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Schluss mit Diskussionen und Verletzungen – zurück in eine glückliche Beziehung! Niemand mag ihn, doch keiner bleibt von ihm verschont: Streit in der Partnerschaft. Paarberater Christian Thiel erklärt, wie Sie alte Muster durchbrechen und die nervigen Auseinandersetzungen endlich beenden. Denn: Selbst der beste Streit macht nicht glücklich!
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Seitenzahl: 230
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Einleitung
Mythen der Liebe
Mythos Nr. 1
Mythos Nr. 2
Mythos Nr. 3
Mythos Nr. 4
Mythos Nr. 5
Mythos Nr. 6
Mythos Nr. 7
Was dieses Buch will
Was ist ein Streit?
Biologie des Streits
Körperliche Reaktionen
Überleben, nicht Denken zählt
Kosten eines Streits
Verlust der Gefühle
Warum spitzt sich ein Streit so schnell zu?
Psychologische Gründe
Gedanken bewerten eine Situation
Externale und internale Ursachenzuschreibungen
Negative Bewertungen
Streitbegünstigende Umstände
Soziologische Erklärungen
Moderne Lebensform
Modernes Liebeskonzept
Wie beendet man einen Streit?
Streit schnellstmöglich beenden
Der Trick mit dem Wasserglas
Die Top Five zur Beruhigung
Mit Freunden sprechen?
Ist faires Streiten möglich?
Bei Wut hilft faires Streiten nicht
Männer streiten anders
Wie versöhnt man sich am besten wieder?
Das klärende Gespräch
Warum ein klärendes Gespräch oft nicht hilft
Konflikte ruhen lassen
Sich entschuldigen
Entschuldigen – aber ehrlich
Sich für die Folgen entschuldigen
Zur Tagesordnung übergehen
Die Physiologie der Versöhnung
Positive Zuwendung als Stresskiller
Oxytocin für Gespräche
Sex oder reden – was hilft besser?
Reden hilft
Sex hilft
Die beste Lösung: der Mittelweg
Ist Streit grundsätzlich schädlich für eine Partnerschaft?
Das Beziehungskonto
Das Positive stärken
Gleichen sie Ihr Konto aus!
Ist es möglich, den Partner zu ändern?
Phasen einer Liebe
Verliebtsein
Der andere ist anders
Dein ist mein ganzes Herz!
Wenn der erste Streit auch schon der letzte ist
Zu nett sein
Aus Vorwürfen Wünsche machen
Übung: Den Partner verändern
Veränderungen brauchen Zeit
Partner ändern sich immer
Was kann ich tun, wenn ich im Recht bin und mein Partner das nicht einsieht?
Einfach: Wer ist im Recht?
Komplizierter: Wer hat welche Bedürfnisse?
Die eigene Sicht und die des Partners
Überzogenes Beziehungskonto
Resultat: Machtkämpfe
Was ist ein Machtkampf?
Ein Machtkampf kann die Beziehung zerstören
Einen Machtkampf so schnell wie möglich beenden
Streit vertagen
Gibt es ein Geheimrezept, den Partner zu Änderungen zu bewegen?
Höflichkeit
Rückfälle sind normal
Beharrlichkeit
Wie erreiche ich, dass er sich mehr an der Hausarbeit beteiligt?
Wie kann ich Probleme ansprechen, ohne dass daraus ein S treit wird?
Höflich und beharrlich bleiben
Einen sanften Einstieg wählen
Tipp Nr. 1: Sich auf das Gespräch strategisch vorbereiten
Tipp Nr. 2: Sich der eigenen Wut stellen
Tipp Nr. 3: Schnell auf Unmut reagieren
Tipp Nr. 4: Vorwürfe vermeiden
Tipp Nr. 5: Herausfinden, wie der Partner den Konflikt sieht
Tipp Nr. 6: Den Partner um Hilfe bitten
Tipp Nr. 7: Eine Entscheidung treffen
Wie kommt man am besten zu Lösungen?
Beispiel Ines und Markus
1. Vorschlag: In den Arm nehmen
2. Vorschlag: Eine Ausnahme vereinbaren
3. Vorschlag: Ein kurzes Gespräch
4. Vorschlag: Eine Freundin anrufen
Entscheiden statt reden
Vier wichtige Gedanken
1. Verständnis signalisieren
2. Tempo reduzieren
3. Zuhören
4. An den nächsten Schritt denken
Welche Lösung ist die richtige?
Müssen Geben und Nehmen in einer Partnerschaft im Gleichgewicht sein?
