Strong Kids - Fritz Gleiß - E-Book

Strong Kids E-Book

Fritz Gleiß

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Beschreibung

Hannes Wabaye, Detektiv in Moshi am Kilimanjaro, be­kommt von seinem Bekannten Jens Petermann aus Hamburg einen Auftrag: Er soll ein Waisenheim im Südwesten Tansanias auf Seriosität überprüfen. Deutsche Spender würden dort in­ves­tieren wollen. Gemeinsam mit der reizenden Journalistin Ambi Mare­ge­si beginnt Wabaye zu recherchieren. Je mehr sich die beiden mit dem Waisenhaus befassen, desto schrecklicher wird ihr Ver­dacht: Werden von dort etwa Kinder nach Deutsch­land ent­führt? Und wenn: zu wel­chem Zweck? Bald kom­men sie einem ungeheuer­lichen Ver­bre­chen auf die Spur.

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Seitenzahl: 449

Veröffentlichungsjahr: 2021

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„10 kidnapped children found dead in Tanzania with missing body parts, ministry says”

(CNN-Schlagzeile, 28.1.2019)

Hannes Wabaye, Detektiv in Moshi am Kilimanjaro, be­kommt von seinem Bekannten Jens Petermann aus Hamburg einen Auftrag: Er soll ein Waisenheim im Südwesten Tansanias auf Seriosität überprüfen. Deutsche Spender würden dort in­ves­tieren wollen. Gemeinsam mit der reizenden Journalistin Ambi Mare­ge­si beginnt Wabaye zu recherchieren. Je mehr sich die beiden mit dem Waisenhaus befassen, desto schrecklicher wird ihr Ver­dacht: Werden von dort etwa Kinder nach Deutsch­land ent­führt? Und wenn: zu wel­chem Zweck? Bald kom­men sie einem ungeheuer­lichen Ver­bre­chen auf die Spur.

Fritz Gleiß, Jg. 1959, war u.a. stellvertretender Chefredakteur der Monatszeitschrift „Africa live”, schrieb mehrere politische Reiseführer zu Ostafrika und bislang drei Wabaye-Krimis. Er lebt als Jour­nalist und Fundraiser in Celle.

Imprint

Strong Kids Hannes Wabayes dritter Fall Fritz Gleiß – [email protected]

Copyright © 2021 Fritz Gleiß 

Auch Hannes Wabayes andere Fälle „Der Schatz von Njinjo” und „Das Erbe der MV Bukoba” sind als e-book bei amazon und neobooks erhältlich.

Die Geschichte basiert zum Teil auf Fakten, gleichwohl sind Namen und Daten meist frei erfunden. Ähnlichkeiten zu realen Personen sind entweder purer Zufall oder gewollt. 

Das Manuskript wurde im Dezember 2020 abgeschlossen. Die Handlung spielt kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Rechteinhabers reproduziert oder unter Verwendung elektro­nischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer­den.

Titelfoto © Amevi Asiwome Wisdom/unsplash

Dank

Ohne die aufmunternde Unterstützung von Jutta Borsdorf wäre dieses Buch nicht geschrieben worden. Ohne die Sprach- und Ortskenntnis und den Rat des auch im Roman auftauchenden, real existierenden tansanischen Journalisten David Kyungu gäbe es weder ein Waisenhaus bei Tukuyu noch den einen oder anderen Perspektivenwechsel. 

Inhalt
Karte
Die wichtigsten Personen
Prolog
Im Süden Tansanias
1. Schluss mit lustig (bei Hamburg)
2. Kurz vor dem Ziel
3. Einige Wochen zuvor
4. Von Hamburg nach Moshi (in Tansania)
5. Zwischen Moshi und Dar es Salaam
6. Abendgymnastik
7. Vertragsverhandlung
8. Hannes allein in Dar
9. Ambi mit dem Hut
10. Lehrstunde in Sachen Honorar
11. Reisevorbereitung
12. Unterwegs zu den Tieren
13. Hannes trifft einen Bekannten
14. Ein Sonntag am Meer
15. Die Stiftung
16. Im Gästehaus
17. Das Waisenhaus
18. Entdeckungen
19. Gaudency
20. Tischgespräch
21. Snoopy hört ab
22. Auf nach Malawi!
23. Verfolgungsjagd
24. Fährverkehr
25. Hannes findet einen Assistenten
26. Entwicklungshilfe
27. Am Ende der Welt
28. Auf See
29. Ende Gelände
30. Stich ins Wespennest
31. Rettungseinsatz
32. Liebesdienst
33. Müller hat Scheiße gebaut (fünf Tage zuvor)
34. Kundengespräch
35. Gewalt? Keine Frage!
36. Entnahme jederzeit möglich
37. Übersetzungsarbeit
38. Oliver
39. Petermann bekommt Wind vom Ausmaß der Sache
40. Fotosession mit Honni
41. Bereitschaftsdienst
42. Frust im Revier
43. Perspektivenwechsel
44. Nestbeschmutzer
45. Fantasie und Mut
46. Großeinsatz um 15 Uhr
47. Scheine für Makaïdi
Epilog
Glossar

Karte

Die wichtigsten Personen

Nach ihren Vornamen sortiert:

Ally Raza – Leiterin des Waisenheims MlakiziAlphonce Edward Danda – Chef der Mlakizi-StiftungAmbi Maregesi – Journalistin aus Mwanza, stationiert in DarGaudency Mario Kiongo* – Bewohnerin Mlakizis, alias Maria Gaudência Gerhard von Seitlitz, Prof. Dr. – Angestellter von Jo MahlerGregor Schiman – Kriminalhauptkommissar in HamburgHannes Wabaye – Detektiv aus Moshi am Kilimanjaro, alias Ephraim Chirwa Heike Schmidt – Kriminaloberkommissarin unterGregor SchimanHonorata Rwebusoya – Hannes junge Tante, lebt in DarJens Petermann – Architekt aus Rosengarten bei Hamburg, Bekannter Hannes’Jo Mahler – alias Paul Schäfer Joél Nziku – Stellvertreter Razas, Sicherheitschef in MlakiziJoy Lyabandi – Lehrerin und Erzieherin in MlakiziKito Kuhenga – Liebhaber und Begleiter von Rebecca SchillingMakaïdi – Chef der Verkehrspolizei in TukuyuOliver Raphaeli Ng'aala* – Geburtsname von Rahel Cherio Malekela* Paul Schäfer – Patenonkel Olivers/Rahels, Drahtzieher, alias Jo Mahler Rebeca Schilling – deutsche HandelsreisendeRudolph Herrlich – Komplize Jo MahlersSabine Kortweit, Dr. – Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung in Hamburg

Prolog

Im Süden Tansanias

Das Bild wird Juma Kapeta nie vergessen. Nie. Die ver­schrumpelte, von blutigen Rissen überzogene helle Haut, dunk­le Flecken hinter jeder Falte, den aufge­bläh­ten Torso mit der tiefen, offenen Wunde unter den Rippen, bedeckt von braunem, modrigem Blattwerk. Schwar­ze Stümpfe dort, wo Ar­me und Bei­ne sein sollten. Flie­gen und Ameisen allüberall. Der Kopf des Jungen lag leicht abgewinkelt, die hellen Brau­en kaum sicht­bar über den aufgerissenen, ausgestochenen Au­gen in ei­nem abstrus friedli­chen Gesicht unter kurzen weißen Kraus­haar­locken – ein Kindheits­trau­ma.

Wegschaffen sollten sie sie, die kleine Leiche, ab in den Fluss, hatte der „Fährmann” befohlen. Ally Raza, die Heim­lei­te­rin, hatte ihm Bescheid gesagt. Um alles Weitere werde er sich küm­mern.

Wer hatte es gewagt, den kleinen Körper ausgerech­net hier abzulegen? Zog der Wahnsinn denn so weite Kreise?

„Fährmann” Alphonce Edward Danda ist weit herumge­kommen und sieht sich selbst als Kapitän. Er befehligt ein großes Schiff, sein Unternehmen, die Stiftung, das Waisen­haus Mlakizi direkt am idyllischen Songwe River, der schon vor über hundert Jahren Nordrhodesien und Nyasa-Land von Deutsch-Ostafrika trennte. Der Kapitän residiert in einem alten Gutsver­walterhaus auf einem Hügel hoch über Tabakfeldern und dem Fluss, spricht vier Sprachen und ist stolz auf seine Über­sicht.

Seit acht Jahren herrscht er hier und leistet Aufbauarbeit. Von der Zucht bis zur Ernte, so das Programm, das jetzt endlich Mal wieder den vol­len Ertrag einbringen soll. Zum Wohle aller: der Kinder, denen es hier so unendlich viel besser geht als dort, wo seine Mitarbeiter sie aufgelesen haben. Zum Wohl der An­ge­stellten drüben im Heim, die gar nicht wissen, dass er sie be­zahlt. Zum Wohle auch der Dorfbewohner, deren Kinder kos­tenlos seine Schule besuchen dürfen und die nie wissen müs­sen, wer er wirklich ist. Er, der alle paar Wochen mit seinem Außenborder aus Mala­wi über den Fluss herüberrauscht und die Heimlei­terin be­sucht. Und na­türlich zum Wohle seiner klei­nen Kapital­gesell­schaft und all der Geber, die Mlakizi unter­stützen, darun­ter ech­te Philanthro­pen. Die sehen in seinem Heim die Zukunft.

