Sugar & Spice - Wildes Verlangen - Seressia Glass - E-Book
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Sugar & Spice - Wildes Verlangen E-Book

Seressia Glass

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Beschreibung

"Sugar & Spice – Wildes Verlangen" ist der zweite Band der romantischen Liebesroman-Reihe von US-Autorin Seressia Glass. Im Mittelpunkt steht die wunderschöne Café-Mitbesitzerin und Hobby-Burlesque-Tänzerin Siobhan, die vor Jahren den Glauben an die Liebe verloren hat. Der ebenso selbstbewusste wie attraktive Charlie entzündet in ihr eine Sehnsucht, die sie viel zu lange verdrängt hat. Das Café Sugar & Spice mit ihrer Freundin Nadia aufzubauen, war für Siobhan der notwendige Neuanfang nach einer schweren Zeit. Männer hat sie in diesen fünf Jahren auf Abstand gehalten. Doch nun tritt Charlie in ihr Leben, ein gut aussehender, heißer Unternehmer, der ihr heftige Avancen macht … und Siobhan mag nicht länger widerstehen. Sie, die in ihrer Freizeit als sexy Burlesque-Tänzerin auftritt, und Charlie treffen sich von da an regelmäßig und verbringen intensive Stunden voller Verlangen und Leidenschaft miteinander. Bis Charlie eines Tages mehr von ihr will – und Siobhan von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt wird … Die vierbändige romantische "Sugar & Spice"-Reihe von Seressia Glass erzählt die Geschichte von vier Freundinnen – Nadia, Siobhan, Audie und Vanessa –, deren Leben durch die Liebe und Leidenschaft von vier Männern auf den Kopf gestellt wird. In Band 1 steht Nadia im Mittelpunkt, in Band 3 Audie und in Teil 4 Vanessa. Alle Bände im Überblick: - Band 1: Sugar & Spice – Glühende Leidenschaft - Band 2: Sugar & Spice – Wildes Verlangen - Band 3: Sugar & Spice – Entfesselte Begierde - Band 4: Sugar & Spice – Gefährliche Versuchung

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Seitenzahl: 488

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Seressia Glass

Sugar & Spice – Wildes Verlangen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Christiane Sipeer

Knaur e-books

Über dieses Buch

Siobhan Malloy ist sich sicher, dass sie Glück in der Liebe nicht verdient hat. Denn sie gibt sich die Schuld am bitteren Ende ihrer Beziehung und daran, dass ihre Familie nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Als Miteigentümerin des Cafés Sugar & Spice konzentriert sie sich ganz auf ihre Arbeit. Doch dann beginnt eines Tages Charlie, ein junger, äußerst gutaussehender Unternehmer, ihr heftige Avancen zu machen – und Siobhans fester Entschluss, Männer auf Abstand zu halten, gerät ins Wanken.

Inhaltsübersicht

WidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31
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Für »den Kerl«, meinen Gitarrenhelden,der mich mehr inspiriert, als er je ahnen wird.

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Kapitel 1

Charlie O’Halloran hatte einen Plan, und nun war der Tag gekommen, ihn in die Tat umzusetzen.

Er wollte Siobhan Malloys Aufmerksamkeit auf mehr als nur seine Sandwich-Bestellung lenken.

Seit dem Tag, als er einen seiner Kuriere wegen einer Verletzung vertreten und eine Blumenlieferung im Café abgegeben hatte, musste er ständig an sie denken. Die Blumen waren glücklicherweise für ihre Geschäftspartnerin und nicht für Siobhan gewesen. Die bildschöne Blondine in ihrem T-Shirt mit der Aufschrift »Alles heiß!« hatte ihm mit ihrem Anblick sofort die Sprache verschlagen. Nachdem er festgestellt hatte, dass das Café, dessen Miteigentümerin sie war, sich ganz in der Nähe seines Arbeitsplatzes im Zentrum befand, hatte er sich etwas angewöhnt, was er seit beinahe drei Jahren nicht getan hatte: seine Mittagspause außerhalb des Büros zu verbringen.

Er ging zwar nicht jeden Tag ins Café, denn das wäre dann doch etwas stalkermäßig gewesen. Aber ein- oder zweimal die Woche reinschauen und die Tagesgerichte probieren, die Lage sondieren und insgeheim einen Blick auf die Frau werfen, die er unbedingt besser kennenlernen wollte, das ging schon in Ordnung.

Nicht, dass es Siobhan aufgefallen wäre. Sie hatte nie etwas gesagt, was über die übliche Konversation zwischen Gast und Bedienung hinausging, doch das machte ihm nichts aus. Schließlich behandelte sie alle gleich – die Kunden freundlich und die Kollegen herzlich. Sie flirtete nicht, wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Einen Ehering trug sie auch nicht, was allerdings vielleicht an ihrem Job lag. Dass kein Mann in Sicht war, erstaunte ihn, und er fragte sich, ob es da wirklich niemanden in ihrem Leben gab und ob sie sich das so ausgesucht hatte. Ihn interessierte, ob ihre Entscheidungen und Beweggründe seinen eigenen ähnlich waren.

Ohne ihre Kolleginnen, die Bäckerin Nadia und die Kassiererin Rosie, hätte er seine Mission, Siobhans Beziehungsstatus herauszufinden, längst ganz abgebrochen. Seiner Meinung nach hatte er sich unauffällig verhalten, aber offensichtlich nicht unauffällig genug. Eines Morgens hatte Nadia eine Catering-Bestellung für ihn verpackt – dabei ging es ihm einzig und allein um Marktforschung –, dann gelächelt, ihm Siobhans vollen Namen genannt und ihm erklärt, dass ihre Freundin sich um das Mittagsgeschäft kümmerte und hervorragende Menüs aus Suppen und Sandwiches anbot, die sich gut als Gruppenlunch machen würden.

Gleich in der nächsten Woche hatte er das empfohlene Mittagscatering bestellt, und während Siobhan alles einpackte und Rosie abkassierte, hatte Letztere ihm heimlich zugeflüstert, dass Siobhan Single war. Mit dieser Information, also quasi Rosies Segen und einer Mahlzeit in der Hand, hatte er sich strategisch zurückgezogen. Strategisch, weil er seine Hausaufgaben gemacht hatte. Das Café Sugar & Spice war seit knapp vier Jahren geöffnet und hatte auf verschiedenen sozialen Plattformen größtenteils positive Bewertungen von Geschäftskunden und Studenten bekommen. Das Geschäftsmodell hatte allerdings eine große Lücke, aber darum konnte er sich kümmern. So würde er wenigstens etwas Zeit mit Siobhan verbringen können. Im Idealfall würde er die Frau und den Business-Deal bekommen.

Ein anderes Resultat kam gar nicht in Frage. Mit Grips und Charme würde Charlie schon kriegen, was er wollte. Beides hatte bei ihm noch nie versagt. Und auch jetzt hatte er nicht vor, zu versagen. Nicht bei der umwerfenden Frau, die es ihm unmöglich machte, auch nur an eine andere zu denken.

Ja, sie war blond und blauäugig, doch ähnlich treffend könnte man das Meer als Wasser beschreiben. Sie war so schön wie ein Pin-up-Model, hatte den passenden Look, um auf einer Rakete sitzend von einem Retrokalender zu zwinkern. Ihr Haar schimmerte wie gesponnenes Gold mit sonnengeküssten Platinfäden darin. Ihre Augenfarbe schien sich ihrer Kleidung anzupassen und reichte vom tiefen Blau eines wolkenlosen Sommerhimmels bis zum dunklen Ton der Abenddämmerung. Der Farbunterschied war so erstaunlich, dass er sich fragte, ob sie manchmal Kontaktlinsen trug. Falls dem so war, passte es zu ihr.

Er stieß sich vom Schreibtisch ab und schaute betreten auf seinen Schoß. Yep, sein kleiner Freund meldete sich für gewöhnlich zu Wort, wenn er an Siobhan dachte. Also ständig. Daran war er ganz allein schuld, weil er sich so sehr in seiner Arbeit vergrub, dass er für nichts anderes Zeit hatte, schon gar nicht für eine Frau. Erst recht nicht für eine Frau, die fälschlicherweise davon ausgehen würde, in seinem Leben an erster Stelle zu stehen.

Dieser Erwartung konnte er nicht gerecht werden. Statt jemanden an der Nase herumzuführen, wollte er sich lieber gar nicht erst auf Dates einlassen. Selbst wenn er eine Frau finden würde, der ihre Karriere ebenso wichtig war wie ihm seine eigene, gab es noch weitere Faktoren, weshalb seine Beziehungen nie lange hielten. One-Night-Stands und kurze Affären hatten eine Weile seine Bedürfnisse befriedigt, doch selbst das kam ihm irgendwann monoton vor. Da war es besser, es ganz seinzulassen.

Er spürte einfach, dass das mit Siobhan anders war, anders sein könnte. Ihr war der Job als Unternehmerin genauso ernst wie ihm. Trotzdem nahm sie sich auch Zeit für ihre Freunde. Sie war ehrgeizig, aber nicht um jeden Preis. Ihre Fürsorglichkeit war offensichtlich und ließ darauf schließen, dass sie mitfühlend und verständnisvoll sein konnte. Obendrein war sie unabhängig genug, um nicht jede Minute mit ihm verbringen zu müssen. Außerdem war ihr Körper mit seinen Wahnsinnskurven wie gemacht für Sex, und aufgrund ihres Lifestyles konnte er ohne große Verpflichtungen mit ihr ins Bett gehen. Sie war perfekt für ihn.

