her wälzte.
Obwohl seine Stimme kratzig klang, brachte er ein paar Worte hervor. „Rettet euch! Kümmert euch nicht um mich.“
„Verflucht noch mal!“ Studiendekanin Ry Harket schäumte schier vor Wut. Die großen, vorstehenden Augen der Bivall waren weit aufgerissen – so, als wäre sie sicher, dass Axel Greylark ihr einen weiteren seiner dummen Streiche spielen würde, wenn sie auch nur blinzelte. „Miss noch einmal seine Temperatur!“
Der Medidroide drehte den weißen, metallisch schimmernden Kopf, und sein Fotorezeptor blinkte blau, als er eine Antwort formulierte. „Die Körpertemperatur des Patienten lag viermal nacheinander bei 38,8889 Grad Celsius. Mistress, sie ein fünftes Mal zu messen, wäre die Definition von Wahnsinn.“
Axel verbarg sein Grinsen, indem er laut – vermutlich zu laut – hustete. Während seiner Jahre an der Universität von Reena hatte er zu allen Droiden auf der Krankenstation eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Diese Einheit hier (er hatte ihr den Spitznamen Una gegeben) besaß einen Persönlichkeitschip, der sich anscheinend von nichts und niemandem beeinflussen ließ.
„Seine Temperatur. Noch mal.“ Die vorquellenden Augen von Dekanin Harket blinzelten noch immer nicht, aber sie zuckten.
Una akzeptierte den Befehl mit einem Piepsen, und ihr Visier wandte sich dem schmerzverkrümmten siebzehnjährigen Jungen zu. Er presste die Hände auf seinen Bauch, kooperierte aber und öffnete den Mund, damit sie das kalte Metallstäbchen unter seine Zunge schieben konnte. Obwohl Axel mehrmals blinzelte, konnte nichts das spitzbübische Funkeln unter seinen schwarzen Wimpern verbergen.
„38,50“, verkündete Una mit dieser beruhigenden, mechanischen Stimme.
„Ah, schon weniger“, triumphierte Dekanin Harket. Sie rieb sich die Hände, als könnte sie die Wahrheit aus der leeren Luft beschwören. „Offensichtlich hat er eine Möglichkeit gefunden, eine Krankheit vorzutäuschen, um sich vor seinen Pflichten bei der Feier zu drücken.“
„Mistress.“ Der Kopf der Medi-Einheit schwenkte erneut herum, während sie ihren Thermometerarm zurückzog. „Fieber, Magenkrämpfe, Kopfschmerzen und Halsschmerzen sind Anzeichen der gemeinen Malongo-Pocken. Es gab bereits mehrere Fälle im Ostturm. Falls Axel Greylark Glück hat, geht die Erkrankung nach ein paar Tagen Bettruhe ohne weitere Symptome vorüber. Falls nicht, wird er in der nächsten Phase eitergefüllte Blasen am ganzen Körper bekommen.“
„Bringen Sie sich in Sicherheit, Dekanin Harket“, presste Axel hervor, untermalt von einem kratzenden Husten. „Nicht, dass Sie sich anstecken …“
Una erklärte: „Aquatische Lebensformen sind immun gegen die Malongo-Pocken.“
„Was für ein Glück“, schnaubte die Bivall. Ihr Kommlink piepste schon seit einer ganzen Weile hartnäckig, und nun nahm sie den Anruf schließlich entgegen. „Ja? Ja, ich komme gleich runter auf den Platz.“ Sie blickte den Droiden an und sagte: „Gib ihm ein Schlafmittel.“
„Negativ“, entgegnete Una. „Aus Meister Greylarks Patientenakte geht hervor, dass er keine Beruhigungsmittel verträgt.“
Jetzt verlor Dekanin Harket endgültig die Fassung. Ihre Oberlippe verzerrte sich, bis ihre winzigen Zähne zum Vorschein kamen. „Und wieso nicht?“
„Ich krieg davon Albträume.“ Axel ächzte, während er sich auf die Ellbogen aufrichtete. „Meine Eltern werden ja so dankbar sein, wenn sie morgen hier eintreffen, Dekanin. Ich werde ihnen erzählen, wie gut Sie sich um mich gekümmert haben.“ Er griff nach der Tasse mit heißem Tee, die neben seinem Bett stand.
Während der Medidroide auf seinen kleinen Rädern davonrollte, beugte sich Dekanin Harket zu Axel vor. Die Stimme der Bivall war ein wuterfülltes Wispern, als sie sagte: „Ich weiß, dass du es warst. Ich weiß, dass du diese obszönen Zeichnungen an die Wände des Atriums gesprüht hast. Und dass du die Mynocks aus dem Labor freigelassen hast. Und dass du die Erfrischer in den Schlafräumen im Westturm verstopft hast. Ich weiß nicht, wie oder wann, aber ich werde dich drankriegen, Axel Greylark. Das schwöre ich dir!“
Axels Züge hatten bislang die perfekte Mischung aus unschuldig und todkrank widergespiegelt, aber jetzt huschte ein unmerkliches Lächeln über seine Lippen. „Alle internen Untersuchungen haben ergeben, dass ich unschuldig bin. Aber ich hoffe wirklich, dass Sie die Schurken finden, die dahinterstecken.“
„Du steckst dahinter“, fauchte die Dekanin, dann räusperte sie sich und rückte den Kragen ihres mehrschichtigen roten Kleides zurecht. „Ich freue mich schon, beim großen Fest morgen deine Eltern zu treffen. Ich bin gespannt, was sie darüber denken, dass du in diesem Semester schon so häufig krank warst.“
Axel hatte dreißig Absenzen angehäuft, aber jede war von einem Medidroiden abgesegnet. Die Universitätsverwaltung hatte die Droiden sogar auf potenzielle Manipulation überprüfen lassen, aber nichts gefunden. Außerdem: Das Ansehen, das es mit sich brachte, den Sohn zweier coruscantischer Spitzenpolitiker als Studenten zu haben, wog schwerer als ein paar Krankheitstage. Und mal ganz davon abgesehen, hatte er hervorragende Noten. Er war einer der besten Redner im Debattierklub und spielte als Mittelstürmer im Schwebeball-Team der Universität. Wenn es um seine Leistungen ging, gab es nur einen anderen Studenten, der den jungen Meister Greylark übertraf, nämlich Lord Kozmo Sundrel IV. von Luzalite.
Im Moment gab es nichts, was die Studiendekanin gegen Axel unternehmen konnte – was aber nicht hieß, dass sie ihn nicht weiter genau im Auge behalten würde. Mit einem letzten, funkelnden Blick verließ sie den Raum, um auf klappernden Absätzen in Richtung des großen Platzes davonzumarschieren. Una folgte ihr auf surrenden Rollen.
Axel ließ sich derweil auf sein federweiches Kissen zurücksinken, aber nur, bis er ein winziges rotes Korn zwischen den Zähnen hervorgepuhlt und es fortgeschnippt hatte. Dann setzte er sich auf, streckte die Arme, die noch immer vom letzten Training vor zwei Tagen schmerzten, und krümmte den Rücken, bis er ein befriedigendes Knacksen hörte. Anschließend zog er die Stiele von drei Guiji-Feuerschoten unter dem Kissen hervor. Normalerweise wurden sie für die Herstellung von Gewürzöl benutzt. Ein einziger Tropfen war scharf genug, um einem die Tränen in die Augen zu treiben, und Axel hatte … Nun, er hatte drei ganze, rohe Schoten gegessen. Genug, um kurzzeitig die Symptome von Malongo-Pocken zu imitieren, nur eben ohne die Pocken.
