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Sie lässt sich darauf ein, die Ferien in diesem Jahr völlig anders als gewohnt zu verbringen. In einer einsamen Landschaft Schwedens, empfindet sie die Stille der Natur als anstrengend. Sie achtet darauf, was die Stille sagen will, empfindet sie gleichermaßen beängstigend und auch beruhigend. In diesen Ferien wird sie von einer Situation überrascht, die ihr ganzes Leben verändert. In einem Augenblick erschreckender Stille überfällt sie das Gefühl, ihr Leben kennenlernen zu müssen.
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Seitenzahl: 107
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Es war so still, dass das Hören anstrengend wurde, ein geheimnisvolles Schweigen, das mich aufmerksam werden ließ zu erfahren, was ich von mir erwarte
Wie könnten Du und Ich
Könnten wir, vermöchten wir, lebendig zu bleiben
Und allen verborgen, uns allein nicht
Ich trinke dich in vollen Zügen
Lass uns alt werden und
so jung wie dieses Sommerende
Ich kenne dich
solange du mich um dich lässt
Vertraut, vertrauen,
getröstet von der Wahrheit
der letzten Berührung unserer beiden Sehnsucht
Spürst Du´s?
Das ist ein Liebesgedicht
Wusstest Du das nicht?
Die Erinnerung an die Zeit die du vor Jahren im Norden verbrachtest, hat es geschafft, dass wir unsere Ferien in diesem Jahr dort verbringen. Damals, wir hatten uns gerade kennen gelernt, damals bestand noch die Unsicherheit; gehören wir zusammen oder verpassen wir Dinge, von denen wir geträumt hatten. Raus wolltest du aus dem Alltag, andere Länder kennen lernen. Den Norden als Kontrast zu deinem Leben als Südländer. Im Winter hattest du zusammen mit einem Freund die erste Reise nach Schweden gewagt. Mich über die Feiertage allein gelassen. Du wolltest wissen, wie es sein würde, für eine Zeit lang, getrennt zu sein, wolltest fühlen, wie lange deine Liebe ausreicht. Würde die Sehnsucht ein Zeichen dafür geben, dass es weiter gehen soll mit uns? Wir kannten uns gerade mal ein halbes Jahr, ich wusste gleich, dass du es bist, der mein Herz erfüllt und den ich niemals verlassen würde. In jenem Winter deiner Reise in den Norden, brachte ich dich zum Bahnhof, band den blauen Wollschal um deinen Hals und schlug den Kragen deines Mantels hoch. Dein Atem blies kleine Wölkchen, als du zum Abschied das Fenster des Zugabteils ein wenig öffnetes. Zwei Wochen würde ich ohne dich sein.
Eine Woche hattest du die Trennung ausgehalten. Als du vor meiner Tür standest, öffnete ich deinen Mantel, nahm dir den Schal ab und die blau-weiß gestreifte Mütze, das Geschenk deiner schwedischen Freunde. Wir hatten uns wieder und versprachen, dass wir uns nicht mehr trennen wollten. Eine Zeit lang hörte ich noch deinen Erzählungen zu, spürte die Begeisterung für das Leben und die Menschen in diesem schneebedeckten Land mit der kalten, frischen Luft, den gemütlichen Abenden in heimeligen Wohnungen, und so weiter und so weiter. Du hattest dich wohlgefühlt, irgendwann einmal würden wir zusammen dorthin fahren.
Wir führten unser Leben als Paar, heirateten, wurden Eltern und waren glücklich als Familie. Glücklich, einander zu sehen, zu berühren, miteinander zu reden, Pläne zu schmieden und Kinder groß zu ziehen. Wir hatten eine gute Zeit mit dem Vertrauen auch unvorhersehbare Momente, die ausgefüllt mit Trauer und Wut und Problemen sein würden, bewältigen zu können. Was uns stark machte, war die Liebe zueinander. Eine Symbiose, die Abhängigkeit in der Absicht, es gut zu haben, von der Sehnsucht getrieben, dem anderen nahe zu sein.