Davon musste er sie nur noch überzeugen.

***

Neid konnte ein richtig fieses Gefühl sein.

Siobhan versuchte, ihn zu unterdrücken, während Nadia pfeifend Teig knetete. Nach allem, was ihre Freundin die letzten Jahre durchgemacht hatte, hatte sie es verdient, mit ihrem sexy College-Professor Kane Sullivan glücklich zu sein. Die beide waren jetzt seit zwei Monaten wieder zusammen, und Siobhan wusste, dass Nadia ebenso viel Zeit in seiner Wohnung am Strand verbrachte wie in ihrem Apartment über dem Sugar & Spice.

Es war nicht einmal die Tatsache, dass Nadia den Richtigen gefunden hatte, die einen derart bohrenden Neid in ihr auslöste. Allein schon die Vorstellung, dass ihre Freundin offenkundig und immer wieder umwerfende Orgasmen beschert bekam, versetzte Siobhan einen Stich.

Sie konnte sich nicht einmal erinnern, wann sie zum letzten Mal mit jemandem im Bett gewesen war. Auf jeden Fall bevor Nadia und sie das Café in Crimson Bay eröffnet hatten, so viel stand fest. Das war vor vier Jahren gewesen. Davor hatten sie beide wegen Medikamentenabhängigkeit Zeit in einer Entzugsklinik in Los Angeles verbracht und versucht, sich über ihre nächsten Schritte klarzuwerden. Kein Sex während der Therapie. Was hatte sie vor der gerichtlich angeordneten Entziehungskur gemacht?

Sich inmitten einer Abwärtsspirale befunden, an deren Ende sie ihrem Mann das Herz gebrochen, ihre Tochter vergrault und dafür gesorgt hatte, dass keiner aus ihrer Familie jemals wieder mit ihr reden würde.

Siobhan atmete geräuschvoll aus. Ja, sie war ziemlich sicher, dass sich ihre Vagina verengt hatte und sie im Grunde wieder Jungfrau war. Nach einer Durststrecke von so langer Zeit vergaß der Körper eben manches. Wie sich das Gewicht eines Mannes auf einem anfühlte. Oder dessen Finger, die einen erschauern und erbeben ließen. Die Hitze eines warmen Mundes, der über ihre Brüste wanderte, über ihre Klitoris.

Gut, sie hatte es nicht vergessen. Erinnerungen und Phantasien hielten sie in den meisten Nächten einigermaßen auf Trab. Wenn sie etwas Nervenkitzel brauchte, dann boten ihr die monatlichen Auftritte mit ihrer Burlesque-Truppe mehr als genug Gelegenheit dazu. Sie genoss es, sich von der Musik mitreißen und in die Stimmung versetzen zu lassen, in der sie die Sexbombe in sich freilassen konnte. Nur leider gab es unter der Schar an Bewunderern, die nach den Shows auf sie wartete, keine aussichtsreichen Kandidaten.

»Was hast du?«

Siobhan konzentrierte sich wieder auf die Küche. Nadia knetete den Teig nicht mehr, sondern formte ihn nun zu Brotlaiben. »Gar nichts. Wie findest du das neue Biomehl?«

»Ganz gut. Es verbindet sich prima mit dem Matcha-Pulver, und die Leute sind begeistert von dem grünen Teegebäck. Ich finde, wir sollten die Mühle zu unserem Stammlieferanten machen.«

»Hört sich super an. Die machen auch echt guten Sauerteig. Für unser Sandwich mit Bacon, Salat und Tomate, das Crimson Bay-L-T, kriegen wir dauernd Komplimente.«

Nadia wischte sich die Hände an dem Tuch ab, das sie sich über die Schulter geworfen hatte. »Sugar, du willst mich mit dem Geschäftsgerede doch nur ablenken«, sagte sie. »Du hast jetzt schon zum zweiten Mal in zwei Minuten geseufzt. Sag mir, was los ist.«

»Nichts, wirklich.«

Nadia musterte Siobhans Züge mit ihren dunklen Augen, und die gab sich alle Mühe, völlig unbekümmert dreinzublicken. Dafür kannte Nadia sie allerdings zu gut. »Genau das ist das Problem, oder? Es passiert nichts, obwohl das anders sein sollte. Mal ganz unter uns, du hattest mehr Gelegenheiten, einen abzuschleppen, als ich. Du solltest vielleicht das eine oder andere Angebot annehmen, das die Typen dir bei deinen Shows machen.«

»Die Typen, die nach den Burlesque-Shows zu mir kommen, sind entweder alte Lüstlinge oder noch grün hinter den Ohren«, gab Siobhan zurück. »Und solche Typen stehen beide nicht besonders weit oben auf meiner Wunschliste. Ich bin vielleicht solo, aber bestimmt nicht verzweifelt.« Noch nicht.

»Also heißt das, dass du eine Wunschliste hast?« Nadia strahlte. »Ich dachte schon, ich muss dich und die anderen Mädels bei unserem Treffen nächsten Dienstag Stäbchen ziehen lassen. Nicht, dass ich will, dass Audie im Moment auch nur an Männer denkt.« Sie schüttelte sich.

Sehr gut, Themawechsel. »Wie geht es Audie eigentlich?«

»Sie hält sich wacker. Der stellvertretende Staatsanwalt hat ihr den Termin für die Anklageverlesung in ihrem Verfahren wegen Körperverletzung mitgeteilt. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie begleite.«

»Wir kommen alle mit.« Äußerlich schien sich ihre gemeinsame Freundin Audie von dem Vorfall erholt zu haben, bei dem einer ihrer willkürlich ausgewählten Sexpartner über sie hergefallen war und sie ihn mit Gewalt von sich fernhalten musste. Aber Siobhan wusste, wie tief verletzend so etwas war und dass es verborgene Narben hinterlassen konnte. Audie hatte im Anschluss erst einmal vorübergehend den Kontakt zu ihren Freunden abgebrochen, aber dann war sie zur Krisenberatung gegangen, und seitdem ging es ihr vielleicht sogar besser als vorher. »Wir sind für sie da.«

»Das weiß sie. Und ich bin auch für dich da, deshalb werde ich dich nicht weiter das Thema wechseln lassen.«

»Das tue ich doch gar nicht«, widersprach Siobhan, aber sie merkte selbst, wie wenig überzeugend das klang. »Es gibt kein Thema, das ich wechseln müsste.«

»Und wessen Schuld ist das?« Nadia stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist unglücklich, Sugar. Und daran bist du selber schuld.«

Rosie streckte den Kopf zur Schwingtür herein. »Hier draußen fragt ein scharfer Typ nach der Eigentümerin.«

»Damit bist du gemeint«, sagte Nadia und schob Siobhan in Richtung Tür. »Ich weiß ganz sicher, dass mein scharfer Typ noch bei der Arbeit ist. Wenn du dich um den da draußen kümmerst, kann ich die Brote hier fertig machen.«

Siobhan ging durch die Schwingtür, blieb wie angewurzelt stehen und konnte die Tür gerade noch auffangen. Doppelter Espresso-Shot, Crimson Bay-L-T war wieder da. Das erste Mal hatte sie ihn gesehen, als er vor vier Monaten Blumen für Nadia vorbeigebracht hatte, und der Anblick seiner langen, muskulösen Beine, die durch die dunkelblauen Bikeshorts perfekt zur Geltung kamen, hatte einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen – und war ihr auch vorm Einschlafen nicht aus dem Kopf gegangen. Seitdem war er mehrmals wiedergekommen, wenn auch leider nicht in Fahrradmontur. Diesmal trug er eine dunkle Khakihose und ein hellgrünes Hemd mit dem Logo seiner Firma anstelle der aerodynamischen Sportklamotten. Außerdem hatte er eine Aktentasche aus Leder dabei und keine Gürteltasche. Sie versuchte, nicht enttäuscht zu sein, dass sie so nicht in den Genuss kam, einen Blick auf seine Muskeln zu werfen. Schließlich war er immer noch verdammt gutaussehend, ein Mann, der mit seinem kantigen Kinn, ausdrucksstarken blaugrünen Augen und kunstvoll verwuschelten honigblonden Haaren jede Art von Kleidung tragen konnte.

Obwohl der Business-Casual-Aufzug es verbarg, wusste sie noch sehr gut, wie sein durchtrainierter Körper in Shorts und T-Shirt gewirkt hatte. Anscheinend war er gerne aktiv, und das in jeder Hinsicht, privat und im Berufsleben. Außerdem jung genug, dass er in der Freizeit wahrscheinlich mit Jetskis, Bier und Stripteasetänzerinnen zu tun hatte.

Siobhan strich ihre Schürze glatt, ging um den Tresen herum und war zu ihrer eigenen Verblüffung froh darüber, dass sie statt der normalen Arbeitskleidung aus Sugar & Spice-T-Shirt und Jeans die Fifties-Schürze in Rosa, Türkis und Weiß trug, die sie entworfen hatte und die perfekt zu ihrer rosa Retro-Caprihose, der türkisfarbenen Bluse über dem weißen Top und den türkisfarbenen Sneakers passte.

Einen Moment lang starrte er sie wie versteinert an. Dann lächelte er. Verdammt, dieser Mund versprach alle möglichen verbotenen Freuden. So ein Mund konnte küssen und einer Frau auf jede erdenkliche andere Art Lust machen. Er verkündete: Der Kerl hier und ich, wir wissen, wo es langgeht beim Sex, und wir halten alle unsere Versprechen.

Mein Gott. Siobhan blinzelte und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. Sie hatte einfach zu lange keinen Sex mehr gehabt – außer mit sich selbst.