Fast tat Dekanin Harket ihm leid. Hätte sie den Medidroiden nur einmal mehr gezwungen, Axels Temperatur zu überprüfen, wäre seine wundersame Heilung vermutlich aufgeflogen. Dies war immer noch die effektivste Methode, um blauzumachen. Axel wusste, wovon er sprach, denn er hatte mehrere ausprobiert: eine Minute intensiven Trainings vor Unas Krankenbesuch; eine Tasse kochend heißen Tee trinken, wenn er das näher kommende Klappern des Droiden auf dem Gang hörte; in der Sauna sitzen, bis er beinahe ohnmächtig wurde …
Trotzdem wäre die Dekanin ihm auf die Schliche gekommen, wäre sie nur ein bisschen geduldiger und aufmerksamer gewesen. In gewisser Weise war es ihre Schuld, dass Axel in den geheiligten Hallen der Universität von Reena schon mit so vielen (natürlich völlig harmlosen) Streichen davongekommen war.
Er zog sich aus und duschte; hier in seinem Zimmer im Ostturm hatte er alles, was er brauchte – Essen, Trinken, Hologramme und genug Privatsphäre, um die „Keine Partys“-Regel der Universität auf die Probe zu stellen.
Als er einen waldgrünen Anzug übergestreift und sein feuchtes Haar mit den Fingern in Form gebracht hatte, ertönte auch schon der Summer.
„Ich bin’s“, sagte die lieblichste Stimme, die er je gehört hatte.
Axel drückte den Türöffner und beugte sich gerade so weit vor, dass man ihn vom geschäftigen Korridor aus nicht sehen konnte. Ein seltsames Gefühl erfüllte seinen Bauch, als er Leyli Romero vor sich sah. Das Erste, was jedes Mal aufs Neue seinen Blick anzog, waren die Goldstern-Tätowierungen unter ihren Augenwinkeln. Aber wenn er ehrlich sein sollte, gab es nichts an ihr, was seinen Blick nicht anzog. Ihr Lächeln; ihre bläulich angehauchte rosafarbene Haut; ihre spitz zulaufenden Ohren; das hellviolette Haar, das stets zu zwei langen Zöpfen geflochten über ihre Schultern hing …
Sie war ihm sofort aufgefallen, als er zu Beginn des neuen Semesters an die Universität zurückgekehrt war. Die Kilotowanerin schien immer abseits der anderen zu sitzen, egal ob in der Bibliothek, im Speisesaal oder in den Freizeiträumen. Dann hatte er sich ihr vorgestellt, und von jenem Tag an saßen sie immer zusammen. Ihre Familie, der Romero-Clan, stammte von der entlegenen Welt Kilotowa und stand im Mid Rim in dem Ruf, eine Bande von Dieben und Gewürzschmugglern zu sein, die sich hinter der Fassade eines Farm-Imperiums versteckten. Doch je besser Axel Leyli kennengelernt hatte, desto weniger konnte er sich vorstellen, dass sie etwas mit den Machenschaften ihres Vaters zu tun hatte. Und selbst wenn doch – sie war sie selbst, wie sie ihm nachdrücklich erklärt hatte. Sie wurde nicht durch ihre Eltern definiert. Axel konnte dieses Gefühl nur zu gut nachvollziehen. Schließlich war sein Vater Lexxir Greylark, ein Senator von Coruscant, und seine Mutter, Kyong Greylark, wollte bei den kommenden Wahlen sogar für das Amt der Kanzlerin kandidieren. Ganz allgemein entstammte Axel einer langen Linie von Politikern, Forschern und … nun, welche Berufe die Uni sonst noch auf den Bewerbungsunterlagen ihrer künftigen Studenten sehen wollte. Axel hingegen wollte nichts mit alldem zu tun haben. Er wollte seinen eigenen Weg gehen.
Seine Hochstimmung erhielt einen Dämpfer, als er den Jungen hinter Leyli erblickte.
„Kozmo“, sagte er in demselben Tonfall, in dem er sagen würde: „Da ist eine Fliege in meiner Suppe.“
Die beiden traten ein und machten es sich in seinem Zimmer gemütlich. Doch so groß der Raum auch war, er fühlte sich plötzlich nicht mehr groß genug für drei Personen an.
„Ich hoffe, du hast nichts dagegen“, sagte Kozmo in seinem vornehmen, abgehackten Basic. „Leyli erwähnte, dass du einen Speeder für einen kleinen Ausflug benötigst.“
Axel kaute auf seiner Unterlippe herum und schaute zu Leyli hinüber, aber sie zog nur unschuldig die Schultern hoch. „Es gibt einen ganzen Hangar voller Gleiter, die wir uns ausborgen können.“
„Nur weil ich einen Gleiter kurzschließen kann, heißt das nicht, dass ich es tun will“, entgegnete sie. „Vor allem, wenn jemand freiwillig seine Hilfe anbietet.“
Etwas in Axels Innerem krümmte sich, als das Mädchen, das er anhimmelte, und sein schlimmster Feind einen Blick wechselten.
Es war die Art von Blick, bei der man sich wunderte, ob sie ein Geheimnis teilten, und Axel wollte, das Leyli ihre Geheimnisse nur mit ihm teilte. So wie damals, als sie ihm verraten hatte, dass sie auf einer kleinen Insel leben wollte, irgendwo weit weg von ihrer Familie und deren Geschäften. Oder dass sie es hasste, wie sie manchmal sogar die Professoren anstarrten, oder wie sie zögerten, Leyli zu tadeln, als hätten sie Angst vor ihr, woran die Gerüchte, dass ihr Vater seinen Feinden gern die Gliedmaßen abhackte, womöglich nicht ganz unschuldig waren, wie Axel vermutete. Aber der Punkt war: Sie hatte diese Geheimnisse mit ihm geteilt. Was teilte sie mit Kozmo, diesem lächerlichen Gecken mit seinem gelockten Haar und dem prahlerischen Anhänger aus Luzalit-Diamanten, die man nur auf seiner Heimatwelt fand?
„Hast du heute denn nichts anderes vor?“, fragte Axel seinen Rivalen. Kozmos Familie unterstützte die politischen Ambitionen seiner Mutter, weswegen sie sich regelmäßig bei Galas auf Coruscant sahen, aber das bedeutete nicht, dass er auch seine Tage an der Universität in der Gegenwart des anderen Jungen verbringen wollte. Vor allem, da Kozmo sogar noch arroganter und snobistischer war als viele Prinzen, die Axel im Laufe seines Lebens kennengelernt hatte.
„Ich hatte vorhin eine Prüfung in Fortgeschrittener Mineralogie, aber das ist erledigt. Ich war Klassenbester.“ Mit einem Grinsen griff Kozmo nach einer Flasche von Axels Mineralwasser.
Da seine Eltern ihm eingebläut hatten, dass man immer ein guter Gastgeber sein musste, sagte Axel nichts. Zumindest nicht wegen des Wassers. „Klar. Du spielst ja gern mit funkelnden Steinen rum.“
„Und du machst wieder mal blau“, erwiderte Kozmo. „Das heißt dann wohl, dass du gern mit dir selbst rumspielst.“
Axel lachte humorlos, dann stand er auf, fest entschlossen, Kozmo bei seinem lächerlichen Medaillon zu packen und ihn vor die Tür zu setzen. Doch bevor er auch nur blinzeln konnte, war Leyli bei ihm. Der Anblick der goldenen Sterne unter ihren Augen machte es irgendwie viel leichter, über Kozmos Kommentar hinwegzusehen.
