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Das Attentat von Claus von Stauffenberg auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 ist eines der wichtigsten Daten der jüngeren deutschen Geschichte. Von Stauffenberg selbst und sein gescheiterter Versuch, den nationalsozialistischen Wahnsinn zu stoppen, sind inzwischen zu einem Mythos geworden, das Gedenken ist ritualisiert. Sophie von Bechtolsheim erzählt von den zahlreichen Stauffenberg-Bildern, die ihr im Laufe ihres Lebens begegnet sind – in der Wissenschaft, in den Medien, in der Familie. Sie fragt danach, wie Stauffenberg und die anderen Protagonisten des 20. Juli heute noch Vorbilder sein oder es wieder werden können. Und sie stellt sich die Frage, wie Verantwortung und Schuld zusammenhängen und wieviel uns heute Freiheit wert ist.
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Seitenzahl: 120
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Sophie von Bechtolsheim
Stauffenberg – mein Großvater war kein Attentäter
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart
Umschlagmotiv: © ullstein bild – Stiftung 20. Juli 1944
epub-Konvertierung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand
ISBN E-Book: 978-3-451-81878-3
ISBN Print: 978-3-451-07217-8
Inhalt
Immer wieder: Wer war Claus Graf Stauffenberg?
Die Annäherung an meinen Großvater
Das Erbe des Widerstands: Gegen die Zukunftslosigkeit
Dank
Über die Autorin
Was ein Mensch eigentlich ist, – ich, der, jener – das ist letztlich doch nicht aussagbar. Für mich nicht, über mich und über andere erst recht nicht. Die Behutsamkeit und die große Ehrfurcht müßten immer die Haltungen sein, mit denen man in die Nähe eines Menschen kommt.
Alfred Delp, 1943
Immer wieder: Wer war Claus Graf Stauffenberg?
Wenn ich im Bendlerblock stehe, dort, wo mein Großvater in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossen worden ist, müsste ich eigentlich tief traurig sein. Das sagt mir der Verstand. Große Trauer allerdings will sich nicht einstellen. Vielleicht kann man nicht so recht trauern um jemanden, dem man persönlich nie begegnete. Obwohl ich – und das wird mir gerade an diesem Ort bewusst – meinem Großvater viel verdanke, nicht zuletzt mein Leben. Mein Gefühl lässt sich, ob ich im Bendlerblock an ihn denke oder vor seinem Bild auf der Kommode, am ehesten mit Neugier, vielleicht sogar einem Hauch von Sehnsucht beschreiben. Und dann schwingt auch diese Frage mit: Wer war er, wer war mein Großvater? Eines aber weiß ich gewiss: Die Persönlichkeit meines Großvaters lässt sich nicht darauf reduzieren, Attentäter gewesen zu sein. Er entspricht nicht dem Typus, unter dem wir uns den Attentäter schlechthin vorstellen. Seine Geisteshaltung, seine Motive, seine Lebensleistung zusammenzuschnüren und sein ganzes Leben auf die Tat am 20. Juli 1944 hin zu stilisieren, wird ihm nicht gerecht. Er gehört nicht in die Reihe all derer, deren Ziel einzig die Gewalt, einzig die Aufmerksamkeit durch einen Mordanschlag ist.
Über den 20. Juli 1944 ist viel geforscht und geschrieben worden. Eine Vielzahl von Autoren, die Presse, Dokumentar- und Spielfilme haben immer wieder die Ereignisse um den 20. Juli 1944 behandelt. Ein Attentat auf Adolf Hitler sollte das Ende der nationalsozialistischen Verbrechen und einen Neubeginn unter rechtsstaatlicher Ordnung ermöglichen. Der Umsturzversuch ist gescheitert. An ihm waren viele Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung, aus zivilen, militärischen und auch kirchlichen Kreisen beteiligt. Im Zentrum des Interesses steht seit jeher Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der am Ende die Planungen zum Umsturz vorangetrieben hat und am 20. Juli 1944 einen Sprengsatz unter dem Kartentisch des Führerhauptquartiers in Ostpreußen deponierte. Die Fixierung auf die Person Stauffenbergs ist über die Jahrzehnte geblieben, obwohl nach dem 20. Juli 1944 etwa 200 Menschen, die unmittelbar an den Plänen beteiligt waren, verfolgt, verhaftet und hingerichtet wurden.