Vielleicht lag es an der Unterhaltung, die sie gerade mit Nadia geführt hatte. Vielleicht auch an ihrem eigenen inneren Monolog, der seit Monaten andauerte. Oder konnte es womöglich sein, dass der Mann, der da mit einem verheißungsvollen Lächeln vor ihr stand, ihre Rettung war?

»Hallo, Siobhan Malloy, Sugar & Spice. Was kann ich für Sie tun?«

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Kapitel 2

Hallo«, sagte er und streckte die Hand aus, als Siobhan auf ihn zukam. »Ich bin Charlie O’Halloran von Crimson Bay Couriers. Und die Frage lautet eher, was kann ich – oder besser meine Firma – für Sie tun?«

»Was glauben Sie denn, wa…« Sie verstummte, als sich seine Hand um ihre schloss. Die Wärme, die sich den Weg über ihren Arm bis in ihre Brust bahnte, verschlug ihr den Atem. Fühlte sich so ein Herzinfarkt an? Das Kribbeln, die Kurzatmigkeit, die schmerzhaft harten Brustwarzen? Na gut, das mit den Brustwarzen vielleicht nicht, aber alles andere.

»Haben Sie kurz Zeit, Ms. Malloy?« O’Halloran lächelte schon wieder so. Ihm musste klar sein, dass das eine Wunderwaffe war. Nicht einmal sie mit ihrem vernarbten Herzen und der eingeschlafenen Libido war immun gegen seinen Charme.

Sie sah sich kurz im Café um. Er hatte sich eine gute Zeit für seinen Besuch ausgesucht; ihre Stammkunden wussten, wann der Laden zumachte, und die Nachzügler, die noch hereinkamen, bestellten, was noch übrig war, und nahmen es mit.

»Natürlich, Mr. O’Halloran«, antwortete sie und deutete auf den Tisch an der Seite, den sie für ihre Dienstagsrunden mit ihren Freundinnen nutzten. »Und nennen Sie mich bitte Siobhan. Wir haben es hier nicht so mit Förmlichkeit.«

»Siobhan. Was für ein schöner Name.« Er rückte ihr den Stuhl zurecht, dann setzte er sich auf den gegenüberliegenden Platz. »Ich heiße Charlie.«

»Charlie.« Wenigstens kam er nicht mit der ausgeleierten Bemerkung über schöne Namen für schöne Frauen. Punkt für ihn. Andererseits hatte er wahrscheinlich gar keine Anmachsprüche nötig. Er brauchte sich nur nach vorn zu beugen, der Frau in die Augen zu sehen, als sei sie der Nabel der Welt, und sie anzulächeln, als würde er ihr ein Geheimnis verraten wollen.

Siobhan hatte nicht vor, eine weitere seiner Eroberungen zu sein. Sie war ja keine Studentin mehr und auch kein Unschuldslamm. Sie hatte schon zu viel erlebt und war jetzt vorsichtig geworden. Sein Charme würde bei ihr nicht ziehen, und wenn er sich noch so viel Mühe gab. Vielleicht sollte sie ihm stattdessen lieber zeigen, dass eine erfahrene Frau ihre ganz eigenen Reize hatte.

Sie strahlte ihn an und war sich bewusst, dass ihr freches Grinsen ihre unübersehbaren Grübchen zum Vorschein brachte. »Wie kann ich Ihnen helfen, Charlie?«

Sein Lächeln verblasste etwas, blieb aber ebenfalls deutlich sichtbar. »Ich möchte Ihnen gern ein Angebot unterbreiten. Ein Geschäftsangebot.«

Das war ja klar. Der Kurier war ein Vertreter, und ein gerissener noch dazu. Sie unterdrückte die minimale Enttäuschung darüber, dass er nur geschäftlich etwas von ihr wollte, und legte den Kopf schief. »Sie interessieren sich also für meine kulinarischen Spezialitäten, Charlie?«

Er blinzelte einen Moment, dann fing er sich wieder. »Allerdings. Ihr Café ist von mehreren Unternehmen und Ämtern umgeben, und da kommen sicher auch Ihre meisten Kunden her. Ein Umsatzplus machen Sie wahrscheinlich durch Studenten in der Prüfungszeit.«

Dumm war er also nicht. Aber sie genauso wenig. »Fahren Sie fort.«

»Ich habe gesehen, dass Sie kleinere Catering-Aufträge annehmen, wenn sie vierundzwanzig Stunden im Voraus eingehen«, erklärte Charlie weiter und zog eine Sugar & Spice-Broschüre aus seiner Mappe. »Aber man muss sich die Bestellung selbst abholen. Ich glaube, da entgeht Ihnen eine Möglichkeit, und genau dabei kann Crimson Bay Couriers helfen.«

Siobhan beugte sich vor, denn mit seinem Angebot hatte er ihre Neugier geweckt. Catering spielte bisher in ihrem Betrieb nur eine geringe Rolle, was jedoch nicht an mangelndem Interesse lag. Laufkundschaft machte den Großteil ihres Umsatzes aus, und sie gaben sich Mühe, zu ihr ein gutes Verhältnis aufzubauen und so Stammkunden zu gewinnen. Von manchen wussten sie, dass sie wöchentliche Meetings abhielten, außerdem machten sie immer auf den Cookie genau Inventur, damit sie mitbekamen, an welchen Tagen sie mehr Umsatz machten und warum. Nadia lieferte manchmal mit ihrem Mini Cooper Gebäck an Stammkunden aus, doch das kam nicht oft vor und beinhaltete auch keine Mittagsangebote.

»Sie wollen mit Ihrem Kurierdienst Auslieferungen für Sugar & Spice machen?«

»Ja, am Anfang.« Er reichte ihr eine Präsentationsmappe mit dem Logo OBS in stilisierten Buchstaben, dem Slogan Schnelle Hilfe für Ihr Business in Rot und Marineblau sowie der Zeile Sugar & Spice-Lieferangebot in fetter schwarzer Schrift. »So etwas haben wir auch schon für andere Restaurants in der Stadt gemacht. Wir würden Sugar & Spice in unser Liefersystem aufnehmen und unsere Website mit Ihrer verknüpfen. Der Kunde bestellt dann über unsere Website, und wir leiten die Bestellung nach Zahlungseingang an Sie weiter. Zu den Preisen, die Sie normalerweise berechnen, kämen durch Crimson Bay Couriers noch zwei Posten hinzu: einmal die Liefergebühr, um die Betriebskosten zu decken, außerdem die Trinkgeldpauschale für unseren Kurier. Die Einzelheiten dazu, wie die Zahlungen verteilt werden, stehen in dem Angebot, das ich Ihnen gegeben habe. Wir bieten auch noch andere Services an, die sich bei kleinen Unternehmen in der Gegend bewährt haben.«

Neugierig blätterte sie das Angebot durch. Seine Vorgesetzten hatten sich nicht lumpen lassen. Sie hatten ihre Kundenliste als Referenz beigefügt, detailliert die erwarteten Einnahmesteigerungen des Cafés ausgerechnet, eine Gewinn-und-Verlust-Prognose erstellt und noch weitere Leistungen wie Webdesign und Social-Media-Marketing aufgeführt.

»Das ist ein beeindruckendes Angebot, Mr. – entschuldigen Sie bitte – Charlie«, sagte sie, schloss die Mappe und legte sie auf den Tisch. »Ich muss mit meiner Geschäftspartnerin darüber reden, bevor ich Ihnen eine Antwort geben kann.«

»Selbstverständlich. Das habe ich nicht anders erwartet. Meine Kontaktdaten stehen in der Angebotsmappe. Wenn Sie Fragen zu unseren Services oder irgendetwas anderem haben, rufen Sie einfach an.«

»Das werde ich.« Sie schüttelte ihm noch einmal die Hand, und es fühlte sich an, als würde ein Blitz einschlagen und ihren Körper elektrisieren.

Charlie drehte sein Handgelenk und hielt ihre Hand fest, verschränkte seine Finger locker mit ihren. Starke, rauhe Finger, die auf einen Mann hindeuteten, der es gewohnt war, mit den Händen zu arbeiten, hart zu arbeiten. Würde sie diese Elektrizität auch spüren, wenn er mit seinen Fingern andere Stellen ihres Körpers berührte, zum Beispiel ihre Brüste oder ihren Rücken, gerade oberhalb ihres Hinterns?

Schockiert über die Richtung, die ihre Gedanken einschlugen, versuchte sie, ihm ihre Hand zu entziehen. Aber er verstärkte nur seinen Griff. »Charlie?«

»Sie sind unfassbar schön«, sagte er in benommenem, erstauntem Tonfall. »Ich glaube, ich bin noch nie so einer schönen Frau wie Ihnen begegnet.«

»Bei wie vielen Frauen haben Sie den Spruch schon benutzt?«, wollte sie wissen, doch sie schaffte es nicht, so herausfordernd zu klingen, wie sie wollte. Dazu sah er sie einfach zu sehr an, als sei sie gerade einer Phantasie entsprungen. Seiner Phantasie.

»Bei ein paar«, gab er zu, »aber bis eben wusste ich nicht, was er bedeutet. Ich hätte ihn mir für Sie aufsparen sollen.«

Sie war auch nur ein Mensch. Es war völlig in Ordnung, dass sie es als Frau genoss, dass sie einen derart gutaussehenden Mann nicht kaltließ, auch wenn nichts daraus werden würde. Nichts daraus werden konnte.