Auf das Partnerschaftskonto einzahlen
Bedürfnisse tauschen
Die eigene Wunschliste
Die Wunschliste des Partners
So tauschen Sie Bedürfnisse
Die wichtigen oder die unwichtigen Punkte zuerst angehen?
Gibt es für jedes Problem auch eine Lösung?
Lösbare und unlösbare Probleme
Unlösbare Probleme entschärfen
Ewige Probleme erkennen
Schallplattenstreit – immer die gleichen Argumente
Mit ewigen Problemen umgehen
Drei Lösungsphasen für ewige Probleme
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Was sind die wahren Gründe für einen Streit?
Streit ist oft nur ein Symptom
Wahre Hintergründe für den Streit über den Samstagsplan
Streitgrund Nr. 1: Zu wenig Zeit für ein Gespräch
Intensive Gespräche verbinden
Geeignete Gesprächsthemen
Was können Sie tun?
Was tun, wenn der Partner den Sinn eines täglichen Gespräches nicht einsieht?
Streitgrund Nr. 2: Zu viel Kritik
Destruktives Gesprächsverhalten
Was können Sie tun?
Was tun, wenn der Partner zu Kritik neigt?
Streitgrund Nr. 3: Zu viel Stress
Schwierige Lebenssituationen
Was können Sie tun?
Eine Teambesprechung verabreden
Gelungene Problemlösungen stärken die Beziehung
Streitgrund Nr. 4: Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben
Unerkannte Unzufriedenheiten
Unzufriedenheiten erkennen
Übung: Die gute Fee
Übung: Wieder Single – und was nun?
Streitgrund Nr. 5: Der andere ist anders
Unser Charakter bestimmt unser Leben
Mit charakterlichen Gegensätzen umgehen
Zu sechst im Bett
Was können Sie tun?
Auf alle Charakterzüge mit Verständnis reagieren?
Streitgrund Nr. 6: Konzentration auf Probleme
Das Positive stärken
Die Kraft der Dankbarkeit
Übung: Kritik und Dankbarkeit
Dankbarkeit äußern
Welche Streitgründe gibt es in Ihrer Partnerschaft?
Die Zwölf-Wochen-Kur
Erste und zweite Woche
Dritte und vierte Woche
Fünfte und sechste Woche
Siebte und achte Woche
Neunte und zehnte Woche
Elfte und zwölfte Woche
Bilanz ziehen
Nachwort
Über den Autor
Register
Sie wollen keinen Streit in Ihrer Beziehung. Auch Ihr Partner ist eher harmoniebedürftig. Und doch ist es neulich passiert. Sie kamen nach Hause, nach einem langen und anstrengenden Tag. Eine Jacke und ein Schal lagen herum. Das störte Sie. Sie sagten ein paar Worte, Ihr Partner auch, und ehe Sie wussten, wie Ihnen geschah, waren Sie in einen unschönen Streit verwickelt, in dessen Verlauf so unangenehme Worte fielen wie „immer muss ich“, „du musst gerade reden“ und „mach doch deinen blöden Abwasch alleine“. In gehobener Lautstärke, versteht sich.
Am Ende waren auch die Nachbarn über alle Details Ihrer Zwistigkeiten informiert. Die Versöhnung – später dann, als sich Ihre Gemüter beruhigt hatten – war reumütig. Und dann hofften Sie beide, dass das so schnell nicht wieder passieren möge. Bis zur nächsten Auseinandersetzung. Und die ließ leider nicht lange auf sich warten.
Wir alle mögen ihn nicht und doch bleibt niemand davon verschont: ein Streit. Bei manchen Paaren ist er nur selten zu Gast. Bei anderen dagegen geht er regelmäßig ein und aus. Ungebeten klopft er immer wieder an die Tür, tritt – so hat es zumindest den Anschein – unaufgefordert ein und verschwindet anschließend genauso überraschend, wie er gekommen ist.
Keine Frage, Streit ist kein gern gesehener, sondern ein unberechenbarer und die Nerven belastender Gast. Viele Paare würden ihn gerne aussperren, verbannen aus ihrer Partnerschaft. Doch wie kann ihnen dies gelingen?
Streitpunkte müssen nun einmal geklärt werden, damit es einem Paar wieder gut miteinander geht. Stimmt das? Nein. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wenn es einem Paar wieder gut miteinander geht, dann können Streitpunkte besser gelöst werden.