Diese Fixierung ist fatal, denn zum einen scheint sie die Propaganda der Nationalsozialisten aufzunehmen, es habe sich nur, wie Hitler sagte, um »eine ganz kleine Clique« von Verschwörern gehandelt. Zum anderen geraten die Leistungen all der anderen aus dem Blick, die ihr und das Leben ihrer Familie für den Widerstand gegen die nationalsozialistische Tyrannei aufs Spiel gesetzt haben. Der verengte Blick hat noch einen anderen, folgenschweren Nachteil: Stauffenberg muss als Projektionsfläche für alle möglichen Deutungen herhalten. Mal wird er als Übermensch verehrt, der eine »Mission Impossible« auszuführen hatte, ähnlich dem Protagonisten der gleichnamigen Spielfilme. Dann wieder wird diese angeblich unanfechtbare Lichtgestalt spektakulär vom hohen Sockel gestoßen. Der vermeintliche Held verdiene nicht nur keine Verehrung, sondern tauge noch nicht einmal als Vorbild. So geht das nun seit fast 75 Jahren. Die DDR-Geschichtsschreibung zum Beispiel hatte versucht, ihn in den antifaschistischen Klassenkampf zu integrieren, in heutiger Zeit bemüht sich die Neue Rechte, ihn für ihren Nationalismus zu vereinnahmen. Die Versuche, Stauffenberg zu instrumentalisieren und für eigene politische, historiografische oder soziologische Theorien heranzuziehen, sind nicht neu.
Die Geschichtswissenschaft hat die Ereignisse des 20. Juli 1944 intensiv aufgearbeitet. Es sind viele Biografien und Übersichtswerke entstanden, die über die Umstände, die Ereignisse und viele Beteiligte umfassend aufklären. Dennoch: In die öffentliche Wahrnehmung geraten profunde historische Erkenntnisse über die komplexen Strukturen der Widerstandskreise und ihre vielen, einzelnen Persönlichkeiten kaum mehr. Das hat mehrere Gründe. Die Geschichte des 20. Juli 1944 ist kompliziert und sperrig; es bedarf sorgfältiger Kenntnis und aufwendiger Lektüre, um die Zusammenhänge zu verstehen. Zudem scheinen die Protagonisten aus der Zeit gefallen und fast nie dem Mainstream zu entsprechen. Stauffenbergs Porträt des charismatischen, blendend aussehenden jungen Mannes eignet sich außerdem bestens für die in der multimedialen Darstellung ikonografisch wirkenden Bilder, an denen man sich positiv wie negativ abreagieren kann. Der Mensch Stauffenberg wird verschüttet. Runde und halbrunde Jahrestage bilden oftmals marketingstrategische Anlässe, Neues, Unerhörtes zu diesem Thema auf den Markt zu werfen. Das war auch anlässlich des bevorstehenden 75. Jahrestags des 20. Juli nicht anders zu erwarten. Nicht die umfangreiche Forschungsarbeit über das weit verzweigte und in sich verwobene Netzwerk der Verschwörer von Linda von Keyserlingk-Rehbein, nicht die gründliche, kluge Essenz der bisherigen Erkenntnisse, mit denen sich Ulrich Schlie der Persönlichkeit Stauffenbergs widmet, erregen Aufsehen. In den meisten Feuilletons wird vielmehr eine neue Biografie über Stauffenberg nacherzählt, die nahelegt, Stauffenbergs Handeln, und insbesondere das Attentat, sei direkt