Statt Land Insel - Silvia Weihermüller - E-Book

Statt Land Insel E-Book

Silvia Weihermüller

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Beschreibung

Biohof statt Filmset: aus der Großstadt in die dänischen Südsee Hyggelige Idylle, ausgedehnte Strände, tiefblaues Wasser: Silvia und Guido Weihermüller zögern nicht lange, als sich die Gelegenheit ergibt, auf die dänische Ostseeinsel Ærø auszuwandern. Sie lassen das Stadtleben, Freunde und Familie hinter sich und stellen sich neuen Herausforderungen in der Natur. Denn vieles machen sie zum ersten Mal: Selbstversorgergarten, Wald und Wiesen wollen bewirtschaftet werden. Und dann kommen sie auf die Idee Wein anzubauen. Ein persönliches und anregendes Buch auf der Suche nach einer neuen Freiheit. Worauf noch warten? Ein mutiger Neuanfang in Dänemark Schon lange haben Silvia und Guido mit dem Gedanken gespielt, irgendwann einmal auszuwandern – irgendwann, was so viel bedeutet wie nie. Und dann geht alles plötzlich ganz schnell. Sie verlieben sich in die kleine dänische Insel Ærø, verkaufen ihr Haus und legen eine berufliche Vollbremsung hin.  Das Büro der Filmproduktionsfirma wird kurzerhand aufgelöst, viele private Verbindungen gekappt und ein Neuanfang gewagt. Kurzerhand tauschen sie das Filmset gegen einen Biohof mit sechs Hektar Land, einem Selbstversorgergarten, Obstbäumen, einem kleinen Wäldchen und zwei Pferdeweiden. Statt Dreharbeiten wird der Acker gepflügt und das Catering ist jetzt die eigene Gemüseernte. Drehbuch für ein neues Leben: Meer, Natur, Achtsamkeit und Selbstversorgung Ehrlich, humorvoll und voller Emotionen blicken Silvia und Guido in dieser Auswanderer-Story auf das Neue und Unbekannte, auf das, was auf sie zukommt, auf die Schwierigkeiten, sich in einem fremden Land zurechtfinden zu müssen, auf die Hürden, die sie überwinden müssen. Sie berichten aber auch vom echten Auswandererglück, von herzlichen Begegnungen, neuen Freundschaften und wie sie als typische Stadtmenschen anfangen das Leben auf der Insel für sich zu gestalten. Ein authentisches, fesselndes und motivierendes Buch, das zeigt, dass das Abenteuer Auswanderung gelingen kann!

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Seitenzahl: 213

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Schon lange haben Silvia und Guido mit dem Gedanken gespielt, irgendwann einmal auszuwandern – irgendwann, was so viel bedeutet wie nie. Und dann geht alles plötzlich ganz schnell. Sie verlieben sich in die kleine dänische Insel Ærø, verkaufen ihr Haus und legen eine berufliche Vollbremsung hin. Das Büro der Filmproduktionsfirma wird kurzerhand aufgelöst, viele private Verbindungen gekappt und ein Neuanfang gewagt. Kurzerhand tauschen sie das Filmset gegen einen Biohof mit sechs Hektar Land, einem Selbstversorgergarten, Obstbäumen, einem kleinen Wäldchen und zwei Pferdeweiden. Statt Dreharbeiten wird der Acker gepflügt und das Catering ist jetzt die eigene Gemüseernte.

Ehrlich, humorvoll und voller Emotionen blicken Silvia und Guido in dieser Auswanderer-Story auf das Neue und Unbekannte, auf das, was auf sie zukommt, auf die Schwierigkeiten, sich in einem fremden Land zurechtfinden zu müssen. Sie berichten aber auch vom echten Auswandererglück, von herzlichen Begegnungen, neuen Freundschaften und wie sie als typische Stadtmenschen anfangen das Leben auf der Insel für sich zu gestalten. Ein authentisches, fesselndes und motivierendes Buch, das zeigt, dass das Abenteuer Auswanderung gelingen kann!

Für Julia und Elliot.