Die Tage und Nächte, die du mit Kollegen auf einem Symposium verbrachtest, waren nur mit unseren Worten und Stimmen am Telefon zu ertragen. Die Wochenendreise mit meinen Freundinnen, drei herrliche Tage in Wien, erreichten ihren Höhepunkt bei dem Gedanken an deine Umarmung, wenn wir uns wieder haben würden.
Was ist so ungewöhnlich an unserem Leben? In unseren Berufen fühlen wir uns gut. Ich liebe den Geruch der Bücher in meiner Buchhandlung, meine Mitarbeiter und die Gespräche mit meinen Kunden über geträumte Abenteuer oder die heftigen Diskussionen über die Inhalte der Sachbücher und Tageszeitungen. Du verbringst gerne die Zeit in der Redaktion, berichtest im Lokalteil über die Geschehnisse in der Region. Viele deiner Kollegen sind unsere Freunde, mit denen wir oft Zeit verbringen.
Unsere Freude sind zwei Kinder, Jungen, der eine ist fünf, der andere acht. Mit all den Abläufen sind wir so normal, wie eine Familie mit zwei Kindern ebenso ist. Außergewöhnlich, ich nenne es Liebe, ist unsere Beziehung. Ich sehe in deinem Gesicht Regungen, die mir bekannt und vertraut sind. Dein spöttisches und zugleich stolzes Lächeln bei den übertriebenen Erzählungen unseres großen Sohnes, und die Freude bei den Spielen mit dem Kleinen. Die fahrigen Bewegungen deiner Hände bei der Suche nach Krümeln auf dem Tisch während der Unterhaltung mit den Leuten, die du nicht magst, die dir lästig sind. Deine zusammengekniffenen Augen, wenn sie Zorn oder Wut unterdrücken, liebe ich genauso wie die trotzigen Lippen, die zeigen, wenn dir etwas nicht gelingt. Nicht nur deine Worte sagen, wie du dich fühlst. Jede Mimik in deinem Gesicht, die Sprache der Hände und die Haltung deines Körpers sprechen mit mir. Ich erkenne an jeder gehobenen Augenbraue, an jedem herunterhängenden Mundwinkel, deinen Seelenzustand. Das Blitzen deiner Augen und das Grübchen am Kinn betrachte und liebe ich ohne genug davon zu haben.
Der Wunsch, die Ferien in diesem Jahr in Schweden zu verbringen, ist nicht nur das Einlösen eines Versprechens. Da ist etwas, was ich noch nicht verstehe, was mich neugierig macht. Welche Erinnerung ist so stark, dass du auf die Ferien in der Sonne des Südens, am Meer, mit den Menschen, deren Mentalität dir nahe ist, verzichtest? Dass du von der Idylle eines kleinen Ortes mit roten Häusern auf grünen Wiesen, an einem See gelegen, so begeistert bist und alles unbedingt wiedersehen willst? Das ältere Ehepaar, Ebba und Alfred, das dort lebt und dich wie einen Sohn verwöhnt hat, kann doch nicht der Grund sein? Ich schaue mir Prospekte an, lerne einige Worte in Schwedisch, befasse mich mit den Gebräuchen des Landes und denke dabei an das Meer und die schönen Zeiten in Italien. Von Ebba erhalten wir die Adresse und die Ansicht des Ferienhauses in Hyltebruk.
Auf der Fähre ist Noah hin-und her gerissen von der Größe des Schiffes und den vielen Menschen die hier Platz finden. Die Vorstellung, dass sein Namenspatron von jedem Lebewesen zwei mit auf die Arche genommen hat, erfüllt ihn mit Stolz. Deniz findet es bemerkenswert, dass er auf dem Wasser, im Wasser schwimmen kann und ist nicht mehr aus dem Pool zu kriegen. Entspannt auf der Liege, beobachten wir das Treiben der beiden. Bis ich unruhig werde und mich in die Kabine zurückziehe. Bis jetzt schaffe ich es nicht, meine Lust auf diese Reise in richtige Bahnen zu lenken. Pessimistisch, fast verächtlich, denke ich an die nächsten Tage, die absolut nicht meinen Vorstellungen von Sommerferien entsprechen. Lediglich deine Freude und deine hohen Erwartungen, überzeugen mich für diese Reise.
