Stärken Sie Ihre seelische Gesundheit - Jakob Derbolowsky - E-Book

Stärken Sie Ihre seelische Gesundheit E-Book

Jakob Derbolowsky

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Beschreibung

Das Schutzprogramm für die seelische Gesundheit Dieses Buch enthält ein Sofort-Schutzprogramm für die seelische (und körperlich-geistige) Gesundheit mit Übungen für den Alltag. Es kann sowohl für die eigene Entwicklung als auch in der fachkundigen Begleitung und Betreuung von anderen eingesetzt werden. Die Autoren gehen von der Frage aus, wie ich in Stress- und Belastungssituationen mit mir selbst umgehe. Bin ich liebevoll zu mir, behandle ich mich achtsam und rücksichtsvoll? Oder bin ich ärgerlich mit mir oder beschimpfe mich, wenn ich Fehler mache? Anhand von Situationen und Verhaltensweisen zeigen die Autoren, wie jeder bei sich und im Umgang mit anderen Menschen gegen Selbstabwertung und Selbstbeschädigung vorgehen kann. „Ein rund herum gelungenes Buch, das ich Ratsuchenden zur Förderung ihres eigenen Entwicklungsprozesses zu Autonomie und Selbstachtung gerne empfehle.“ – Rudolf Sanders, Beratung Aktuell

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Jakob und Udo DerbolowskyStärken Sie Ihre seelische Gesundheit

Über dieses Buch

Das Schutzprogramm für die seelische Gesundheit

Dieses Buch enthält ein Sofort-Schutzprogramm für die seelische (und körperlich-geistige) Gesundheit mit Übungen für den Alltag. Es kann sowohl für die eigene Entwicklung als auch in der fachkundigen Begleitung und Betreuung von anderen eingesetzt werden. Die Autoren gehen von der Frage aus, wie ich in Stress- und Belastungssituationen mit mir selbst umgehe. Bin ich liebevoll zu mir, behandle ich mich achtsam und rücksichtsvoll? Oder bin ich ärgerlich mit mir oder beschimpfe mich, wenn ich Fehler mache? Anhand von Situationen und Verhaltensweisen zeigen die Autoren, wie jeder bei sich und im Umgang mit anderen Menschen gegen Selbstabwertung und Selbstbeschädigung vorgehen kann.

„Ein rund herum gelungenes Buch, das ich Ratsuchenden zur Förderung ihres eigenen Entwicklungsprozesses zu Autonomie und Selbstachtung gerne empfehle.“ – Rudolf Sanders, Beratung Aktuell

Jakob Derbolowsky und Udo Derbolowsky (1920–2005), Fachärzte und Psychotherapeuten, wissenschaftliche und Ausbildungstätigkeit, Entwicklung der Psychopädie und des TrophoTraining, Aufbau der Akademie für Psychopädie. 

www.derbolowsky.dewww.psychopaedie.de

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2001 5., vollständig überarbeitete Auflage 2018

Coverfoto: © Azarubaika – istockphoto.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2018

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-828-2

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-829-9 (EPUB), 978-3-95571-831-2 (PDF),  978-3-95571-830-5 (MOBI).

Vorwort zur vollständig überarbeiteten 5. Auflage

Liebe Leserinnen und Leser,

1995 ist unser Buch Wer mich nicht liebt, ist selber schuld im Junfermann Verlag erschienen. Es war entstanden aus den Skripten zu den Kursen „Psychopädie nach Dr. Udo Derbolowsky“, die wir seit einigen Jahren erfolgreich durchführten. Ziel war es, einer breiten Öffentlichkeit die Inhalte und Ziele der Psychopädie zugänglich zu machen.

2002 haben wir dann gemeinsam mit dem Verlag beschlossen, das Buch vollständig zu überarbeiten und mit einem neuen Cover und dem Titel Liebenswert bist du immer neu herauszubringen. Dieses Buch war mehr als eine vorübergehende Erscheinung, denn es erfüllte ein Bedürfnis der Menschen, wie der anhaltende und ununterbrochene Absatz von bisher vier Auflagen zeigt.