Deutsche Originalausgabe

Copyright © 2023 von dem Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG, München

Ein Unternehmen der Média-Participations

Projektleitung: Dr. Hans Peter Buohler

Lektorat: Michael Lenkeit, Stuttgart

Gestaltung und Umschlaggestaltung: Favoritbüro, München

Grafikelemente © Shutterstock (cosmic_pony, AllNikArt,

GooseFrol, cgterminal)

Satz und Herstellung: Arnold & Domnick, Leipzig

ISBN 978-3-95728-703-8

Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich:

eBook (epub): ISBN 978-3-95728-796-0

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise.

www.knesebeck-verlag.de

Menü

Buch lesen

Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Impressum

Inhalt

Mich erinnern wer ich bin

Perspektiven

SOMMER 2020

Ærø

Liebe auf den ersten Blick

Bestandsaufnahme

Locationtour

Käse, Brot und Wein

Reizüberflutung

Das fehlende Puzzleteil

Hygge

HERBST 2020

Entscheidungen

Reif für die Insel

Mut und Komfortzone

Stimmen

WINTER 2020/2021

Film ab!

Freiheit – eine Rückblende

Wer den Winter übersteht, der bleibt

Dänemark digital

In Hamburg sagt man »Tschüss«

Alles ist schöner auf Ærø

Dreiseithof

Wie, ihr geht weg?

Der Kater Pablo

Weihnachtsfest – Wunsch und Wirklichkeit

Tatendrang

Wenn alte Mauern sprechen

Nachbarschaft

Krankheit als Chance

Schneesturm auf der Insel

Traumberufe

Die Sache mit der Sprache

Winterarbeit

Es gibt keine Sicherheit

Momentum

Wir werden Hobbywinzer

Identität

Bella Italia

FRÜHJAHR 2021

Nibbi

Mit voller Wucht

Bodenprobe

Nibbi, die Zweite

Wir werden Gastgeber

Apfelmann

Die Fähre

Rebenkurier

Im Belagerungszustand

Fremdeinwirkung

Til hat viele Häuser

Überraschungsbesuche

Terrasse mit Meerblick

Zwei Welten

Testfeld

Paketstation

Für sich selbst sorgen

SOMMER 2021

Geschwisterliebe

Rasenmäherunfall

Why Not

Hochzeitsinsel

Es geht ans Eingemachte

Inselliebe

Die Touristen kommen

Von wegen Männerspielzeug

Heldenreise

Tennisellenbogen

HERBST 2021

Pfälzer

Memo an mich

Ærøboer

Neue Möglichkeiten

Herbststurm

Umbau

Miteinander wach sein

Akkuschrauber

Ærø Vin

Herzlich willkommen Greta

WINTER 2021/2022

Viele erste Male

Geburtstagsanrufe

Heimatgedanken

Vandalismus

Naturgewalt

Ukrainekrieg

FRÜHJAHR 2022

Den Hof gestalten

Karma

Übertreibung

Pendeln zwischen den Welten

Überall Reben

Weinberg

Unterstützung

Volles Haus

Der große Tag

Weinbergeröffnung

Laura und Louisa

Vinsmagning

SOMMER 2022

Die ersten Kunden

Tomatenhaus

Grüne Hornisse

Die neue Welt der Tomaten

Der perfekte Tag

Kinderlied

Schneckenalarm

Freundschaft

Du bist, was du isst

Because

Mit Max im Legoland

HERBST 2022

Weggefährte

Supermarkt

Schwesterherz

Inspiration

Wir planen unseren Hofladen

Erntedank

WINTER 2022/2023

Hamsterrad

Systemkritik

Wie möchte ich alt werden?

Der Mut zu schreiben

Ein Stück vom Glück

Bildteil

Abspann

Enkel Max (4): »Habt ihr jetzt immer Urlaub?«

Tochter Julia (38): »Ich gebe euch sechs Monate,dann kommt ihr zurück!«

Mich erinnern, wer ich bin

Dieses Buch ist ein gemeinsames Projekt von Guido und mir. Aber schreiben muss jeder für sich. Es wird zwei Perspektiven geben, Guidos und meine Guido ist Journalist und Regisseur und schreibt schon sein Leben lang. Ich spreche gerne und viel. Aber schreiben? Eher nicht. Zusammen erstellen wir ein Konzept und überlegen uns eine Struktur für das Buch. Guido schreibt einige Seiten, und dem Verlag gefällt es. Daraufhin erhalten wir einen Vorschlag für den zeitlichen Ablauf. Bis März sollen wir alles abgegeben haben. Noch im Sommer soll das Buch auf dem Markt erscheinen. So weit, so gut.