Nun aber kommen ihm, der die öffentliche Wahrnehmung Mlakizis stets scharf zu kontrollieren wusste, diese Hexer in die Quere. Ausgerechnet hier, in der allerletzten Ecke Tansanias oder auch Malawis, je nachdem, von welcher Seite des Flusses man die Sache sieht. Abgedrehte Heiler mit ihrem verque­ren Quatsch von heilsbringenden Albinoteilen ziehen Aufmerk­samkeit auf die Region, falsche Publicity, die das ganze Projekt gefährdet. Manche Eltern der toten Kinder haben ihre Kinder doch noch nicht einmal vermisst!

1. Schluss mit lustig (bei Hamburg)

Dem Mann war nicht mehr zu helfen. Sein Rumpf klebt zerquetscht im Lenkrad, der Kopf hat ein formidables Spin­nennetz in die Windschutzscheibe des Chryslers geschlagen. Air­­bag und Gurtstraffer hatten, anders als auf der Beifahrer­sei­te, gleichzeitig versagt – ein Phänomen, das in letzter Zeit öfter vorkam. „Fuck off!”, hatte der Fahrer dem jungen Mäd­chen noch zugeröchelt, die sich jetzt panisch hinter ihrem zusam­men­fal­len­den Luftsack aus dem Gurt wickelt und gegen die Tür stemmt, um aus dem qualmenden Wrack herauszukommen.

Als sie endlich draußen ist, überkommt sie der Schock. Eisig kalt legt sich die Nachtluft um sie, augenblicklich zittert sie wie Espen­laub. Und doch: Sie lebt! Die Jeans an den Beinen aufge­ris­sen, der dicke Pullover bis zum Hals verrutscht, krabbelt die schlan­ke Teenagerin unverletzt aufs Feld. An die wärmende Ja­cke auf der Rückbank kommt sie nicht mehr ran. Nur weg! Weg von diesem Auto, das gleich brennen wird, rennen, der Straße nach, blind in die norddeutsche Dunkelheit, die doch bei wei­tem nicht so undurchdringlich schwarz ist wie die Nacht, die sie von zuhause kennt.

Eben noch waren sie einer Verkehrskontrolle entkommen. Seitdem war der Fahrer, dieser hellhäutige Riese, der sich Frank Müller nannte, gerast wie ein Irrer. Einmal hatte der Tacho, auf den sie verstohlen guckte, mehr als 240 km/h angezeigt! Und jetzt, kaum dass sie die Autobahn verlassen hatten, war Müller kurz hinter „To­tensen” – so hatte sie es auf dem rot durch­ge­strichenen Orts­­schild stolz entziffert – in der erstbesten Kurve ins Schleu­dern geraten und gegen den verfluchten Baum ge­knallt. Zurück zu ihren Pateneltern hatte er sie bringen sollen, hatte er gesagt. Paul und Rita, mit denen sie am Montag erst aus dem Flugzeug ge­stiegen war.

Die letzten beiden Tage hatte sie bei einem Arzt auf einem Bauernhof zwei Stunden südlich verbracht. Der Mann hat­te sie „vor ihrem neuen Leben einmal richtig durchchecken” sol­len. Große Ställe, Pferde, Kühe, Schweine, alle drinnen, Angst ein­flö­ßende Schäferhunde, zwei riesige Traktoren, so groß, wie sie noch nie welche gesehen hatte, doch nur ein paar Arbeiter und nirgends Erntefrauen: Ein bisschen seltsam war ihr das vorge­kommen, und kalt war es auch da schon sehr.

2. Kurz vor dem Ziel

Das Blaulicht konnte er um diese Zeit bereits von weitem sehen. Abbiegen geht nicht mehr. Scheiße! Nicht, dass ihm um die Papiere bange ist. Ausweise, Fahrzeugschein, Auto, auch Pass und Visum des Mädchens sind einwandfrei. Originale, da kommt kein Zweifel auf. Doch wenn das jetzt länger dauern sollte?

Kurz vor der Kontrollstelle ist klar: Es wird. Dutzende Autos stehen vor ihm in der Schlange. Er muss Paul benachrichtigen, zückt sein Krypto-Handy und gibt den Code ein. „Alles super, Chef! Sind pünktlich aus Wietzenbruch rausge­kommen. Dort alles okay, alle Werte prächtig, die Scans müsste ihr Professor längst haben. Werden uns aber ein bisschen ver­spä­ten, bin in ei­ne Kontrolle geraten ... Kurz vor Soltau.”

Paul schnauft, dann blafft er seinen Fahrer an: „Sorg dafür, dass Du die Zeit wieder reinholst! Wir können hier nicht ewig auf euch warten! Die Junkfrau erträgt die Angst nicht mehr!”

Als Frank Müller – so steht´s in seinem Personalausweis – endlich an der Reihe ist, liegt er gut fünfundzwanzig Minu­­ten hinter dem vereinbarten Zeitplan. Genervt fährt er die Sei­ten­scheibe runter. „Verkehrskontrolle! Sie waren ein biss­chen schnell! Haben Sie den Streckenradar nicht bemerkt?” Strecken­radar? Dieses neue Verfahren gegen Raser, das nicht den Mo­ment, sondern die Zeit misst, die man für die letzten Kilometer brauchte? Stehen deshalb etwa auch all die anderen Fahrzeuge hier? Hat´s die auch erwischt? Nie zuvor ist Müller bei einem Transport in eine derart dämliche Kontrolle geraten!

„Ihre Papiere bitte!” Der Polizist – Typ gemütlicher Ver­kehrs­­bulle – beugt sich ein wenig herunter, um in den Wagen zu schauen. „Oh, holla. Ein Gast. Darf man fragen, wer das hüb­sche dunkle Fräulein in ihrem flotten Wagen ist?”

Die misstrauische Miene des Bullen lässt Müller kalt. „Oh, Ra­hel hier? Ist unsere Patentochter ... Haben sie zu uns einge­laden, damit sie mal was sieht von der Welt ...” Aus der Brust­tasche seines Sak­kos zieht Müller Füh­rer­schein, Perso, Kfz-Schein und reicht die Dokumente gelang­weilt dem wartenden Poli­zisten. Der jedoch inter­es­siert sich mehr für das Mädchen in Mül­lers Auto.

„Aus Afrika? Wa­rum ist denn ihre ,Patentochter´ so weg­ge­treten? ... Hallo? He! Können Sie mir mal ihren Namen sa­gen?”

Müller stupst das Mädchen nicht gerade sanft von der Seite an. Sein barscher Ton verrät den Frust über die zunehmende Dauer der Kontrolle: „Hey, the officer wants your name! Tell him!” Das Mädchen, das offenbar weggedöst war, antwortet auf selt­sam französische Art: „Mon nom? Oliver ...” Bevor sie weiter­spre­chen kann, schneidet Müller ihr das Wort ab. „Ja, mein Schatz? – Sie träumt noch, nennt mich nach ihrem Vater! Heißt Rahel Cherio Malekela*, unsere Tochter hier, in voller Län­ge. Sind erst Anfang der Woche eingereist ...”

„Zeigen Sie mir einfach mal Rahels Ausweis!”, verlangt der Polizist. Müller zieht auch diesen lässig aus dem Sakko und präsentiert einen schwarzen Reisepass. Der Beamte schlägt ihn auf, wendet sich ab und hält ihn seiner Kollegin hin, die zwei Meter entfernt aufmerksam Wache hält. „Malawi! Kei­ne sech­zehn Jahre alt! Hey, Siggi, stell dir das mal vor! Wen wir hier heute alles kennenlernen! ,Patentöchter´ aus dem tiefs­ten Schwarzafrika! Darf man das heute überhaupt noch so sagen?”

„Charly, halt die Luft an”, bremst ihn Siggi gerade noch recht­zeitig. „Malawi? Da sind die besonders scharf, was die Identität von Kindern angeht. Weißte doch. Denk an Madon­na! Ist das Visum in Ordnung?”

„Scheint so, Schengen, abgestempelt in Li-long-we oder so.”

„Dann lass’ gut sein. Sonst heißt’s nachher wieder, wir be­trie­ben ,Racial Profiling’! Kümmer Dich lieber um die Verwar­nung! Wir machen hier schließlich Öffentlichkeitsarbeit fürs Strecken­radar, sonst nichts!”

Nachdem Müller sich seine kostenpflichtige Verwarnung abgeholt und das Überweisungsformular eingesteckt hat, darf er endlich weiterfahren. Mit 45-minütiger Verspätung erreicht er die Autobahn nach Hamburg.

3. Einige Wochen zuvor

„Komm, lass uns wenigstens ein bisschen tanzen, Jens!” Im Ball­saal hoch über der Elbe spielt die Band endlich den ersten Klas­siker, „Born to be wild”. Frie­da Petermann, aufge­ta­kelt wie selten, hat ihren Mann Jens nur widerwillig zu der Bene­fiz­party begleitet, die dessen Bekannte Sabine für „Afrikas Kin­der” im ehrwür­di­gen Luis C. Jacob organisiert hatte. „Wenn schon, denn schon – dann las­sen wir es richtig krachen!”, so deren Idee. Das Kal­kül: Wer in diese erste Adresse Hamburgs am Elbufer in Blan­kenese eingeladen wird und der Einladung Folge leistet, der spendet mindestens vierstellig. Am Ende der Nacht würde die neue Hamburger Landesbeauftragte der Kon­rad-Adenauer-Stif­tung recht behalten.

