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Stigma - die zweite Krankheit: Schonungslos offenbart der bekannte Psychiater und Autor Asmus Finzen die aktuelle Realität psychisch erkrankter Menschen, für die Vorurteile und Diskriminierung oft schwerwiegende Komplikationen ihrer Erkrankung sind. Sein Fazit: Die aufwändigen Antistigmatisierungs-Kampagnen sind kläglich gescheitert. Finzen analysiert die Gründe. Er deckt Stigmatraditionen, -typen und -prozesse im Bereich psychischer Erkrankungen auf, klärt die Rolle der Massenmedien und die der Lehre. Er schult die Antistigma-Kompetenz seiner Leser/innen: Selbsthilfe, Psychoinformation und Psychoeduktion, Stigmamanagement sind überzeugende Konzepte gegen die Macht von Vorurteilen und Schuldzuweisungen. Es gibt kein Buch, das die gesellschaftlichen Hintergründe der Stigmatisierung so detailliert offen legt, wie dieses; es wird die gesellschaftspolitische Diskussion der kommenden Jahre prägen.
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Seitenzahl: 259
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Asmus Finzen
Stigma psychische Krankheit
Zum Umgang mit Vorurteilen,Schuldzuweisungen und Diskriminierungen
Asmus Finzen: Stigma psychische KrankheitZum Umgang mit Vorurteilen, Schuldzuweisungen und Diskriminierungen
1. Auflage 2013
© Psychiatrie Verlag GmbH, Köln 2013
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.
ISBN-ePub: 978-3-88414-856-3
ISBN-PDF: 978-3-88414-841-9
ISBN-Print: 978-3-88414-575-3
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Weitere Bücher zum Umgang mit psychischen Störungen unter: www.psychiatrie-verlag.de
Lektorat: Uwe Britten, textprojekte, Geisfeld
Umschlaggestaltung: GRAFIKSCHMITZ, Köln unter Verwendung eines Fotos von Harald Biebel / fotolia.com
Typografiekonzeption: Iga Bielejec, Nierstein
Satz: Psychiatrie Verlag, Köln
Homepage: www.psychiatrie-verlag.de
Buch lesen
Innentitel
Inhaltsübersicht
Informationen zum Autor
Impressum
Abbildungen
Vorwort
Psychose und Stigma – die Herausforderung
»Wer gesundet, kann nicht schizophren gewesen sein«
»Die Gedanken werden handgreiflich«
Identifikation – mit wem?
Krankheit und soziales Leid
Die »verrufene« Krankheit
Schizophrenie, die unverstandene Krankheit
Schizophrenie als Metapher
Der Schrecken des Wortes
Urteile, Vorurteile, Diskriminierung: Vorstufen der Stigmatisierung
Formen von Vorurteilen
Diskriminierung und Privilegierung
Urteile und Vorurteile
Krankheitsbedingte Einschränkungen
Kontinuität und Eskalation: die Allport-Skala
Stigma und Stigmatisierung
Wortbedeutungen
Traditionen der Stigmatisierung
Wurzeln der Stigmatisierung
Der Prozess der Stigmatisierung – Stigmatypen
Das angeborene Stigma
Stigma durch Krankheit
Das Stigma der Minderheitenzugehörigkeit
Psychisch Kranke: diskreditiert und diskreditierbar
Stigmatisierung, Ausgrenzung und sozialer Zusammenhalt
Soziale Repräsentationen und Vorurteile
Stigma by Courtesy: Sippenhaft
Worum geht es?
Bewältigungsversuche
Verhalten in Krisen und Selbsthilfe
Die psychiatrisch Tätigen
»Selbststigmatisierung«: bei psychischer Krankheit ein tauglicher Begriff?
Zur Soziologie der Selbststigmatisierung
Zur Bedeutung von Selbststigmatisierung in der Psychiatrie
Unterschiede zwischen Stigma und Selbststigma?
Selbststigmatisierer oder Stigmaopfer?
»Lohnt es sich denn, damit zu leben?«
Nicht mehr leben wollen
Suizid als Bilanz einer unerträglichen Lebenssituation?
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung
Krankheits- und behandlungsbedingte Suizidgründe
Schwindende Kraft
Aspekte der Hoffnung
Nicht mehr leben sollen: das Unwert-Vorurteil
Unberechenbar und gefährlich?
Auswirkungen der Attentate
Verminderte Toleranz, zunehmende Vorurteile
»Gewalttaten Geistesgestörter«
Psychische Krankheit und Gewalt
Prävention ist möglich
Gemeindenahe Versorgung braucht eine Gemeinde, die sich sorgt
Psychisch Kranke, die Medien und die öffentliche Meinung
Die öffentliche Meinung
Kluge Fachleute – dumme Öffentlichkeit?
Keine pädagogischen Anstalten
Vorurteile von heute sind Lehrmeinungen von gestern
Allgemeine Verunsicherung
Die sozialpsychologische Wende psychiatrischen Denkens
Die Erfindung der »schizophrenogenen Mutter«
Die Achtundsechziger, die englische Antipsychiatrie und die Folgen
Das zähe Leben eines Mythos: die Macht eines Wortes
Alles Schnee von gestern?
Mit klarem Kopf gegen die Stigmatisierung
Was haben wir falsch gemacht?