Aber wie fange ich an mit dem Schreiben? Ich merke, mein Pippi-Langstrumpf-Motto »Das habe ich noch nie gemacht, also kann ich es« funktioniert hier nicht. Es fühlt sich eher an wie ein Sprung ins kalte Wasser – ohne schwimmen zu können. Ich habe meine Klappe mal wieder weit aufgemacht und zu schnell »Ja« gerufen. Ich habe Hemmungen und spreche mit meiner Familie. Guido sagt: »Das kannst du doch. Schreib einfach.« Typisch Guido. Wie kommt er nur darauf, dass ich schreiben kann? Den entscheidenden Tipp bekomme ich schließlich von Elliot, unserem Sohn: »Besorg dir einen Schreibcoach.« Er empfiehlt mir sogar einen: Franz. Ich nehme sofort Kontakt auf, und wir vereinbaren ein erstes Zoom-Gespräch. Ich erzähle ihm von uns und unserem Leben, erläutere unserer Idee und beschreibe meine Unsicherheit. Es ist ein angenehmes Gespräch. Er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus und lacht viel. Er sagt, ich solle keine Angst vor dem weißen Blatt haben, und empfiehlt mir, meine Texte einzusprechen, damit mein Erzählrhythmus, meine Emotionalität, meine Stimme erkennbar werden. Das ist genau das Werkzeug, nach dem ich gesucht habe. Ich bin begeistert und habe zum ersten Mal das Gefühl, direkt loslegen zu können. Franz hat mir Mut gemacht.

Wir vereinbaren eine Zusammenarbeit, und ich freue mich auf seine Begleitung.

Ich besorge mir ein Diktierprogramm und beginne damit zu schreiben. Es ist eine große Hilfe, eine Brücke, die mich rüberbringt ins Land des Schreibens. Schon nach kurzer Zeit frage ich mich nicht mehr, ob ich es überhaupt kann. Ich tue es einfach. Und das Schreiben macht etwas mit mir. Es führt mich zu mir. Denn in dem Buch soll es um die vergangenen zwei Jahre in meinem Leben gehen. Um Auswanderung und den Mut zur Veränderung.

Wir legen einen roten Faden fest, der uns das Schreiben erleichtern soll: die Chronologie der Ereignisse. Doch schnell merke ich, dass ich dauernd abschweife. Ständig fallen mir weitere Geschichten und Themen ein, über die ich schreiben möchte. Schreiben muss. Es fallen mir Dinge ein, von denen ich nicht wusste, dass ich sie vergessen habe, und ich beginne, in Fragmenten zu schreiben. Sie sind wie Puzzleteile meines Lebens.

Perspektiven

Dieses Buch ist nicht von langer Hand geplant. Wir hatten nicht vor, unser altes Leben anzuhalten, auf eine dänische Insel auszuwandern und etwas ganz Neues zu beginnen. Als Silvia mich fragt, ob wir zusammen ein Buch schreiben wollen, bin ich anfangs wenig begeistert. »Ich muss mein Leben erst erleben, bevor ich ein Buch darüber schreiben kann«, ist meine Antwort. Wir sind auf die Insel gekommen, um unsere Medienbubble, unser Hamsterrad mit Siebentagewochen und endlosen Arbeitstagen hinter uns zu lassen. Daher leuchtet es mir nicht ein, warum ich gerade jetzt ein Buch schreiben soll. Ich versuche, Silvia meine Demotivation zu beschreiben, und sie lenkt ein. »Das müssen wir ja nicht sofort entscheiden«, sagt sie. Das macht sie manchmal, wenn sie weiß, dass sie später doch noch bekommt, was sie will. Wir verständigen uns darauf, erst einmal anzukommen und, statt alles direkt aufzuschreiben, einfach unsere Erlebnisse, Gedanken und Fotos zu sammeln. Genau so, wie es passiert und wie wir sind.

Dann, nach dem ersten Jahr auf Ærø, landet das Thema wieder auf dem Tisch. Dieses Mal bin ich bereit dafür, fühle mich sicherer und denke, dass es sich lohnen könnte, Momente, die wir erlebt haben, noch einmal zu reflektieren und das, was wir vorhaben, zu dokumentieren. Aber wie soll das funktionieren, zusammen ein Buch zu schreiben? Silvia und ich sind ein gutes Team, aber wir sind auch sehr verschiedene Charaktere. Schließlich kommen wir auf die Idee, unsere gemeinsame Geschichte aus zwei Perspektiven zu erzählen. Das ist sinnvoll, denn auch wenn wir gemeinsam leben und erleben, lebt und erlebt jeder von uns individuell. Oft sind uns unterschiedliche Dinge wichtig. Vielleicht passen wir gerade deshalb so gut zusammen.