Da mein Vater bis zu seinem Tode im Jahre 2005 und ich bis heute stets offen sind für Veränderungen, erschien es uns und dem Verlag als sinnvoll, dieses Buch erneut vollständig zu überarbeiten. Dabei war unser Bestreben, durch diese Überarbeitung das Buch für den modernen Leser eingängiger und verständlicher zu machen, ohne in seinen grundlegenden Inhalt einzugreifen. So wurde der Titel etwas umgestellt, das Cover neu gestaltet und die Sprache den Gegebenheiten unserer Tage angepasst. Einige Kapitel wurden mit Schaubildern ergänzt und einige erweitert bzw. verkürzt. Dabei danken wir dem Junfermann Verlag und insbesondere Herrn Dr. Dietrich, der uns dabei mit Wort und Tat sehr unterstützt hat.

Wir übergeben Ihnen diese 5., überarbeitete Auflage wie ein Werkzeug, das neu geschliffen und poliert worden ist. Möge es, wie schon viele Jahre, weiterhin zahlreiche Menschen unterstützen in ihrem Umgang mit sich, mit den Nächsten und mit Gott und der Welt.

Zu diesem Buch

„Lies nicht, um zu widersprechen oder zu glauben, sondern um zu prüfen und zu erwägen.“

– Thomas Babington, 1846

In den vergangenen Jahren haben wir viele Anregungen von Leserinnen und Lesern unseres Buches Liebenswert bist du immer zu unserer Arbeit bekommen, für die wir dankbar sind. Haben sie uns doch gezeigt, dass die Darstellung psychopädischen Gedankenguts und seiner Vorgehensweisen für all die Menschen hilfreich ist, die sich auf der Suche nach sich selbst und nach einer erfreulichen Lebensverwirklichung befinden. Sie haben deutlich gemacht, dass sich die Lebensnähe des Inhalts und die Anwendung der beschriebenen Techniken in der Praxis eindeutig bewährt haben.

Je nachdem, aus welchem Grund Sie dieses Buch lesen, z. B. um anderen besser helfen zu können oder weil Sie auf der Suche nach Hilfe für sich selbst sind, weil Sie mit sich und Ihrem Leben nicht so zufrieden sind, weil Ihnen die rechte Freundschaft mit sich selbst fehlt, können Sie sich beim Lesen sowohl mit dem Psychopäden wie auch mit dem Ratsuchenden, dem Klienten identifizieren, ganz wie Sie möchten.

Wesentliche Inhalte einer psychopädischen Betreuung werden in jeweils in sich abgeschlossenen Kapiteln zum Nach-Denken erläutert (bitte gönnen Sie sich möglichst schon beim Lesen die dafür erforderliche Zeit!) und durch die Darstellung wichtiger zugrunde liegender Prozesse ergänzt. Dabei verzeihen Sie uns bitte, wenn Ihnen manches zu einfach, vielleicht sogar zu oberflächlich dargestellt erscheinen mag. Dies ist für die Umsetzung in den Alltag und für die direkte Ansprache des Unbewussten günstig.

Übungen für jeden Tag helfen, die gewonnenen Erkenntnisse in Ihr Lebensgeschehen einzubauen. Sie stellen ein Sofortprogramm dar, wie Sie sich gleich mit Ihrem treuesten Freund, nämlich mit sich selbst, zunehmend mehr verbünden können und wie Sie zu einem warmherzigen Umgang zunächst mit sich selbst gelangen. Das bedeutet nicht, unkritisch zu sein. Die Übungen helfen Ihnen, feindselige Impulse und Handlungen gegen sich selbst zu verringern. Für die Zusammenstellung Ihres eigenen Übungsprogramms finden Sie im Anhang eine Vorlage.

Die Kapitel sind so gestaltet, dass jedes für sich allein gelesen oder die Reihenfolge der Kapitel beim Lesen getauscht werden kann, denn jedes bringt Grundsätzliches und Praktisches zur Sprache. Dies führt zu thematischen Überschneidungen, die dem einen als willkommene Erweiterung gefallen, dem anderen vielleicht als Wiederholung lästig sind. Auf jeden Fall helfen die Überschneidungen bei der Vertiefung und Vernetzung des Stoffs.