„Hör zu, keiner von uns hat Lust, den ersten perfekten Sommertag beim Königlichen Blütenfest zu vergeuden. Vor allem …“ Leyli strich mit einem Finger über seine Brust, genau dort, wo sein Herz schlug, dann tippte sie mit einem goldenen Fingernagel seine Nase an. „… wenn die echte Feier unten am Strand stattfindet. Und Kozmo hat sich großzügigerweise bereit erklärt, uns mitzunehmen. Es sei denn … du bist zu krank, um mit uns zu kommen.“
Ihm missfiel die Vorstellung, die Hilfe dieses Stoopa-Treibers anzunehmen … aber dafür gefiel ihm umso mehr, dass Leyli sich und Axel in einem „uns“ zusammengefasst hatte. Ein „uns“ mit Kozmo als Anhängsel war definitiv besser als die Alternative.
„Worauf warten wir dann noch?“, fragte Axel, während er sich mit seinem strahlendsten Lächeln zu den beiden umdrehte. „Ich glaube, ich wurde gerade auf wundersame Weise geheilt!“
ZWEI
Die Universität von Reena war nicht Axel Greylarks erste Wahl gewesen. Er wäre viel lieber nach Alderaan gegangen oder auf Coruscant geblieben, aber seine Mutter hatte darauf bestanden, dass er sich ein Stück weiter von seiner Heimat fort wagte – um seinen Charakter zu stärken, wie sie sagte. Außerdem: Wenn er mit den hochnäsigen Adelskindern der Kernwelten fertigwurde, wurde er mit allem fertig. Und so hatte man ihn an die renommierteste Universität in den Kolonien geschickt.
Während seines ersten Jahres hatte er jeden Winkel des weitläufigen Gebäudekomplexes erforscht, dessen schimmernde Hallen aus Glas und Metall Studenten aus allen Teilen der Galaxis beherbergten. Mehr noch, er lernte den Namen jedes Hausmeisters, jedes Gärtners, jedes Kochs und jedes niederen Aushilfsprofessors und stellte sicher, dass sie seinen Namen ebenfalls kannten. Tatsächlich gefiel es ihm, all diese Personen kennenzulernen. Sie hatten echte Geschichten, echte Probleme – ein echtes Leben, das sich nicht darum drehte, Diplomaten und ihre schrecklichen Lebensgefährten zum Essen einzuladen, um ihnen Wahlkampfspenden aus den Rippen zu leiern.
Vielleicht war das auch der Grund, warum er und Leyli Romero zueinandergefunden hatten. Obwohl Axel der Elite des Kerns entstammte, fand er sich nicht auf dem Pfad zurecht, der ihm von seiner Geburt an vorbestimmt gewesen war. Als Kind seiner Eltern hatte er die besten Hauslehrer, das Beste von überhaupt allem, aber im Gegenzug wurde von ihm erwartet, dass er Praktika im Senat absolvierte, dass er die Greylarks auf Friedensmissionen begleitete, dass er einen Beitrag dazu leistete, die Zukunft von Welten zu beeinflussen, die er nie auch nur gesehen hatte. Alles nur, weil er ein Greylark war – denn Greylarks waren Anführer.
Würde er sich in dieses Schicksal fügen? Natürlich. Aber bis es so weit war, wollte er zumindest ein wenig Spaß haben.
Und so führte er Leyli und Kozmo nun durch einen Gang, der eigentlich dem Personal vorbehalten war und vom Ostturm bis zum großen Platz in der Mitte der Universität führte. Der Nervenkitzel ließ seinen Magen kribbeln – oder waren das vielleicht die drei Guiji-Schoten, die er gegessen hatte, um Fieber zu simulieren?
Axel winkte einem Twi’lek-Hausmeister zu, der mit einem Grinsen zur Seite trat und sie vorbeiließ.
„Es heißt, du bezahlst die Bediensteten, damit sie dich nicht verpfeifen“, sagte Kozmo, und seine Stimme hallte von den steinernen Wänden wider. „Ist das wahr?“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Es stimmte zwar, dass Axel dem Hausmeister ein paar Credits zugesteckt hatte, aber nicht, um ihn zu bestechen; er hatte zufällig gehört, wie der Twi’lek um einen Vorschuss gebeten hatte, weil seine Tochter operiert werden musste, und der Hochdekan hatte ihn schroff zurückgewiesen. Außerdem waren es ja nicht seine eigenen Credits, bloß die seiner Eltern.
Als sie den Platz erreichten, drückte Leyli Axels Hand. Jedes Jahr zelebrierte die Universität das Königliche Blütenfest. Nach der sintflutartigen Regenzeit explodierte der Planet zu dieser Zeit förmlich vor Farbe. Jedes Feld, jeder Berghang und jeder Garten glich einem Meer schillernder Blumen.
Axel wusste, dass dieses Phänomen auf irgendwelche Fotoproteine im Regen zurückzuführen war, die die Pollen von innen heraus glühen ließen, wenn sich die Blüten das erste Mal öffneten. Das war wirklich ein beeindruckender Anblick, das musste er zugeben. Aber für die meisten Bewohner des Planeten war es vermutlich nur ein Vorwand für eine gewaltige Feier, die Touristen aus dem gesamten System anlockte.
Die Universität von Reena wollte sich da natürlich nicht lumpen lassen. Es gab einen Streichelzoo mit exotischen Tierarten und etliche Stände, wo salzig-süße Leckereien angeboten wurden. Es gab Zelte, wo die Königsblüte wissenschaftlich erklärt wurde, Spiele für Kinder und Aufführungen der diversen Schulkapellen und -orchester. Bevor er so tragisch an den Malongo-Pocken erkrankt war, hatte Axel eigentlich mit seiner Doppel-Viol an einigen dieser Aufführungen teilnehmen sollen.
„Seht mal! Jedi!“, rief Leyli fröhlich.
Axel kniff im grellen Licht von Reena die Augen zusammen und ließ seinen Blick über die Menge schweifen, bis er schließlich entdeckte, was Leyli meinte: Drei Jedi – einer uralt, zwei ungefähr in seinem eigenen Alter, mit kleinen Zöpfen, die auf ihre Roben herabhingen – ließen sich nicht weit entfernt vom Dekan für Theologische Studien über das Gelände führen. Jeder wusste, dass der Dekan regelrecht besessen vom Jedi-Orden war, und gewiss hatte er sie eingeladen, um seine umstrittene Theorie zu beweisen, wonach es einen Zusammenhang zwischen der Königsblüte und den mystischen Energien der Macht gab.
Axel hielt das alles für ziemlich weit hergeholt, aber er war dankbar für all die Aufmerksamkeit, die die drei in Roben gewandeten Weltraumzauberer auf sich zogen. In Gedanken berechnete er einen Kurs, der sie sicher zum Hangar auf der anderen Seite des Platzes führen würde. Es gab nur ein Problem: Dekanin Harket. Sie marschierte geradewegs in ihre Richtung, zurück zum Ostturm, zweifelsohne um nach Axel zu sehen. Leyli entdeckte Harket ebenfalls.
„Ich kümmere mich darum“, sagte sie und griff nach Kozmos Hand. Die beiden versperrten der Dekanin den Weg, während Axel den Kopf einzog und sich von der Menge in Richtung der Jedi mittreiben ließ.