Dr. Sabine Kortweit hatte seit ihrer Rückkehr aus Dar es Sa­laam, der früheren Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas und heuti­gen Partnerstadt Hamburgs, steil Karriere gemacht. In Dar, wie die Stadt von den Tansaniern kurz genannt wird, hatte sie jah­re­lang für die historisch verrufene Lettow-Vorbeck-Stiftung das deutsche Gedenken aufpoliert und dort am Ende sogar pro­mo­viert. Nach ihrer Rückkehr hievte ihr vormaliger Ar­beit­­­geber sie auf eine auskömmliche Referentinnenstelle am GIGA, dem ehemaligen Übersee-Institut. Dort beriet sie den Senat. Mitt­ler­weile war Kortweit weiter geklettert und seit ei­nem Drei­viertel­jahr Repräsentantin der KAS in der Hansestadt.

Der heutige Abend ist ihr erster großer Auftritt. Parteien, UNICEF, Worldvision, Save the Children, Kindernothilfe, Plan, Norddeutsche Mission, Caritas, BILD-Zeitung: Jede und jeder, die oder der in der Stadt etwas mit Kindern, Macht und Men­schenfreundschaft zu tun hat, war eingeladen. Darunter auch vermeintlich unbedeutende Vereine wie die Mlakizi-Stiftung, die im Süden Tansanias ein kleines Waisenheim betreibt und Kortweit von einem Parteifreund anempfohlen worden war. Alle waren sie erschienen, alle. Sogar eine sichtbar auf dem letz­ten Loch pfei­fende Adelige aus der Desiderius-Erasmus-Stif­tung stol­zier­te mit ihrem vertrockneten Partner übers Parkett. Berüh­rungs­angst kennt Kortweit nicht, nach rechts schon gar nicht.

Selbstverständlich hatte sie auch Jens Petermann eingeladen, ihren alten Freund aus Studientagen, der sich zusammen mit seiner Frau seit Jahren für die kleine NGO „Children First!” stark macht. Ihrer gemeinsamen Nacht vor einigen Jahren in Dar trauert die KAS-Chefin immer mal wieder ein bisschen nach. Frieda hinge­gen, Petermanns an­ge­stammte Frau seit Kin­der­tagen, der Jens sein Amuse­ment mit Sabine nach seiner Rück­kehr von der da­maligen Schatz­suche in Tansania sofort ge­beich­tet hatte, woll­te die „reak­tionäre Schnepfe” Sabine heu­te Abend am liebsten gerupft und gran­dios schei­tern sehen.

Die Party war in vollem Gange. Bevor die zah­lungskräftigen Gäs­te sich zurückziehen und die Tanzfläche dem ge­mei­nen Partyvolk überlassen würden, will Kortweit unbedingt noch ei­nen Appell loswerden. Am Mischpult des Radio-be­kann­ten Mo­derators, der für 7.000 € Honorar den Abend schmeißt, lässt sie sich das Mikro geben, klopft kurz drauf und beginnt mit ihrer einstudierten kurzen Rede.

„Liebe Gäste, lassen Sie sich an diesem fantastischen Abend bitte noch ein letztes Mal von mir stören! Sie alle werden davon gehört haben, selbst der UN-Beauftragte zeigt sich besorgt: Ein­mal mehr hat es in Afrika ein schreckliches Verbrechen gege­ben. An kleinen Kindern! Mindestens zehn Kinder, die jüngsten gerade vier Jahre alt, wurden im Süden Tan­sa­nias zer­stü­ckelt auf­gefun­den. Alle wurden augenscheinlich Opfer die­­ses grau­sa­men Aberglau­bens, dass Körperteile von Menschen mit Albi­nis­mus eine besondere Heilkraft besäßen. Bei uns gibt es diesen Wahnsinn ja zum Glück nicht mehr. Da haben wir uns ja wei­terentwickelt. Blicke ich allerdings auf die jüngs­ten Fälle von Kindesmissbrauch, so bin ich mir da gar nicht ganz si­cher. Auch eine andere Zahl erschreckt mich ganz be­son­ders: 8.000 Kinder werden in Deutschland jährlich ver­misst. Acht­tausend! Selbst wenn viele davon unbeschadet bei Verwandten leben und früher oder später wie­der auf­tau­chen: Mehrere Hundert Kinder und Jugendliche sind bei uns zu je­der Tag- und Nachtzeit, auch in die­ser Minu­te, schlicht verschwunden. 1.500 vermisste Kinder unter vierzehn sind in den letzten 50 Jahren in Deutschland nie wieder aufgetaucht. Viele da­von sind ab­ge­rutscht in Prostitu­tion und Drogen, noch mehr werden missbraucht. Das kann doch eigentlich gar nicht mög­lich sein, oder? Da wünschte ich mir, dass die Politik end­lich in die Hufe kommt und zum Beispiel wie in den Nie­der­landen Vermisstenmeldun­gen von Kindern innerhalb von Minuten großflächig auf al­len Anzeigetafeln umlie­gender Bahnhöfe bekannt macht!” Den aufkommenden Beifall wischt Kortweit rasch beiseite.

„In Holland schaffen die Behörden es, in weniger als zwan­zig Mi­nu­ten fast jeden Nachbarn über ein vermisstes Kind zu infor­mieren! Und doch: Zumindest gegen den mittelalterlichen Aber­glauben der Afrikaner können wir gemeinsam viel tun! So bitte ich Sie inständig, diese Veranstaltung nicht zu verlas­sen, ohne den hier anwesenden gemeinnützigen Vereinen und Stif­tungen, die alle täglich Großes für schutzbedürftige, ar­me Kin­der bewirken, mit ihrer Spen­de geholfen zu haben. Zei­gen Sie sich großzügig! Wir kön­nen das!”

Große Worte fielen ihr früher schwerer. An den heutigen hatte sie tagelang gefeilt. Nun hofft Sabine Kortweit, dass sich der Erfolg am Ertrag des Abends wird messen lassen können. Frieda hingegen ist empört: „,Mittelalterlicher Aberglaube der Afrikaner’? Als wäre das der wichtigste Grund, sich zu enga­gieren! Was für ein Weltbild! Das ist rassistische Hetze! Ver­steckt hinter bevormundendem Gutmenschentum!” „Frieda, reg dich ab, Sabine macht hier nur ihren Job!”, kontert ihr Gatte kühl.

Bevor die große Party sich dem Ende zuneigt, muss Sabine Kortweit unbedingt den langen Jens noch spre­chen. Hager geworden ist er, das Haar jetzt schütter, doch seine tief­braunen Augen strah­len für sie wie eh und je. Wer weiß, viel­leicht entwickelt sich daraus ja noch was für die Nacht. Dumm nur, dass er mit Frie­da da ist.

Jens hatte seine Frau lange überreden müssen mitzukom­men. „Wir brauchen auch solche Kontakte, Frieda!” Mehr hatte er nicht ins Feld führen können. Ihr Widerwille gegen die „mon­däne, dekadente Umgebung” und gegen den konserva­ti­ven Geist der Gastgeberin hatte sich nur schwer überwinden lassen. Schließlich aber hatte sie die Vorstellung, vor ihrer alten Wider­sacherin mit Jens herumzutanzen, beinahe lüstern auf den Abend warten lassen. Das machte Spaß, tat der Gesundheit gut und spülte vielleicht ja auch etwas in die Kasse von „Chil­dren First!”, dessen Mitbegründerin sie schließlich war. Doch aus­­ge­rechnet jetzt, wo die Musik endlich einmal passte und Jens schon stand, muss Sabine auf ihren Mann zustürmen, um ihm irgendetwas aufzuschwatzen.

„Sabine, hallo, warte mal ein paar Songs, wir tanzen jetzt!” – sprach’s und genoss es, der Zie­ge ihren Mann zu entziehen. Weder Jens noch Sabine sträuben sich.

Wohlzufühlen allerdings scheint Jens Petermann sich beim Tan­zen nicht so recht. Bedrückt trifft es nicht wirklich, aber seit Wochen geht es ihm nicht gut, er wirkt zunehmend antriebslos. Die Party kam ihm gerade recht, um sich abzulenken und ein biss­chen aufzu­tanken. Vielleicht hätte er Frieda gar nicht zum Mit­kom­men bewegen sollen. Sich mal wieder selbst so richtig wich­tig fühlen, anziehend, wenn auch nur als Vertreter einer kleinen NGO. Ohne diese Wirkung, das merkt er immer öfter, fällt es ihm zuneh­mend schwer, seine Aufträge abzuarbeiten oder gar neue zu akquirieren. Es läuft so vieles nicht mehr rich­tig rund, die Arbeit, die Architektur, die Liebe. Mit Anfang 50 sieht er zwei Drittel allen Lebens hinter sich. Und Neues fehlt.

Gehen will er ganz bestimmt noch nicht. Auch wenn Frieda ihn gera­de zum Tanzen brachte – sie würde es nicht mehr lange hier aus­halten, das ist gewiss. Beide sind sie mit dem eigenen Wa­gen hier, kein Grund also, die Show gemeinsam zu ver­las­sen. Mal sehen, wie sich die Nacht noch so entwickelt. Sie hatten nicht darüber gesprochen, wie sie zurück nach Hause kämen. Die genervte Stimmung zwischen ihnen hält nun schon seit Monaten an, doch keiner tat den ersten Schritt. Sich aus­sprechen? Beziehungsarbeit? Gar erwägen sich zu trennen, nach mehr als dreißig Jahren Ehe? Raus aus dem Haus in den Har­burger Bergen, Friedas Elternhaus? Eine eigene Wohnung in Hamburg finden? Alles schwer vorstellbar. Irgendwie aber ist die Luft raus aus der Beziehung, irgendwo tut sich ein Ab­grund auf.