Für jeden Streit gibt es auch eine Lösung – ein Paar muss nur lange genug miteinander über die Dinge reden. Stimmt es, dass es für jeden Streit eine Lösung gibt, wenn man nur lange genug darüber spricht? Nein. Auch diese Überzeugung ist falsch. Für manche Probleme in einer Partnerschaft gibt es keine Lösung – und schon gar keine schnelle. Zum Beispiel weil die Konflikte aus dem Charakter der Beteiligten entspringen. Und die Fixierung auf die Schwierigkeiten tut ein Übriges, um zu verhindern, dass ein Paar sich wieder näherkommt. An Stellen, wo es jetzt gerade möglich ist, bei dem Verbindenden. Bei den Dingen, bei denen sie sich nahe sind.
Für manche Probleme in einer Partnerschaft gibt es keine Lösung.
Vielleicht hilft Streiten uns ja auch weiter, sagen andere Paare. Der Streit sei ein reinigendes Gewitter, hoffen sie. Glauben Sie mir: Wenn die internationale Forschung und die Erfahrung von Praktikern ergäben hätten, dass Streiten ein guter Weg zu einer glücklichen und langjährigen Partnerschaft wäre – ich würde es Ihnen ohne jede Bedenken empfehlen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Forschung belegt, dass Streiten nicht hilft. Es führt nicht dazu, dass Sie eine Lösung für Ihre Probleme finden. Es verbessert die Stimmung in der Beziehung nicht. Und es führt auch nicht dazu, dass Sie in Ihrer Partnerschaft bekommen, was Sie wollen. Die meisten Streite sind schon deshalb schädlich für eine Beziehung, weil sie Zeit und Energie kosten, die beide Partner für etwas ganz anderes brauchen. Für Lösungen zum Beispiel.
Sich zu streiten gehört wahrscheinlich zu einer Partnerschaft dazu, sagen viele Paare nach einigen bewegten Jahren resignierend. Auch die Freunde stimmen dem zu, wenn sie denn überhaupt von den Schwierigkeiten erfahren. Sich zu streiten ist ja so peinlich!
GEHÖRT STREIT ZUR LIEBE?
Stimmt es, dass der Streit zur Liebe dazugehört wie Eier zum Osterfest und Feuerwerk zu Silvester? Nein. Wo Streit ist, da ist – jetzt gerade – keine Liebe. Das ist es, was ihn so gefährlich macht. Und das ist es, was verhindert, dass Sie das bekommen, was Sie wollen. Denn ein Partner, der sich ungeliebt fühlt, ist zum Kompromiss nicht bereit.
Streiten? Nein – wir streiten uns nie, sagen andere Paare – und glauben, dass das alleine den Zusammenhalt einer Partnerschaft garantiert. Am Ende aber sind sie doch getrennt. Wie kann das sein? Wo sie doch Streit und Auseinandersetzungen aller Art gemieden haben wie der Teufel das Weihwasser! Nie haben sie etwas gesagt, auch wenn es sie noch so sehr störte. Immer haben sie geschwiegen, selbst wenn es als Geschenk schon wieder das ungeliebte Parfüm gab oder eine weitere gestreifte Krawatte. Streit nur einfach mit aller Kraft zu vermeiden – das alleine ist also auch nicht die Lösung. Sich in einer Partnerschaft nicht auseinanderzusetzen, das ist noch gefährlicher als ab und zu den unangemeldeten Besuch des Streits vor der Tür stehen zu haben.
Früher war alles besser. Die Liebe ist heute aber auch schwierig geworden, sagen manche Paare und vermuten, dass wir uns heute öfter streiten als unsere Eltern und Großeltern. War früher wirklich alles besser? Sind Partnerschaften heute komplizierter als ehedem? Streiten wir heutzutage häufiger als frühere Generationen? Nein, früher war es nicht besser. Im Gegenteil! Auch wenn es Sie erstaunen mag, alles deutet darauf hin, dass wir heute deutlich zufriedener mit unseren Beziehungen sind als vergangene Generationen. Der Grund: Die Machtverteilung zwischen Männern und Frauen ist heute weit ausgeglichener als früher. Auch früher waren nur Beziehungen gut, in denen sich beide Partner auf Augenhöhe begegneten. War das nicht der Fall, etwa weil der Mann für sich eine herausgehobene Position beanspruchte, so rächte sich seine unterlegene Ehefrau in der einen oder anderen Weise.
Je gleichberechtigter, desto besser.
