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Sammlung Luchterhand 2074
Inschrift
stille quellen
turner, tod auf einem fahlen pferd
spuren
Copyright
Sammlung Luchterhand 2074
Norbert Hummelt (geb. 1962 in Neuss) hat mit Zeichen im Schnee, seinem ersten Gedichtband in der Sammlung Luchterhand, großen Anklang gefunden. Er erhielt für diese Gedichte den Mondseer Lyrikpreis, den Hermann-Lenz-Förderpreis, das New York-Stipendium des deutschen Literaturfonds, und Die Zeit ernannte Norbert Hummelt zum »Stadtschreiber von Vineta«. In seinen neuen Gedichten macht er sich auf den Weg zu den stillen Quellen, die er an lange nicht mehr besuchten Orten seiner Kindheit findet, die im Halbdunkel der Erinnerungen und des Traumes fließen. Er befragt und tastet seine Herkunft ab, spürt Werken der Kunst und der Literatur nach, die alten und neuen Kriege hallen in seinen Versen nach - und Norbert Hummelt stellt unter Beweis, daß er unter den bedeutenden Lyrikern deutscher Sprache mit seinem eigenen, unverwechselbar melodisch-präzisen Ton einen festen Platz gefunden hat.
Vor deiner Haut beginnt die Fremde.
Hermann Lenz
stille quellen
turner, tod auf einem fahlen pferd
am ende malte er zwar nur noch licht doch das erklärt die dunkelheiten nicht den halben rumpf wie er im schatten liegt wie quer zum widerrist sich das gerippe wiegt den arm die knochenhand nach vorne ausgestreckt den bleichen hals des tiers durchkreuzend wie es steigt u. scheut reckt es die nüstern höher in die düsternis von ihm geritten den sein rücken kennt hoch aus dem gleißenden weg von der glut nach vorn zu licht zerrieben bis der firnis brennt
spuren
man weiß die zebrafinken hören noch im schlaf gesang der artgenossen, um nicht zu verlernen was es bedeutet zebrafink zu sein.. man hat die ströme
ihres hirns gemessen, mittels elektro-enzephalograph. der junge ahnenforscher nutzt das internet, speist neue namen ein u. weitet die bezüge, u. einmal kommt ein brief
aus übersee u. zweimal blinkt es hier auf dem a. b. da ist nichts drauf. man hört nur jemand atmen aus weiter ferne kommt ein räuspern her, die erbanlage
niederrheinisch schwer, was da im hals steckt ist nicht leicht zu lösen: die flache blaue dose mit der weißen schrift die dunkeln rautenförmigen pastillen, die mußt du lutschen
in der dunkeln nacht. die zunge taub davon, nicht mehr zu willen. mich hat das träumen immer völlig krank gemacht: da waren schatten die sich immer wandeln
reh das vom himmel fiel wird sturz der challengerwird schwarzer panther der nur scheinbar schlief wird bild des bösen, engel luzifer - was ist der urgrund aller dieser bilder der junge ahnenforscher nutzt das internet, vernetzt new york mit swidnica mit andernach. irgendein urgroßonkel blieb vor wien, grab unter vielen, lage unbekannt, auch diese
linie ist früh erloschen. was willst du mit den ganzen daten sprich: wo kommt das ziehen her in meiner linken brust wie ich die kopfhaut immer kontrahiere. warum ich
mich auf diese seite drehe, leicht angewinkelt nur um einzuschlafen hör ich bei nacht die eliot-cassetten halboffnen munds verwundert unverwandt.
© 2004 Luchterhand Literaturverlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlagkonzeption und -gestaltung: R·M·E / Roland Eschlbeck Fotografie S. 2: Jürgen Bauer Alle Rechte vorbehalten.
eISBN : 978-3-641-03355-2
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