Sabine Kortweit kommt ihm da heute Abend gerade recht. Noch ein, zwei Tänzchen mit Frieda, dann ist er frei. Schön, dass Sabine ge­rade den ersten Schritt gemacht hat. Der Saal ist nicht groß genug, um sich aus den Augen zu verlieren. Und tatsächlich murrt Frieda schon nach dem nächsten Song – „Hotel California” der „Eagles” – über die spie­ßige Musik und steuert den Infotisch von „Children First!” an. „Ich bau ab, nehme Rollups und Tisch gleich mit, okay?” Ihr Mann hat nichts dagegen. Und ist erleichtert.

Kaum ist Frieda weg, steht die Gastgeberin hinter ihm. „Endlich habe ich Zeit ...” Sabines Hand bleibt deutlich zu lange auf seiner rechten Schulter liegen. Den Architekten erschreckt das nicht, er dreht sich gerne um.

„Sabine, wie schön! Da hast du ja was Tolles auf die Beine gestellt! Win-win für alle, großartig!” Es ist zwar nicht ganz klar, wo­rauf sich Peter­mann bezieht, doch Sabine kribbeln die Schenkel. Woher Jens’ Wirkung auf sie kommt, hat sie schon lange nicht mehr hinter­fragt. Heute scheint auch sie ihm ganz besonders zu gefallen. Nach kurzem Geplänkel à la „lange nicht gesehen” drängt es die Stiftungsfrau allerdings, erst mal ihr Anlie­gen loszu­wer­den. Danach wird sie noch Zeit genug haben, mit dem Schlacks zu flirten.

„Jens, ich muss dir schnell was erzählen!”

„Okay ...”

Vor ein paar Wo­chen sei sie von einem wohlhabenden Paar, das von ihrer Zeit in Tansania wisse, auf eine Stiftung angespro­chen worden. Die würde im Südwesten des ostafrikanischen Landes ein Wai­sen­­haus betreiben. „Die haben heute hier auch einen Stand. Da hinten!” Kortweit zeigt quer durch den Saal auf die Wand vor der Garderobe, wo rund ein Dut­zend Organisatio­nen der Kin­der­hilfs-Sze­ne ihre Stände aufge­baut haben oder gerade abbauen, wie den von „Children First!”. „Die Mlakizi-Stiftung einzuladen, hat mich Chris Amthor ge­beten, den kennste be­stimmt … Na ja, die Ehe­leute wollen wis­sen, ob man für das Haus da unten wohl eine Paten­schaft über­nehmen könne. Nach all den Morden da. Hast du be­stimmt von gehört. Ob das seriös ge­führt werde, wie die Ver­hält­nisse vor Ort aus­sähen und so weiter. Liegt bei Tukuyu, am Arsch der Welt, ganz nah an den großen Seen, zwischen Dar und Lu­bum­bashi, du weißt schon.”

„Tukuyu? Nie gehört, müsste nachschlagen, wo das ist”, wen­det Petermann ein, den Sabines Anliegen nicht so recht erreichen will, ihr Reiz dagegen umso mehr.

„Die wollen wissen, ob sie da Geld reinstecken können. Viel Geld. In die ‚Mlakizi Foundation’, so heißt das Ding. Ob die Kon­takt­leute da unten vertrauenswürdig sind. Da gibt’s angeblich einen Euro­päer, der das alles managt, aber irgendwie nicht gern in Er­schei­­nung tritt. All so’n Kram”, fährt Sabine fort. „Die sind über Freunde auf das Projekt gestoßen, die da ein paar Paten­kinder finanzieren. Vielleicht lässt sich daraus ja was Größeres machen ...”

Nur zögernd lässt sich Petermann auf Sabines Gedanken ein: „Aber die beiden sind verunsichert durch die vielen Paten­schafts-Skandale? Wo Kinder als Haushalts- oder Sexsklaven verkauft werden?”

„Ja, genau. Und durch die Kindermorde.”

„Hä?”

„Bei den Paten versickern ja weltweit Millionen ...”

„,Versickern’! Lass das bloß nicht deine geladenen NGOs hier hören. Fast alle kennen solche Fälle aus eigenem Erleben, das ist kriminell hoch fünf!”

„Schon klar. Aber hier reden wir von einem konkreten Haus. In Tansania, was ja meist nicht so schlimm daherkommt. Gibt dort bestimmt auch tausend gut geführte Einrichtun­gen. Du kennst doch diesen Detektiv in Moshi, vielleicht weiß der was?”

„Hey, Sabine, Moshi liegt vom Südwesten Tansanias weiter weg als Ham­burg von Mailand. Und Tansania hat mittlerweile auch schon fast so viele Bewohner wie wir hier in Deutschland. Warum also sollte Hannes mehr über dieses Haus wissen als du oder ich?” Der seltsam deutsche Vorname des Detektivs hatte sich gewiss auch bei Sabine eingeprägt.

„Frag ihn doch einfach mal, er kann sich ja vielleicht mal um­hö­ren. Das kostet doch heute nix mehr. Dann sehen wir wei­ter!”

„Okay, ich werd ihm davon erzählen. Aber jetzt?”

Die Landesbeauftragte lässt noch nicht locker: „Vielleicht kann ja auch seine patente Tante Honorata was raus­kriegen, die lebt in Dar, oder? Die hat doch mal für diesen Karsten Härtling gearbeitet, von ‚Safety First’, der Sicherheitsfirma.”

„Ja, stimmt. Mal gucken, was das bringt … Wollen wir jetzt tanzen?”

Nein, die Party war noch lange nicht zu Ende.

4. Von Hamburg nach Moshi (in Tansania)

Der Kater dröhnte gehörig. Als Jens Petermann am nächsten Morgen, der eher ein früher Mittag ist, im luxuriösen Zimmer des Louis C. Jacob erwacht, plagt ihn der Schmerz im Kopf ähnlich wie die Übelkeit. Das Zimmer hatte er noch in der Nacht angemietet. Er war doch tatsächlich mit Sabine, dieser alten Schrappnelle, im Bett ge­lan­det. Gut, er hatte es drauf angelegt. Und war’s zufrie­den. Das mit dem „endlich mal wieder anziehend sein” hatte wun­derbar geklappt. Begehrt sogar, na sowas. Ob ihm das al­ler­­dings bei der Bereinigung seiner Beziehung mit Frieda helfen wird, be­zweifelt sein benebeltes Hirn schon bevor es überhaupt zu Denken anfängt.

Die andere Seite des ausladenden Doppelbetts ist leer und kalt. Frau Doktorin ist bereits verschwunden. Was hatte er ihr ver­flixt nochmal versprochen? Was hatte die Kortweit ei­gent­lich gewollt?

Erst nach dem dritten Kaffee, den er sich aufs Zimmer brin­gen lässt, fällt es ihm wieder ein. Hannes anrufen, nach irgend­einem Waisenhaus befragen. Liegt da nicht irgendwo ein Flyer? Den Sabine ihm zugesteckt hatte? „Mlakizi – meet the future!” steht vorne drauf.

Klein und fein, der Prospekt, Hochglanz, schönes Land­schafts­foto unter strahlend blauem, afrikanischem Himmel. Eine grüne Oase mit einem Dutzend Gebäu­den direkt an irgendei­nem braunen Fluss, lachende Kinder rundherum. Nur das Grün kommt etwas unecht rüber, könnten Reisfelder sein. Der Text auf Englisch, gedruckt aber offenkundig bei „fly­erpower” im deut­schen Internet.

Innen ist von „vintage bree­­ding conditions” die Rede, was Petermann leicht irritiert, aber wohlwollend mit „erstklassiger Erziehung” übersetzt. Auch mit „top-quality me­di­cal super­vi­sion” – erstklassiger me­di­zi­ni­scher Betreuung? – wirbt der Pro­spekt. Am Ende nennt er ein Spen­denkonto für die „Mlakizi Orphanage Foundation”, selt­sa­mer­weise nicht bei einer tansanischen, son­dern bei einer süd­afri­kanischen Bank, die einen „easy transfer” ermögliche. Die Adres­­se der An­la­ge ist kryptisch wie so oft in Tansania: Post­box Mbeya, nicht Tu­kuyu, als Kontakt nur eine Mailadresse und Handy­nummer. Gibt es das Haus überhaupt?

Google Maps kennt in der Gegend tatsächlich einen ähnlich klingenden Ort, nur ohne das zweite i. Okay, das wird es sein. Weder Google noch Open Street Maps allerdings verzeichnen dort viele Straßen. Für genauere Recherchen ist der Bildschirm von Peter­manns Smartphone ohnehin zu klein.

Stattdessen öffnet der Architekt seinen WhatsApp-Account und be­ginnt einen englischen Text an seinen „Meisterdetektiv” Han­nes Wabaye in Moshi zu schreiben, mit dem er seit ihrem letzten gemeinsamen Aben­teuer locker in Kontakt geblieben ist. Damals hat­ten sie Diamanten für mehr als 100.000 € aus dem Wrack der MV Bukoba im Victoriasee ge­bor­gen und eine inter­na­tionale Ver­schwörung rund um den Untergang des Fähr­schiffs aufge­deckt, bei dem 1996 fast 1.000 Menschen ertrunken waren.