Silvia denkt, dass ich im Vorteil bin, weil ich als Regisseur schon viel geschrieben habe. Aber ein Buch über das eigene Leben ist damit nicht vergleichbar. Das Einzige, was wahrscheinlich gleich sein wird, ist, dass ich bis zur letzten Sekunde vor der Abgabe an dem Buch arbeiten werde.

SOMMER 2020

Ærø

Ein heißer Sommertag mit strahlend blauem Himmel. Fast lautlos teilt der Bug der Elektrofähre Ellen das spiegelglatte Wasser der Ostsee. Silvia und ich stehen auf dem Aussichtsdeck, genießen die Ruhe und den milden Fahrtwind. Ohne stampfenden Schiffsdiesel fühlt es sich auf der E-Fähre irgendwie unwirklich an. Beinahe wie eine Zeitreise. Als schwebe man über das Meer. Unsere Blicke sind auf einen Punkt am Horizont gerichtet. Es ist der Leuchtturm von Ærø, einer kleinen dänischen Ostseeinsel mit nur knapp 6000 Bewohnern. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Ærø wird schon in wenigen Wochen unser neues Zuhause sein. Wir werden unser Haus in Hamburg verkaufen, eine berufliche Vollbremsung hinlegen, das Büro unserer Filmproduktion auflösen und viele geschäftliche und private Verbindungen kappen. Wir steigen aus. Oder wie wir sagen: Wir haben ein neues Projekt. Und wir haben absolut keine Ahnung, worauf wir uns einlassen.

Während der Punkt am Horizont langsam Konturen annimmt, frage ich mich, was wir eigentlich gerade machen. Es fühlt sich mehr wie ein Kurzurlaub am Meer an. Auf jeden Fall nicht so, als stellten wir gerade die Weichen für unsere Zukunft. Erst vor ein paar Tagen hat Silvia mir den Link zu einer Immobilienanzeige gemailt. Ein Biohof auf einer dänischen Insel, deren Namen ich noch nie gehört hatte.

Wie meistens lag die Organisation komplett in Silvias Händen. Sie war es auch, die den Termin mit der Immobilienmaklerin vereinbart hat. Mit ihr wollen wir uns in den nächsten zwei Tagen mehrere, sehr unterschiedliche Immobilien ansehen. Vom Haus am Meer bis zum Bauernhof. Wobei ich bereits einen klaren Favoriten habe: ein Haus direkt am Jachthafen von Ærøskøbing, dem bekanntesten Ort der Insel. Morgens im Bademantel zum Schwimmen gehen, den kleinen Rosengarten pflegen und den Rest des Tages auf der Terrasse entspannen und aufs Meer schauen. Eine verlockende Vorstellung für mich.

Die Fähre hat den Leuchtturm erreicht, macht eine kleine Kurve und fährt dann parallel zur Insel weiter. Ich schaue über die Reling und erkenne einen Golfplatz, Bauernhäuser, Felder und Wiesen. Die Küste ist flach und gespickt mit vielen kleinen Sandstränden. Das Wasser ist tiefblau. Menschen sehe ich keine.

Unsere Freunde halten uns für mutig, da wir oft große Wagnisse eingehen. Das haben wir mit unseren Filmprojekten über viele Jahre bewiesen. Wir lieben, was wir tun, haben uns Durchhaltevermögen antrainiert und gelernt, mit schmerzvollen Rückschlägen umzugehen. Wir fühlen uns immer noch jung genug für neue Herausforderungen, und wir haben keine Angst zu scheitern, denn auch das haben wir schon erlebt und überlebt.

Ellen hat den Hafen erreicht und verringert das Tempo. Langsam öffnet sich der Bug. Wie ein Theatervorhang, hinter dem der Blick auf das Bühnenbild des ersten Aktes unseres Abenteuers fällt. Doch statt einer imposanten Fanfare dröhnt nur eine blecherne dänische Lautsprecherdurchsage über das Autodeck. Ich verstehe kein Wort.