Eine Bilderbuchlandschaft begrüßt uns. Bullerbü hat nicht zu viel versprochen, als wir auf weiten Wiesen mit bunten Blumen von Alfred und Ebba vor einem rot angestrichenen Haus herzlich empfangen, liebevoll begrüßt und umarmt werden. Seltsamerweise ist es mir nicht zu viel, meist halte ich lieber etwas Abstand, schaue mir mein Gegenüber genauer an, bevor ich eine körperliche Berührung zulasse. Du wirst wie der verlorene Sohn in die Mitte genommen, die Kinder toben durch den Garten, glücklich, sich nach der langen Autofahrt endlich bewegen zu können. Mir gefallen die Vertrautheit, mit der dich die beiden älteren Leute in ihre Mitte nehmen und die Kinder, die mit lachenden Gesichtern rote Wangen bekommen. Ich fühle mich dem Versuch, dich verstehen zu können, ein wenig näher. Im Haus erwartet uns der gedeckte Abendbrottisch, genauso schwedisch, wie ich es mir vorgestellt habe. Milch in Flaschen, Käse, Wurst, Beerenobst und Knäckebrot. Die Tischdecke, rotweiß gestreiftes Leinen, die gleichen Farben wie die Kissen auf den Stühlen und auf der Eckbank. Die Gesichter der Jungen, dank der guten Luft und der Müdigkeit, dem Rot angepasst. Wo werden wir heute Nacht bleiben? Es ist mein Wunsch, mit dir allein zu sein. Verstehst du meine Blicke? Es ist Ebba, die versteht. Augenzwinkernd lächelt sie mir zu, die schiefen Zähne in ihrem Mund, mit einem Mal zu kleinen Perlen geworden. Auch Alfred versteht, mit leisen Schritten geht er, trotz der sommerlichen Wärme, in dicken Filzpantoffeln zu einer blau- weiß gestrichenen Anrichte und sucht in einer Schublade nach dem Schlüssel. Ebba unterbricht deine Gespräche und geht mit Deniz an der Hand zum Auto. Alfred bringt uns bis zu dem einsamen Haus, das unser Domizil der nächsten Wochen sein wird.
Ein grünes Holzhaus, allein auf weiter Flur, die nächsten Nachbarn sind der Wald und, jetzt am Abend nur schemenhaft zu erkennen, ein See. Im Haus ist es gemütlich, ein runder, schwerer Esstisch und Geschirr aus blau weißem Porzellan. Typisch schwedische Möbel; Bänke und Stühle aus hellem Holz. In den Schlafzimmern große Betten mit gestärkten Leinendecken und schneeweißen Kissen. Schüsseln und Kannen, zum Wasser füllen stehen auf Kommoden. Die Flickenteppiche in warmen Farben auf dunklen Holzdielen, gefallen mir sehr. Alles was man braucht, ist vorhanden, eine Wasserpumpe gleich vor der Haustüre und die Toilette irgendwo im Grünen. Alfred leuchtet mit der Taschenlampe in den Garten. Es ist zum Lachen, zu sehen ist ein Trampelpfad der zum Toilettenhäuschen, das Platz für zwei Personen und ein Guckloch in der Tür hat.
Während die Kinder schnell eingeschlafen sind, sitzen wir noch auf der Bank vor dem Haus. Endlich fühle ich deine Nähe und lausche dem vertrauten Atem. Es ist sehr still, die Umrisse des Waldes kaum zu erkennen, unheimlich. Morgen werde ich mich mit all dem Unbekannten vertraut machen. Die Stille wird mir nichts antun können. Ich lasse mich ein auf das Abenteuer Schweden und bin froh, meine Glieder in dem gemütlichen Bett ausstrecken zu können. Ein flüchtiger Gutenachtkuss und schon liege ich mit meinen Gedanken allein. Ich lausche, versuche mir Geräusche zu merken, an die ich mich am nächsten Abend erinnern möchte. Es ist so still, dass das Hören anstrengend wird. Auf das Knarren der Dielen hoffend, gehe ich barfuß in das Zimmer der Kinder und höre nichts. Am Bettrand der beiden sitze ich mit Mutterliebe und dem Lächeln, dass mich jedes Mal zutiefst glücklich macht. Zur Ruhe komme ich nicht, es ist zu viel der Stille, wohl fühle ich mich erst mit dem Geräusch deines Atmens und in deiner Nähe.