Trotzdem musste sie es wissen, also fragte sie: »Schmeicheln Sie sich so bei allen Ihren Kundinnen ein, mit einer Mischung aus cleverer Geschäftsstrategie und Flirt?«

Sein Lächeln war gutmütig und bescheiden zugleich. »Aber Sie sind doch noch gar nicht meine Kundin, Siobhan.«

Sie holte tief Luft. Er war ein Fremder. Sicher, er kam durchschnittlich einmal die Woche vorbei, doch bis jetzt hatten sie kaum zwei ganze Sätze miteinander gewechselt. Er hätte ihren Namen nicht so aussprechen sollen, so sanft und zärtlich, als wären sie gerade nach einer erschöpfenden Liebesnacht wieder aufgewacht. Als würde er sie kennen und mögen und ihr am liebsten noch näherkommen. Nein, so hätte er nicht reden sollen, und sie hätte nicht so reagieren sollen, bei dem Klang seiner Stimme und der dadurch ausgelösten Sehnsucht nicht so dahinschmelzen sollen.

»Sie denken also, dass ich Ihre Kundin werde?«

»Ich glaube, Sie erkennen eine gute Geschäftsgelegenheit, wenn sie sich Ihnen bietet«, meinte er und grinste breiter. »Ich bin mir sicher, Sie werden zumindest mit Ihrer Geschäftspartnerin darüber sprechen und alles mit der erforderlichen Sorgfalt prüfen. Das Sugar & Spice schreibt seit fast vier Jahren schwarze Zahlen, für ein Restaurant ist das eine Ewigkeit. Das sagt einiges aus über das Unternehmen und die Menschen, die es führen.«

Seine Zuversicht nahm sie ihm zu ihrem eigenen Erstaunen ab. Bei jedem anderen hätte sie das abgeschreckt, aber von seinem offenen, natürlichen Lächeln, dem vertraulichen Tonfall und seiner Selbstsicherheit fühlte sie sich angezogen.

»Das mag ja sein, aber finden Sie Ihr übertriebenes Flirten nicht beleidigend?«

»Sie wirken nicht beleidigt.« Er drückte ihre Hand und erinnerte sie so daran, dass er sie immer noch festhielt. »Sie sind neugierig, vielleicht sogar fasziniert. Sie fragen sich, ob bei der ganzen Flirterei auch was dahinter ist.«

»Und, ist es?«, fragte sie und wünschte sich sofort, sie könnte ihre Worte zurücknehmen.

»Das müssen Sie schon selbst herausfinden.« Er beugte sich vor und sprach leiser: »Gehen Sie mit mir aus.«

Ein wohliger Schauer jagte ihr durch die Blutbahn. Doch das war ein Verrat an ihrem Entschluss, sich nur einen einzigen Wunsch zu erfüllen, nämlich ihre Tochter zurückzubekommen. »Tut mir leid, Charlie. Ich trenne Geschäftliches und Privates.«

»Das ist nicht wahr«, beharrte er. »Hier sind Sie doch von Freunden umgeben. Ihre Geschäftspartnerin ist Ihre beste Freundin.«

»Das ist was anderes.«

»Was ist daran anders? Weil Sie Ihre Freunde nicht ansehen und sich dabei vorstellen, sie zu küssen, so wie bei mir?«

Ihre Nippel zogen sich zusammen. Gott, wann hatte sie zum letzten Mal so etwas empfunden? Auch nur annähernd? Sie wusste es nicht mehr.

»Charlie, das ist völlig unangemessen. Was würde denn Ihr Chef dazu sagen?«

»Ich glaube nicht, dass er damit so ein großes Problem hätte, wie Sie denken. Und was die Unangemessenheit angeht … kann schon sein. Aber finden Sie, dass es falsch ist?«

Und ob es falsch war! Auf so vielen Ebenen. Denn jetzt konnte sie seinetwegen nur noch daran denken, ihn zu küssen, ihn zu berühren, sonst was mit ihm zu machen.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, etwas Abstand zu ihm und den Bedürfnissen zu gewinnen, die er in ihr wiedererweckte. Bedürfnisse, mit denen sie vielleicht nicht mehr umgehen konnte, falls sie überhaupt jemals dazu in der Lage gewesen war.

»Siobhan, nennen Sie mir einen guten Grund, abgesehen von der möglichen Geschäftsbeziehung, warum Sie nicht mit mir ausgehen sollten.«

»Da fällt mir gleich einer ein.«

»Der da wäre?«

Sie seufzte innerlich. »Ich bin älter als Sie.«

»Na und?«

»Na und?«, wiederholte sie. »Was meinen Sie mit na und? Das ist doch ein Problem!«

Er schüttelte den Kopf. »Für mich nicht.«

»Aber für mich schon!«

»Das sind doch nur Zahlen«, entgegnete er. »Wie alt sind Sie denn?«

»Ich bin fünfunddreißig.«

»Und ich bin dreißig«, meinte er schulterzuckend. »Das sind doch nur fünf Jahre Unterschied. Bei Ihnen hört sich das so an, als wären Sie schon alt und gebrechlich und hätten die besten Jahre hinter sich.« Er musterte sie eingehend, wobei seine blaugrünen Augen anerkennend leuchteten. »Was meiner Meinung nach absolut nicht der Fall ist.«

Dem konnte sie nichts entgegensetzen. »Was bin ich dann?«, fragte sie, um herauszufinden, wie er sie wahrnahm. Auch wenn seine Meinung von ihr natürlich keine Rolle spielte.

»Ich finde Sie retromäßig sexy, wie ein Pin-up«, sagte er mit aufrichtiger Stimme. »Sie erinnern mich an Zuckerwatte – eine verlockende süße Verführung. Aber ich wette, darunter verbirgt sich auch noch eine Chili, eine scharfe Habanero. Genau, Sugar & Spice, wie Ihr Café.«

Sie konnte nur noch perplex und verlegen dasitzen und ihn anstarren. Warum sie und warum jetzt? Sie war nicht bereit für so etwas. Würde es wahrscheinlich nie sein. Obwohl sie erst Nadia und dann Charlie vorgejammert hatte, dass sie zu alt für das ganze Liebesdrama war, war sie ehrlich genug, um sich selbst einzugestehen, dass sie nicht das Gefühl hatte, eine richtige Beziehung zu verdienen, auch wenn sie es sich sehnlichst wünschte. Aber nicht mit Charlie. Nicht direkt.

Sie hatte ihr Leben schon einmal ruiniert. Sie hatte die Kindheit ihrer Tochter versaut und die Ehe mit ihrem Highschool-Freund zerstört. Hatte sie nach alledem wirklich eine Chance auf eine neue Beziehung verdient?

»Siobhan.« Er drehte ihre Hände so, dass er ihr einen Kuss auf den Handrücken geben konnte. Ein zahmer, geradezu keuscher Kuss, aber sie spürte ihn bis in die Zehenspitzen.

Er stand auf. »Egal, ob aus beruflichen oder privaten Gründen, ich freue mich, von Ihnen zu hören. Wie Sie mich erreichen können, steht in der Angebotsmappe.«

Dann ging er. Sie blieb sprachlos, erregt und sehr durcheinander sitzen.

Der Zustand hielt weiter an, als sie die Mappe öffnete und seine Visitenkarte herausnahm. Als sie sie las, verstand sie, wofür OBS stand: O’Halloran Business Solutions. Charlie O’Halloran war kein Kurier oder Vertreter von Crimson Bay Couriers.

Er war der Eigentümer.

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Kapitel 3

Also hat Hottie McHotterson nicht nur Muckis, sondern auch noch richtig was im Kopf«, scherzte Nadia, als sie die Mappe mit dem Geschäftsangebot zuklappte. »Dein Freund steckt voller Überraschungen.«

»Schon, aber das hilft ihm auch nichts.« Siobhan setzte sich zu ihrer Freundin an den kleinen runden Tisch in ihrem Büro. »Aber danke, dass du das Angebot gelesen und mich das Café hast schließen lassen, bevor du mit den Anspielungen anfängst.«

»Wirst du denn auf seine Avancen eingehen?«, fragte Nadia und wackelte zweideutig mit den Augenbrauen. »Ich muss schon sagen, der Kerl ist wirklich heiß.«

»Können wir jetzt endlich über den Vorschlag sprechen?«, drängte Siobhan und wünschte sich, sie hätte ein stärkeres Getränk ausgesucht als den Hagebuttentee, den sie gerade ziehen ließ. »Ich wüsste gerne, was du davon hältst.«

Nadia überprüfte, ob ihr eigener Tee, ein milder Rooibos, lange genug gezogen hatte. »Es freut mich, dass dein potenzieller Mr. Right Now dich nicht nur gestalkt hat. Er hat unser Unternehmen gründlich durchleuchtet.«

Siobhan beschloss, die Mr. Right Now-Bemerkung unkommentiert zu lassen. Sie musste Nadia ja nicht noch weiter ermuntern. »Anscheinend ist Crimson Bay Couriers nur eine der Firmen, die zum Konzern O’Halloran Business Solutions gehören. Sieht so aus, als könnten die sich um alles kümmern, was ein kleines Unternehmen so braucht.«

»Ich finde das Angebot vernünftig«, meinte Nadia. »Wir sollten auf jeden Fall darüber nachdenken.«

»Eigentlich haben wir doch schon länger darüber nachgedacht, unser Business auf diese Weise auszubauen. Wir hatten einfach nicht die nötige Infrastruktur und die zusätzlichen Mittel, um es zu realisieren.«

»Stimmt.« Nadia tippte auf ihr Tablet und öffnete ihren Business-Plan. »Dank McHottersons Angebot könnten wir unser Geschäft um einen Lieferservice und Catering vor Ort erweitern, ohne uns selbst das ganze Drum und Dran aufzuhalsen. So können wir mehr Umsatz machen und müssen dafür nicht einmal die Öffnungszeiten verlängern. Wenn wir jetzt mit der Planung anfangen, könnten wir das Ganze an den Start bringen, wenn der Laden im Herbst wieder richtig brummt.«

Im Sommer war immer am wenigsten los. Das lag einerseits daran, dass die Anwesenheitsquote an der Herscher University, der Hochschule, um die herum sich die Stadt verteilte, nur noch bei unter vierzig Prozent lag, und andererseits verbrachten die Touristen, die in die Küstenstadt kamen, ihre Zeit eher auf der Promenade als im Stadtzentrum. Veranstaltungen auf dem Marktplatz wie Konzerte oder Filmabende fanden normalerweise erst statt, wenn das Café geschlossen hatte. Im Sommer arbeiteten sie daher nur mit dem Stammpersonal und verkürzten die Öffnungszeiten, um die geringeren Umsätze zu kompensieren. Wochentags öffneten sie um acht und samstags von neun bis mittags.