In die Vergangenheit lässt sich ja schwer schauen. Doch betrachtet man heutige Partnerschaften weltweit, so ergibt sich ein eindeutiger Befund: Die Zufriedenheit mit der Partnerschaft, insbesondere mit der Sexualität, steht in einem engen Zusammenhang mit einer gleichberechtigten Beziehung von Männern und Frauen. Je gleichberechtigter, desto besser. So ist die Gleichberechtigung der Frau also ein wahres Geschenk für Partnerschaften.
Ist Streiten nicht sogar gesund? Nein, sich zu streiten ist sogar ausgesprochen ungesund. Es führt kurzfristig zu Schlafmangel, zu Tränensäcken unter den Augen, einer gramgebeugten Körperhaltung und einer sorgenvollen Miene. Alles zweifellos nicht gesund, aber doch einigermaßen harmlos. Langfristig sind die gesundheitlichen Folgen allerdings erheblich gravierender. Wer sich oft und gerne streitet, wird häufiger krank, denn Streit schwächt das Immunsystem.
Warum das so ist, ist leicht zu erklären. Bei heftigen Auseinandersetzungen ist der Körper ausschließlich darauf aus, seine Kräfte für einen Kampf zu mobilisieren. Die Ausschüttung von Hormonen wie Adrenalin und Cortisol ermöglicht es ihm, sich auf das im Augenblick wichtigste Ziel zu konzentrieren. Andere biochemische Prozesse müssen dagegen zurückstehen. Und dazu gehören auch wichtige Abwehrmechanismen des Körpers. Deshalb ist die Immunabwehr bei Paaren, die häufig streiten, geschwächt. Das macht sie anfälliger für Krankheiten.
Zufriedene Paare dagegen haben mehr weiße Blutkörperchen, die vor gesundheitlichen Gefahren schützen. Körpereigene Killerzellen, die Krankheitserregern entgegentreten, arbeiten bei glücklichen Paaren effektiver.
Nun könnten Sie vermuten, dass es sich bei den durch Streit drohenden Gesundheitsgefahren um Dinge wie einen harmlosen Schnupfen oder eine simple Magenverstimmung handelt und mehr nicht. Doch das ist nicht der Fall. Das menschliche Immunsystem hält auch schwierigere Krankheitsauslöser bis hin zu Krebszellen in Schach.
Außerdem kann Beziehungsknatsch auf Dauer sogar das Herz schädigen, wie Wissenschaftler feststellten. Das liegt vermutlich an einer der Folgen von dauerhaftem Beziehungsstreit, dem hohen Blutdruck.
Wer sich oft und gerne streitet, wird häufiger krank.
Schwedische Forscher untersuchten beispielsweise Frauen, die einen Herzinfarkt erlitten hatten. Dabei stellten sie fest, dass Ehestress das Risiko verdreifacht, in den folgenden fünf Jahren neue Herzprobleme zu bekommen.
Aus all diesen Gründen hat das Leben in einer von Streit geprägten Beziehung auf Dauer gravierende Auswirkungen, auch auf die Lebenserwartung von Menschen. Eine unglückliche Ehe erhöht die Gefahr zu erkranken, um ungefähr 35 Prozent und verkürzt das Leben um etwa vier Jahre.
Das alles sind Argumente gegen den Streit und gegen das Leben in einer von Streit geprägten Beziehung. Und doch glauben viele Menschen, es habe eine reinigende Wirkung, wenn es in ihrer Beziehung hin und wieder zu einem heftigen Gewitter kommt. Und dieser Glaube hat, so unwahrscheinlich es klingt, unter anderem mit dem Dampfkochtopf zu tun.
DER DAMPFKOCHTOPF
Wer vom Streiten reden will und davon, warum es angeblich gesund sein soll, der darf vom Dampfkochtopf nicht schweigen. Der Dampfkochtopf ist keine ganz neue Erfindung. Es gab ihn schon im 18. Jahrhundert. Die ersten Modelle explodierten allerdings gelegentlich wegen eines zu hohen Dampfdrucks, da sie noch kein Überdruckventil hatten.
So richtig populär wurde der Dampfkochtopf dann – mit einem Überdruckventil versehen – erst in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Menschen hatten Geld, sich so ein teures Küchenutensil zu kaufen, und die Anwendung war jetzt komfortabel und sicher. Doch die 70er-Jahre waren auch eine Zeit grundlegender Veränderungen. Frauen forderten die Gleichberechtigung, das neue Scheidungsgesetz wurde erlassen und machte Scheidungen leichter. Das Zusammenbleiben als Paar war jetzt keine Selbstverständlichkeit mehr. Beziehungsexperten traten auf den Plan, um zu erklären, wie eine gute Ehe zu führen sei. Dafür griffen sie auf die Probleme mit den ersten Dampfkochtöpfen zurück. Sie empfahlen das Streiten als einen wichtigen Beitrag zur partnerschaftlichen Gefühlshygiene. Ihr Argument: Wie in einem Dampfkochtopf entstehe in der Beziehung Unmut, der regelmäßig abgelassen werden müsse – natürlich beim Partner –, sonst drohe eine Explosion. Lassen Sie Ihre Gefühle heraus – so die Devise dieser Experten.
