Sun Warrior - P.C. Cast - E-Book

Sun Warrior E-Book

P.C. Cast

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Beschreibung

In einer zerstörten Welt voller Gefahren kämpfen drei verfeindete Stämme ums Überleben. Die junge Mondfrau Mari ist auserwählt, sie zu retten, doch überall lauert Verrat. Mari und Nik sind in einer verzweifelten Lage. Der Wald steht in Flammen, und der Brand droht die Baumstadt des Stamms des Lichts vollständig zu vernichten. Wer kann jetzt noch das Feuer aufhalten? Thaddeus sieht Nik als Verräter und hat Teile des Stamms auf seiner Seite, die Niks Bund mit Mari nicht verstehen. Der Stamm ist gespalten, denn einige erkennen an, dass Mari Stammesangehörige von der Fäule geheilt hat und auch von einem Welpen erwählt wurde, also eine von ihnen sein muss. Andere bleiben misstrauisch gegenüber der Erdwanderin. Unerwartet kommt Hilfe von Antreas, einem Luchsmann, und Bast, seinem Gefährten. Als Mari und Nik aufbrechen, um die Frauen des Weberclans zu retten, schließen sich ihnen einige Männer und Frauen vom Stamm des Lichts an. Gemeinsam mit Antreas und Bast bilden sie eine neue Gruppe, die alte Feindschaften überwindet.

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Seitenzahl: 806

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P. C. Cast

Sun Warrior

Gefährten einer neuen Welt

Aus dem amerikanischen Englisch von Christine Blum

FISCHER E-Books

Inhalt

[Widmung]123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839Dank

Dieses Buch ist herzlichst meinen Gefährten gewidmet – einige von ihnen sind immer noch bei mir, andere schon in einer anderen Welt: Badger, Cammy, Chloe, Kirk, Khan, Claire, Kimmy, Khaleesi, Patchy Poo the Pud, Tiberius, Peechia und Xena Warrior Princess Cast. Ihr werdet für immer in meinem Herzen sein.

1

Die Welt bestand aus Rauch. Wie ein Winternebel verdüsterte er die Luft um Mari und Nik, ballte und zerstreute sich in den tückischen Windböen, während in der Ferne wie zum Hohn Donner grollte, der Regen anzukündigen schien.

Mari zeigte nach vorn. »Da! Gleich sind wir am Ufer. Wenn der Wind den Rauch auseinanderweht, kann ich es sehen.«

»Kannst du auch sehen, ob wir anlanden können, oder ist es noch zu felsig?«, fragte Nik schweratmend. Ohne aufzusehen, ruderte er mit aller Kraft gegen die wilde Strömung an. Zu seinen Füßen lag ein großer Schäferhund, der ihn aus klugen, traurigen, bernsteinfarbenen Augen beobachtete.

»Es ist eher schlammig als felsig, und es gibt ziemlich viel Gebüsch, aber darin sollten wir das Boot gut verstecken können«, rief Mari. Neben ihr spähte eine jüngere Ausgabe des großen Schäferhunds mit gespitzten Ohren zum Ufer hinüber und nieste kräftig. Mari lächelte ihrem Gefährten zu und raufte ihm die Ohren. »Ich weiß! Aber dort hinten«, sie wies mit dem Kinn nach Süden, »ist der Rauch noch viel schlimmer.« Dann warf sie über die Schulter einen Blick auf den jungen Mann, der sich so sehr abmühte, sie ans Ufer zu bringen. »Meinst du wirklich, wir sollten hier an Land gehen, Nik? Wir sind immer noch so furchtbar nah an dem Waldbrand.«

Auch jetzt hielt er nicht im Rudern inne, obwohl er schweißgebadet war, sah sie allerdings grimmig an. Es quälte sie, welche Trauer in seinem Blick lag –, weil sie sie so gut verstand. An diesem Morgen hatte er seinen Vater verloren. Und sie vor wenigen Wochen ihre Mutter. Vielleicht würden sie irgendwann die Zeit finden, gemeinsam zu trauern und daraus Trost zu schöpfen. Im Moment jedoch war ihnen die geteilte Trauer keine Hilfe, nicht, wo Gefahr sie ebenso dick und schwer umwaberte wie der Rauch.