Im Vorbeigehen griff er nach den Fransen eines Schals, und das Stofftuch glitt von den Schultern seiner Besitzerin, ohne dass sie es überhaupt bemerkte. Einen Moment später hatte Axel den Schal bereits über seinen Kopf drapiert und tat so, als würde er dem Theologie-Dekan lauschen. Sobald die Luft rein war, drehte er sich wieder in Richtung des Hangars um … Da rempelte ihn plötzlich eine der jungen Jedi an – wie nannte man sie noch gleich? Paddies? Paddler? Das Mädchen entschuldigte sich noch nicht einmal, während sie den Kopf hin und her drehte. Axel starrte die dunklen, schief angeordneten Haarknoten an ihrem Hinterkopf an. Offenbar war sie von ihren Gefährten getrennt worden, aber sie stand noch immer kerzengerade da, die Hände auf den Griffen ihrer Zwillingslichtschwerter. Beim Anblick der Waffen zuckten Axels Finger, aber dann dachte er daran, dass Leyli auf ihn wartete und Kozmo sicher jede Gelegenheit nutzen würde, um ihn abzuschütteln. Also setzte Axel sich wieder in Bewegung.
Als er den Hangar erreichte, fuhr Kozmo bereits den Antrieb seines luxuriösen Speeders hoch. „Es wird dich sicher freuen, zu hören, dass Dekanin Harket mich mit der Aufgabe betraut hat, alle paar Stunden nach dir zu sehen. Weil wir gute Freunde sind und so.“
„Ich wusste, dass es sich irgendwann auszahlen würde, mich mit dir abzugeben“, murmelte Axel leise. Er kletterte auf die Rückbank und breitete die Arme auf dem Nerfleder aus.
„Dann los!“ Leyli lachte dieses ansteckende Lachen und blickte über die Schulter zu Axel zurück. Sofort spürte er wieder dieses Zupfen innen an seinem Bauchnabel, diesen Wunsch, in ihrer Nähe zu sein und ihr alles zu geben, was sie wollte.
Kozmo ließ Elektro-Trash aus den Lautsprechern plärren, während sie über den felsigen Pfad hinwegbrausten, vom Universitätsgelände zu der langen Straße hinab, welche ihrerseits zur Küste führte. Leyli jubelte laut, und Axel johlte lautstark mit, als die salzige Brise endlich sein Haar zerzauste. Die zahllosen grünen Inseln von Reena besprenkelten das blaue Wasser, das sich links von ihnen bis zum Horizont erstreckte. Er hatte mit seinen Eltern schon viele Orte besucht, aber abgesehen von der schillernden Stadtlandschaft von Coruscant hatte er bislang noch nie wirklich irgendwo gelebt. Und auch wenn er es nie zugeben würde, es gefiel ihm hier, fernab des endlosen Verkehrs, der überquellenden Straßen und der grell leuchtenden Holo-Plakate und schamlosen Klatsch-Holos.
Reena war nicht der Nabel der Galaxis, aber er war auch kein entlegener Provinzplanet. Die Gebäude an der historischen Strandpromenade schimmerten im Sonnenlicht, und Axel begann inzwischen, sich auf den schmalen Straßen zurechtzufinden, die heute von zahlreichen Besuchern und Feierlustigen bevölkert wurden. Die gesamte Stadt schien dem Phänomen der Königsblüte entgegenzufiebern.
Sie stellten den Speeder hinter einem fünfstöckigen Gebäude ab, in dem sich Ealys Dachtaverne befand – dort oben gab es sogar einen Brunnen, aus dem sich endlose Ströme eines Getränks ergossen, welches der Eigentümer „extraspritziges Tonic“ nannte. Es war der erste Ort, den Axel auf seinen geheimen Exkursionen während seiner Krankheitstage entdeckt hatte. Den Geschichten der Piloten und Händler zu lauschen, war deutlich interessanter als irgendein Vortrag über die „Politische Ideologie am Outer Rim“. Außerdem lernte er auch hier über Handel und Diplomatie in der Galaxis. Und welcher seiner Professoren konnte behaupten, schon mal auf dem Caloria-Flug Piraten entkommen zu sein?
„Ist das dein Ernst? Eine Taverne?“, schnaubte Kozmo. Er strich sein besticktes Seidenhemd glatt, dann legte er die Handfläche auf sein diamantenes Luzalit-Medaillon. Axel fragte sich, wie viel dieses prunkvolle Familienerbstück wohl wert war.
„Ich kenne einen Ort, wo wir einen noch besseren Ausblick haben.“ Leyli drehte ihren Kopf in Richtung des Goragturms herum. Das schwarz-goldene Gebäude reckte sich spiralförmig in den Himmel und lief nach oben hin spitz zu wie eine Nadel.
„Das Penthouse da oben gehört dem Haus von Reena“, sagte Axel – nicht, dass sie es nicht bereits alle wussten, aber er wollte es nur noch mal betonen. Er hatte keine Lust, in eine königliche Feier hineinzuplatzen.
Leyli griff nach seinem Unterarm. „Ach komm schon. Du bist du. Marschier einfach da rein, und wenn jemand nach einer Einladung fragt, sag, dass die Greylarks von Coruscant keine Einladung brauchen.“
Er hatte noch nie etwas Derartiges gesagt, aber ihm gefiel die Art, wie sie ermutigend seinen Arm drückte. Die Art, wie sie ihn anblickte. Sie zwinkerte mit ihren langen violetten Wimpern, und noch bevor er den Mund öffnete, wusste er, dass er Ja sagen würde. Dass Kozmo sich gegen den Bug seines Speeders gelehnt hatte und die Augen verdrehte, machte die Entscheidung nur einfacher. Er mochte ein Lord von einem wenig bekannten Planeten sein, aber Axel war ein Greylark, und das wollte etwas heißen. Oder?
Der flattrige Nervenkitzel kehrte zurück, und Funken entzündeten sich in seiner Magengrube. „Also gut, folgt mir.“
Sie überquerten die Straße und betraten die höhlenartige Eingangshalle des Goragturms. Axel bot Leyli den Arm an, und zu seiner großen Begeisterung hängte sie sich bei ihm ein. Ihr Lachen füllte die Aufzugskabine, als sie zum obersten Stock hochfuhren, wo sie ein nervös dreinblickender Wermal in einem Anzug in Empfang nahm. In einer Hand hielt er einen Datenblock; mit der anderen zog er ein Monokel aus seiner Brusttasche, um von Axel zur Gästeliste und wieder zurückzublicken.
„Ihr Name, bitte?“, fragte er mit hoher Stimme.
„Greylark“, antwortete Axel, wobei er ein wenig gerader stand und versuchte, ein wenig ernster dreinzublicken – genau auf diese Weise bereitete sich sein Vater vor, wenn er im Senat sprechen oder ein weiteres Abendessen mit Wahlkampfunterstützern seiner Frau über sich ergehen lassen musste. Und sagten nicht immer alle, dass Axel seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten sei? „Lexxir Greylark.“
Einen Moment lang rumorten Gewissensbisse hinter seinen Rippen, vermischt mit aufkeimender Panik. Ein Teil von ihm – vermutlich der vernünftigere Teil – fragte: Glaubte er ernsthaft, dass der Wermal ihm das abkaufen würde? Und was würde passieren, falls seine Lüge aufflog? Seine Mutter hatte ihn gewarnt – noch eine Beschwerde von der Universität und …
„Ah, ja“, sagte der Wermal, als er den Familienring an Axels Zeigefinger sah. „Ihre Frau ist bereits hier.“
„Meine Frau?“ Offenbar hatte sein Plan einen kritischen Fehler. Seine Mutter war hier.