So ist das Buch gedacht als eine umfassende und dennoch einfache Anleitung zur grundlegenden Selbsthilfe. Das persönliche Gespräch, Seminare und Übungskurse kann es natürlich nicht ersetzen.

Wir wünschen Ihnen, dass auch Sie, wie die bisherigen Leser und Anwender der Psychopädie, beim Lesen und Üben viel Freude haben, reichen Erkenntnisgewinn erzielen und vor allem Lust und Kraft zur Umsetzung in Ihren Alltag bekommen. Damit Sie zu dem freien, fröhlichen Menschen werden, der Sie ja eigentlich sind, und damit Sie, ausgestattet mit gesundem Selbstbewusstsein, eigenverantwortlich und verantwortlich vor Gott und der Welt Ihr Leben zuversichtlich führen.

Dank

Dieses Buch haben wir geschrieben, weil wir möchten, dass das uns zugänglich gewordene Wissen um den gesunden Umgang mit sich und Gott und der Welt möglichst vielen Menschen zugutekommen kann. Erst durch die Anwendung wird es lebendig und entfaltet seine Kraft. Weil wir üben, hat es inzwischen unser Leben und das aller derer, die es auch anwenden, erfreulich verändert. Unser Dank gilt all den Menschen, die uns immer wieder rückmelden, wie wirksam und erfolgreich psychopädisches Vorgehen im Leben ist, und die uns ermutigen, auf diesem nicht immer einfachen Weg zuversichtlich weiter voranzuschreiten.

Besonders danken wir all den vielen Menschen, die durch Anregungen oder andere Mitarbeit zu diesem Buch beigetragen haben, und vor allem Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Denn ohne Sie würde diesem Buch ein wesentlicher Sinn fehlen!

Nicht zuletzt danken wir unseren Ehefrauen und unseren Kindern, die die Erstellung des Buches wesentlich unterstützt haben. Sie waren uns bei vielen Themen wichtige Gesprächspartner und haben mit ihren Anregungen zum Gelingen dieses Buches viel beigetragen.

Der Anfang

„Wer mich nicht liebt, ist selber schuld!“ – so lautete der Titel des Vorgängers dieses Buches und so ergänzen wir heute: „… denn wert, geliebt zu werden, bist und bleibst du immer!“ Einmal Hand aufs Herz, wer würde dies nicht gerne von sich hören?!

Als wir auf die Welt gekommen sind, haben wir noch nicht darüber nachgedacht, ob man so etwas sagen oder denken darf. Es war nicht die Frage, ob das stimmt oder nicht, ob es gefällt oder nicht, sondern es ging um das Überleben in einer unbekannten, unvertrauten Welt.

Dies ist Ihnen erfolgreich gelungen, sonst könnten Sie sich jetzt nicht mit diesem Buch beschäftigen.

Damals waren Sie ausgestattet mit – biologisch über Jahrtausende getesteten – Merkmalen, die dazu geführt haben, dass Sie angenommen und geliebt wurden. Dazu gehörten das kindlich unschuldige Aussehen, die herzigen, etwas tollpatschig erscheinenden Bewegungen und vor allem die Fähigkeit, so oft wie möglich zu lächeln. Ihre zarte, weiche Babyhaut reizte zur Berührung und Ihre freudigen Reaktionen auf Zuwendung haben Begeisterung und Bindung hervorgerufen. Ihr Eroberungsdrang, die Lust auf Neues, der Wunsch nach Kennenlernen und Sich-vertraut-Machen wurden freudig als Lebendigkeit begrüßt. Damals waren auch wir sicherlich mit uns zufrieden.

Heute ist das alles anders. Wir sind – zumindest teilweise – erwachsen geworden. Wir haben unseren Eltern im Laufe der Jahre die Verantwortung für unser Leben abgenommen und sind zu selbstständigen Erwachsenen herangereift. Wir haben einigermaßen gelernt, wie man in unserer Welt überlebt und wie man Anerkennung bekommt. Doch sind wir zufriedener, sicherer geworden oder eher unsteter und hungriger – nach Neuem, nach Erfolg, nach Vollkommenheit jagend?