„Hallo, Hannes! Ich hoffe es geht Ihnen, Honney und allen anderen aus der Familie prächtig und die Geschäfte laufen gut. Bei mir alles roger. Eine gute Bekannte von mir, Dr. Sabine Kortweit, die für eine politische Stiftung hier arbeitet, hat mich gebeten, ein paar Informationen über ein Waisenheim im Süden Tansanias einzuholen. Wird betrieben von der Mlakizi Founda­tion, das Gelände liegt anscheinend an der tansanisch-mala­wi­schen Grenze südwestlich von Tukuyu am Songwe River. Dr. Kortweit will wissen, ob da alles mit rech­ten Dingen zugeht, wie die mit den Kindern umgehen, ob die Stiftung hinter dem Heim seriös ist. Einer ihrer Klienten will da eventuell Geld rein­stecken. Könn­ten Sie sich wohl mal um­hö­ren? Kennen Sie viel­leicht jemanden da unten?”

Bevor Petermann die Nachricht abschickt, überlegt er länger, ob und wie viel Geld er Hannes für diesen Gefallen anbieten soll. Klar ist, dass solche Recherchen etwas kosten. Doch wie viel? Einen Tagessatz, der in seinem Beruf als Archi­tekt leicht bei 1.000 € liegt? Oder nur ein paar Arbeitsstun­den, bezahlt in tansanischen Shil­lingen nach lokalem Tarif?

Lieber belässt er es erst mal bei einem Gefallen. Der kostet auch in Tansania nichts. So bleibt diese erste Mail ohne jedes konkrete Angebot. Eine vernünftige Antwort kann er ja später immer noch vergüten.

5. Zwischen Moshi und Dar es Salaam

„Hey, Honni! Hannes hier!” Seit es WhatsApp, Skype und all das gibt und Hannes sich ein gebrauchtes Galaxy geleistet hat, sind Telefonkosten kein Thema mehr. Das Büro seiner De­tektei, die er in Moshi am Fuße des mächtigen Kilima­njaro be­treibt, hat bis heute weder einen Festnetzan­schluss noch WLAN. Schräg gegenüber aber liegt Yussufs Mountain View Café, das topmäßige Verbindungen garantiert. Einen Chai für 200 Shilling und schon ist er im Netz. Selbst ein stets klammer Pri­vatdetektiv wie er kann sich so einen Tee leisten, Tag und Nacht.

Mit seiner gewichtigen, grundsätzlich mo­disch geklei­deten Tante Honorata Rwebusoya in Dar es Salaam, die alle Welt nur Honni nennt, telefoniert er jede Woche. Schließ­lich fühlt er sich ein bisschen für sie verantwort­lich, ist sie doch um so viele Jah­re jünger als er. Ihre Schwes­ter, drit­te Frau sei­nes Va­ters Kaishe Wabaye, ist seit ei­ni­gen Monaten rechtmäßig dessen einzige Witwe.

Kaishe, Schöpfer wunder­ba­rer Bastkunst­klebewerke, der auf seine alten Tage nicht nur als Künstler, son­dern auch als „anti­ko­lonialer Schmugglerkönig” Anerkennung fand, hatte kurz vor der gro­ßen Regenzeit eine erstklassige Beerdi­gung erhalten. Honora­tio­ren im Dutzend, Familienmitglieder aus aller Welt und halb Moshi waren ordentlich mit Ko­nyagi, fri­schem Mbege, Bia und kräfti­gen Mahl­zeiten versorgt worden. Blasorchester, Flötenspieler, Tromm­ler und Tanzgruppen priesen tagelang Kai­shes langes ehrbares Leben. Glück­licherweise hatten die Gäs­te den Hin­ter­bliebenen des Frei­heits­kämp­fers auch einen gehöri­gen Batzen Geld gespendet. Kon­doliert und zu den Feier­lich­kei­ten seinen Teil beige­steu­ert hat­te auch Kaishes frü­her Kampfgenosse Salmin Koli­mba, der alte Gangs­ter. Ta­ge­lang stand manches still in Moshi. Nur hat­te Han­nes, Kaishes Zweit­ge­borener, von den schönen Gaben nichts be­hal­ten dür­fen, weil selbst­ver­ständlich auch Hono­rata zur Fei­er an­ge­reist war und statt zu trauern umgehend alte Schul­den einge­trie­ben hatte.

Lange war Hannes ihr nicht böse geblieben, nachtragend war er nicht. Es stand außer Zweifel, dass er vom Opti­mis­mus und Geschäftssinn seiner Tante stets mehr profitiert hatte als unter irgend­wel­chen Schulden gelitten. Honni hatte eigentlich immer eine Idee, wie er an Geld kommen konnte. Das war schlicht unbe­zahlbar.

Bei Anliegen von Jens Petermann, wie er seit heute Morgen mal wieder eines auf dem mobile liegen hatte, war geschäfts­mäßig Vor­sicht geboten, das hatte der Detektiv gelernt. Zwei Mal bereits war er mit dem Deutschen quer durchs Land gereist und hatte schwie­rige Fälle gelöst. Beide Male war die Vergü­tung bis zum Tag danach offen geblieben. Der Mann liebte es offenkundig, Einhei­mische nach Gutdünken statt vertraglich zu bezahlen. Da war guter Rat von Honni grundsätzlich angesagt, die sich nach dem dritten Klingeln gemeldet hatte.

„Hannes, kleiner Mchagga, schön dich zu hören! Was gibt's Neues? Wie geht es meiner Schwester? Wie Manhattan, Frau und Kindern?” So de­spek­tierlich auf seine Körpergröße anzuspielen erlaubt Hannes nur seiner jungen Tante. Von Stiefmutter, Bruder, Schwägerin und den drei Nef­fen aller­dings gab es nichts Neues.

„Alle gesund und munter, leben ganz gut von Kaishes Erbe. Hattan ist gerade oben am Park, sucht Kunden. Die Kleinen lernen, wie es sich gehört. Und deinem Lover?”

Vor drei Monaten hatte Honorata ihm gebeichtet, dass sie letz­tes Jahr Leonardo Mabosi aus Machame kennen­ge­lernt ha­be, Dar es Salaams besten Taxifahrer, mit dem sie zu­sam­men­ziehen wolle und eine Wohnung suche. Hörte sich so seriös an wie ein angeblicher Lottogewinn, unfassbar selbstbestimmt. Aber Hannes wünsch­te seiner Tante von Herzen Glück. Schließ­lich war sie zwar von un­beug­samer Schönheit, traditio­nell gebaut und stets fantastisch angezogen, doch schon Anfang dreißig und immer noch nicht ver­heiratet. Nicht, dass sie am Ende noch so ende wie er selbst, der seine Frau fürs Leben bis heute nicht gefunden hat.

„Leo schuftet! Tuckert jeden Tag durch die Stadt, um die Kiste und seinen Laden am Laufen zu halten. Hartes Geschäft. Was er bräuchte, wäre ein echtes Auto, irgendwas Schnittiges, Besonderes. Wir arbei­ten dran.”

„So’n Rolls Royce wie auf den alten Briefmarken?”

„Quatsch, eher einen Beetle oder, noch besser, einen T2!”

„VW-Bus? Viel Glück bei der Suche! Kann länger dauern ... Und? Immer noch kein Kind angesetzt?”

„Hannes! Pfui! Das fragt der Richtige! Natürlich machen wir das irgendwann. Freu´ mich schon. Unbedingt. Aber nicht heu­te.”

Hannes Wabaye war 46 Jahre alt, sozial so manches Mal ein Außenseiter, auch weil er, soviel man wusste, bis heute kinder­los geblieben war. Seine Tante würde dieses Schicksal hoffent­lich nicht ewig teilen. „Was macht denn dein Job?”, fragt er, um Honni auf andere Gedanken zu bringen.

„Wird zunehmend kälter, Khan spinnt. Mach ich ja nur zur Sicherheit ...”

Honorata saß halbtags an der Kasse eines modernen Super­markts für Tiefkühl-, Kühl- und Milchprodukte, den ein indi­scher Magnat in ihrem Stadtteil Mikocheni vor einigen Jahren für die winzige Mittelschicht eröffnet hatte. Le­bens­­mittel, die ohne Kühlkette bei allgemein 30 Grad Außen­tem­peratur in Nullkommanichts verderben würden, galten in der größten Stadt des Landes als luxuriöses Non plus ultra jeder Kuli­narik. Ganz besonders Fischstäbchen und Speiseeis, das einem nicht sofort den Magen verdirbt. „Shrijee hat jetzt auch Softeis im Angebot. Riesige Por­tionen. Jeden zweiten Tag muss ich mir die Beschwerden der Muttis mit ihren Gören an­hören, die Bauchweh haben. Und das zum Mindest­lohn.”

Den Job machte Honorata zwar nicht gern, er si­cher­te ihr aber eine rudimentäre Kranken- und Ren­ten­versiche­rung, ein Min­destmaß an sozialer Sicher­heit. Die anderen Stunden ihres Arbeitslebens verbrachte sie im Internetcafé oder an der Bör­se und spekulierte. Mit kleinen Summen zwar, aber zuneh­mend mit Erfolg. Dank ihrer Ausbil­dung als Buchhalterin und etwas Bakschisch war es ihr gelun­gen, an der DSE – Dars Aktien­markt, der jeden Mittwochvormittag für eine halbe Stunde öff­net – als Freimaklerin der kleinen Finanz­holding Rasimali Ltd. zugelassen zu werden. Waren ihre ersten Gewinne über­schau­bar und unbeachtet geblieben, so lagen die Erträge mittler­wei­le regelmäßig im sieben-, zuweilen gar achtstelligen Shilling-Bereich. Selbst in tan­sa­ni­scher Währung ergab dies wöchentlich einige hundert Dol­lar Provision. Bald würde sie Gefahr laufen, der Finanzauf­sicht oder anderen Mächtigen aufzufallen.