»Tut mir leid, Mari.« Nik zögerte einen Moment. »Ich steige hier aus. Lasst ihr euch weiter mit der Strömung treiben, bis ihr den Rauch hinter euch habt. Laru soll bei euch bleiben. Ich finde euch schon wieder, wenn das hier vorbei ist.«

Mari starrte ihn entgeistert an. Schließlich begriff sie, was er meinte. Heftig schüttelte sie den Kopf. »Nein, Nik! Du kannst doch nicht –«

Sie verstummte, weil er ein Ruder losließ und ihre Hand packte. »Ich muss. Ich muss zu meinem Volk. Vielleicht kann ich irgendwas für es tun – keine Ahnung, egal was.«

»Aber dieser Thaddeus! Bei dem Rauch und der ganzen Verwirrung wäre es ein Leichtes für ihn, dir einen Pfeil in den Rücken zu jagen. Wenn du tot bist, hilft es deinem Volk auch nicht.«

»Thaddeus wird alle Hände voll zu tun haben, die Stadt vor dem Feuer zu retten, da wird ihm keine Zeit für mich bleiben. Aber ich passe auf mich auf«, versicherte Nik ihr.

Mari schloss die Augen und bemühte sich, Ruhe zu bewahren. Sie würde sich jetzt nicht ausmalen, was Nik zustoßen könnte. Sie würde sich nicht von Angst um ihn übermannen lassen. Sie würde ihm nicht im Weg stehen.

Dann öffnete sie die Augen und sah ihn an. »Nimm du Laru mit. Er soll auf dich aufpassen, wenn du zu sehr danach Ausschau hältst, wie du helfen kannst.« Tapfer lächelte sie Nik und den großen Schäferhund neben ihm an.

»Ich weiß nicht, ob ich ihm das zumuten will. Vielleicht sind seine Pfoten verbrannt. Schau, hier ist sein Fell versengt, das sieht zwar nicht so schlimm aus, doch ich will wirklich nicht, dass er –« Er brach ab, denn Laru bellte ungeduldig das Ufer an, als wollte er diesem befehlen, näher zu kommen.

So unbeschwert wie möglich sagte Mari: »Schau, Laru stimmt mir zu. Nie im Leben lässt er dich allein gehen!«

»Na gut, von mir aus. Aber erst mal müssen wir ans Ufer.« Nik beugte sich vor, packte wieder beide Ruder und steuerte auf das schlammige Ufer zu. Mari umarmte ihren eigenen Gefährten – Larus Sohn – und schöpfte Trost und Kraft aus dem Band, das sie auf ewig miteinander verbinden würde. Nur zu gut verstand sie Niks Wunsch, nach Hause zu eilen und zu versuchen, möglichst viele seines Volkes vor dem schrecklichen Waldbrand zu retten, der dabei war, dessen faszinierende Stadt in den Bäumen zu verschlingen. Sie wünschte nur, das brächte ihn nicht in solche Gefahr. Sie zog Rigel an sich. Ich habe ihn gerade erst gefunden. Ich will ihn nicht schon wieder verlieren – ich habe doch in letzter Zeit schon so viel verloren. Rigel winselte leise und leckte ihr die Wange, während das kleine Boot knirschend aufs Ufer auflief.

Eilig sprang Nik hinaus und zog es höher auf den schlammig-felsigen Grund. Laru und Rigel folgten ihm; zuletzt half er Mari auszusteigen. Flankiert von den beiden Schäferhunden stiegen sie Hand in Hand die Uferböschung hinauf. Oben schlängelte sich ein schmaler Wildwechsel am Wasser entlang. Ohne sich loszulassen, standen sie da, während Nik zu Atem kam und den Pfad entlangblickte, als könnte er durch den Rauch seine brennende Stadt erkennen.

»Soll ich mitkommen?«, fragte Mari leise.

Alarmiert sah er sie an. »Nein!« Dann bezähmte er sich und fuhr ruhiger fort. »Nein. Die würden vielleicht dich für das Feuer verantwortlich machen.«

Sie verzog das Gesicht. »Ich war überhaupt nicht in der Nähe dieser Käfige, als sie Feuer fingen.«

»Ich weiß. Und du weißt es auch. Thaddeus wird das allerdings garantiert anders darstellen. Ich will das unbedingt klären, aber nicht heute. Heute muss der Brand bekämpft werden. Übrigens – da war so eine seltsame Gestalt im Rauch.«

Maris Pupillen weiteten sich. »Du hast sie auch gesehen?«

Er nickte. »Mir kommt’s schon fast wie ein Traum vor, doch ich könnte schwören, dass die Flammen und der Rauch kurz aussahen wie eine Frau.«

»Nicht wie eine Frau«, berichtigte sie. »Wie eine Göttin.«

Nik hob eine Schulter. »Okay. Vielleicht. Für Göttinnen bist du die Expertin.« Statt der Anklage, die Mari zu hören befürchtet hatte, lag milde Neugier in seinem Ton.