Der Wunsch nach Ratschlägen, nach einfach nachzuvollziehenden „Kochrezepten“ für ein positives Leben ist riesengroß, wie die Verkaufszahlen entsprechender Bücher und die zahlreichen Kurse zur Lebensbewältigung beweisen. Davon ausgehend, dass jeder Mensch einzigartig ist, zeigt sich dem Leser und Anwender jedoch recht bald, dass solche umfassenden Rezepte nur teilweise weiterhelfen. Denn die Details, die über die zugrunde liegenden Prozesse hinausgehen, belegen lediglich, wie die jeweiligen Autoren mit ihren eigenen Vorgaben und Zutaten zum Erfolg gekommen sind. Genau deshalb können sie anderen nur begrenzt weiterhelfen. Es ist wie im Sport, wenn ein Sportler seinem Schüler zeigt, mit welchem Bewegungsablauf er erfolgreich war, und ihn dann anleitet, diesen genau zu kopieren. Es ist offensichtlich, dass dies nur teilweise gelingen kann und meistens nur bei dem Lehrer bzw. den Ratgebern und weniger bei den Ratsuchenden zu den erwünschten Lösungen und Erfolgen führt.

Der Grund dafür liegt in der Einmaligkeit eines jeden Menschen. Wie die Identifizierung durch den genetischen Fingerabdruck zeigt, ist jeder unverwechselbar einzigartig und damit natürlich anders als alle anderen. Jeder hat andere Anlagen mitgebracht, hat das Leben auf seine Weise erfahren, seine persönlichen Schlüsse gezogen und Strategien entwickelt. Dies ist der Grund, warum sich Lebewesen je nach unterschiedlichem Biotop, in dem sie leben, unterschiedlich entwickeln und aussehen. Zwar können wir von anderen erfahren, wie diese ihr Leben meistern. Wir müssen dieses Wissen dann aber an unsere eigenen Gegebenheiten anpassen. Die zugrunde liegenden Naturgesetzmäßigkeiten sind bei allen Menschen gleich, doch es gibt ganz unterschiedliche Ausprägungen, etwa vergleichbar mit den Pflanzen, die unterschiedliche Blüten ausbilden.

Hinzu kommt, dass wir nicht allein auf der Welt leben, sondern in einem sozialen Gefüge mit lauter anderen einzigartigen Menschen, die alle am liebsten ganz auf ihre Weise leben möchten. Es ist klar, dass hieraus Konflikte erwachsen, die jedoch möglichst friedlich gelöst werden müssen, um überleben zu können. Folglich ist es notwendig, immer wieder echte Kompromisse zu finden und auszuhandeln und nicht durch Missverständnisse in der gegenseitigen Verständigung, die durch erworbene Gehemmtheiten oder durch Vorurteile und Ähnliches mehr entstanden sind, sich davon abhalten zu lassen, einen Weg zu einem friedlich-harmonischen Miteinander zu finden. Deshalb ist dieses Buch kein Ratgeber, der sagt, wo es langgeht, sondern ein Sachbuch. Mit ihm wollen wir Sie informieren über verschiedene Möglichkeiten, Ihr Leben zu bewältigen, aus denen Sie dann das für Sie Passende heraussuchen und für sich nutzen.

Bekanntlich übt die Umwelt schon auf Kleinkinder einen enormen Anpassungsdruck aus. Als natürliche Folge davon haben wir alle Teile von uns, von unserer Lebendigkeit verdrängt bzw. ächten lernen müssen, um in der Erwachsenenwelt zu überleben. Wir haben schon damals Teile von uns verraten, im Sinne des Spruchs: „Lieber so, wie gewünscht … als tot!“ – ein Kompromiss, der unser Überleben gesichert hat.

Wenn wir erwachsen geworden sind, scheint unsere vordringliche Aufgabe zur gesunden Entfaltung und Pflege einer schönen und ausgereiften Seele zu sein, uns unserem ursprünglichen Inbild wieder zu nähern. Wieder der / die zu werden, der / die man eigentlich ist, so, wie unser Schöpfer uns gedacht hat, egal, was die anderen davon halten; uns frei zu machen von dem, was andere für uns für richtig erachten, bzw. unseren mehr oder weniger unausweichlichen Verrat an unserer eigenen Vitalität rückgängig zu machen, Menschenfurcht abzubauen und dennoch erfolgreich im sozialen Verbund zu bleiben.