Nicht nur der Dampfkochtopf hat seit dieser Zeit an Beliebtheit verloren, auch die Theorie des Dampfablassens beim Partner als eines guten Weges zu einer stabilen Partnerschaft ist seither mächtig unter die Räder gekommen. Der Grund: Sie hat sich nicht bewährt. In wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich gar das Gegenteil als günstig erwiesen. Glaubt man Wissenschaftlern wie dem amerikanischen Paartherapeuten und Beziehungsforscher John Gottman oder dem Bochumer Psychologieprofessor Hans-Werner Bierhoff, dann ist es für eine Beziehung sogar ausgesprochen förderlich, wenn wir nicht regelmäßig beim Partner oder bei der Partnerin Dampf ablassen. Wir selbst wollen ja auch nicht vom Partner mit Unmut überhäuft werden.
Lassen Sie Ihre Gefühle heraus! Mit dieser Devise gehen auch heute noch viele Paare an partnerschaftliche Konflikte heran. Sie haben immer noch das Bild von einem Dampfkochtopf vor Augen, der ungedingt Druck ablassen muss. Seltsam, warum folgen Menschen gerade in der Partnerschaft so gerne der Devise „Lassen Sie Ihre Gefühle heraus!“, während sie sich in Freundschaften und auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen und bei Chefs ganz anders verhalten?
Seit vielen Jahren berate ich Singles, die nach einer Trennung den Weg zu einer neuen Liebe suchen. Und ich berate Menschen, die in einer Partnerschaft leben und nach Wegen suchen, ihre Schwierigkeiten miteinander zu überwinden. Die Liebe ist meiner Ansicht nach eine Erfahrungswissenschaft. Ich will Sie deshalb in diesem Buch teilhaben lassen an den Erfahrungen, die ich – und andere Experten – mit der Liebe machen. Was wirkt? Und was wirkt nicht? Welche Wege führen Sie immer weiter hinein in partnerschaftliche Konflikte? Und welche führen Sie hinaus?
Die meisten Paare wünschen sich eine Beziehung ohne Streit.
Es ist schon seltsam mit dem Thema „Streit ist auch keine Lösung“. Wenn ich mit Paaren spreche, dann erzählen die allermeisten, wie sehr sie unter dem Streiten leiden. Ein Leben ohne Streit in der Beziehung wäre ihnen viel lieber. Und sie fragen sich: Wie kann uns das gelingen? Wenn ich aber von meinem Vorhaben erzähle, ein Buch darüber zu schreiben, wie es möglich ist, sich nicht zu streiten und dauerhaft ein glückliches Paar zu sein, dann sind die Reaktionen ganz anders. Ob Experten oder Freunde und Bekannte – sie alle sagen das Gleiche: „Nein, das geht doch nicht. Ohne Streit ist eine Beziehung nicht möglich.“
DER FUCHS UND DIE TRAUBEN
Mich erinnern diese Reaktionen an die Geschichte des antiken griechischen Fabeldichters Äsop vom Fuchs und den Trauben. Der Fuchs schlich an einen Weinstock heran, den Blick sehnsüchtig auf die dicken, blauen, überreifen Trauben gerichtet. Er reckte sich, so sehr er konnte, aber er kam nicht an sie heran. Dann versuchte er es auf einem anderen Wege. Er sprang so hoch, wie er nur konnte. Aber auch diesmal verfehlte er die ersehnten Köstlichkeiten. Der sonst so listige Fuchs kam an die Trauben einfach nicht heran. Sie hingen zu hoch. Zugeben wollte er seine Niederlage aber nicht und so stellte er am Ende missmutig fest: „Die Trauben sind zu sauer.“
Wer eine Beziehung ohne Streit will, der muss bereit sein, sich – bildlich gesprochen – auf die Hinterbeine zu stellen und sich für sein Ziel anzustrengen. Aufgeben gilt nicht!