den Einflüssen des Dichters Stefan Georges entsprungen. Diese Komposition basiert auf fragwürdigen wissenschaftlichen Methoden, auf »Indizienketten« und »Analogien«, die der Autor aus den Quellen zusammensammelt, wenn sie zu seiner These passen. Auf der Strecke bleiben hier nicht nur wieder einmal all die anderen Verschwörer, deren Motive sich nicht auf George als den angeblich eigentlichen »Urheber des Attentats« zurückführen lassen und die darum auch keinen angemessenen Platz in der Geschichte des 20. Juli einnehmen können. Auf der Strecke bleibt auch jedes Verständnis der ernsthaften moralischen Motivation für den Einsatz des eigenen Lebens zum Wohle des Ganzen. Auf der Strecke bleibt die unbequeme Frage, ob es zeitlos gültige, unverhandelbare Dinge gibt, die keiner historischen oder kulturellen Relativierung unterworfen werden können und die uns abverlangen, etwas für ihren Erhalt zu riskieren. Reduziert man Stauffenberg nur auf die Tat, wäre er tatsächlich nur »der Attentäter«, der die Tat um ihrer selbst willen ausgeführt hätte. Dann hätte er keine Gedenktafel, keine Straßenbenennung, keine Rede, hätte er keine Aufmerksamkeit verdient.
Stauffenberg trägt nicht die Verantwortung dafür, dass sich das öffentliche Interesse auf ihn konzentriert, dass dieses Interesse mitunter exotische Blüten treibt, dass sein Bild zu einem Pop-Art-Zeitschriftencover mutiert oder er selbst zu einem schrägen Ewig-Gestrigen, der nichts anderes im Kopf gehabt habe, als Gedichte in eine Bombe zu packen. Dagegen tragen wir aber die Verantwortung, uns einen solchen Menschen nicht als Objekt unserer Projektionen zu unterwerfen, sondern ihn sein zu lassen, wie er wirklich war – auch wenn wir uns dem natürlich nur annähern können.
In der Geschichtswissenschaft ist das Geschriebene mehr wert als das Gesprochene. Das Geschriebene lässt sich nachweisen, wörtlich belegen. Das Erzählte, vor allem das der Angehörigen, unterliegt immer dem Verdacht des Geschönten oder der irrtümlichen Erinnerung. Die Zeit des Nationalsozialismus allerdings erfordert besondere quellenkritische Umsicht. Die Wahrheit auszusprechen, die wahren Gedanken aufzuschreiben und Geschriebenes aufzubewahren war gefährlich. Die geeignete Strategie in solch einer Situation war, entweder gar nichts niederzulegen, nicht die wahren Überzeugungen wiederzugeben oder bereits Geschriebenes zu verstecken oder zu vernichten. Je weiter wir uns von der Lebensrealität entfernen, von der Zeitzeugen persönlich berichten können, je mehr wir also auf Schriftliches angewiesen sind, desto größer ist die Gefahr eines verfälschenden und verfälschten Eindrucks dieser Zeit. Um die Personen und Ereignisse in einem totalitären System zu verstehen, müsste man auch das erforschen, was nicht aufgeschrieben worden ist. Man müsste das Verschwiegene und das Verschwundene kennen. Das ist nicht möglich, aber immerhin gab und gibt es Zeugen, Menschen, die meinen Großvater persönlich kannten.