In der chassidischen Tradition wird von dem Rabbi Sussja berichtet, der vor seinem Tode gesagt haben soll: „Wenn ich vor dem himmlischen Gericht erscheine, wird man mich nicht fragen, warum ich nicht Abraham, Jakob oder Moses war; man wird mich fragen, warum ich nicht Sussja war.“

In religiösen Lehren sind immer wieder Vorgehensweisen gezeigt worden, wie dieses Sich-selbst-treu-Werden in sozial verträglicher Weise gelingen kann. Diese Regeln zu befolgen erfordert jedoch oft Mut und ist nicht immer so leicht und angenehm, wie wir es gerne hätten.

Die Erkenntnisse, die wir in der Psychopädie zusammengefasst haben, eröffnen eine sehr praktikable Möglichkeit, wie es jedem gelingen kann, sein Selbstbewusstsein und seine innere Stimmigkeit wieder so herzustellen, dass er überzeugt sagen kann: „Wer mich nicht liebt, ist selber schuld“, ohne dass dabei unser soziales Gefüge aus dem Gleichgewicht gerät bzw. ohne dass sich ein solcher Egoismus breitmacht, dass man um sich herum überall „verbrannte Erde“ erzeugt.

Wiederholt hat sich auch gezeigt und konnte belegt werden, dass der größte und gefährlichste Feind für die seelische Gesundheit des Menschen nicht im Außen, sondern im eigenen Innen eines jeden liegt. Nicht so sehr sind es die anderen, die Umweltgegebenheiten oder gar Gott, die uns belasten, sondern primär ist es unser eigener Umgang mit den Gegebenheiten und unser eigenes Verhalten, mit dem wir uns unser Leben erschweren.

So ist dieses Buch auch eine Kampfansage an einen gefährlichen Feind, an den gefährlichsten Gegner, der uns und unsere seelische Gesundheit bedrohen kann: Er ist Teil unseres eigenen Verhaltens, und seine Waffen heißen Selbstabwertung und Selbstbeschädigung. Die Psychopädie enthält ein rasch wirkendes Sofortschutzprogramm für Ihre seelische (und körperlich-geistige) Gesundheit.

In diesem Buch werden auch gleichnishaft Erlebnisse geschildert, um seelische Zusammenhänge durchschaubar und verständlich zu machen. Sie bieten, unterstützt durch theoretische Erläuterungen, Chancen für reichen Erkenntniszugewinn. Begleitende Übungen für jeden Tag können Sie nutzen, um die gewonnenen Einsichten handelnd in Ihr Leben einzubauen und so Ihre Seele zu schützen.

TEIL I: UMGANG MIT MIR SELBST

1. Ich muss – ich möchte

Beginnen wir gleich mit einer speziellen Situation, die auch ein Hinweis auf den Umgang mit diesem Buch ist: Wir gehen mit jemandem Essen, der sehr hungrig ist. Wir nehmen im Restaurant Platz und der Kellner bringt die Speisekarte. In diesem Restaurant gibt es ein reichhaltiges Angebot und deshalb hat die Karte viele Seiten. Unser Begleiter seufzt und sagt: „Ich habe solchen großen Hunger, und nun diese lange Speisekarte! – Entsetzlich!“ Was will er damit sagen?

Ein anderes Beispiel: Der Kellner kommt, ehe unser Begleiter so recht bei der Sache ist, und fragt: „Kann ich schon eine Bestellung aufnehmen, haben Sie schon gewählt?“ Wir bemerken, wie unser Partner sich daraufhin unmittelbar für das Erstbeste entscheidet, weil er sich offensichtlich gedrängt fühlt.

Nächstes Beispiel: Ein dreijähriges Kind hat großen Hunger und fragt die Mutter, wann es etwas zu essen gibt. Die Mutter antwortet: „Komm, das Essen steht auf dem Tisch!“ Das Kind freut sich, eilt an den Tisch, steigt auf den Stuhl und schaufelt sich mit Genuss die Speisen auf seinen Teller: Kartoffeln, Gulasch und Gemüse. Dann isst es mit großem Appetit, bis es sich gesättigt fühlt. Das Kind wischt sich mit dem Handrücken über den Mund, schiebt den Teller von sich weg, auf dem noch gut ein Viertel von dem liegt, was es sich aufgetan hat, und sagt mit Wohlbehagen: „Satt!“ – Nun darf alles, was noch auf dem Tisch steht, wieder fortgeschafft werden.