„Und mit Rasimali? Wieder neue Firmen gelistet? Gut per­formt in der Hausse?” Hannes, vor Jahren einmal Bei­nahe-Proku­rist in Moshis Textilfabrik, hatte sich nach deren Pleite in sei­nem ersten selbstständigen Leben als Wirt­schafts­berater ver­sucht. So imitierte er gern Honnis Börsianer-Sprech.

„Ganz nett. Bald haben wir genug zusammen für die Anzah­lung ...”

„Wer ‚wir’? Du und dein Taxifahrer? Für ´ne Wohnung? Ich denk, die stürzen reihenweise ein in Dar!”

„Quatsch, Hannes, du musst lernen, die Zeitung richtig he­rum zu lesen! Ein einziges Hochhaus ist zusammengebrochen, schrecklich viele Tote, stimmt. Hatte aber auch 16 statt der ge­neh­migten zehn Stockwerke. Sowas kauf ich doch nicht!”

„Schön, schön”, beendet Hannes großzügig das familiäre Geplänkel. „Hon­ni, hör mal, ich hab’ heute eine Mail gekriegt. Von diesem Deut­schen, Jens Petermann.”

Prompt war die Tante auf der Spur: „War ja bisher im­mer recht lukrativ, was mit dem anzufangen … Zumin­dest im Nach­hinein. Was will er denn?” Ihr interessierter Ton verunsi­chert ih­ren Neffen auf der Stelle.

„Eigentlich will er nur eine Frage beantwortet haben. Er glaubt, dass ich das von hier aus in Moshi besser könnte als er aus Hamburg. Geht um irgendein Waisenheim im Süden, noch hinter Mbeya ...”

„Was sollst du denn beantworten?”

„Ob die seriös arbeiten da unten.”

„Oh.” Dass Honni ein Dehnwort für eine Denkpause braucht, kommt selten vor. Doch sofort darauf rasselt es bei ihr. „Da geht’s bestimmt um richtig Geld. Vielleicht will so ein rei­cher Mzungu was investieren, ‚social investment’ ist bei den Wazungu schwer in Mode!”

„Was soll das denn bringen? Mit `nem Waisenhaus kannst du doch kein Geld verdienen. Die verlieren doch in jedem Fall ...”

„Ja, aber sie tun was Gutes, das lange wirkt und ihnen ein tolles Image sichert. Das glaubt ih­nen auch ihr Finanzamt. Da gibt’s dann Geld zurück. Auch für Verluste. Und wer was Gu­tes tut, fühlt sich einfach gut. Bes­ser als du dich, Neffe, jeden Morgen beim Aufstehen!”

Wenn Honorata Hannes mit seinem Familienstatus als unter­ge­ord­neter Neffe aufzieht, weiß er, dass sie das Handeln über­nom­men hat. Gewehrt hat er sich dagegen nie. Das Geschäft­liche liegt ihr nun mal im Blut.

„Wer für einen anderen tanzt, wird bezahlt! Lass den Deut­schen mal ein bisschen schmoren. Meld dich erst nächste Wo­che bei ihm zurück, tu so, als wärst du schwer beschäftigt. Dann fragste ihn, wie viel Zeit du denn in die Beantwortung der Frage stecken darfst, schließlich lebst du ja nicht von der Luft und auch nicht gerade um die Ecke von dem Heim und hast deine Zeit nicht gestohlen. Und dann hältst du dich an Petermanns Vor­gabe. Also, du arbeitest keine Minute länger, als er dich be­zahlt.”

„Klasse Tipp. Doch woher weiß ich, was der bereit ist, für mei­ne Zeit zu zahlen? Er kennt ja höchstens alte Tagessätze ...”

„Hey, Neffe, mal Prozentrechnung gehabt? Hast du oder hast du nicht? Ein Tag hat wie viele Stunden? Arbeits­stunden natürlich, wewe mjinga wewe! Wie viele also? Und was kostet dann wohl eine Stunde bei einem Tagessatz von einer Million?”

„Eine Million? Bis du verrückt? Das nehmen vielleicht Wirt­schaftsberater, aber das bin ich ja schon lange nicht mehr. Peter­mann kennt mich, der weiß das. Letztes Mal, als der hier war, hab’ ich mich mit ihm auf 300.000 Shilling geeinigt.”

„Da war der Shilling aber auch noch mehr wert! Und du warst ein unterbeschäftigter Detektiv in einem abgetakelten Pro­vinzkaff! Seitdem ist Moshi täglich gewachsen und du wur­dest berühmt, denk an die Bukoba-Diamanten. Hast das kor­rup­te Arschloch Makaïdi und die Staatssekretärin Okurut zu Fall gebracht! Heute kennt dich jeder hier, oder? Das hebt dei­nen Satz doch ganz erheblich!”

„Honni, eine Million pro Tag, das ist mehr als doppelt so viel wie jede Leh­rerin im Monat verdient!”

„Außerdem wird eh immer alles teurer ...”

Klischees haben Hannes noch nie überzeugt. „Was kriegst du denn bei Shrijee?”

„45.000 die Woche, aber das zählt nicht. Ist ja nur ein Halbtagsjob.”

„Oh, so wenig?” Die eigene Tante in die Ecke treiben, das hatte er nicht gewollt. In Wirklichkeit war er ihr ja dankbar für diese geschäftstüchtige Anhebung seines ökonomischen Selbst­werts. „Okay, also 500.000 pro Tag, 25 $ die Stunde, right?” Hör­bar stolz möchte Hannes das Gespräch hier gern beenden.

Das letzte Wort jedoch gebührt der Tante: „Nimm vierzig, dann weiß er, was er an dir hat! Und schick mir mal rüber, was der Mzungu dir geschrieben hat, dann guck ich mir das in Ruhe an. Ruf bald wieder an!”

6. Abendgymnastik

Am gleichen Abend trifft sich Honorata in Dar zu ihrem wö­chent­lichen Bauch-Beine-Po-Workout mit Freundinnen an der Coco Beach. Die Sonne brennt nur noch schräg von hinten. In einer Viertelstunde wird es dunkel an Dar´s Stadtstrand, be­kannt für seinen traubenzuckerfeinen, blendend weißen Sand unter dem unfassbar gleichgültig herumliegenden Dreck der Millionenstadt.

Jedem zufälligen Besucher bietet sich ein prächtiges Bild: Zwei Dutzend Frauen mittleren Alters, nur eine von ihnen in Ge­fahr, grazil genannt zu werden, stehen an der Wasserkante des azurblauen Indischen Ozeans und tanzen sich zur Musik aus einem Ghettoblaster in Trance. Eine einzelne ragt lang und groß aus der Menge heraus, unübersehbar auch wegen ihres riesigen bun­ten Huts. Nackte Füße stampfen auf und ab, als woll­­ten sie dem glühend heißen Sand entkommen, der ober­halb der Wellen droht. Eine Kursleiterin ist weit und breit nicht in Sicht. 

Viele der Frauen verdecken ihren Ganzkörper-Bade­an­zug unter einem farbenprächtig wallenden Kanga, dem tansa­ni­schen Allzwecktuch. Plötzlich stoppt die psychodelische Melo­die und wird übergangslos ersetzt von einem schnellen, nack­ten Trommelrhythmus. Die Frauengruppe löst sich auf, lässt Hut und Kangas fallen und stürzt sich als geschlossene Meute in die sanft an den Strand plätschernden Wellen des Meeres.

Es ist flach hier. Nur wenige Frauen trauen sich tiefer hinein ins Nass, nur wenige dürften schwimmen können. Abkühlung bringt ein solches Bad im 33 Grad warmen Ozean auch keine. Doch Spaß scheint es zu machen, zweifellos.

Fünf Minuten später sind die Badeanzüge wieder trocken. Die Sonne ist weg, und damit auch das Licht am Strand. Erste kleine Feuer lodern auf dem noch warmen Sand. Nur wenige Hauptstraßen sind jetzt noch beleuchtet, Straßen­la­ter­nen scheinen oft fast aus Prinzip defekt. Licht spen­den dann Werbe­tafeln, Schaufenster, Fassaden oder Au­toscheinwerfer. Tansa­nias größ­te Stadt verdüstert sich, kommt aber noch lange nicht zur Ruhe. Sie brodelt und rumort und wird mit jeder Minute mehr zur Stadt der Männer.

Am Rand des Strands warten vorbestellt vertrauenswürdige Fahrer mit ihren Bajajs, diesen genialen, überdachten Drei­rad­rikschas aus Pune in Indien, um die Frauen in die benach­barten Stadtteile zurück­zubringen. Nicht viele Frauen trauen sich, derart öffent­lich Sport zu trei­ben, selbst nicht in einer guten Gegend wie Oyster Bay, wo die Coco Beach liegt. Geschweige denn fahren sie danach freiwillig im Dun­keln im Kleinbus allein nach Hause. Ganze zwei der Bauch-Beine-Po-Athletinnen werden nicht ab­ge­holt.

Auf Honorata wartet sogar ein Auto. Leonardo, ihr Liebster, ist verlässlich zur Stelle. „Honney, mein Honigtäubchen, jetzt ma­chen wir uns einen richtig netten Abend, haki!?”

„Erst fährst du bitte Nyanjige, Ambi, Christine und Rhobi nach Hause, das kennst du doch. Die Straßen sind nun Mal nachts nicht für uns gemacht.”