Vor uns liegt der kleine Ort Søby. Links die Marina mit vielen Segeljachten und Motorbooten, rechts eine Werft mit dem Industriecharme des vergangenen Jahrhunderts. Wir fahren mit unserem Bulli von der Fähre und entdecken Iris, die Maklerin, auf dem gegenüberliegenden Parkplatz. Sie steht neben einem roten Camper und wirkt sehr freundlich. Die grauen Haare hat sie zum Zopf gebunden. Nach einer kurzen Begrüßung fragt sie, ob wir gleich den Biohof sehen wollen oder erst eines der anderen Objekte. Für Silvia ist klar: zuerst den Biohof. Die Fahrt dauert nicht lange, und doch sind wir sofort in einer anderen Welt. Die Straße führt uns einen Hügel hinauf durch den Ort. Wir entdecken Finns Baggeri (eine Bäckerei), einen Geldautomaten, einen Minigolfplatz und einen Loppe Market, so etwas wie ein Flohmarkt. Viele kleine, alte Häuser. Manche schick renoviert, die meisten jedoch nicht. Nach einem Möbelgeschäft lassen wir Søby hinter uns, und der Blick über die Insel öffnet sich zum ersten Mal. Wir sehen nur noch Grün. Und das Meer. Ich muss tief durchatmen, so schön ist es hier.

Schon nach einem Kilometer sind wir an der ersten Station unserer Besichtigungstour angekommen. Es ist kaum zu glauben: Der Hof, der Garten, alles sieht genauso aus wie auf den Fotos – nur noch viel schöner. Iris stellt uns die Besitzer Johannes und Dorit vor, die etwas zurückhaltend auf uns reagieren. In Dänemark ist es üblich, dass die Hausbesitzer dem Makler die Arbeit mit den Kaufinteressenten überlassen. Und so führt uns Iris durch das Haus und über das Grundstück.

Liebe auf den ersten Blick

Es ist alles so grün. Es ist alles so schön. Verwildert. Voller Blumen. Es duftet nach so vielem. Ich bin sofort verbunden mit diesem Ort. Es ist, als hätte das Haus auf uns gewartet. Im Inneren ist es hell und freundlich.

Das Grundstück ist riesig. Iris, die Maklerin, führt uns herum. Johannes und Dorit, die Besitzer, treffen wir im Gemüsegarten, in dem gerade rote und gelbe Himbeeren geerntet werden wollen. Gelbe Himbeeren kannte ich bisher nicht. Sie sind wahnsinnig süß und lecker. Überall wachsen Kräuter, Gewürze und Gemüse. Dorit nennt Namen, von denen ich noch nie gehört habe. Mir dreht sich der Kopf und ich frage mich, ob ich das alles lernen kann. Ich bin beeindruckt von Johannes’ und Dorits Geschichte, von ihrem Schaffen hier an diesem Ort in den vergangenen zehn Jahren. Und sie machen mir Mut, dass auch wir es schaffen können.

Vom Boden, vom Strauch direkt in den Mund. Wann habe ich das zum letzten Mal gemacht? Ich probiere wilden Fenchel und denke: Wozu braucht man Kaugummi? Ich esse Radieschen und stelle fest, dass sie viel schärfer sind als die aus dem Supermarkt. Alles schmeckt unglaublich intensiv.

Dann die Blumenwiese: alles voller Insekten. Nie habe ich so viele Schmetterlinge auf einmal gesehen. Die Felder, auf denen zwei Pferde grasen, Findus und Florina. Der magische Elfenwald, die Teiche und das ans Grundstück angrenzende Naturschutzgebiet mit dem Vitsø. Es riecht nach Erde, nach Sommer, nach Glück. Eine große Stille herrscht an diesem Ort. Wir hören nur das Summen der Bienen und das Zwitschern der Vögel.

An einem besonders schönen Platz auf einem der Felder steht ein Tisch mit Blick auf den Vitsø. Dort setzen wir uns gemeinsam mit der Maklerin hin und sprechen über unsere ersten Eindrücke. Ich bin hin und weg von diesem Ort und kann mich kaum bändigen. Für mich ist es Liebe auf den ersten Blick. Als Kind habe ich zusammen mit meiner Mutter oft Rosamunde-Pilcher-Filme geschaut – ich weiß, dass sie sich genau so einen Ort immer gewünscht hat. Ich kann und will meine Begeisterung vor Iris nicht verheimlichen. Guido geht da viel taktischer vor. Aber vielleicht ist er auch einfach noch nicht so weit.