Aber da meldet sich Protest vonseiten der Eltern: „Was man auf dem Teller hat, muss man aufessen, damit man groß und stark wird.“ – „Die Eltern arbeiten dafür, dass es Essen gibt.“ – „Andere müssen verhungern!“ – Also: „Sitzen geblieben! Aufgegessen! Basta!“

Das Kind ist wie verwandelt: Es ist nicht mehr fröhlich, sondern bedrückt. Angesichts der Übermacht der Eltern fügt sich das Kind. Auch die Speisen haben sich blitzartig verwandelt. Wo eben noch Gulasch, Kartoffeln und Gemüse zum Essen eingeladen haben, liegt jetzt nur noch Material zum Ausstopfen des Magens auf dem Teller. Und das muss geschluckt werden, damit man groß und stark wird. Du musst kauen. Du musst schlucken. Du musst essen, du musst, du musst, du musst …!

Im letzten Beispiel haben wir ein und dasselbe Kind in zwei Phasen kennengelernt: Zunächst in der Möchte-Phase, in der es seinen Bedürfnissen folgt und aus Lust isst, wenn es essen mag. Und dann in der Muss-Phase, in der es nicht mehr spontan von sich aus das tut, was es will, sondern so handelt, wie es andere von ihm verlangen.

In diesen beiden Kindern, dem Möchte-Kind und dem Muss-Kind, liegt der ganze Unterschied zwischen einem seelisch unbelasteten Menschen einerseits und einem psychisch belasteten, einem gehemmten (= neurotischen) Menschen andererseits. Wie solche Gehemmtheiten entstehen, wird im Kapitel 27 am Gleichnis von Stuhl und Decke ausführlich beschrieben.

Kommen wir nun zu unseren Beispielen vom Anfang des Kapitels zurück. Was hat unser Begleiter im Restaurant ausdrücken wollen, als er angesichts der langen Speisekarte aufstöhnte: „Nun habe ich solchen Hunger und dann eine so lange Speisekarte.“ Er ist ein Muss-Mensch. Sein Muss besteht in dem Gedanken: Wenn dir jemand eine Speisekarte überreicht, dann musst du sie auch lesen! Man muss eben! Und so geht es mit dem rasch fragenden Ober weiter: Wenn man gefragt wird, muss man gewählt haben und folglich sogleich bestellen.

Wie anders lebt doch der Möchte-Mensch. Er liest die Speisekarte nur insoweit, wie es ihm Freude macht. Oder er bestellt, ohne groß in die Karte zu schauen, das, worauf er Appetit hat. Oder er fragt den Ober nach dem, worauf er Lust hat, oder wo dies und jenes auf der Karte zu finden ist, was ihn an den Speisen interessiert.

Offensichtlich ist jeder von uns irgendwann einmal, meistens schon in früher Kindheit, über jene Hürde gejagt worden, die uns in Muss-Menschen verwandelt. Deutlich wird dies, wenn wir beispielsweise zeichnen oder malen und uns dabei oft von dem inneren Zwang regieren lassen, wie ein Baum, ein Haus, ein Hahn, ein Mensch auszusehen hat. Diese Haltung hindert uns daran, frei und schöpferisch mit den Formen, den Flächen und den Farben umzugehen. Eine Folge davon ist, dass die seelischen Kräfte sich nicht entfalten können und dass an die Stelle von Fröhlichkeit eine verklemmte Haltung tritt.

Was können wir tun, um aus der Rolle des Muss-Menschen herauszukommen und ein Möchte-Mensch zu werden?

Die Antwort ist einfach: Wir räumen unseren eigenen Bedürfnissen wieder den ersten Rang in unserem Innern ein und stimmen sie dann erst mit den Bedürfnissen unserer Umwelt ab.