In diesem Buch werden Sie erfahren, wie es möglich ist, Beziehungsstreit zu vermeiden. Sie werden erfahren, wie es zum Streit kommt und welche Ursachen ihn befeuern. Ich will Ihnen zeigen, warum Streiten uns nicht hilft, in einer Partnerschaft glücklich und zufrieden zu werden, welche kurzfristigen Alternativen es zum Streiten gibt und welche langfristigen Lösungen, damit wir ohne Streit miteinander leben können. Und ich will Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Ziele, Ihre Wünsche und Ihre Bedürfnisse in der Partnerschaft ohne kräftezehrende Auseinandersetzungen erreichen können.
In diesem Buch werden Sie erfahren, wie Sie es schaffen können, sich nicht zu streiten und gleichzeitig Ihrem Partner nicht auszuweichen. Denn eines steht fest: Dem anderen zuliebe mal eben auf die eigenen Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche zu verzichten, ist eine noch schlechtere Strategie als sich zu streiten. In der Beratung erlebe ich es leider allzu oft, dass Beziehungen scheitern, weil einer oder beide um der Harmonie willen auf seine Wünsche verzichtet hat.
Dieses Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erfahren Sie vor allem, was ein Streit ist, wie er verläuft und wie Sie gegensteuern können. Im zweiten Teil erfahren Sie, welche Haltungen einen Streit gefährlich machen. Und im dritten Teil schließlich wollen wir uns die wahren Ursachen für Beziehungsstreit ansehen. Was sind die Gründe, die zum Streit führen? Wissen ist – auch in der Partnerschaft – eine ungeheure Macht. Wenn wir wissen, wie ein Streit entsteht, wenn wir die tieferen Ursachen kennen, die zu ihm führen, wenn wir Alternativen zum Streiten kennen, dann haben wir gute Chancen, in einer Beziehung ohne Beziehungsstreit zu leben – und das zu bekommen, was wir wirklich wollen.
Wissen über Streit kann Streiten verhindern.
Sich nicht zu streiten ist für mich allerdings auch kein Gebot. Es ist ein Ziel, mehr nicht. Ein Ziel allerdings, das nach meiner Überzeugung Anstrengung und Bemühung lohnt. Doch auch wenn Sie sich gemeinsam mit mir auf den Weg machen: Natürlich dürfen Sie sich weiterhin ab und zu streiten. Der Weg ist das Ziel. Und vielleicht finden auch Sie Gefallen daran, ohne schlaflose Nächte und ein reumütiges „Entschuldige bitte!“ von Ihnen oder Ihrem Partner genau das zu bekommen, was Sie wollen: Eine befriedigende Beziehung.
Ines ist im Wohnzimmer, Markus in der Küche. Die Stimmung war nicht gut, als Ines nach Hause kam, das hat Markus sofort gespürt. „Was hat der blöde Teller hier zu suchen?“, schimpft sie. Stille. Markus setzt zu einer Entgegnung an. „Ach, Fräulein Ordnungssinn hat mal wieder schlechte Laune“, ruft er ihr aus der Küche zu, mit einer Stimme, die vor Ironie nur so trieft. Stille. Ines schnappt nach Luft. „Du denkst ja wohl, ich bin dein Hausmädchen“, brüllt sie ihn an. „Kannst du eigentlich noch normal mit mir reden?“, schreit Markus zurück.
Ines zieht ihren Mantel an und greift nach dem Schlüsselbund. „Ich gehe zu Renate“, zischt sie und knallt die Tür hinter sich zu. „Bleib doch, wo der Pfeffer wächst“, ruft Markus ihr nach. Er ist so wütend, dass er nach dem Teller greift und ihn an die Wand wirft. Dort zerspringt er in tausend Stücke.
Wie sich ein Streit anhört, das wissen wir alle. Doch was ist das eigentlich, so ein handfester Streit? Mit gehobener Lautstärke, Beschimpfungen, knallenden Türen und – wenn es ganz arg kommt – mit zersplitterten Tellern? Ist es ein Fall von geistiger Umnachtung? Oder von schlechter Kinderstube? Wohl kaum. Wie aber kann es sein, dass ein Paar, das sich liebt, urplötzlich in einen Orkan von Verwünschungen und schlechten Gefühlen gerät? Mir scheint das erklärungsbedürftig – und den meisten Paaren, denen das widerfährt, geht es ebenso. Sie wüssten gerne, warum sie immer wieder einmal in so eine – unangenehme – Situation geraten.