Bestandsaufnahme

Das Grundstück des Biohofs ist riesig. Sechseinhalb Hektar Land gehören dazu – wenn wir wollen. Wir könnten den Hof auch »nur« mit dem Hausgrundstück erwerben, das wären dann 2000 Quadratmeter, immer noch viel mehr als bei unserem alten Haus. Ich weiß nicht einmal, wie groß ein Hektar überhaupt ist, und recherchiere es schnell auf dem Handy. Insgesamt 65 000 Quadratmeter, so viel wie acht Fußballfelder. Was soll man damit nur anfangen?

Der Zustand des Hauses ist überraschend gut. Die Besitzer haben den Hof von Grund auf saniert und dabei auch zwei Ferienwohnungen und ein Yogastudio eingerichtet. Wärmepumpe, Kaminöfen, Fußbodenheizung, Fenster und Türen, alles ist in Ordnung. Vom Wohnzimmer aus hat man einen wunderschönen Blick auf den Vitsø und das dahinter liegende Meer. Natürlich fühlt es sich in diesem bewohnten Haus fremd an, aber es hat eine gute Atmosphäre. Dorit ist nicht nur Yogalehrerin, sie ist auch etwas »esoterisch« unterwegs, überall liegen spirituelle Gegenstände herum. Sie erzählt uns, sie habe alle bösen Geister aus dem alten Gemäuer vertrieben. Okay, kann ja nicht schaden, denke ich.

Johannes dagegen ist eher ein Pragmatiker. Er beantwortet unsere Fragen konkret und auf den Punkt. Das Krasseste ist der Preis. Er beträgt nur einen Bruchteil von dem, was so ein Objekt an der deutschen Ostseeküste kosten würde. Ich suche nach dem Haken, aber es scheint einfach keinen zu geben. Natürlich ist alles viel zu groß, und das Haus liegt auch nicht direkt am Wasser. Außerdem sieht es nach super viel Arbeit aus. Das ist definitiv nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Aber es gibt ja noch ein paar andere Immobilien, die wir uns ansehen wollen.

Locationtour

Nach einer guten Stunde brechen wir auf zur zweiten Immobilie. Wir fahren auf der Hauptstraße durch kleine gepflegte Dörfer mit lustig klingenden Namen: Leby, Bregninge, Vindeballe und Tranderup. Links ist die Ostsee – und rechts auch. Ich frage Silvia, ob sie sich wirklich vorstellen kann, auf einer Insel zu leben. Sie antwortet: »Lieber von Wasser umgeben als von Idioten.« Wir lachen, und die Sonne lacht mit.

Wir biegen nach Ærøskøbing ab und fahren hinunter zum Jachthafen. Ein cooles Haus. Schick und dezent dänisch eingerichtet. Viel eher das, was ich mir vorgestellt habe. Offene Küche mit angrenzendem Wohn- und Essbereich, ein schönes Arbeitszimmer, Terrassen und ein kleines, überschaubares Grundstück. Nur leider geht der Blick nicht wirklich aufs Meer, sondern auf einen Kinderspielplatz, der zum Jachthafen gehört. Und noch einen zweiten entscheidenden Nachteil hat das Haus: Es liegt nur knapp zwei Meter über dem Meeresspiegel. Bei den hiesigen Winterstürmen und in Anbetracht steigender Wasserstände vielleicht keine so gute Idee.

Käse, Brot und Wein

Ærøskøbing ist ein malerischer Ort. Wegen der schmalen Gassen, dem Kopfsteinpflaster und den schönen, denkmalgeschützten Fachwerkhäusern aus dem 18. Jahrhundert auch »Märchenstadt« genannt. Unser erster Weg führt uns zu einer kleinen Pension mitten in der Innenstadt, wo wir für zwei Nächte ein kleines Zimmer gemietet haben. Dusche und Toilette teilen wir uns mit den anderen Gästen. In Ærøskøbing scheinen sich Vergangenheit und Gegenwart zu vereinen. Wir sehen einen beschaulichen Marktplatz, Restaurants, Bäcker, Boutiquen, Eisdielen, Friseure, ein Museum und einen Lebensmitteldiscounter.