Ein Kind möchte beispielsweise Krach machen, sein Vater hingegen will gerade telefonieren und braucht Ruhe. Vernünftigerweise fordert er deshalb Stille mit der Begründung, dass er sie für die Dauer seines Telefongesprächs braucht.

Erst aus solchem Widerstreit erwachsen Einsichten, Erfahrungen und Verhaltensweisen in dem Kind, das seine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen sucht. Ganz anders dagegen wirken Sätze wie: „Ein braves Kind ist niemals laut!“ So ein Satz gibt keine konkurrierenden Bedürfnisse zu erkennen. Da kann man nicht entscheiden, ob jemand zum Schlafen, zum Telefonieren oder aus anderen Gründen gerade jetzt Stille braucht, sondern da werden mit dem unsinnigen Satz: „Ein braves Kind ist niemals laut!“ Bedürfnisse nach Bewegung, nach Geräusch- und Klangerzeugung, nach Wildheit und nach Unmittelbarkeit in Bausch und Bogen ein für alle Mal geächtet.

Besonders unangenehm ist dabei Folgendes: Gehorcht das Kind, wird es meistens durch die Liebe seiner Eltern belohnt, gehorcht es nicht, wird es durch Liebesentzug bestraft. Somit ist dies ein sicherer Weg, um verkümmerte Menschen heranzuziehen, die später unter Krankheiten und Neurosen leiden.

Mindestens ebenso schlimm ist es, wenn man jemandem, der gerade dabei ist, eine Handlungsabfolge einzuleiten, etwas vorwegnimmt, wenn man jemandem etwas befiehlt, was derjenige zwar selbst tun möchte, jedoch erst als Zweites oder als Drittes.

Beispiele dafür sind Aufforderungen wie: „Sag guten Tag“, wenn das Kind gerade erste Ansätze machen möchte, um mit dem Besuch vertraut zu werden. Oder man versucht, das Kind zu füttern, und sagt: „Mund auf!“, wenn das Kind gerade einen ersten Blick über die Speisen gleiten lässt und wissen möchte, was es diesmal zu essen gibt. Oder auch: „Male jetzt einen Baum“, wenn das Kind gerade dabei ist, neugierig Farben aufs Papier zu pinseln und zu bestaunen, was dabei entsteht.

Die Folge ist: Trotz!

Da ist beispielsweise ein Mann von der Arbeit heimgekommen. Er hat sich vorgenommen, den Müll nach unten zu tragen und Getränke aus dem Keller heraufzuholen. Aber vorher will er noch die Zeitung lesen. Da ruft seine Frau aus der Küche: „Du kannst doch jetzt nicht Zeitung lesen! Du musst erst die Flaschen raufholen und den Müll wegbringen!“ Es gibt viele Menschen, die nun das gerade nicht tun, obgleich sie es sich selbst zuvor schon vorgenommen hatten, die stattdessen sinnlose Ersatzhandlungen ausführen, etwas kaputtmachen, außer Haus gehen, ins Wirtshaus laufen oder dergleichen mehr. Jeder Mensch kennt die Schwierigkeiten, sich aus einer solchen Trotzhaltung zu befreien. Wir werden uns deshalb in einem eigenen Kapitel mit dem Thema Trotz befassen.

Um ein fröhlicher Möchte-Mensch zu werden, gilt es, sich auch dann, wenn man Aufforderungen oder Befehle von anderen bekommt, unverdrossen nach seinen eigenen Bedürfnissen zu fragen: Was will ich selbst jetzt wirklich? Und wenn ich mich bedanken möchte, dann tue ich es unbeirrt auch dann, wenn jemand anderes mich gerade in diesem Augenblick dazu auffordert.

Ich brauche dem anderen und mir keine Selbstständigkeit dadurch zu beweisen, dass ich das, was er sagt, zu tun ablehne. Auch dann, wenn es wahr ist, dass man zum Groß-und-stark-Werden Nahrung braucht; auch dann, wenn es wahr ist, dass Eltern für die Nahrung ihrer Kinder arbeiten, auch dann isst der gesunde Mensch nur, wenn er hungrig ist, und er beendet die Mahlzeit, wenn er sich satt fühlt. Das gilt in entsprechender Weise für alle Bedürfnisse, sofern der Mensch fröhlich und gesund ist und kein verklemmter Muss-Mensch bleiben will.