Viele Paare nehmen an, ein Streit sei vor allem ein psychischer Vorgang. Ein Vorgang, bei dem sich irgendetwas in der Psyche blitzschnell verändert. „Ich habe ihn kaum wiedererkannt“, sagen Menschen dann ganz erstaunt. Oder: „Ich habe mich kaum wiedererkannt.“ Doch beim Streit ändert sich die menschliche Psyche weniger, als wir denken. Denn es ist vor allem die menschliche Biologie, die hier ihre Hand im Spiel hat. Wer sie nicht versteht, kann auch den Streit nicht verstehen.
Was wir am deutlichsten spüren, ist, dass sich unser Herzschlag abrupt erhöht. „Mir schlug das Herz bis zum Hals“, sagen wir manchmal und so ist es tatsächlich auch. Den hohen Puls spüren wir an der Halsschlagader besonders gut. Der Puls schnellt hoch auf 90, auf 100, auf 120.
Zudem spannen sich auch unsere Muskeln an. Unser Körper reagiert so, wie zu Urzeiten angesichts einer nahenden Bedrohung durch einen großen Feind, einen Tiger zum Beispiel. In dieser Situation stellte sich für den Körper nur noch eine Frage: Kampf oder Flucht.
Die Arbeit, den Körper auf einen Kampf oder ein schnelles Davonlaufen vorzubereiten, wird von Hormonen erledigt. Für die Kampf-oder-Flucht-Reaktion des Menschen sind zahlreiche Botenstoffe zuständig. Sie heißen Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Cortisol.
Unsere Biologie hat beim Streit ihre Hand im Spiel.
Die Aufgabe dieser Hormone ist es, die optimale Energieversorgung für die Reaktion auf die Bedrohung zu gewährleisten. Ihrem Funktionieren verdanken wir Menschen es, dass wir immer noch auf diesem Planeten leben – und nicht vom Tiger verspeist wurden.
Besondere Bedeutung hierfür kommt dem Adrenalin zu. Adrenalin sorgt dafür, dass sich die Herzfrequenz erhöht und der Blutdruck steigt. Es erweitert darüber hinaus die Bronchien, um die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff zu erhöhen, und nimmt Einfluss auf die Energieversorgung. Der Körper braucht jetzt alle Kraft, über die er verfügen kann. Außerdem hemmt Adrenalin die Magen-Darm-Tätigkeit. Verdauen ist später, jetzt zählt das Überleben. Die vorhandene Energie wird für die Bewältigung der anstehenden Bedrohung benötigt.
Aber was denken wir eigentlich, während all diese körperlichen Veränderungen ablaufen? Was denkt Markus, während sein Puls auf 110 hochschnellt? Was denkt Ines, während ihr Blutdruck sich stark erhöht? Die Antwort ist auf den ersten Blick erstaunlich: Beide denken nicht allzu viel. Beide fühlen sich angegriffen und reagieren entsprechend. Sie reagieren schnell und intuitiv. Aber sie denken nicht nach. Der Körper stellt in einer Bedrohungssituation keine Energie für so etwas Überflüssiges wie Nachdenken zur Verfügung. Er reduziert ganz im Gegenteil sogar die Aktivitäten des Großhirns, das für komplizierte Gehirnfunktionen wie das Denken zuständig ist, auf ein absolutes Minimum. Stattdessen mobilisiert er alle Kräfte. Für den Kampf. Für die Flucht.
Auch das Gehirn wird also angesichts einer bedrohlichen Lage kurzgehalten. Nachdenken ist später, jetzt zählt das Überleben. Das macht es unmöglich, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Unsere Biologie lässt das nicht zu.
EIN ERHÖHTER PULS VERHINDERT WIRKLICHE GESPRÄCHE
Fachleute gehen davon aus, dass schon bei einem erhöhten Puls von etwa 95 Schlägen pro Minute kein Gespräch mehr möglich ist, das diesen Namen auch verdient. Ein hoher Puls signalisiert, dass sich der Betreffende in einer Kampf-oder-Flucht-Situation befindet. In diese Situation geraten Männer öfter – und schneller – als Frauen. Bis heute reagiert das männliche Herz-Kreislauf-System stärker auf äußere Einflüsse. Und es erholt sich anschließend, nach einem Streit, deutlich langsamer von Stress als das weibliche.
Ein Streit besteht aus Angriffen, verbalen Angriffen in der Regel. „Was hat der blöde Teller hier zu suchen?“, sagte Ines zu Markus. Das ist ein verbaler Angriff, also ein Angriff mit Wörtern. „Ach, Fräulein Ordnungssinn hat mal wieder schlechte Laune“, antwortete Markus. Er ließ sich ihren Anpfiff nicht gefallen, hat zurückgeschlagen. Im Streit reagieren wir auf einen Angriff mit einer deutlichen Verteidigung. Wir schlagen zurück. Häufig steigern wir den Pegel der Auseinandersetzung sogar noch, indem wir die Stärke des Gegenangriffs erhöhen.