„Ja, wenn du nur nicht so wunderbar zarte Knöchel hättest ...”, neckt Leonardo.

„Wenn´s nur die Schlaglöcher wären ... Du weißt genau, was ich meine.”

Mit Leonardos Schrottkarre, die ihm seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer sichert, steht nun eine kleine Rundreise an. Jede Woche dauert sie ein bisschen länger. Ambis mit bunten Federn ge­schmück­ter Hut, groß wie ein Toilettendeckel, landet zur Si­cher­­heit im Kofferraum. „Überall Baustellen, immer mehr Au­tos!”, klagt Honoratas Freund jedes Mal. „Nur gut, dass die Re­gen­zeit auf sich warten lässt!” Manche Stadtteile sind dann tage­lang nur über riesige Umwege zu erreichen. Aber Honnis Freun­dinnen sicher nach Hause zu bringen, lässt sich Leonardo auch dann nie neh­men.

So sitzen die fünf Frauen und Leonardo noch eine ganze Zeit zusammen. „Diese Fahrt ist mehr wert als jedes After-Work-Mee­ting in einer Bar”, verkündet Nyanjige behaglich. Als lokale Fachkraft einer britischen NGO verdient sie zwar nur einen Bruch­teil des Gehalts ihrer europäischen Kolleginnen, geht aber trotzdem ab und zu nach Feierabend mit zu deren Tref­fen.

„Hast du dich ein einziges Mal gut unterhalten in so einem Schuppen? Unter all den Jerks?” Das war Christine, zuständig für deftige Sprache. Wie Honorata ist auch sie engagiert in der Lokalgruppe der TASUWORI, einer NGO gegen häus­liche Ge­walt und Frauenhandel. „Können sich ja sowieso nur Schlam­pen leisten, so ein Wabenzi-Meeting.”

„Vorsicht!”, warnt Nyanjige.

„Kaum biste draußen, lauern dir die Säcke dann zu­hau­se auf!”, ereifert sich jetzt auch Rhobi. „Viel zu viele Frauen erleben Gewalt bei uns! Lebst du allein mit den Kindern in einer schlechten Gegend, kannst du abends, wenn du von der Arbeit kommst, sicher sein, von besoffenen Kerlen belästigt, an­gemacht oder gar vergewaltigt zu werden. Die lun­gern über­all herum. Gegen deren Übergriffe hast du keine Chan­ce! Nya­njige, hast du nicht gerade erst sowas erlebt?”

Die Angesprochene, die sich gerade noch zurückhielt, braust auf: „Nicht mir, aber einer Freundin ist das schon mehrmals passiert. Jede Vergewaltigung ein neues Trauma. Jedes Mal auch die Angst, dass der Wichser sie mit Aids infiziert haben könnte. Warum sie nicht zur Polizei geht? Die Bullen würden doch gleich weiter­machen!”

„Immerhin gibt´s auf den meisten Wachen heute abgetrennte Räume und weibliche Sergeanten”, will Rhobi besänftigen. Als Sekretärin der ewigen Regierungspartei CCM in ihrem Viertel ist sie stets auf staatstragenden Ausgleich bedacht.

„Mädels, lasst mal kurz den Männerhass. Gibt ja auch ein paar nette, oder?” Demonstrativ tätschelt Honorata ihrem Fah­rer den Hals. Unbequem, doch liebevoll nah hat sie auf dem Schalt­tunnel von Leonardos alterndem Mitsubishi Platz gefun­den, links neben ihr die lange Ambi. Hinten quetschen Chris­tine, Rhobi und Nyanjige ihre wohlproportionierten Hüften an­einander.

„Heute hat mich Hannes, mein Neffe aus Moshi angerufen. Hannes, der Schnüffler”, platzt es aus Honorata jetzt heraus. Mit „Schnüff­ler” hat sie die Aufmerksamkeit der anderen sicher, selbst Leonardo schaut erstaunt nach links. „Der hat mal wieder einen Auf­trag von seinem deutschen Bekannten gekriegt. Diesem Typen, mit dem er vor ein paar Jahren den Skandal um die Bukoba-Fähre aufgedeckt hat ...”

„Hallo? Ohne mich hätten die da gar nichts aufgedeckt!”, mischt sich nun auch Ambi ein, deren Berichterstattung damals zum Sturz einer Staatssekretärin und anderer hoher Regie­rungs­be­amter geführt hatte. Ihre Reportagen über die Affäre hat­ten in­ternational Aufsehen erregt und ihr einen Kar­rie­re­sprung zum East African verschafft, für den sie mittlerweile seit einem guten Jahr arbeitet. Nicht länger versteckt in der Provinz, sondern in Dar es Salaam, Tansanias kommerzieller Hauptstadt. Wo sie natürlich bald auch Honorata ge­troffen hatte, mit der sie sich auf Anhieb blendend ver­stand.

Mag die Millionenmetropole Dar noch so viele Bewohner haben: Über drei Ecken miteinander Bekannte finden sich hier immer. Egal, ob sie sich brauchen, mögen oder hassen. Honorata Rwebusoya war nicht umsonst die Tante von Hannes Wabaye aus Moshi, der als Adlatus damals diesen Hamburger Jens Petermann bei der Suche nach des­sen Schulfreund be­glei­tet hatte, Ambis halbseidenen Ex-Ge­lieb­ten Gerd – also gehörte Honni, wie alle sie nennen, fast zu Ambis Fa­milie. Da lag das Kennenlernen nahe. Und jetzt Ambis Frage:

„Was will der Deutsche denn diesmal von deinem Hannes?”

„Oh, er hat eine ganz banale Frage. Ob irgend so ein Wai­sen­haus bei uns im Süden ehrlich arbeitet.”

„Ob die Kinder da gut aufgehoben, sicher sind?”, regt sich sofort Rhobi auf. „Das nennst du banal? Rassistisch ist das! Hängt doch bestimmt mit diesen scheiß Kindermorden bei Njo­mbe zusam­men! Zeigt den Wazungu mal wieder, wie wahnsinnig und unfähig wir alle hier sind! Dabei hat die Polizei schon 65 Hexer ver­haftet! Fünfundsechzig!”

„Die Geschichte da unten in Njombe stinkt trotzdem zum Himmel, ich bin da dran, Rhobi! Aber nun lass Honni doch erst mal erzäh­len!” Das war wieder Ambi. Die beiden würden keine Freun­dinnen je werden. Dafür war Ambis Beruf einfach zu weit ent­fernt von regierungsfrommer Rhetorik. Im abgelegenen Mwanza am Victoriasee, wo Ambi zwan­zig Jahre lang Radio gemacht hatte, war sie berüch­tigt ge­wesen für ihre Furchtlosigkeit beim Befragen hoch­ge­stell­ter Funk­tionäre und Sicherheitsleute. Als Reporterin des East Afri­can, einer Wochenzeitung, die sich nicht immer mit Verlautba­rungs­kram zufriedengibt, nahm sie sich diese Frei­heit heute erst recht heraus. In Dar allerdings hatte sie schnell ge­lernt, dass die Sitten hier rauer waren. Diese Stadt, seit nahe­zu fünfzig Jahren 500 Kilometer weit weg von der offiziellen Hauptstadt, doch immer noch die bei weitem größ­te und wirt­schaftlich mit Ab­stand bedeutendste Metropole im Land, beherbergte nach wie vor fast sämtliche Re­gie­rungs­ver­tre­ter und so auch den größten Staats­sicherheits­appa­rat des Landes. Da bleibt wenig unbemerkt.

Als Leonardo Nvanjige vor ihrem Haus in der Manara Street aussteigen lässt, ist die Stimmung unter den Frauen auf dem Tiefpunkt. Beim Weiterfahren greift Honorata dann Ambis Auffor­derung auf und fährt mit ihrem Bericht fort. „Da gibt es gar nicht mehr viel zu erzählen. Hannes hat mir eine PDF des Pro­spekts vom Waisenheim geschickt. Nennt sich Mlakizi Foun­dation und wirbt mit der Zukunft. Der Deutsche, dieser Petermann, will wissen, ob die seriös sind.”

„Hat Hannes was gesagt, warum die in Deutschland daran zweifeln? Wo genau liegt dieses Mlakizi denn eigentlich?”

„Laut Google Maps wahrscheinlich irgendwo am Songwe, dem Grenzfluss zu Malawi. Hinter Tukuyu. Nee, zum Grund der Zweifel kein Wort bisher.”

„Das interessiert mich aber! Bin ja, wie gesagt, auch an den Njombe-Morden dran”, beharrt Ambi.

„Das liegt doch ganz woanders, mindestens einen Tag weit weg!”, wirft Rhobi ein.

Doch die Journalistin bleibt dran. „Egal, vielleicht lässt sich da was draus machen. – Honni, wir könnten doch auch Deinen Ex-Arbeitgeber bei Safety First, fragen ... Ob die vielleicht was über das Waisenhaus wis­sen?”

„Karsten Härtling? Lieber nicht, das kostet ...” Honorata hat keine angenehmen Erinnerungen an die Firma, für deren Chef sie jahrelang als Bürohilfe gearbeitet hat. Der Mann – einer der einflussreichsten Sicherheitsberater im Lande, der gut an der Hilfe mitverdiente, die Deutschland der tansanischen Polizei im Kampf gegen Terrorismus, Piraterie und organisierte Krimina­li­tät zukommen lässt – hatte Honorata zusammen mit seiner Frau Anna jahrelang sexuelle Avancen gemacht. Anfangs hatte sie das ganz schmeichelhaft gefunden. Am Ende aber konn­te sie sich der Anmache nur durch ihre Kündigung ent­ziehen. „Solche Jobs gibt´s nicht nochmal!”, hatte Hannes da­mals ge­warnt, dem sie nie erzählen mochte, was sich hinter den Wän­den des Härtlingschen Hauses abspielte.