Familienangehörigen wird dabei nicht selten Parteilichkeit unterstellt, sie seien subjektiv und würden sich und anderen eine neutrale Sicht auf ihren berühmten Verwandten verweigern. So etwas liegt mir fern. Als Angehörige Stauffenbergs entkommen wir der intellektuellen Sippenhaft und dem Vorwurf der Subjektivität nicht. Und ich will auch gar nicht bestreiten, dass ich mich hier ganz subjektiv meinem Großvater nähere, den ich zudem nie persönlich kennengelernt habe. Zum Zeitpunkt meiner Geburt, 1968, lag sein Tod fast 24 Jahre zurück. Mein erlernter Beruf als Historikerin bietet mir jedoch das geeignete handwerkliche Rüstzeug für einen Blick auf diesen Mann, von dem ich inzwischen einiges weiß und vieles nicht weiß. Da geht es mir wie allen Mitmenschen, auch Historikern und Biografen, denen die absoluten Gewissheiten über den jeweils anderen versagt bleiben. Das stellt eine Versuchung dar. Es liegt nahe, die Ungewissheiten durch Eigeninterpretationen ersetzen zu wollen. Die Gefahr besteht, dass man soziologische und psychologische Kategorien wie Sandförmchen auf sein Sujet drückt. Wenn man sich aber bloß auf diese Weise eines anderen bemächtigt, entgeht einem vieles. Außerdem verliert man die Bandbreite aller Möglichkeiten, die sich in einem menschlichen Leben verwirklichen können, aus den Augen.
Mein Großvater wurde von allen Seiten betrachtet, ein knapp 37-jähriges Leben wurde über Jahrzehnte hinweg auseinandergenommen. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, Zeugnisse von ihm zu finden, die nicht längst bekannt sind. Dennoch droht seine Person in Deutungen unterzugehen, die nicht nur ihn, sondern auch die Geschichte der Erhebung vom 20. Juli 1944 und damit auch das Vermächtnis aller Verschwörer beschädigen. Ich habe mich aus aktuellem Anlass dazu entschlossen, die eigene Annäherung an meinen Großvater zu erzählen, die im ganz normalen, liebevollen Umgang in der Familie, durch beiläufige Erzählungen und Erinnerungen meiner Großmutter, meines Vaters und seiner Geschwister ihren Anfang nahm. Diese Annäherung war mir nur möglich, indem ich versucht habe, die Lebensumstände und Alltagsbedingungen im Deutschland der 1930er und 1940er Jahre besser zu verstehen. Nur so kann ich die Haltung meiner Großeltern einordnen und ihre Leistungen würdigen, die ich als vorbildlich und zeitlos erachte.
Mein Großvater hatte im April 1944 gesagt:
»[...] wenn das, was im Gange ist – und es ist im Gang –, so weitergeht, kann niemand von uns mehr leben, und dann ist auch Familie sinnlos, ist Familie nicht mehr möglich, gibt es sie nicht mehr.«
Er fühlte sich verantwortlich für die Zukunft seiner Familie und die Zukunft seines Landes. Für ihn war beides eng verknüpft, vielleicht sogar identisch. Insofern hat das familiäre Erbe immer auch etwas mit der politischen Dimension der Entscheidungen meiner Großeltern zu tun. Diese Erzählung kostet zugegebenermaßen einige Überwindung, da wir in unserer Familie bisher der Ansicht waren, dass solch persönlicher Blick keinerlei Relevanz für die Rezeption des Widerstands habe. Wenn er aber dazu dient, dass Claus Stauffenberg nicht weiterhin als Projektionsfläche krauser Deutungsexzesse herhalten muss, nicht als Lichtgestalt oder gefällte Superhelden-Statue stilisiert wird, nicht in eine etikettierte Schublade gesperrt, sondern als Mensch in seiner Gebundenheit, mit seinen Beschränkungen und in seiner Freiheit gesehen werden kann, hat sich dieser Blick gelohnt.