Der andere gibt nicht etwa nach. Er verstärkt vielmehr seinerseits den Angriff. Er erhöht zum Beispiel die Lautstärke. Oder die Schwere der verbalen Verletzungen. Und so kann aus einer gerade noch friedlichen Beziehung binnen Minuten ein Kampfplatz werden, bei dem nur noch die Frage interessiert, wer ihn – bildlich gesprochen – leicht und wer ihn schwer verletzt verlässt.
Kampf- oder Flucht-Reaktionen bereiten den Körper aber nicht auf einen verbalen Schlagabtausch vor, sondern auf eine drohende körperliche Auseinandersetzung. Deshalb sind auch körperliche Angriffe im Zusammenhang mit Beziehungsstreiten nicht selten. Das betrifft Männer wie Frauen. Frauen greifen, was wenig bekannt ist, sogar häufiger zu körperlicher Gewalt als Männer. Unbestritten ist allerdings, dass körperliche Übergriffe von Männern in aller Regel gefährlicher sind. Das liegt zum einen an ihrer körperlichen Überlegenheit. Männer sind häufig stärker als ihre Frauen. Zum anderen liegt es aber auch an der größeren Bereitschaft vieler Männer, ihr Gegenüber bei Auseinandersetzungen tatsächlich zu verletzen.
Ein Streit ist aber nicht nur ein körperlicher, von Hormonen gesteuerter Vorgang. Er spielt sich auch auf der Gefühlsebene ab. Hier sind die Kosten des Streits außerordentlich groß. Wer da verliert, ist bei Ines und Markus gut zu sehen: Beide Partner verlieren. Sie verlieren – für eine Weile – ihre Liebe zueinander. Wo Streit ist, da ist keine Liebe. Das schmerzt und verunsichert zusätzlich. Kein Wunder, dass Ines das Weite gesucht und Markus vor lauter Wut über Ines den Teller an die Wand geworfen hat.
Beide Partner verlieren. Sie verlieren die Chance, den anderen zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen. Wer streitet, will ja keine Abstriche von seinen Vorstellungen machen. Beide verlieren langfristig ein Stück von ihrer Liebe. Wer dauerhaft streitet und keine Lösung findet, der erlebt, dass seine Liebe Stück für Stück schwindet. Von Tag zu Tag und von Streit zu Streit.
Sicher, es sind nur kleine Stücke der wechselseitigen Zuneigung, die da verloren gehen. Aber sie gehen verloren. Und auch das hat seinerseits wieder Folgen. Denn ihr Verlust stimmt beide Partner nicht optimistisch in Bezug auf die Zukunft der gemeinsamen Beziehung. Unsicherheit macht sich breit und vergiftet die Atmosphäre zusätzlich. So fügt das Streiten der Liebe möglicherweise auch langfristig enorme Schäden zu. Möglicherweise, habe ich gesagt. Das kann also so sein. Muss es aber nicht. Unter welchen Bedingungen es gelingt, die Auswirkungen häufiger Streite auf eine Partnerschaft gering zu halten, das werden wir später noch sehen.
Mit jedem Streit schwindet die Liebe.
Doch so logisch die biologischen Erklärungen des menschlichen Streitverhaltens auch sind, eine Frage drängt sich doch auf: Warum sind wir eigentlich so leicht – und so schnell – dazu zu bringen, auf den Menschen, den wir lieben, mit dem wir unseren Alltag, die Wohnung und unser Bett teilen, so heftig zu reagieren, wie Ines und Markus es taten? Warum spitzt sich ein Streit so schnell zu?
Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Denn bei einem Streit wie dem von Ines und Markus greifen vier unterschiedliche Räder ineinander. Das partnerschaftliche Unglück hat also eine ganze Reihe von Mit-verursachern. Neben der biologischen Erklärung, die Sie ja schon kennen, gibt es weitere Umstände wie beispielsweise Stress, die den Beginn eines Streits genauso wahrscheinlicher machen wie seine anschließende Zuspitzung. Zudem findet man soziologische Begründungen. Sie sehen unser modernes Liebeskonzept und die damit verbundene große Abhängigkeit von einer Partnerschaft als eine Ursache für Partnerschaftsprobleme an. Und schließlich gibt es auch psychologische Erklärungen.