„Wenn das so ist ...”, sagt Ambi mitfühlend. „Ich kann ja auch meine Beziehun­gen spie­len lassen ... Frag doch mal bei deinem Hannes nach, ob nicht vielleicht sogar ´ne Reise in den Süden drin wär´!”

Investigativen Journalismus, wie Ambi ihn aus europäischen Medien kennt, gibt es in ihrem Heimatland nicht wirklich. Sie aber fühlt sich da­von angezogen. Normalerweise würde Ambis Chef ihr vor je­der Recherche empfehlen, sich von einem hohen Regie­rungs­vertreter ein passendes Zitat zu besorgen, aus dem her­vor­geht, dass die Recherche eine gute Idee ist. Darauf könne man sich später beziehen, wenn einem irgend­welche ominö­sen Gesetzesverstöße oder auch nur ein Verletzen „ethischer Nor­men” vorgeworfen werden. Wer sich nicht auf irgendeinen wich­tigen Funktionär berufen kann, wird schnell von der einen oder anderen Lokalgröße abgebügelt und behindert. Fest steht: Ohne eine Empfehlung aus dem Innen- oder wenigstens Fa­mi­lien­ministerium würde der Redaktionsleiter ihr keine Rei­se in den Süden bezahlen, ganz gleich, wie brisant das Thema war.

„Seit Tagen krieg ich keinen dieser Regierungsfuzzis zu fas­sen, der mir bestätigt, dass die Njombe-Killings eine Nachfrage verdient haben”, fährt Ambi fort. „Zwölf ermordete Kinder, La­dies! Und niemand will zugeben, dass es da Fragen gibt! Was zur Hölle hat die Re­gie­rung denn zu verbergen?”

„Zwölf? Ich weiß nur was von zehn”, maunzt Rhobi dazwi­schen.

Da aber hat Leonardo nun auch Ambis Zuhause in Mwenge erreicht. „Wir bleiben in Verbindung, sivyo!?”

„Nicht ohne mei­nen Hut!”, lacht die große, aufsehenerre­gend gut gebaute Frau und knallt den Kofferraum zu.

Der Transport der letzten beiden Mitfahrerinnen Rhobi und Christi­ne verläuft betont harmo­nisch. Kurz danach erreichen zwei sich Lie­ben­de endlich Honnis kleines Apartment hinter der Coca Cola Road.

7. Vertragsverhandlung

„Hallo, Jens! Schön von Ihnen zu hören! Zum Glück sind alle hier gesund, ich hoffe auch bei Ihnen.”

Nicht fünf, doch wenigstens drei Tage hat Hannes Jens Peter­mann mit seiner Antwort warten lassen. Eine Mail am heiligen Sonntag würde besonders gewichtig rüberkommen, hat er sich überlegt – ganz so, als wenn es für ihn keinen anderen freien Moment gäbe. Sein Angebot hatte ihm mehr Mühe gemacht als erwartet. Kam ja nicht so oft vor, dass er einen zah­lungskräftigen Klienten im Ausland hatte. Schließlich war der Text endlich fertig.

„Danke für das Vertrauen, mich nach der Mlakizi Founda­tion zu fragen. Ich habe mich ein bisschen umgehört, auch un­ter lokalen Stiftungen: Niemand hier hat den Namen Mlakizi je ge­hört. Das will allerdings, wie Sie sich den­ken können, nichts heißen. Moshi liegt weit weg vom Songwe River und ein Stiftungs­regis­ter, das man schnell mal einsehen könnte, gibt es hier nicht. Am Telefon meldet sich da unten nur eine Mobilbox, da bleibe ich dran. Doch wenn ich blind in der Gegend herumtelefoniere, scheu­che ich am Ende womöglich ja auch schlafende Hunde auf. Wie sagt man so schön bei uns: Provozier die Bienen nicht!

Ver­suchen könnte man es in einem Pressearchiv, doch ich be­zweif­le, dass da viel bei heraus­käme. Es müsste schon einen handfesten Skan­dal rund um die Stiftung ge­ge­ben ha­ben, von dem Sie wüssten. So sehe ich eigentlich nur die Mög­lichkeit, mir Hilfe von Bekann­ten zu holen oder selbst runter zu fahren und mir das Waisen­heim an­zu­schauen. Das aber kann kosten! Nebenbei: Wie viel Zeit soll ich denn für die Recherche noch aufwenden? Wie um­fang­reich soll der Bericht werden?” Nach dieser Volte hatte Han­nes Luft geholt und war auf ein ver­meint­lich unverfäng­li­cheres Thema übergeschwenkt.

„Das Leben hier wird zunehmend stressig. Da sehnt man sich nach jedem freien Wochenende! Bin seit unserem letzten Aben­teuer gut im Futter, wie man so sagt. Ohne Scherz, Jens: Für mehr Fragerei müsste ich mir Zeit borgen! Vielleicht von Ihnen? Nichts für ungut, aber Wazungu haben ja immer Zeit, oder? Zumindest wenn sie uns besuchen kommen ...”

Über seinen kleinen philosophischen Ausflug in die seltsame Zeit­begrifflichkeit des Deutschen hatte sich der Detektiv die­bisch ge­freut. Hat­ten die Wazungu das Konzept verstreichenden Le­bens als Kolonialisten doch erst mitgebracht und überall ihre Uhren aufgestellt. Seit­dem muss alles immer pünktlich, schnell und effektiv von­stat­tengehen – was für ein lebensfremder, freud­loser Blödsinn!

Sein zeitgeschichtlicher Einfall sollte hoffentlich reichen, um dem Mzungu einen fairen Preis abzuluchsen. Danach muss ihm doch klar sein, dass Hannes Zeit die gleiche ist wie Peter­manns, oder? Ebenso wertvoll. Und so auch keinen anderen Preis ver­dient.

„Also lassen Sie mich gern Genaueres wissen, lieber Jens! Ich warte auf Ihre Antwort.”

Sieben Mal hat Hannes seine Mail mittlerweile durchge­lesen und umgeschrieben. Vor Yussufs Straßentischen waren schon vor Stun­den hunderte Gläubige im Sonntagsstaat vorbei­ge­zo­gen, bald kommen sie zurück vom Gottesdienst, es muss längst nach Mit­tag sein. Als Yussufs dritter Chai vor ihm steht, drückt Hannes endlich den weißen Pfeil zum Absenden. Die Uhr im Galaxy zeigt 6:33 Swahili-Zeit, sechs Stunden und 33 Minuten nach Sonnenaufgang, in Hamburg musste es demnach halb elf Uhr morgens sein. Bereits wenige Minuten später ist seine Nach­richt mit zwei kleinen blauen Häkchen markiert – der Deutsche hat sie sofort gelesen. Prompt klingelt es. Unter der Kle­befolie auf dem zersplit­ter­ten Handybildschirm des Detek­tivs er­scheint Jens Peter­mann. Boah, was ist der alt gewor­den, der Mzu­ngu!

„Jens, salaam aus Moshi, ich grüße Sie!”

„Ja, hallo Hannes, klasse Verbindung, oder? Störe ich?”

Der Detektiv reagiert ein wenig aufgeschreckt. „Nein, ja, mei­ne SIM-Karte wurde gerade erst neu registriert, Staats­sicherheit, Sie wissen schon. WhatsApp funktioniert dafür heu­te fast überall. Haben wir unserem Bulldozer zu verdanken. ...”

„Wem?”

„Unserem Tingatinga, dem großartigen Staatspräsidenten! Sehr gläubig! Wird alle drei Tage in den Himmel gehoben ...”

„Hannes, ma­chen Sie Witze?” Wenn das so weiter geht, könn­te Petermann am Geis­teszustand seines Bekann­ten zwei­feln.

„Nein, wirklich, hab’ gerade die Sunday News vor mir! Was der versprochen hat, hält er, da braucht´s keine Opposition.”

„Hallo? Spreche ich mit dem gleichen Hannes Wabaye, mit dem ich in der Serengeti notgelandet bin und reihenweise Ge­heimdienstler austrickste?”

„Jens, seien Sie beruhigt, ich bin immer noch ich! Aber die Zeiten ändern sich, bei uns herrscht jetzt ein bisschen mehr alte Ordnung!”

Petermann wird nicht ganz schlau aus dem Polit-Gefasel des tansanischen Detektivs und besinnt sich lieber auf sein eigent­liches Anliegen.

„Hannes! Wie ich höre, geht es ihrer Familie gut. Auch ihrer famosen Tante Honorata? – Ja? – Das ist schön. – Wie sie wis­sen, will hier irgendein ebenso betuchtes wie betagtes Ehepaar Geld in die Mlakizi Foundation stecken. Gestern habe ich erfah­ren: richtig viel Geld. Die wollen das allerdings nicht ver­senken und auch sicher keinen kriminellen Mist erleben. Soll alles nicht groß nach draußen dringen, sie wissen schon: Un­der­­statement, alter Kaufmanns-Adel!”

Dass Hannes vom Hamburger Adel etwas wissen könnte oder gar müsste, will ihm nicht so recht in den Kopf. Was soll das heißen? Vom geplanten Investment soll niemand etwas er­fah­ren? Lautete nicht sonst immer das Motto der Wazungu