Dies gilt natürlich auch für den Umgang mit diesem Buch. Lesen Sie es als fröhlicher Möchte-Mensch und nehmen Sie sich die Kapitel ganz nach Ihrem Geschmack vor. Bitte denken Sie daran, dass neue Erkenntnisse erfreulich den Durchblick vermehren. Sie machen aber schnell ärgerlich, wenn es einem nicht gelingt, sie in sein Leben umzusetzen. Dies ist nicht immer leicht, deshalb ist vielleicht die Einsicht tröstlich: Alle Menschen müssen da durch, auch uns geht es nicht anders!

2. Erkenntnis als Voraussetzung für sinnvolles und zielgerichtetes Handeln

Für den nach Entwicklung strebenden Menschen ist eine zentrale Fragestellung an sich selbst: „Wie gehe ich in bestimmten Stress- und Belastungssituationen mit mir um? – Bin ich liebevoll zu mir, d. h., behandle ich mich achtsam und rücksichtsvoll, so, wie man dies mit jemand Wichtigem tut? Bin ich aufmerksam mir gegenüber, achte und respektiere ich meine Gefühle und Bedürfnisse? Bin ich nachsichtig und geduldig mit mir? Akzeptiere ich mich und achte ich mich und meinen Körper so, wie ich bin? Mag ich mich eigentlich?“

Oder: „Fordere ich vielleicht von mir selbst immer mehr als von anderen? Stelle ich die Interessen anderer oft über meine eigenen? Bin ich immer wieder bereit, Opfer zu bringen, um die Anerkennung anderer nicht zu verlieren? Bin ich ärgerlich mit mir und beschimpfe mich vielleicht sogar laut, wenn ich einen Fehler gemacht habe oder ‚nicht gut genug‘ war? Leide ich unter der Kritik oder auch der Interesselosigkeit anderer?“

Weil die meisten dieser Reaktionsmuster unterhalb der Bewusstseinsschwelle ablaufen, ist die spontane richtige Beurteilung des Verhaltens zu sich vom Betroffenen selbst in der Regel nur schwer oder unvollständig möglich. Selbst wenn solche Muster erkannt werden, fehlt im Allgemeinen eine geeignete Methodik, um selbstschädigendes und erfolgshemmendes Verhalten zu ändern und Selbstzweifel und Stress abzubauen. Nichtsdestoweniger liegt hier aber oft die eigentliche Ursache für eine Vielzahl von Problemen sowie von Konflikt- und Krisensituationen, von Gesundheitsbeeinträchtigung bis hin zu ernsthaften Erkrankungen.

Es ist ein Verdienst der Psychoanalyse, Zusammenhänge zwischen vielen Problemen und der Lebensgeschichte aufgedeckt zu haben: zum Beispiel in der Kindheit erlebte Erziehungsmaßnahmen durch Erwachsene – wie Schimpfen, Bestrafungen, Zorn und Ärger, Missbilligung oder gar dem Kind gezeigte Ablehnung wegen seines Verhaltens –, die dann später oft zu Selbstvorwürfen führen und das beängstigende Gefühl hinterlassen, weniger (liebens-)wert zu sein. (Siehe auch J. Derbolowsky: Wodurch wurde ich, wie ich bin; 2014)

Da in der Kindheit die Fähigkeit zu eigenem rationalen Bewerten einer Situation erst entwickelt werden muss, übernimmt das Kind zwangsläufig zunächst die Wertewelt der Erwachsenen, und zwar so, wie es diese gefühlsmäßig eingefärbt erlebt. Nicht selten bleiben dann die einmal akzeptierten – aber eigentlich fremden – Bewertungen ein Leben lang bestimmend für den Menschen. Das als Kind erlebte, schmerzhafte Gefühl von Minderwertigkeit wirkt so – losgelöst vom ursprünglichen Erlebnis – als reine, emotional aufgeladene Bewusstseinsqualität (Empfindung) beim Erwachsenen weiter und belastet entsprechend seinen Selbstwert, sein Selbstvertrauen, seine Einstellungen und sein Verhalten gegenüber sich selbst und der Welt.