Bevor er sich umdrehen konnte, spie der Aufzug bereits eine weitere Gruppe von Gästen aus, und Leyli und Kozmo zogen Axel notgedrungen mit sich in das eigentliche Penthouse. Er nahm seine Umgebung kaum zur Kenntnis – die goldenen Kronleuchter, die dreiköpfige Band, die auf einer erhöhten Plattform spielte, die Gäste aus allen Teilen der Galaxis, die sich an den Kanapees der umherschwirrenden Kellner gütlich taten …
Jeder dieser Keller trug eine grellweiße Uniform und einen metallischen Visor, der die gesamte obere Hälfte ihrer Gesichter verbarg. Axel hatte gehört, dass die Königsfamilie von Reena organische Bedienstete Droiden vorzog, aber er fand es irgendwie unheimlich, ihre Augen nicht sehen zu können.
Hastig zog er sich in eine Ecke zurück, dann griff er nach einem langstieligen Glas mit dampfender grüner Flüssigkeit, als einer der Kellner an ihm vorbeiging, und hob es an die Lippen. Auf diesen Schrecken musste er erst mal etwas trinken.
„Ist sie das?“, wisperte Kozmo. Falls er versuchte, unauffällig zu sein, leistete er erbärmliche Arbeit.
Einen Moment später sah Axel sie ebenfalls. Kyong Greylark trug ein mattes lavendelfarbenes Kleid, und ihr Haar war zu einer eleganten Krone hochgesteckt, aus der sich Strähnen über ihre Schultern ergossen. Axel fluchte und versteckte sich hastig hinter Kozmo.
„Deine Mutter sieht unglaublich aus“, kommentierte Leyli.
„Meine Mutter wird mich umbringen“, brummte Axel. Natürlich hatte sie hier auftauchen müssen, um seinen Tag mit Leyli zu ruinieren. „Eigentlich sollte sie noch gar nicht hier sein. Sie meinte, sie hätte eine Wahlkampfveranstaltung am anderen Ende der Galaxis!“
„Oh, wie süß!“ Leyli strich mit der Außenseite ihres Zeigefingers über seine Wange.
Zum ersten Mal an diesem Tag empfand er bei ihrer Berührung nicht das Prickeln, das ihn normalerweise überkam. Stattdessen fühlte er eine hohle Leere. Was war bitte süß daran, dass seine Eltern einen Tag früher nach Reena gekommen waren, aber sich hier auf einer Party amüsierten, anstatt ihren Sohn zu besuchen? Und dass sich sein Erzfeind und sein Mädchen vermutlich gerade dieselbe Frage stellten, machte die Sache nur schlimmer. Nicht, dass ihn interessierte, was Kozmo dachte. Nein, überhaupt nicht.
Er nippte an dem dampfenden grünen Getränk, verzog angesichts des sauren Geschmacks das Gesicht und stellte es auf dem nächsten vorbeiwandernden Tablett ab. „Wir hätten doch zu Ealys Taverne gehen sollen.“
„Aber hier hat man die beste Aussicht auf die Königsblüte!“, entgegnete Leyli, die gerade versuchte, möglichst viele Kanapees auf ihrer flachen Hand aufzutürmen. Eines schien aus frittierten, mit rosafarbenem Schaum besprühten Raupen zu bestehen. „Ich dachte, der Prinz von Coruscant liebt solche Feierlichkeiten.“
Kozmo lachte hämisch in sein behandschuhtes Fäustchen, und Axel spürte, wie ihm die Hitze durch den Hals bis in die Ohrenspitzen hochstieg.
„Liebling, ich hab doch gesagt, du sollst mich nicht so nennen.“
Ihre Augen wurden schmal vor Belustigung. „Und ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht Liebling nennen.“
Das stimmte wohl. Vermutlich war er nur abgelenkt, weil er sich so darauf konzentrieren musste, nicht von seiner Mutter entdeckt zu werden!
Sie schoben sich am Rand einer kleinen Tanzfläche vorbei, um hinter einer Säule nahe dem Eingang Deckung zu suchen … aber in diesem Moment trat Lexxir Greylark herein. Er drehte nachdenklich seine Mandopalen-Manschettenknöpfe zwischen den Fingern hin und her – vermutlich hatte er gerade einen verwirrenden Wortwechsel mit dem Wermal hinter sich –, aber dann lächelte er, als er seine Frau entdeckte.
Axel presste sich flach gegen die Säule, links und rechts eingerahmt von zwei buschigen Pflanzen. Seine Zunge drückte gegen seinen Gaumen, während er über eine elegante Lüge nachdachte, die er seinen Eltern erzählen könnte. Vielleicht, dass sie an einer Exkursion teilnahmen, um sich das Phänomen anzusehen? Nein, das würde nicht funktionieren. Da gab es zu viele Variablen, auf die er keinen Einfluss hatte.
„Wir können gehen“, sagte Kozmo, und da war fast so etwas wie Mitleid in seinen tief liegenden braunen Augen. „Wir waren hier, wir haben uns umgesehen …“
„Na schön“, schmollte Leyli. „Ihr seid richtige Spaßverderber.“
Axel suchte nach einem direkten, sicheren Weg zum Ausgang, aber es gab keine Route, auf der er außer Sicht seiner Eltern bleiben würde. „Geht ruhig ohne mich. Ich werde einfach bis zum Ende meiner Tage hinter dieser Säule bleiben. War schön, euch gekannt zu haben.“
Leyli grinste, und dabei trat wieder dieser Ausdruck in ihre Augen, den er schon immer so an ihr geliebt hatte. Impulsiv. Abenteuerlustig. Gerissen. Klug. „Hier entlang. Nehmen wir den Weg durch die Küche.“
Sie schoben sich am Rand der Menge entlang und betraten die große Küche, wo sich servierbereite Tabletts voller schaumartiger Häppchen aneinanderreihten. Aber es gab keinen Anweisungen rufenden Chefkoch, der vor den Kochstationen auf und ab marschierte; keine Souschefs, die sich an den Becken und Herdplatten zusammendrängten. Natürlich nicht. Die wurden ja gerade alle gefesselt, geknebelt und nur in ihrer Unterwäsche in den Kühlraum geführt – von einer Menschenfrau und einem Twi’lek, beide mit Blastern in den Händen.
Und nun schwenkten diese Blaster in Axels Richtung herum.
DREI
„Entschuldigen Sie bitte vielmals“, sagte Axel, um einen gelassenen Tonfall bemüht. „Wir wollten noch mehr frittierte Raupen, aber wir können auch später wiederkommen.“
Einen Moment war er überzeugt, dass sie sich noch zurückziehen könnten, aber dann lächelte die Menschenfrau, und da wusste er, dass sie nirgendwohin gehen würden. Sie war klein und zierlich, mit brauner Haut und samtigen schwarzen Locken, die ihr Gesicht einrahmten. Axel hatte noch nie ein so wunderschönes Wesen gesehen … auch wenn sie ihn gerade mit einem Blaster bedrohte.
„Verriegle die Tür“, befahl die Frau, wobei sie mit ihrer Pistole hindeutete.
Axel wusste, dass er etwas tun sollte, um sich und seine Freunde in Sicherheit zu bringen. Seine Eltern waren quasi direkt auf der anderen Seite dieser Tür. Was immer hier geschah, noch konnte es aufgehalten werden. Aber ihre Stimme war nachdrücklich und ruhig. Es klang, als würde man dem Läuten einer Glocke lauschen. Und Axel tat, was sie ihm aufgetragen hatte.