In der Pension machen wir uns frisch für den Abend. Iris hat uns den Vester Strand mit den kleinen bunten Badehäusern ans Herz gelegt. Der Sonnenuntergang dort sei grandios. Auf dem Weg dorthin fragen wir in einem Restaurant, ob sie gegen 21 Uhr noch geöffnet haben. Nachdem das bejaht wurde, spazieren wir weiter durch die kleine Stadt, am Jachthafen vorbei bis hin zum Meer. Wir ziehen die Schuhe aus, fühlen den Sand und das Wasser an unseren Füßen und sind glücklich. Unser Vorhaben ist aufregend und verrückt. Und dennoch ist da immer der Gedanke: Warum nicht? Ich bin verliebt in den Augenblick und verliebt in meinen Mann. Ich bin beeindruckt, wie offen und freudig er auf die mögliche Veränderung zugeht. Was für ein magischer Moment in unserem Leben. Aber Magie hin oder her, irgendwann macht sich der Hunger bemerkbar, und wir gehen zurück zum Restaurant. Die Lichter brennen tatsächlich noch. Doch Essen können wir nicht mehr bestellen. Und das gilt überall. Es ist 21 Uhr und damit zu spät.

Lektion eins auf der Insel: Stelle deine Fragen präzise und gehe nicht davon aus, dass alles so ist, wie du es aus der Stadt gewohnt bist.

Zum Glück hat der Supermarkt noch auf. Brot, Käse, Schinken, Wein, dazu eine Parkbank in der Nacht – was brauchen wir mehr?

Reizüberflutung

Der Biohof oder das Haus am Jachthafen? Alle anderen Immobilien, die wir uns am zweiten Tag angeschaut haben, kommen nicht infrage. Ich fühle ich mich überfrachtet mit Informationen, Bildern und Gefühlen. Die Eindrücke von den Besichtigungen der verschiedenen Häuser vermischen sich in meinem Kopf. Die totale Reizüberflutung. In meinem Beruf als Regisseur müsste ich mich nach so einer Locationtour jetzt entscheiden, in welchem Motiv ich drehen möchte. Hier geht es aber nicht um eine Filmszene, hier geht es um den Ort, an dem wir unser zukünftiges Leben verbringen möchten.

Die Nachmittagssonne in Ærøskøbing ist warm und angenehm. Wir setzen uns in ein Café, trinken Cappuccino und schreiben die Vor- und Nachteile unserer beiden Favoriten auf.

Bei dem Haus am Jachthafen stehen als positive Aspekte:

- gute Lage: nah am Meer und zugleich im Ort (Einkauf etc.)

- gute Bausubstanz

- schicke Einrichtung und gute Raumaufteilung

- unkompliziert, einfach zu pflegen

Negative Punkte sind:

- nicht hoch genug über dem Meeresspiegel

- verhältnismäßig teuer

- wenig Wohnfläche, nur ein Gästezimmer im Keller

Beim Biohof überwiegt das Positive bei Weitem:

- tolle Lage inmitten der Natur

- Blick auf das Naturschutzgebiet und das Meer

- zwei Ferienwohnungen zum Vermieten und für Besuch von Freunden und Familie

- Gemüsegarten

- Obstbäume

- riesiges Grundstück mit Wald und Wiesen

- saniertes Gebäude mit Energieeffizienzklasse A

- usw. usf.

Silvia fällt kein einziger Nachteil ein. Mir schon:

- es liegt nicht direkt am Meer

- macht viel Arbeit

Dennoch diskutieren wir nur kurz. Die Argumente für das Haus am Jachthafen sind schwach. Der Biohof hat einfach viel mehr zu bieten. Vor allem mehr Möglichkeiten. Silvia schreibt das Wort fett auf die Liste: MÖGLICHKEITEN.

Mir wird klar, wonach wir in Wahrheit gesucht habe – nicht nach einem Ort, an dem man nur endlos in die Landschaft oder aufs Meer schauen kann, sondern nach einem Ort, der Möglichkeiten bietet, etwas Neues zu erschaffen. Einen Neuanfang zu starten. Silvia geht es genauso. Aber für sie war der Biohof ja sowieso die einzige Option. Ich habe eine schlaue Frau.

Wir beschließen, am nächsten Morgen auf dem Rückweg zur Fähre noch einmal beim Biohof anzuhalten und mit Dorit und Johannes zu sprechen. Womöglich brauchen wir einfach noch ein letztes kleines Zeichen, dass wir das Richtige tun. Denn ich frage mich: Warum wollen sie ihr Leben an diesem traumhaften Ort überhaupt aufgeben?