Zwar war ihre grundsätzliche Zielvorgabe immer, ihre Einnahmen zu erhöhen, aber keine von ihnen wollte, dass die Qualität darunter litt. Ihre Entziehungskuren hatten sie zu Kontrollfreaks gemacht. Auch wenn beide Frauen Assistenten hatten, hätten sie ihre Aufgaben in der Küche niemals in fremde Hände gegeben, um länger öffnen zu können. Außerdem hatte jede von ihnen auf die harte Tour gelernt, dass mit einem Burnout nicht zu spaßen war.

»Vielleicht können wir ja eine Probephase mit denen vereinbaren und danach noch mal alles überdenken«, überlegte Siobhan. »Wie bei einem Soft Opening. Wir erzählen ein paar von unseren Stammkunden von dem Lieferservice, und dann schauen wir mal, wie es läuft.«

»Gute Idee. Und in der Zwischenzeit überarbeiten wir die Website. Ich habe vor ein paar Wochen schon ein bisschen daran gebastelt, aber eher, um mich abzulenken.« Nadias Tonfall klang matter, und Siobhan wusste, dass sie daran dachte, wie ihr Freund Kane und sie sich getrennt hatten, bevor sie beide wieder zur Besinnung gekommen waren. »Jedenfalls hat McHotterson bei einem der Optionspakete ein Upgrade eingefügt. Anscheinend bietet seine Firma einen Rundum-Service, und die Kundenliste ist beeindruckend. Wie gesagt, dein Mr. Right Now ist nicht auf den sehr ansehnlichen Kopf gefallen. Du solltest mal rausfinden, ob in seiner Khakihose auch alles so ansehnlich ist.«

»Du kannst es einfach nicht lassen, oder?«, seufzte Siobhan ergeben. Sie wusste, dass Nadia das Herz am rechten Fleck hatte, doch sie hatte wirklich keine Lust darauf, dass sich ihre Geschäftspartnerin in eine Beziehungspredigerin verwandelte, die ihre Freundinnen dazu bekehren wollte, glücklich und befriedigt bis ans Ende ihrer Tage zu leben. Auch wenn ein erfüllendes Sexleben natürlich nicht zu verachten war.

»Betrachte mich einfach als deine Sex-Cheerleaderin«, antwortete Nadia mit reuelosem Lächeln, ehe sie einen Schlachtruf anstimmte. »Ich sage nur R-A-N – Siobhan krallt sich einen Mann!«

»Herrje, das ist ja wohl jetzt nicht dein Ernst!«, rief Siobhan und musste doch lachen. »Konzentriere du dich mal ganz auf deinen sexy Professor. Mach dir keine Sorgen um mich.«

»Sorgen mache ich mir ja auch nicht.« Nadia goss sich Tee in die Tasse und fügte einen guten Klecks regionalen Wildblütenhonig hinzu. »Ich weiß, dass du ein erfülltes Leben hast. Ich weiß, dass es dir gutgeht. Aber deshalb finde ich es noch lange nicht okay, dass du nur auf der Stelle trittst.«

»Was soll das denn heißen?«

»Du verschließt dich emotional und bist überhaupt nicht offen für etwas Neues. Ich würde dich ja nicht unter Druck setzen, wenn du nicht selbst mehr wollen würdest.«

Siobhan widmete ihre Aufmerksamkeit ihrer eigenen Tasse Tee. Sie beschloss, nicht auf die Bemerkung einzugehen, sie würde auf der Stelle treten. »Warum glaubst du, dass ich mehr will?«

»Weil du von allen Menschen, die ich kenne, das größte Herz hast, abgesehen von meinen Eltern. Weil es dich am glücklichsten macht, wenn du für jemanden da sein kannst.«

»Genau«, schnaubte Siobhan. »Was das angeht, habe ich einen echt fabelhaften Ruf.«

»Ich rede nicht von deiner Tochter oder deinem Ex-Mann. Ich rede davon, wie du mir durch den Entzug geholfen hast. Und wie du mir die letzten vier Jahre beigestanden hast, um clean zu bleiben. Wie du zu mir gehalten hast, als ich ins Straucheln kam. Wie du Audie geholfen hast, als sie alle zurückweisen wollte. Und wie du mit Cookies bewaffnet eingeschritten bist, als ich die Sache mit Kane fast versaut hätte.«

Nadia streckte die Hand aus und legte ihre teewarmen Finger um Siobhans plötzlich eiskalte Hand. »Siobhan, du kannst so wahnsinnig fürsorglich sein, und ich bin dankbar, dass du dich so um mich und all unsere Freunde kümmerst. Ich meine ja nur, dass es vielleicht für dich an der Zeit ist, jemanden auf andere Weise zu umsorgen – erst recht jemanden, der auch für dich ganz andere Sachen tun kann als wir.«

Verdammt. Siobhan versuchte, den Kloß in ihrem Hals mit einem Schluck Tee hinunterzuspülen. »Ich bin nicht bereit für etwas Ernstes.«

»Von etwas Ernstem habe ich auch gar nicht gesprochen«, erwiderte Nadia sanft. »Aber was ist schon dabei, erst mal ein wenig Spaß zu haben? Gerade jetzt, wo sich dieser tolle Jungspund um dich bemüht?«

»Du findest ihn zu jung für mich?«

»Mir doch egal, wie alt er ist, solange er volljährig ist.« Nadia schärfte den Blick. »Hat er gesagt, wie alt er ist?«

»Ja. Dreißig.«

»Na perfekt! Dann ist er doch genau das, was du bestellt hast!«

»Ich habe ihn nicht bestellt!«

Nadia neigte den Kopf. »Bist du sicher? Du hast gesagt, dass die meisten Typen, die sich für dich interessieren, entweder alte Lüstlinge oder noch grün hinter den Ohren sind. Hottie McHotterson ist ein verantwortungsvoller Mann um die dreißig mit eigener Firma. Außerdem steht er total auf dich. Er ist scharf, verantwortungsvoll, scharf, Unternehmer, scharf, gutaussehend, scharf und charmant. Hatte ich schon erwähnt, dass er scharf ist?«

Siobhan versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Du hast es vielleicht ein- oder zweimal erwähnt.«

Nadia legte wieder den Kopf schief. »Findest du ihn denn nicht attraktiv? Auf jeden Fall sieht er ganz anders aus als Mike.«

»Das ist allerdings ein Pluspunkt.« Die Erwähnung ihres Ex-Mannes löste immer noch Schuldgefühle in ihr aus, auch wenn der Schmerz mit den Jahren abgenommen hatte. »Ich bin froh, dass Charlie und Mike so unterschiedliche Typen sind. Charlie sieht aus wie ein Surfgott und hat die tollsten Wimpern, die ich je bei einem Mann gesehen habe. Und seine Augen erst! O Gott, Nadia, immer wenn er mich angesehen hat, wusste ich, dass ich seine volle Aufmerksamkeit habe, als hätte er zuvor noch nie jemanden so faszinierend gefunden. Als würde er das größte Geheimnis der Welt kennen und es mit mir teilen wollen. Das war sehr schmeichelhaft.«

»Hört sich an, als hätte er ganz schön Eindruck bei dir hinterlassen.«

Das Blut schoss ihr in die Wangen. »Du wirst nicht glauben, was er gesagt hat!«

»Was?« Nadia beugte sich nach vorn wie ein ungeduldiges Schulmädchen. »Was hat er denn gesagt?«

»Dass ich retromäßig sexy bin.«

Nadia lachte. »Da hat er bei dir ja genau die richtigen Knöpfe gedrückt. Das lässt sich zwar im nackten Zustand noch ausbauen, aber retromäßig sexy trifft es genau. Wenn man die ganze Burlesque-Rockabilly-Sache in Betracht zieht, beschreibt dich das doch echt gut.«

Siobhan schüttelte den Kopf und war immer noch entgeistert von dem bizarrsten Verkaufsgespräch, das sie je erlebt hatte. »Würdest du auch sagen, dass ich eine Verführung aus Zuckerwatte mit einem scharfen Chilikern bin?«

Nadia riss die Augen auf. »Das hat er zu dir gesagt?«

»Allerdings«, antwortete Siobhan und seufzte. »Gleich danach hat er mir die Hand geküsst.«

»Das war bestimmt kein normaler Handkuss.«

»Ich bin förmlich dahingeschmolzen«, gestand Siobhan. »Ich bin ungelogen dahingeschmolzen, weil mir ein Typ die Hand geküsst hat. Die Hand! Wie erbärmlich ist das denn bitte?«