„Axel!“, blaffte Kozmo, aber er hielt die Hände weiter erhoben. Anschließend wandte er sich an die Eindringlinge. „Was wollen Sie? Credits? Damit können wir dienen. Was immer Sie möchten.“
Der Twi’lek entblößte scharfe Eckzähne, als er den Mund verzog; Axel konnte nur hoffen, dass es ein Grinsen war. „Hast du das gehört, Elecia? Was immer wir möchten.“
Am liebsten hätte Axel Kozmo eine Ohrfeige verpasst. „Nun, es gibt natürlich Grenzen. Mein Konto ist aktuell eingefroren. Aber wenn Sie mich gehen lassen, kann ich da bestimmt etwas machen …“
„Ich hasse diese Dinger. Ihr nicht auch?“ Elecia blickte auf ihren Blaster hinab, dann steckte sie ihn ruhig ins Holster, begleitet von einem leisen Lachen, als wären sie alle gute Freunde. Kozmo nickte energisch, während Axel und Leyli reglos stehen blieben. „Ich habe eine bessere Idee. Du – mit den Sternen. Komm her!“
Axels Herzschlag wummerte in seinen Ohren. Er dachte nicht wirklich nach, er reagierte einfach … und stellte sich zwischen Leyli und die Fremden.
„Sieh nur, Kerun. Wie ritterlich“, murmelte Elecia zufrieden. „Warte. Ich kenne dich doch.“
Axel konnte es nicht fassen, aber er errötete unter ihrem durchdringenden Blick. „Viele Leute glauben, dass sie mich kennen.“
„Ich kenne dich“, wiederholte sie mit diesem durchdringenden Glocken-Vibrato. „Und da wir alle so gute Freunde sind, will ich dir etwas verraten. Das hier ist ein riesiges Missverständnis. Wir sind lediglich hier, um ein paar Dinge mitzunehmen, die ohnehin niemand vermissen wird. Niemand muss zu Schaden kommen. Also, warum lässt du deine hübsche Freundin nicht vorbei und hilfst uns ein wenig?“
Dinge mitnehmen, die niemand vermissen würde? Das war mal eine interessante Umschreibung von Diebstahl.
„Axel.“ Die Furcht in Leylis Stimme führte ihm den wahren Ernst der Lage vor Augen. „Tu, was sie sagt. Bitte.“
Axel blickte zu Kozmo hinüber. Er war nicht sicher, ob es an den Blastern lag, die auf sie zielten, oder ob Kozmo wirklich Angst um Leylis Wohlergehen hatte, in jedem Fall nickte er nachdrücklich – auch wenn er sich dabei praktisch hinter Axel versteckte.
„Was wollen Sie von uns?“
Kerun deutete gelassen mit seinem Blaster, und Axel versteifte sich. „Zieht das da an!“
Eine Minute später hatten Axel und Kozmo ihre Kleidung gegen zwei weiße Kellneruniformen eingetauscht.
Kozmo murmelte die ganze Zeit über leise vor sich hin. „Ich wusste doch, dass es nichts als Ärger bringen würde, mich mit dir abzugeben.“
Axel rückte den metallischen Visor vor seinen Augen zurecht; die Klammer, die ihn auf seiner Nase hielt, fühlte sich unangenehm eng an, und alles in seinem Sichtfeld schimmerte verschwommen. Warum bei den Sonnen würde jemand seine Angestellten zwingen, etwas so Lächerliches zu tragen? Nicht, dass es im Augenblick einen Unterschied machte. Er beobachtete, wie Leyli gefesselt zum Küchenpersonal in den Kühlraum geschubst wurde.
„He, niemand hat dich gebeten mitzukommen“, knurrte er Kozmo an, vielleicht ein wenig wütender als eigentlich gewollt.
Der andere Junge schnaubte, dann schob er sein lächerliches Medaillon unter seine Uniform, damit die Diebe es nicht zu genau in Augenschein nehmen konnten. „Du solltest froh sein, dass du einen Freund wie mich hast. Andernfalls würdest du einfach blind nach Leylis Pfeife tanzen. Sie müsste es nur sagen, und du würdest von einer Klippe springen. Vermutlich würdest du dir sogar einreden, es wär deine eigene Idee gewesen, wenn du unten aufschlägst.“
Axel lachte. „Was redest du da? Wir sind keine Freunde?“
„Ach, nein?“ Kozmo rückte seinen Visor zurecht, aber auch wenn Axel sein Gesicht nicht sehen konnte, hörte er doch den gekränkten Ton in seiner Stimme.
„Bringen wir diese Sache einfach hinter uns.“
Er wandte sich wieder den Dieben zu. Insgesamt zählte er zehn, allesamt in gestohlene Kellner-Livree gekleidet. Kerun hingegen trug die lange Weste des Chefkochs und eine kleine, lächerliche Kappe auf dem Kopf.
Innerlich vibrierte Axels Körper vor Nervosität, aber er hatte seine Eltern lange genug im Piiraya-Becken des Galaktischen Senats beobachtet, um zu wissen, dass man niemals Furcht zeigen durfte. Also drehte er sich einmal um die eigene Achse und schmunzelte. „Und, zufrieden?“
Die allgemeine Reaktion bestand aus Zähnefletschen, aber Elecia lachte, dann winkte sie ihre Diebesbande zu sich. Über das gedämpfte Echo der Musik aus dem Hauptraum hinweg erklärte sie:
„Also gut, die Königsblüte wird jeden Moment beginnen. Dann werden sich die Gäste auf dem Balkon versammeln, und wir haben leichtes Spiel. Schnappt euch Schmuck, Uhren, alles, was nicht festgenagelt ist. Ich übernehme das Schlafzimmer. Ihr anderen, seid gründlich, leert sämtliche Schubladen und Taschen. Wir haben nur ein paar Minuten. Noch Fragen?“
„Ja.“ Axel hielt die Hand hoch, als wäre er in einem Kurs an der Universität. „Was, wenn ich etwas finde, was ich lieber für mich selbst behalten möchte?“
„Dann würde ich mich fragen, ob es dir mehr wert ist als das Leben deiner Freundin.“ Elecia lächelte, während sie sprach, aber die Drohung traf Axel bis ins Mark. Vielleicht hatte er noch nicht ganz raus, wann der richtige Zeitpunkt für einen klugen Spruch war – und wann er lieber den Mund hielt. „Der Schichtwechsel beginnt in …“ Elecia wartete, bis die ersten Aahs und Oohs aus dem anderen Raum hereindrangen. „Jetzt.“
Elecia entriegelte die Türen, und Axel und Kozmo folgten den Dieben, während sie die Tabletts von den Tischen nahmen und nach draußen marschierten. Dabei musste Axel sich ganz darauf konzentrieren, sein Handgelenk ruhig zu halten und nicht mit den anderen zusammenzustoßen, denn er konnte so gut wie nichts sehen. Oh, und schreckliche Angst hatte er natürlich auch – aber nicht um sich selbst, sondern um Leyli. Sie war im Kühlraum eingesperrt, und Elecia hatte offen gedroht, ihr etwas anzutun … Und alles nur, weil Axel sich vom Campus hatte schleichen müssen. Warum hatte er sich nicht einfach von seinen Eltern erwischen lassen? Es war schließlich nicht so, als würde Mutter in der Öffentlichkeit eine große Sache draus machen.
Aber dafür war es nun zu spät.
Beinahe – aber wirklich nur beinahe – bewunderte Axel den Plan der Diebe. Einfach und elegant. Eine effektive Ablenkung, jede Menge reiche Opfer und Sicherheitsvorkehrungen an der Tür, um unerwünschte Besucher fernzuhalten.
Er folgte den anderen und ließ Klauen, Finger und Tentakel nach den Delikatessen auf seinem Tablett greifen. Niemand schenkte ihm weiter Beachtung; er war jetzt nur noch funktionelle Dekoration. Als das Tablett leer war, stellte Axel ein paar leere Gläser darauf ab und sah sich nach einem geeigneten Ziel um. Schließlich verharrte sein Blick auf einem beschwipsten alten Mann, der auf der Suche nach einem weiteren Drink im Kreis ging.