Das erste Abenteuer am nächsten Morgen ist der Gang zur Toilette. Niemand ist bereit, den unter dem Bett stehenden Nachttopf zu benutzen. Der gemeinsame Gang und die Benutzung des Zweiersitzes mit Aussicht passt zu unserer heiteren Stimmung und die Körperpflege unter der Wasserpumpe macht richtig Spaß. Die Ferien können beginnen! Zu unserem Glück stellen wir fest, dass der Kühlschrank gefüllt ist. Ebba, die gute Seele! Mit Knäckebrot, Milch und Marmelade genau das Richtige.
Gehen wir an den See? Auch hier diese sonderbare Stille „Wilhelm Tell“ „es lächelt der See, er ladet zum Bade.“ Boote schaukeln sanft am Rand. „Nehmen wir eins“ du bist begeistert und schon sitzt Deniz strahlend in einem der Boote. Galant hilfst du mir einzusteigen, der Tag beginnt außerordentlich schön. Die Natur im Licht der Sommersonne genießen wir mit Andacht. Schnell findest du dich mit den Rudern zurecht, nur mit der Badehose bekleidet sitzt du mir gegenüber. Deine Arme bewegen sich regelmäßig, angespannt, mit großen Augen schaust du mich an. Niemanden blicke ich lieber an, als dich, meinen Mann. Du bist schön. Ganz die Lady, nehme ich mir vor, beim nächsten Mal meinen großen Strohhut aufzusetzen. Du hast ebenfalls Pläne, am Strand hast du Netze gesehen, das Mittagessen ist gesichert, Fische willst du fangen. Noah will im Wald Eichhörnchen sehen und Stöcke finden- machen wir das. Auf dem Weg bemerken wir ein Fahrrad, angelehnt vor unserem Haus. Alfred oder Ebba? Unvorstellbar, die beiden mit einem Fahrrad.
Eine junge Frauenstimme höre ich deinen Namen rufen. Mit einem „Hallo“ steht sie vor uns, eine junge Frau, sonnengebräunt mit braunen Locken, im geblümten Sommerkleid und einem außerordentlich freundlichen Lachen. Eine Schwedin natürlich! Sie umarmt dich, streicht mit einem Finger über deinen Schnurrbart, bevor sie uns genauso erwartungsvoll anschaut wie wir sie. Nach einem erstaunten Augenblick, gefolgt von einem geheimnisvollen Schweigen, stellst du sie vor „Das ist Helen.“ Vor zehn Jahren habt ihr euch kennengelernt. Was ist davongeblieben? Helen spricht deutsch, schwedisch gefärbt, du willst ins Haus, etwas zu trinken holen. Ich biete den Platz auf der Bank an. Ich merke, dass du einen Augenblick der Entspannung brauchst, was soll ich sagen, es ist still. Noah fragt nach „Wer bist du?“ „Eine alte Freundin deines Papas.“ „Ich werde ihn fragen“, ungläubig verschwindet er in die Küche. Deniz rückt näher zu Helen und lächelt sie an. Mir fällt nicht ein, was ich tun könnte, unbeholfen plappere ich dummes Zeug, lobe die schöne Landschaft und das schöne Wetter. Albern, wieso verunsichert mich diese fremde Frau?
Die Zeit, bis du mit gefüllten Gläsern aus der Küche kommst, dauert ewig. Zu dritt sitzen wir auf der Bank, small talk fällt nicht schwer, wieder das schöne Wetter, das freundliche Land und das gesunde Leben.