»Ich finde das überhaupt nicht erbärmlich«, meinte Nadia in verständnisvollem Tonfall. Ihr Blick war verträumt. »Wenn Kane mir so die Hand küsst, dann wird mir auch immer ganz anders. Es hat doch was für sich, wenn ein Mann so charmant sein kann, ohne dass es sich kitschig anfühlt.«

»Ich hatte dabei eine Menge Gefühle, aber kitschig war sicher keins davon!«

Nadia wackelte mit den Augenbrauen. »Hast du daran gedacht, wie es wäre, auf seinem Surfbrett zu reiten?«

»Nadia!« Siobhan hätte beinahe ihren Tee wieder ausgespuckt. »Meine Herren, seitdem du es mit dem sexy Professor treibst, hast du echt nur noch das eine im Kopf. Ich kann nicht fassen, dass du das gerade gesagt hast!«

»Wieso? Weil es stimmt?«

»Ich … das …« Siobhan schüttelte den Kopf und konnte Nadia angesichts ihrer heiteren Stimmung einfach nicht widersprechen. »Na gut, ich habe darüber nachgedacht, alles klar? Ich bin auch nur ein Mensch!«

»Natürlich, und ich für meinen Teil bin heilfroh, dass dir das endlich klargeworden ist. Du bist einfach aus der Übung. Ich finde übrigens, du kannst deinen blonden Mr. Right Now ruhig mal austesten. Wo er es doch schon selbst anbietet.«

»Er will mit mir ausgehen, das heißt wohl wirklich, dass er sich anbietet.«

»Was?« Nadia klappte die Kinnlade herunter. »Wieso erzählst du mir das erst jetzt? Was hast du zu ihm gesagt?«

»Ich habe Gründe aufgezählt, warum ich nicht kann«, gab Siobhan zu. »Und er hat jeden einzelnen beiseitegewischt.«

»Scharf, charmant, clever und hartnäckig«, zählte Nadia an ihren Fingern auf. »Ich hoffe, du hast ja gesagt.«

»Ähm … Ich war so perplex, dass ich kein Wort mehr rausgebracht habe.«

Nadia gackerte. Ihre Freundin und Geschäftspartnerin gackerte tatsächlich. »Noch drei Sekunden und du kannst dir den Tee aus den Haaren waschen«, drohte Siobhan. »Das ist nicht witzig!«

»Und ob es das ist«, beharrte Nadia, verkniff sich aber klugerweise ihr Lachen. »Du, meine liebe Freundin, bist das Einzige, was dir im Weg steht. Er ist interessiert. Du bist interessiert, auch wenn du noch so sehr so tust, als wäre es nicht so. Du solltest es einfach wagen.«

Die Vorstellung, »es zu wagen«, reizte und erschreckte Siobhan gleichermaßen. »Also findest du nicht, dass da ein Interessenkonflikt entsteht? Wenn ich es durchziehe, meine ich.«

»Ich habe keine Angst, dass du das Café reinreiten könntest, wenn du das meinst.« Nadia balancierte ihre Teetasse zwischen den Handflächen. »Ich glaube auch nicht, dass Mr. O’Halloran unser Geschäft sabotieren würde, wenn es zwischen euch nicht mehr läuft – was sowieso nicht passieren wird. Er ist Geschäftsmann, und seine Geschäfte macht er hier in Crimson Bay. Wir sind hier in einer Kleinstadt, wo fast jeder jeden kennt. Da können wir seinen Ruf auf jeden Fall gründlich checken. Genau aus dem Grund hat er uns ja auch eine Kundenliste gegeben.«

Sie nahm die Präsentationsmappe in die Hand. »Wie gesagt, die Zusammenarbeit mit ihm müssen wir erst einmal ausprobieren. In privater Hinsicht solltest du das auch tun. Dann sehen wir weiter.«

Plötzlich hatte Siobhan Schmetterlinge im Bauch. Was sollte schon passieren, wenn sie eine Affäre hatte, besonders mit jemandem wie Charlie? Nadia und sie hatten rund um die Uhr gearbeitet, damit das Café schwarze Zahlen schrieb, und wie Nadia schon gesagt hatte, verdienten sie auch ein Privatleben. Solange Charlie und sie das Berufliche ernst nahmen, gab es keinen Grund, warum sie dabei nicht auch etwas Spaß haben sollten.

»Wenn wir das machen, dann brauchen wir Regeln.«

»Natürlich braucht ihr Regeln«, stimmte Nadia zu, dann grinste sie. »Ich finde sogar, du solltest das Oberlehrerinnen-Outfit aus deiner Show anziehen, wenn du ihm die Regeln vorträgst. Dann wird er auf jeden Fall allem zustimmen.«

»Du bist unmöglich.«

»Ich übe nur ein bisschen schlechten Einfluss auf dich aus. Zumindest in sexueller Hinsicht.« Nadias Augen funkelten schelmisch. »Wenn du dir meine Ausgabe vom Duftenden Garten als erotische Inspiration ausleihen willst, dann werde ich sie dir liebend gerne überlassen – und die besten Stellungen markieren. Die Beschreibungen und gerade auch die Abbildungen waren für Kane und mich immer sehr – wie soll ich sagen – anregend. Sie auszutesten hat genauso viel Spaß gemacht, wie wir es uns erhofft hatten.«

Siobhan lachte. »Also bist du mit dem Professor mittlerweile über die mittelalterlichen Sexhandbücher hinaus? Was treibt ihr jetzt so?«

Nadias Wangen liefen rot an. »Man könnte sagen, ich habe es inzwischen in den Meisterkurs geschafft.«

Jetzt war Siobhan an der Reihe, das plötzliche Unbehagen ihrer Freundin zu belächeln. »Ach wirklich? Erzähl mal.«

»Na ja, er hat da so Seile …«

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Kapitel 4

Charlie?«

Stirnrunzelnd blickte er von seinem Laptop auf, als seine Büroangestellte Nance ihren Kopf zur Tür hereinstreckte. Normalerweise teilte sie ihm per Telefon oder Chat mit, wenn ein Kunde auftauchte. Oder sie brüllte einfach durch seine ständig offene Tür, wenn nur Mitarbeiter in der Nähe waren. »Was ist denn, Nance?«

»Da möchte dich jemand sprechen«, erklärte sie in höchst professionellem Tonfall, was ihn sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Ihre dunklen Augen leuchteten hinter ihrer roten Cateye-Brille. »Ich glaube, sie könnte eine potenzielle Kundin sein.«

Das waren immer gute Neuigkeiten. Eigentlich empfing er keine unangemeldeten Besuche mehr, aber er wies Laufkundschaft nie ab, auch wenn er es vorzog, Nachforschungen anstellen zu können, bevor er ein Angebot unterbreitete. Er griff nach einer Broschüre mit allgemeinen Informationen über ihr komplettes Leistungsspektrum. »Hat sie gesagt, von welchem Unternehmen sie kommt oder an welchem unserer Dienste sie interessiert ist?«

»Nein, aber eine Broschüre hat sie schon«, erwiderte Nance. Sie grinste wie ein kleiner Kobold. »Sie ist übrigens ganz nach meinem Geschmack.«

Leute nach Nance’ Geschmack waren entweder lesbisch oder schillernde Retro-Modefreaks. Da er seit Menschengedenken niemanden nach seiner sexuellen Orientierung gefragt hatte, blieb nur noch der Modefreak übrig. »Blond?«

Seine Assistentin zog betont die gepiercte Augenbraue hoch. »Ja. Verschweigst du mir da etwa was, Boss?«

Charlie ignorierte sie und konzentrierte sich ganz auf das Gefühl vollster Befriedigung. »Wir sollten eine potenzielle Kundin nicht warten lassen«, sagte er. »Bring sie bitte in mein Büro.«

Nance ging, und Charlie nahm sich einen Moment Zeit, sich zu sammeln. Siobhan war gekommen, um über sein Geschäftsangebot zu sprechen. Das war bestimmt ein gutes Zeichen. Wenn sie mit ihm nicht zusammenarbeiten wollte, hätte sie sicher angerufen – und er hätte alle Register gezogen, um sie umzustimmen. Hätte sie dann immer noch nein gesagt, hätte er ihre Entscheidung akzeptiert und sie nicht bedrängt – zumindest nicht sofort. Natürlich wollte er den Deal mit dem Café. Aber Siobhan wollte er noch mehr.

Er sprang auf, als die strahlende Nance sein Büro betrat und etwas sagte – er bekam es gar nicht mit. Er hatte nur noch Augen für die blonde Frau, die hinter seiner Assistentin hereinkam.

Wieder einmal haute Siobhans kurvige Schönheit Charlie um. Sie sah aus wie die Reinkarnation eines Hollywood-Starlets aus den Fünfzigern. Ihr rot-weißes Sommerkleid mit Polka Dots schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihre Brüste und ihre Taille und ging in einen Tellerrock über. Dem kurzärmeligen weißen Jäckchen über ihren Schultern war es wahrscheinlich zu verdanken, dass sie mit ihrem Wahnsinns-Aussehen keinen Stau auf ihrem Weg durchs Stadtzentrum verursacht hatte. Ihre Füße steckten in roten Keilsandaletten, und ihre Zehennägel zierte das gleiche Knallrot wie ihr Kleid und ihre Lippen.