Sein edles Chrono stach Axel sofort ins Auge. Es hing an einer schimmernden Kette, die aussah, als wäre sie flüssig – und teuer. Axel fand ein Glas mit dem sauren, grün dampfenden Getränk und ging damit zu dem rotwangigen Mann hinüber.
„Was ist da drin? Das schmeckt ja unglaublich!“
Unglaublich schlecht. Aber Axel sagte nur: „Ich werde das Lob gerne weiterleiten.“
Der Mann legte den Kopf schräg und beugte sich zu Axels Visor vor. „Ich dachte, ihr dürft nicht reden.“
Kurz loderte Panik in ihm hoch, aber Axel fasste sich schnell wieder und lächelte. Das war seine Gelegenheit. „Ich konnte einfach nicht anders, Sir. Ich meine, wie könnte man nicht mit Ihnen reden wollen?“
Die Antwort schien den betrunkenen Kerl zufriedenzustellen, und er wippte weiter mit dem Kopf zur Musik, während er zum Balkon hinüberschlurfte. Axel ging in die andere Richtung davon, wobei er eine Stoffserviette benutzte, um das Chrono zu verbergen, das er gerade gestohlen hatte. Mit klopfendem Herzen suchte er sich sein nächstes Opfer aus. Die meisten Gäste standen bereits auf dem Balkon, und ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Stadt und die Inseln in der Ferne gerichtet. Axel hatte die Königsblüte schon letztes Jahr gesehen. Nach dem Ende der Regenzeit ploppten überall grüne Sprösslinge auf – auf den Wiesen, an den Hängen, selbst in den Rissen im Asphalt der Straßen und zwischen den Marmorplatten auf dem Universitätsgelände. Und alle warteten darauf, dass sich die Blüten öffneten. Und sie warteten. Und warteten. Axel hatte nicht verstanden, warum die Leute nicht einfach schon zu feiern anfingen, bevor die Blüten aufklappten … bis er das Phänomen zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen hatte.
Er würde es nie offen zugeben, aber es war absolut faszinierend gewesen – und es gab nicht mehr viel, was ihn dieser Tage noch überraschen konnte. Er hatte sich das Ganze vom Dach des Universitätsturms aus angesehen, und als die Sonne unterzugehen begann, hatten sich sämtliche Blüten nah und fern geöffnet. Die Blätter klappten auseinander, als würden sie die pelzigen, schimmernden Pollen in ihrem Innern ausatmen. Wenn der Wind den biolumineszenten Staub über die Landschaft blies, fühlte es sich an, als wäre man von funkelnden Sternen umgeben. Und wo immer die Pollen haften blieben – mit anderen Worten: überall –, hinterließen sie ein leichtes Glühen. Das war die Königsblüte.
Nach ein paar Stunden verblasste das Leuchten schließlich, und zurück blieben grüne Pollen. War es schön, weil es so überwältigend war? Oder weil es so flüchtig war?
Auch jetzt trieben Schwaden glühender Pollen vom Balkon herein, und sie blieben an sämtlichen Oberflächen haften. Doch so magisch der Anblick auch war, Axel durfte sich jetzt nicht davon ablenken lassen. Er musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren, denn auch wenn er kein gemeiner Dieb wie die anderen war, wartete am Ende dieser Sache doch ein wertvoller Preis auf ihn.
Als sich das Tablett immer schwerer anfühlte, zog er sich schließlich hinter eine Säule zurück – zwischen die beiden hohen Topfpflanzen, wo er sich schon zuvor versteckt hatte. Wenn er jetzt in die Küche zurückkehrte, könnte er das Tablett leeren und … Kaum dass er seine Deckung verlassen hatte, stand plötzlich Kozmo vor ihm.
„Du bist erschreckend gut darin, Sachen zu stehlen“, kommentierte der andere Junge mit einem nervösen Lachen. „Aber vermutlich sollte es mich nicht wundern.“
„Weil ich in allem perfekt bin, meinst du?“
„Nicht in allem, Greylark. Mein Prüfungsdurchschnitt liegt immer noch zwei Punkte über deinem.“ Kozmo schmunzelte, und Axel fiel auf, was für ein sympathisches Lächeln seine Nemesis hatte. Unwillkürlich musste er an den gekränkten Tonfall des anderen Jungen denken, als Axel gesagt hatte, sie seien keine Freunde.
„Greylark! Da sind Sie ja!“ Die Worte galten nicht Axel, sondern dem Mann, der gerade vom Balkon hereintrat, offenbar um sich einen Moment Ruhe zu gönnen, jetzt, wo die meisten Gäste draußen standen.
Axel und Kozmo erstarrten beide, als Senator Lexxir Greylark sich zu dem angeheiterten alten Mann herumdrehte, den Axel bestohlen hatte. Aber er trug seinen Visor. Niemand konnte ihn erkennen. Oder?
„Graf Vennerson“, sagte sein Vater, während er sich die glühenden Pollen von seinem Umhang wischte. „Wie schön, Sie zu sehen.“
„Ich hatte schon Angst, wir würden einander verpassen. Haben Sie schon diesen herrlich sauren Tropfen probiert?“
Axel wagte es nicht mal, zu atmen, als sein Vater direkt in seine Richtung blickte. Die Augen des älteren Greylark wurden schmal. Wusste er es? Konnte er durch den Visor sehen? Einen Moment später reichte er Axel sein leeres Glas und bedankte sich.
Axel hielt das Glas an seinem langen Stiel, abgesehen davon blieb er vollkommen reglos.
„Wo ist denn Ihre charmante Gattin?“, wollte Graf Vennerson wissen.
„Kyong sieht sich das Phänomen an. Es ist ihr erstes Mal. Wir sind auf Reena, um unseren Sohn zu überraschen, aber wir wollten ihn nicht beim Unterricht stören.“
„Meine Tochter ist in ihrem ersten Jahr hier“, lallte der betrunkene Mann. „Wir sollten sie einander unbedingt vorstellen. Zwei kluge Köpfe mit einer strahlenden Zukunft vor sich! Falls ich Sie einen kleinen Moment aufhalten dürfte? Ich würde gerne über die Hyperraumrouten in meinem Sektor sprechen. Es ist der reinste Albtraum …“
Axel wusste, dass er weitergehen musste. Die anderen „Kellner“ strömten alle wieder in Richtung Küche zurück, und falls er sich ihnen nicht mit seiner Beute anschloss … Er war sicher, das Elecia ihre Drohungen wahr machen würde.
„Verzeihen Sie, Graf Vennerson“, sagte Lexxir Greylark abgelenkt, als das Kommlink an seinem Handgelenk zu blinken begann. „Dekanin Harket von der Universität hat mir eine Nachricht geschickt.“
„Ist alles in Ordnung?“
„Mein Sohn ist krank“, las Lexxir vor. „Ich muss Senatorin Greylark holen und sofort zu ihm.“
„Aber wir werden diese Unterhaltung doch fortsetzen, oder?“, rief der beschwipste Graf ihm nach, dann machte er eine wegwerfende Handbewegung und begann wieder, auf der Stelle zu tanzen.
Kaum dass Lexxir davonmarschiert war, zupfte Kozmo an Axels Ärmel. „Was machen wir jetzt?“
Axel wusste genau, was er zu tun hatte. Er ging zu dem Adeligen hinüber und rempelte ihn leicht an.