Das fehlende Puzzleteil

Vor wenigen Wochen besuchten wir unseren Sohn Elliot in Heidelberg. Er hat zusammen mit ein paar anderen Studenten ein Stück Ackerland gepachtet, um dort Obst und Gemüse anzubauen. An einem Abend sind wir gemeinsam mit seiner Freundin Thea dorthin geradelt, um das Gemüse zu wässern. Wir waren sofort begeistert von dem Ort, der Schönheit der Natur und dem Thema Selbstversorgung. Mensch und Natur im Einklang miteinander.

Bisher erlaubte uns unser Leben als Filmemacher nur einen kleinen Garten mit ein paar Tomaten und Kräutern. Der Besuch in Heidelberg macht etwas mit uns. Er erweitert unseren Horizont, auf einmal bieten sich ganz neue Möglichkeiten.

Zurück in Hamburg ändere ich den Filter unserer Immobiliensuche im Internet. Ab sofort suchen wir kein Haus, sondern einen Bauernhof. Der erste, der mir vorgeschlagen wird, ist ein Biohof auf Ærø. Ein Dreiseithof mit Reetdach. Weiße Mauern, blaue Türen, überall Blumen – Bullerbü. Aber Ærø? Wo ist das? Dänische Südsee? Ich suche und stelle fest, dass die Insel von Hamburg gar nicht so weit weg liegt, zweieinviertel Stunden mit dem Auto und dann noch eine Stunde mit der Fähre. Ich zeige Guido Bilder vom Hof, und er hält mich überraschenderweise nicht für verrückt. Nur zwei Wochen später machen wir uns auf den Weg zur Insel.

Hygge

Der Biohof ist immer noch so schön wie beim ersten Mal. Ohne die Maklerin zeigen sich Dorit und Johannes sehr viel offener und lockerer. Sie bieten uns Tee, Kaffee und Kekse an, und schnell sind wir in tiefen Gesprächen. Wir setzen uns in den Garten und spüren, dass sie diesen Ort sehr lieben. Das ist gut. Und sie sagen, dass ihre zehn Jahre, die sie hier sein wollten und in denen sie den Hof aufgebaut haben, jetzt zu Ende gehen. Der Rest ist privat. Wir verabschieden uns herzlich und vereinbaren, in Kontakt zu bleiben. Es gibt nämlich noch andere Interessenten. Johannes begleitet uns zum Parkplatz und sagt: »Der Hof sucht sich seine neuen Besitzer selbst aus.«

Mit einem guten Gefühl fahren Silvia und ich zur Fähre. Wir sind schon an Bord, als wir Dorit mit dem Fahrrad ankommen sehen. Sie läuft auf das Schiff und drückt uns einen Zettel mit ihrer Mobilnummer in die Hand. »Wenn ihr Fragen habt, dann ruft mich an«, sagt sie. Wir umarmen sie und uns. Dann legt die Fähre ab. Kitschiger hätte Rosamunde Pilcher es nicht schreiben können.

HERBST 2020

Nach der Rückkehr von Ærø geht alles ganz schnell. Wir sind uns einig. Wenn wir die Chance bekommen, den Biohof zu kaufen, dann machen wir es. Es ist ein Glücksfall, dass wir es beide gleichermaßen wollen. Wir sind bereit, unserem Leben eine völlig neue Richtung zu geben. Aber wie löst man sein aktuelles Leben auf? Und kann man ein neues einfach so beginnen?

Entscheidungen

Ich donnere mit dem Transporter über die Autobahn. Neben mir sitzt unser Sohn Elliot (23), und wir sprechen über Das Kapital. Elliot schreibt gerade eine Hausarbeit über Karl Marx und liest mir aus dem ersten Band vor: »Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ›ungeheure Warensammlung‹, die einzelne Ware als seine Elementarform.« Ich denke, Marx hatte recht, denn der Transporter ist bis unters Dach vollgepackt. Obwohl wir uns von vielem getrennt haben, besitzen wir immer noch jede Menge »Zeug«.

Ich frage mich, wie Elliot sich wohl dabei fühlt. Einerseits hat er mit seinem Philosophiestudium in Heidelberg ein völlig eigenes Leben. Andererseits drehen seine Eltern gerade durch, verkaufen das Zuhause seiner Kindheit und wandern nach Dänemark aus. Die Autofahrt gibt uns Zeit unsere Gedanken auszutauschen.