»Ach, echt blöd.«

Siobhan riss die Augen auf und erstarrte. »Wie bitte?«

»Ich meine, dass man das Bild nicht festhalten kann«, fügte er hastig hinzu und ignorierte Nance’ missbilligendes Stöhnen, als sie aus dem Raum ging und die Tür hinter sich schloss. »Das wäre die perfekte Marketing-Kampagne.«

Siobhan zog ihre perfekt geformten Augenbrauen hoch. »Ach, Sie meinen ein Fotoshooting?«

»Natürlich.« Er ging um den Tisch herum und gab ihr die Hand, auch wenn er am liebsten noch mehr mit ihr angestellt hätte. Viel mehr. Stattdessen führte er sie zu einem kleinen Konferenztisch und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Sie bedankte sich leise, setzte sich hin und legte ihre rote Handtasche und seine Angebotsmappe auf den Tisch. Charlie bewunderte einen Moment lang ihre wohlgeformten Beine, als sie sie übereinanderschlug. Sie waren nackt, was ihn darüber nachdenken ließ, wie weich ihre Haut war und welche Farbe wohl ihre Unterwäsche hatte. Siobhan trug bestimmt nur Seidendessous, die ihre Vorzüge perfekt zur Geltung brachten.

Sie räusperte sich und gewann so seine Aufmerksamkeit zurück. »Das ist ganz schön vorschnell von Ihnen, finden Sie nicht? Immerhin haben wir uns noch gar nicht geeinigt.«

Sie klang amüsiert, und ihm war klar, dass sie sein Gegaffe bemerkt hatte. Er widmete sich wieder den geschäftlichen Angelegenheiten. »Vielleicht war es wirklich vorschnell, aber nicht falsch.«

Er setzte sich direkt neben sie und atmete kurz einen leichten süßlichen Duft ein, der optimal zu Siobhan passte. »Sie wären doch nicht extra hergekommen, nur um mir abzusagen, oder?«

Sie hob das Kinn. »Und was, wenn doch?«

»Dann würde ich Sie fragen, warum Sie Bedenken haben, und mit Ihnen verhandeln. Ich würde mir natürlich alle Mühe geben, Sie zu überzeugen, dass wir die perfekte Wahl für all Ihre geschäftlichen Belange sind. Es ist unser Job, Sie in jeder erdenklichen Hinsicht zufriedenzustellen.«

Sie öffnete die Lippen und atmete langsam und tief ein. Charlies Hirn wurde von einem Kurzschluss lahmgelegt. Hatte sie eigentlich eine Ahnung, wie verdammt sexy sie war? Sie musste es wissen – ihre Bewegungen waren absolut gekonnt, und er reagierte darauf, als hätte er eben erst bemerkt, wofür sein Schwanz gut war. Fast hätte er gedacht, sie sei eine Nummer zu groß für ihn.

Verdammt noch mal, er wollte sie. Wollte sie so sehr, dass sie die Flucht ergreifen würde, wenn sie auch nur die geringste Ahnung davon hätte. Es lag einfach daran, wie heiß sie aussah, richtig zum Anbeißen. Ein Gefühl von Zärtlichkeit überkam ihn, und zugleich war sein animalischer Trieb geweckt, denn er wollte sie sich am liebsten über die Schulter werfen, sie davonschleppen und sich zu Willen machen.

»Meinen Sie, Sie können das?«, fragte sie mit sanfter Stimme. Ihre blauen Augen hatten sich verdunkelt, und er wollte doch schwer hoffen, dass das ihr Interesse an ihm verdeutlichte. »Mich zufriedenstellen? Mir geben, was ich brauche?«

Aber hallo. »Ich bin sehr ausdauernd, egal wie anstrengend die Arbeit auch sein mag. Ich bin bekannt dafür, spontan, kreativ und anpassungsfähig zu sein.«

»Das habe ich schon gehört.« Nachdem sich Charlie einen Augenblick lang gefragt hatte, ob er all die Anspielungen beim Wort nehmen und sie küssen sollte, lehnte sich Siobhan zurück. »Wir haben ein paar Ihrer aktuellen und ehemaligen Kunden angerufen. Alle sind voll des Lobes.«

»Wie gesagt, wir legen uns für jeden ins Zeug, der uns sein Vertrauen schenkt. Ich verspreche Ihnen, wenn das Sugar & Spice zu den Klienten von O’Halloran gehört, werden Sie nicht enttäuscht sein.«

Siobhan öffnete die Mappe, die er ihr vor ein paar Tagen gegeben hatte. »Meine Partnerin und ich haben die Optionen ausführlich besprochen. Wir sind uns einig, dass wir einige Ihrer Dienste in Anspruch nehmen sollten. Natürlich den Lieferservice, aber die Neugestaltung der Website und die Verlinkung mit Ihrer interessieren uns auch, genauso wie die Social-Media-Marketing-Kampagnen. Einige Ihrer Kunden haben gesagt, dass sie dadurch wirklich ihren Gewinn steigern konnten.«

Er spannte sich an. Was sie sagte, stand im totalen Gegensatz zu ihrer Körpersprache. Es schien, als würde sie sofort Reißaus nehmen, wenn er etwas Falsches von sich geben oder tun würde, und das wollte er auf gar keinen Fall. Er lehnte sich zurück. »Sie scheinen noch zu zögern. Welche Fragen kann ich Ihnen beantworten?«

»Wir möchten zuerst einen Vertrag mit kurzer Laufzeit abschließen und dreißig Tage vor Ablauf eine Absichtserklärung abgeben.«

»Bei einer kurzen Laufzeit können wir möglicherweise nicht viel für Sie tun«, gab er zu bedenken. »Den Lieferservice können wir natürlich einrichten und ihn online stellen, da der Großteil der Arbeit dabei von uns geleistet wird und wir den Prozess schon bei zahlreichen Websites optimiert haben. Die Ablaufpläne für das Marketing und die Neugestaltung der Website richten sich nach verschiedenen Faktoren. Außerdem haben wir eine Standardkündigungsklausel, die Sie in dem Mustervertrag finden, den ich beigefügt habe.«

Sie nickte und biss sich auf die Unterlippe. Mist. Er konnte sich nicht länger beherrschen, wollte nicht mehr übers Geschäft sprechen. »Siobhan …«

»Wer wäre denn für alles zuständig?«, fragte sie schnell. »Ich meine, für die Website und das Marketing?«

»Darum würde ich mich persönlich kümmern«, antwortete er und bemerkte, wie sie die Lippen zusammenpresste. »Zögern Sie deswegen?«

»Wenn man bedenkt, wie das Verkaufsgespräch letzte Woche verlaufen ist, verstehen Sie das bestimmt.«

»Das tue ich. Aber ich versichere Ihnen, dass mir das Unternehmen sehr am Herzen liegt. Außerdem ist mir mein berufliches Ansehen äußerst wichtig. Wir haben uns auf kleine Unternehmen in der Stadt spezialisiert, daher sind wir auf Mundpropaganda und ein gutes Verhältnis zu unseren Kunden angewiesen. Ich garantiere Ihnen, dass wir uns in geschäftlichen Angelegenheiten ausschließlich aufs Business konzentrieren werden.«

Solange Sie das mit der Unterlippe nicht noch mal machen oder ein Kleid tragen, aus dessen Ausschnitt mir Ihre Brüste freundlich entgegenschauen.

Er versuchte, einen professionellen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Reiß dich zusammen, du Idiot. Du hast doch nicht zum ersten Mal mit einer schönen Frau zu tun – Herrgott noch mal, immerhin wohnst du in einer Collegestadt. Er wollte sie nicht in die Flucht schlagen. Er wollte die Gelegenheit bekommen, sie näher kennenzulernen, sich mit ihr vertraut zu machen. Er wollte herausfinden, ob sie solche Kleider immer trug, wenn sie freihatte oder zu Geschäftsterminen ging, oder ob sie – lieber Himmel! – es am Ende gar anhatte, weil sie sich mit ihm traf.

»Also das … das von letztem Mal. Das kommt nicht wieder vor?«

Sie klang enttäuscht, oder bildete er sich das nur ein? »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe großes Interesse an Ihnen, Siobhan. Wenn das bisher nicht so gewesen wäre, dann auf jeden Fall jetzt, nachdem Sie wie ein teuflischer Engel in meinem Büro aufgetaucht sind. Ich möchte wetten, dass Sie auf dem Weg hierher ein echtes Verkehrschaos ausgelöst haben.«

»Charlie …«

»Sie sind wunderschön, Siobhan Malloy. Ein Kompliment werde ich Ihnen ja wohl machen dürfen. Ihr schönes Kleid ist gleich noch schöner, weil Sie es tragen. Oder fühlen Sie sich belästigt, wenn ich das zu Ihnen sage? In dem Fall werde ich mich entschuldigen und damit aufhören.«

Ihre Wangen erröteten leicht. »Ich fühle mich nicht belästigt. Nervös bis verlegen schon. Aber nicht belästigt.«

Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hätte gedacht, eine Frau, die so ein rotes Kleid tragen kann, kann man gar nicht in Verlegenheit bringen.«

»Aber Sie …«, gestikulierte sie hilflos. »Sie überfordern mich, und ich weiß nicht, ob das schmeichelhaft oder einfach total unangemessen ist.«

»Jetzt wissen Sie, wie ich mich gefühlt habe, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe«, sagte er und setzte alles auf eine Karte. »Und beim nächsten Mal und beim übernächsten und so weiter. Wenn ich es verstehen würde, würde ich es Ihnen erklären. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich mich nicht unangemessen verhalten will. Unangemessen wäre es, wenn ich Sie schnappen würde, obwohl da nur eine Glaswand zwischen uns und meinen Mitarbeitern ist, und Sie stürmisch küssen würde. Wir unterhalten uns doch nur, tauschen uns aus. Da ist doch nichts dabei, oder?«