„Oh, Verzeihung, ich glaube, das haben Sie fallen gelassen“, sagte er, während er dem Mann sein Chrono hinhielt.
Graf Vennerson bedankte sich überschwänglich. Er war so erleichtert, dass er nicht mal merkte, wie der vermummte Kellner ihm mit geschickten Fingern den Blaster aus dem Holster zog.
„Was hast du damit vor?“, fragte Kozmo alarmiert, als Axel zu ihm zurückkehrte.
Axel dachte an Elecias Worte zurück. Er war nicht naiv genug, um auf die Versprechen von Fremden hereinzufallen. „Glaubst du wirklich, sie werden uns einfach so gehen lassen? Wir haben ihre Gesichter gesehen!“
Kozmo war aufgewühlt, verängstigt, und Axel musste nicht mal die Augen des jungen Lords sehen, um das zu erkennen. Die Art, wie er die Lippen zusammenpresste, und das Zittern seiner Hände sagten mehr als tausend Worte.
„Bleib einfach hinter mir“, wies Axel ihn an. „Tu, was ich tue, dann kommen wir hier alle lebend raus.“
„Warum klingt das so ominös?“
Dennoch folgte er Axel, als dieser mit seiner Beute zur Küche zurückging. Sie waren die Letzten, die von ihrer Diebestour zurückkehrten; die anderen schütteten ihren erbeuteten Schmuck bereits in eine Durastahlkiste, als wären es Opfergaben für einen gierigen Gott.
„Das sollte reichen, um unsere Schulden bei den Hutten zu begleichen“, sagte der Twi’lek.
Elecia starrte das Diebesgut an, als könnte sie jedem Ring und jedem Chrono ansehen, wie viel Geld sie wert waren. „Gerade so.“
Jetzt waren Axel und Kozmo an der Reihe. Der kleine Lord trat zuerst vor, aber seine Hände zitterten so sehr, dass er sein Tablett gleich mit in die Kiste fallen ließ, und er wich hastig wieder zurück.
„Erst will ich Leyli sehen.“ Axel machte keine Anstalten, sein Tablett zu leeren. Unter der Serviette lag nämlich nicht nur der gestohlene Schmuck, sondern auch der Blaster des Grafen.
Elecia grinste ihn an. „Natürlich. Holt Leyli aus dem Kühlraum. Wir müssen los.“
Wenig später kehrte Kerun mit dem Mädchen zurück. In seiner grenzenlosen Erleichterung fiel Axel zunächst gar nicht auf, dass sie nicht länger gefesselt war. Oder dass sie Seite an Seite neben dem Twi’lek dahinschritt – so gar nicht wie Geisel und Geiselnehmer.
Axel riss seinen geborgten Blaster hervor und betäubte zwei der Diebe. Hinter ihm schrie Kozmo seinen Namen. Kerun und die restlichen Mitglieder der Bande zogen ihre eigenen Waffen, aber Elecia hob die Hand, und alle gehorchten ihrem wortlosen Befehl.
„Das war nicht Teil unserer Abmachung, Axel Greylark“, klagte sie. Da war etwas in ihrem Blick, was Axel sagte, dass er den Blaster wirklich besser weglegen sollte. Es war ein Gefühl, als würde man am Rande einer Klippe stehen. Als würde er es bitter bereuen, wenn er jetzt nicht gehorchte.
Aber er konnte nicht aufgeben. Leyli zählte auf ihn.
„Lassen Sie sie gehen“, forderte er.
„Wie du willst.“ Elecia nickte, aber die Geste galt nicht Axel, sondern ihrer Gefangenen. „Ihr anderen, bereit machen zum Abrücken.“
„Oh, Liebling“, sagte Leyli mit einem Kopfschütteln, wobei ihr Blick von Kozmo zu Axel wanderte. Erst jetzt sah er, dass sie anders gekleidet war. Halt, nein, die Kleidung war noch immer dieselbe. Aber jetzt hing ein Gürtel mit einem Blaster um ihre Hüfte. „Oh, Axel. Du hättest wirklich tun sollen, was wir von dir verlangt haben.“
Wir. Wie in Leyli und … Elecia. Definitiv nicht wie in Leyli und Axel. Plötzlich fügte sich alles zusammen. Sie hatte ihn angefleht, sich heute vom Campus zu schleichen. Sie hatte darauf bestanden, dass sie den Turm aufsuchten. Sie hatte vorgeschlagen, den Weg durch die Küche zu nehmen.
„Leyli …“, begann er.
Die Kilotowanerin, sein Mädchen, zog den Blaster aus dem Holster und schoss. Rotes Plasma blitzte auf, schneller, als Axel blinzeln konnte, und er erkannte erst, dass er nicht das Ziel gewesen war, als Kozmo hinter ihm auf dem Boden zusammenbrach.
„Nein!“ Der Schrei barst aus seiner Brust hervor, und er feuerte auf die Diebe. Blaues, pulsierendes Licht erfüllte die Küche, und Axel fluchte, als Schuss um Schuss danebenging.
„Los, Leute! Raus hier!“, rief Kerun. Die Bande bewegte sich wie ein eingespieltes Team und verschwand mit ihrer Beute durch den Bediensteten-Eingang. Axel und Kozmo waren von Anfang an nur Teil eines Ablenkungsmanövers gewesen – die Opferlämmer, die der Sicherheitsdienst auf frischer Tat ertappen würde.
„Müssen wir ihm wehtun?“, fragte die Kilotowanerin leise.
„Verabschiede dich von ihnen, Leyli“, sagte Elecia in geradezu hypnotischem Tonfall.
Axel fiel neben Kozmo auf die Knie und starrte fassungslos auf ihn herab. Ein schwarzer Kreis hatte sich in die Mitte des kleinen Lords gebrannt, und er rührte sich nicht.
Leyli ging vor ihnen in die Hocke und tippte sich mit einem glänzenden Fingernagel gegen das Kinn. Wie oft hatte er diese Geste schon gesehen? Als sie ihn in der Bibliothek zum ersten Mal geküsst hatte. Als sie gemeinsam vom Campus geschlichen waren, um sich einen schönen Tag am Strand oder in der Stadt zu machen.
„Du hast mich benutzt“, war alles, was er über die Lippen brachte.
„Komm schon, Liebling“, sagte sie. „Wir hatten doch Spaß, oder etwa nicht?“
„Ich dachte, du wolltest nichts mit den Geschäften deiner Familie zu tun haben“, presste er hervor, sein Mund vor Wut und Schmerz verzerrt. „Ich dachte …“
„Ich will auch nichts mit den Geschäften meiner Familie zu tun haben. Ich bin einfach nicht fürs Studentenleben gemacht. Aber … ich bin nun mal eine Romero. Du weißt, wie das ist, Axel. Ganz tief drinnen weißt du es. Wir sind gleich. Wir werden unsere Familien nie zufriedenstellen. Wir werden nie sein, was sie sich wünschen. Also müssen wir unseren eigenen Weg beschreiten.“
„Und alle Brücken hinter dir niederreißen?“
„Du wirst es schon noch lernen“, murmelte sie. „Heute war deine erste Lektion. Und ein kleiner Tipp gratis: Stell deinen Blaster nie auf Betäuben.“
Axels Hand zitterte so sehr, dass er die Pistole flach gegen seine Brust pressen musste, um sie nicht fallen zu lassen. Sie wussten beide, dass er es nicht über sich bringen würde, auf sie zu schießen. Ihr wehzutun.
„Das Schiff wartet“, sagte Elecia, ohne Axel aus den Augen zu lassen. „Geh vor. Ich erledige das hier.“