Die Annäherung an meinen Großvater
Wenn Großeltern sterben, geht eine Ära zu Ende. Wenn aber zwischen Sterben des Großvaters und Sterben der Großmutter viele Jahrzehnte vergangen sind, scheint es zunächst so, als würden sich die vollendeten Lebenskreise nur an einer kleinen Stelle überschneiden, so, wie wir es von den olympischen Ringen oder vom Emblem einer bekannten Automarke kennen. Wenn ich mir den Lebensring meiner Großmutter vorstelle, erscheint er in klaren Farben und Szenerien. Ich sehe Blumen, Patience-Karten, ihr Teeservice, Bücher, Zeitschriften und rutschige Teppiche auf dem Linoleum in den Räumen ihres Bamberger Hauses, die von einem leichten Dunst durchzogen waren. Ich höre Hundegebell, Weihnachtslieder, das Gute-Nacht-Gebet, ich rieche Hyazinthen, ihr Parfum, Bohnerwachs und den Tabak ihrer Orient-Zigaretten. Wenn ich mir den Lebensring meines Großvaters vorstelle, sind die Farben schwarz-weiß und sepia, Farben, die wir von alten, vergilbten Fotografien kennen. Ich höre nichts, ich rieche nichts, es erscheinen Bilder aus dem Fotoalbum und dem Geschichtsbuch, ich sehe eine Menge gedruckten Textes. Dieser Ring ist leicht verschwommen und verblasst. Er erhält Konturen und taucht aus dem dunstigen Nebel auf, wenn ich an die Erzählungen meiner Großmutter, meines Vaters und seiner Geschwister denke.
Meine Großmutter hatte die letzten drei Jahre ihres Lebens in einem kleinen unterfränkischen Dorf im Haus meiner Eltern verbracht. Sie konnte sich nicht mehr selbst versorgen und sie, die immer unabhängig und klug die Herausforderungen ihres Lebens gemeistert hatte, war nun auf Hilfe angewiesen, die sie zunächst nur widerwillig annahm. Mit der Zeit aber war sie, wie schon so oft in ihrem Leben, bereit, sich unabänderlichen Situationen anzupassen und das Beste daraus zu machen. Sie hatte weise ihr Leben aufs Alleinsein eingerichtet und sich immer zu beschäftigen gewusst.
Meine Großmutter war nun querschnittgelähmt und benötigte Unterstützung und Pflege. Sie klagte nie, hatte kein Selbstmitleid und war nicht zimperlich. Sie war immer gern allein gewesen. Jetzt aber genoss sie es, in Ferienzeiten von den immer zahlreicher werdenden Urenkeln umtost zu werden, die sich täglich das »Schokolädle« bei ihr abholten. Allein die Lebensjahre und der Abstand von vier Generationen hätten eine große gefühlte Distanz der Urenkel zur Urgroßmutter nach sich ziehen können. Das Gegenteil war der Fall. Im Alter unserer Kinder hatten wir Enkel neben Hochachtung auch immer eine Prise Furcht verspürt, etwas falsch zu machen oder zu erzieherischen Kommentaren Anlass zu geben. Die Urenkel aber begegneten ihrer Urgroßmutter viel freier, ohne unsere leise Furcht von damals, dennoch voller Respekt. Sie wiederum genierte sich nicht für ihre Behinderung und ihr Ausgeliefertsein, sondern begrüßte den kindlichen Forscherdrang und flankierte ihn mit nüchternen Sprüchen.
Sie starb hochbetagt mit 93 Jahren, körperlich zart und schwach geworden, geistig klar bis zuletzt, im großen Kreis ihrer Familie. Diese Familie war ihr Triumph über die Geschichte und es war ihr wichtig, dass wir uns alle kannten, nicht aus den Augen verloren und zueinander standen. So waren wir traditionell jedes Jahr an ihrem Geburtstag zusammengekommen, um sie zu feiern. In den letzten Jahren hatte sie ihren Wunsch, der keinen Widerspruch zuließ, stetig wiederholt, dass wir uns noch nach ihrem Tod regelmäßig treffen sollten. Diese Familie, die zur Zeit des Todes meiner Großmutter auf eine Schar von über 40 Personen angewachsen war, die nach wie vor weiter wächst und nach wie vor jährlich immer noch an ihrem Geburtstag zusammen feiert, hätte es eigentlich gar nicht geben sollen. Himmler hatte 1944 verkündet, die Stauffenbergs bis zum letzten Glied ausrotten zu wollen.