»Nein.«

»Meiner Meinung nach haben wir verschiedene Möglichkeiten. Entweder Sie entscheiden sich gegen das Geschäft mit mir, dann werde ich Ihnen ungeniert den Hof machen. Oder Sie unterschreiben den Vertrag und ich beauftrage einen meiner Mitarbeiter mit dem Projekt, damit ich Ihnen den Hof machen kann. Oder Sie unterschreiben den Vertrag und ich kümmere mich um Ihre geschäftlichen Angelegenheiten, weil ich tatsächlich sehr gut in meinem Job bin. Und nach Feierabend mache ich Ihnen dann den Hof.«

Siobhans knallrote Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Gibt es denn keine Option, bei der Sie mir nicht den Hof machen?«

»Doch. Wenn ich tot umfalle.«

»Ach so. Na dann.« Sie zwinkerte. »Das wollen wir natürlich nicht.«

»Das freut mich sehr.« Er lächelte ebenfalls. »Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Siobhan. Ich halte nichts davon, jemanden unter Druck zu setzen. OBS will gern mit Ihnen ins Geschäft kommen. Ich will Sie. Ich denke, das kann funktionieren, aber wenn Sie sich nicht damit wohl fühlen, überlegen wir uns was anderes. Sie haben die Wahl.«

Er wartete und beobachtete mit nervöser Faszination, wie sie überlegte. Ihre Augen, dachte er. Ihre Augen fesselten ihn am meisten. In ihrem Blau lag so viel Lebendigkeit, die Siobhan in einem Moment engelsgleich süß und im nächsten teuflisch scharf wirken ließ.

»Also gut«, sagte sie nach einer Weile, »ich habe mich entschieden.«

»Und?«

»Tun wir’s.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

»Das versteht sich von selbst.« Er lächelte wieder. »Sie werden sehen, dass ich meine Versprechen immer halte.«

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Kapitel 5

Wie Charlie versprochen hatte, ging es bei ihren Treffen zweimal die Woche in erster Linie um Geschäftliches. Er erklärte jedes Detail zu jeder Handlung, die er in ihrem Sinne ausführte, machte Nutzen und Risiken für das Café deutlich und unternahm nichts, ohne zuerst ihr Einverständnis einzuholen. Siobhan fand es wahnsinnig interessant und sogar anregend, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Ihr gefiel, wie er Ideen sammelte und dass ihn selbst grobe Konzepte begeistern konnten. Die Freude und der Stolz, mit denen er seine Arbeit betrachtete, waren nicht zu übersehen – dazu auch noch ansteckend und sexy. Sie hatte schon immer eine Schwäche für kluge, gutaussehende Männer gehabt, und Charlie hatte obendrein Selbstvertrauen und Charme zu bieten. Sie freute sich auf ihre Treffen montags und donnerstags und darauf, ihn immer besser kennenzulernen.

»Wie haben Sie eigentlich angefangen, Charlie?«, erkundigte sie sich, als sie gerade die neuen Website-Erweiterungen testen wollten. »Ich frage mich, wie Sie von einem Fahrradkurierunternehmen dazu gekommen sind, Marketing-Dienste und dergleichen anzubieten.«

»Crimson Bay Couriers war meine erste Firma. Sie ist aus einem Ferienjob entstanden, den ich als Teenager hatte«, erklärte er. Sein Blick verfinsterte sich kurz, so flüchtig, dass es ihr entgangen wäre, wenn sie ihn nicht so aufmerksam betrachtet hätte. »Mit achtzehn habe ich einen Vollzeitjob daraus gemacht, weil ich schnell Geld brauchte. Damals war ich eine Ein-Mann-Firma, aber das Geschäft hat angezogen, und ich konnte ziemlich schnell mehr Kuriere einstellen. Als das Unternehmen weiter wuchs, habe ich immer mehr Geschäftsfelder entdeckt, mit denen ich dann umzugehen lernte oder für die ich jemanden eingestellt habe. Meistens habe ich es selbst gemacht, weil ich nun mal so bin.«

»Ein Mann, der gerne zupackt«, riet sie. »Also haben Sie einen Bedarf in Ihrem eigenen Unternehmen erkannt, eine Lösung entwickelt und diese dann anderen kleinen Betrieben angeboten?«

Er lächelte. »Genau. Durch praktisches Ausprobieren – da war am Anfang schon noch einiges für die Tonne – haben wir Prozesse erprobt und optimiert, die wir dann unseren Kunden als Service-Paket anbieten konnten. Durch Mundpropaganda wurde das Ganze ein Erfolg. Das ist immer noch so.« Er zuckte die Schultern. »Mit der wachsenden Business-Expertise passte der Name Crimson Bay Couriers einfach nicht mehr. Es war nicht schwer, die Dachgesellschaft O’Halloran Business Solutions aufzubauen. Wir wissen, was kleine Unternehmen brauchen, um zu überleben, weil wir es selbst erlebt haben.«

Siobhan blickte nach unten auf ihren Tee und ließ sich durch den Kopf gehen, was er gesagt hatte. Der Mann hatte Ahnung von seinem Beruf, da hatte sie keinen Zweifel. Jeder, mit dem Nadia und sie gesprochen hatten, hatte davon geschwärmt, wie professionell er war und wie angenehm es war, mit ihm zusammenzuarbeiten und die passenden Lösungen zu finden.

Niemand hatte erwähnt, wie gut er aussah, aber das war auch gar nicht nötig. Er verführte sie mit jeder Idee, bei jedem Gespräch und mit jedem umgesetzten Plan. Sein scharfer Verstand zog sie ebenso an wie sein natürliches Lächeln und sein warmer Blick. Wenn seine Finger so fest und sicher über die Tastatur huschten, fragte sie sich, wie sie sich wohl an ihren Brüsten, an ihren Nippeln oder tief in ihr anfühlen würden.

Wenn die Muskeln in seinen Armen und in seiner Brust sich unter dem Hemd anspannten, stellte sie sich vor, ihn in all seiner nackten Surfgott-Pracht zu sehen, während Sonnenstrahlen seinen Oberkörper umspielten und er sich eng an sie schmiegte. Sie wollte ihn. Wollte seinen Mund und seine Finger an sich spüren, seinen Schwanz in ihr. Wollte wissen, ob er die sinnlichen Versprechungen einhalten würde, die in seinen Augen glühten, wenn er sie ansah, egal ob sie dabei über Geschäftliches sprachen oder einfach Tee und Kaffee tranken. Selbst jetzt, während er die Verknüpfung der Website des Cafés mit dem Bestellportal des Lieferservices testete, musste sie die Schenkel zusammenpressen, um das brennende Verlangen zurückzuhalten.

Ja, Charlie musste gar nicht erst versuchen, sie zu verführen. Das schaffte sie schon ganz gut alleine.

Die zunehmende sexuelle Frustration hatte sie dazu gebracht, bei ihren Treffen nicht mehr ihre bequeme Arbeitskleidung zu tragen, sondern etwas … Zugänglicheres. Heute hatte sie eines ihrer zahmeren Sugar-Malloy-Outfits an, das sie sonst hin und wieder bei ihren Burlesque-Shows trug. Ein hellblaues Hemdblusenkleid mit Knopfleiste vorn, enger Taille und weitem Rock. Da sie später am Abend noch eine Probe hatte, hatte sie sich einfach schon früher umgezogen und nicht erst nach der Sitzung mit Charlie. Vielleicht war es ja heute so weit. Sie war jedenfalls scharf genug, um ihre selbst auferlegte Regel zu brechen, sich nur auf die Arbeit zu konzentrieren, und sich stattdessen ein wenig Vergnügen zu gönnen.

Aber zuerst … »Ich muss mich bei dir entschuldigen.«

Charlie blickte überrascht auf. »Ach ja? Ich bin ganz Ohr.«

»Ich meine es ernst.« Sie wappnete sich mit einem tiefen Atemzug gegen das herausfordernde Funkeln seiner blaugrünen Augen. »Ich habe dich falsch eingeschätzt.«

Das herausfordernde Funkeln wurde schwächer. »Inwiefern?«

»Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, du bist bloß ein Playboy, der reihenweise Studentinnen das Herz bricht.«

»Irgendwie glaube ich, dass das nicht als Kompliment gemeint ist.«

»War es auch nicht«, räumte sie ein und bemerkte, wie er den Kiefer leicht anspannte. Sie wollte ihn nicht verärgern, aber es war ihr wichtig, sich für ihre Fehleinschätzung zu entschuldigen. »Als du bei dem Verkaufsgespräch angefangen hast, mit mir zu flirten, dachte ich, du willst dir so nur den Business-Deal sichern und bist gar nicht an mir interessiert. So konnte ich das Ganze leicht abtun und dich auch.«

Ohne das Lächeln sah sein Gesicht viel härter und älter aus, so dass sie seinen schelmischen Ausdruck vermisste und hoffte, es sich nicht endgültig mit ihm verscherzt zu haben.

»Ich möchte darauf hinweisen, dass ich das Verkaufsgespräch schon beendet hatte, als ich angemerkt habe, wie schön du bist, aber ich komme nicht darüber weg, dass du mich danach immer noch so leicht abtun konntest.«

»Dass es leicht war, habe ich nie gesagt«, erwiderte sie. »Das war es nicht. Wie auch immer, es tut mir leid, dass ich so über dich gedacht habe.«