Unbekannte Ursachen – erhöhte Verletzlichkeit
Soziale und kulturelle Aspekte
Lange Vorlaufzeit
Der erste Schock
Begrenzte Kompetenz der Fachleute
Informationen sind wichtig
Veränderungen beginnen im Kopf
Die Rechte der Angehörigen
Selbsthilfe stärkt gegen Diffamierung
Als Gast bei der National Schizophrenia Fellowship
Freispruch der Familie
Angehörige als Experten
Psychiatrie-Erfahrenen-Selbsthilfe
Psychoinformation
Stigmabewältigung und »Entstigmatisierung«
Stigma-Management
Die Psychiatrie
Die Kranken
Die Angehörigen
»Antistigma-Arbeit von unten«
Antistigma-Kompetenz lehren
Mit der zweiten Krankheit umgehen lernen
Perspektiven
Der Rahmen: Stigmatisierung in Kultur und Gesellschaft
Vom moralischen Rigorismus zur Liberalität und wieder zurück
Mechanismen der Ausgrenzung
Vorurteile im Wandel der Zeiten
Literatur
Psychische Krankheiten sind immer noch ein Tabu. Nach wie vor leiden Menschen mit psychischen Störungen unter Vorurteilen und Schuldzuweisungen, unter Diskriminierung und Stigmatisierung. Weniger vielleicht, wenn sie von Depressionen und Ängsten geplagt werden; mehr allerdings, wenn sie als »psychotisch« oder »persönlichkeitsgestört« gelten. Das Leiden am Stigma kann so ausgeprägt sein, dass es wie eine zweite Krankheit wirkt. Es beschädigt das Selbstwertgefühl, es macht hoffnungslos und resignativ. »Why try?«, also: »Warum soll ich es überhaupt versuchen?«, ist in der angelsächsischen Antistigma-Debatte zum geflügelten Wort geworden. Die Recovery-Bewegung hat in den letzten Jahren zwar den Slogan »Hoffnung macht Sinn« dagegengesetzt; doch wer psychisch krank ist, wer psychisch kranke Menschen behandelt und wer als Angehöriger mit ihnen zu tun hat, wird immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert, nicht zuletzt weil es an positiven Vorbildern noch fehlt.
Es hat in der ganzen Welt vielfältige Ansätze zur Antistigma-Arbeit gegeben. Die meisten hatten das Ziel, die Stellung der Betroffenen durch Aufklärung der Öffentlichkeit zu stärken. Man kann sich vorstellen, wie mühsam solche Versuche sind, nimmt man sich doch nichts weniger vor, als die Einstellung und Haltung der ganzen Bevölkerung zu ändern. Weniger anspruchsvoll, dafür aber wirksamer ist es, Teile der Gesellschaft direkt und gezielt anzusprechen, etwa politische Verantwortungsträger auf allen Ebenen, Schüler und Lehrer, Polizisten, Nachbarschaften von psychosozialen Einrichtungen, Betriebe – aber auch psychiatrisch Tätige. Der Hamburger Psychologe Thomas Bock hat dafür den Begriff der »Antistigma-Kampagne von unten« geprägt.
Heute arbeiten alle diese Initiativen mit psychiatrieerfahrenen Menschen und ihren Angehörigen zusammen. Ermutigende Vorbilder kommen zudem aus der Selbsthilfe. Sie versuchen Neu-Erkrankte dafür zu sensibilisieren, was Vorurteile und Stigmatisierung jenseits der Krankheit und ihrer Symptome mit ihnen machen. Sie unterstützen sie dabei, das Unrecht zu erkennen, das ihnen zugefügt wird, und sich dagegen zu wehren. Und sie helfen ihnen, mit wiedererlangtem Selbstwertgefühl neue Wege im Umgang mit ihrem Leiden zu gehen und sich vielleicht sogar selbst in Betrieben, Schulen und auch in psychiatrischen Ausbildungen und Fortbildungen zu zeigen und ihrerseits zu Vorbildern zu werden. Nicht nur Genies wie John Nash (A Beautiful Mind) können lernen, mit psychischen Erkrankungen zu leben.
Dieses Buch ist keine Handreichung. Es will die Hintergründe von Vorurteilsbildung, Diskriminierung und Stigmatisierung ausleuchten und Ansätze der Antistigma-Arbeit vorstellen. Es will Betroffenen und Mitbetroffenen, den in der Psychiatrie Tätigen und zugewandten Teilen der Öffentlichkeit zeigen, wo und wie Strategien zum Umgang mit der Stigmatisierung ansetzen müssen und können.
Asmus Finzen
Berlin, im Sommer 2013
Vorurteile, Diskriminierung und Stigmatisierung sind ein immerwährendes Dilemma für psychisch erkrankte Menschen und ihre Angehörigen, aber auch für die in der psychiatrischen Versorgung Tätigen. Schwere psychische Störungen sind Krankheiten, über die man, wenn man sie hat, tunlichst nicht spricht. Sie sind mit gesellschaftlichen, kulturellen Vorurteilen belastet und führen zu vielfältiger Diskriminierung. Die Vorurteile übertragen sich auf die Kranken. Diese gelten dann als unzuverlässig, oft als unzurechnungsfähig oder gar gefährlich – und das unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit und ihrem je aktuellen Gesundheitszustand.
Wenn man »darüber« reden muss, spricht man besser von »Depressionen« als von »Psychosen«, erst recht nicht von »Schizophrenie«. Was für den Einzelnen richtig und wichtig ist, hat aber Konsequenzen für die gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Krankheiten, insbesondere der Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis. Lange Zeit galt: Kaum jemand außerhalb des engsten Freundes- und Familienkreises hatte je einen genesenen Schizophreniekranken kennengelernt oder jemanden, der einen Weg gefunden hatte, um mit der Krankheit zu leben, denn wer wieder einigermaßen genesen war, sprach nicht mehr davon. Subjektiv ist das ein verständliches Verhalten, insgesamt führte es aber dazu, dass die Ängste anderer vor der Krankheit jahrzehntelang nicht gemindert werden konnten und das Vertrauen in eine mögliche erfolgreiche Behandlung nicht gestärkt wurde. Ich will das anhand einiger Beispiele verdeutlichen:
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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