»Nicht ich. Die Expertin auf dem Gebiet war Mama. Zu mir hat die Erdmutter nie gesprochen – an mir schien sie nicht interessiert.«

Er lächelte bitter. »Heute war sie interessiert. Sie hat dich gerettet.«

»Uns«, sagte Mari mit fester Stimme. »Falls es wirklich die Göttin war und nicht nur ein seltsamer Zufall, durch den sich aus Wind und Feuer diese Frauengestalt bildete, hat sie uns alle vier gerettet. Vielleicht – vielleicht würde sie es ja noch mal tun. Vielleicht sollte ich doch mitkommen und dir helfen.«

»Nein«, wiederholte Nik. »Das sind mir zu viele Vielleichts. Das riskiere ich nicht. Du darfst –« Ihm versagte die Stimme. Mit einem tiefen Atemzug wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Dir darf nichts passieren, Mari. Verstehst du?«

Sie senkte den Blick. »Ja. Ich verstehe.«

»Gut.« Sein Atem wurde leichter, seine Schultern entspannten sich. »Wir gehen jetzt, Laru und ich. Sobald ich das Gefühl habe, dass ich definitiv nichts mehr tun kann, kommen wir zu dir an deinen Bau.«

»Bitte, bitte sei vorsichtig.«

Er legte ihr den Finger unters Kinn und hob es an, damit sie ihn ansehen musste. »Dir ist klar, warum ich gehen muss, oder?«

Sie blinzelte die aufsteigenden Tränen weg und nickte. »Weil dort deine Freunde sind. O’Bryan und Sheena. Die musst du versuchen zu retten.«

Er lächelte matt. »Ja, und nicht nur sie. Mari, in meinem Volk gibt’s so viele gute, freundliche Leute. Ich weiß, dir kommt es nicht so vor, aber – es ist wie mit deiner Freundin Sora.«

»Sora? Wie meinst du das?«

»Na ja, das Erste, was ich von Sora mitbekam, war, dass sie mich töten oder zumindest einfach an meinen Wunden sterben lassen wollte. Weil sie in mir nur den Feind sah. Erst später sah sie wirklich mich. Verstehst du, genauso ist es mit meinem Volk. Vertrau mir, Mari. Bitte.«

Mari holte tief Luft. »Ich vertraue dir. Du hast meine volle Unterstützung – und Rigels. Rette deine Freunde, Nik. Und dann komm zu mir zurück.«

»Das tue ich. Ich schwöre es dir, Mari.« Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und drückte seine Lippen auf ihre. In seinem Kuss schwangen Rauch, Schweiß und Trauer mit. Sie zog ihn an sich, versuchte, ihn durch ihre Berührung zu stärken, zu ermutigen, ihm so viel Kraft zu geben wie möglich, damit er wohlauf zu ihr zurückkehren würde.

Schließlich löste sie sich aus dem Kuss und schmiegte die Wange an seine Brust. »Gut. Ich warte auf dich.«

Nik hielt sie noch einen Moment fest, dann ließ er sie los, drehte sich um und begann, den Wildwechsel entlangzusprinten, Laru an seiner Seite. Nicht lange, und der mit Rauch umhüllte Wald hatte ihn verschlungen.

Rigel winselte leise. Mari kniete sich neben den kräftigen Welpen, legte ihm die Arme um den glänzend schwarzen Hals und schmiegte das Gesicht in sein dichtes, weiches Fell. »Ich weiß. Ich weiß. Ich habe auch Angst um sie. Aber Nik hat recht. Es wäre wahrscheinlich eher problematisch als hilfreich, wenn wir mitkämen. Außerdem müssen wir zu Sora. Wenn der Wind umschlägt, könnte der Brand sich bis auf unser Gebiet ausbreiten. Und wir müssen nach den geflohenen Frauen vom Inselhof suchen. Die brauchen vielleicht unsere Hilfe.« Noch einmal drückte sie ihren Schäferhund und küsste ihn auf den Kopf, ehe sie ihn losließ. »Okay, gehen wir.«

An einem kleinen Bach auf Stammesgebiet, der Nik selbst in dieser dunklen, rauchverhangenen Welt vertraut vorkam, hielt er an. Er riss sich einen Stoffstreifen aus der Tunika, ließ ihn sich völlig mit Wasser vollsaugen und spritzte auch sich selbst über und über nass. »Laru, leg dich ins Wasser. Gegen dieses Feuer brauchen wir jeden nur möglichen Vorteil.«

Gehorsam sprang der große Schäferhund in den Bach und legte sich hinein, bis nur noch Nase, Augen und die Spitzen seiner glänzend schwarzen Ohren herausschauten.

»Super. Braver, kluger Junge. Ich hab dich so lieb, Laru. Ich hab dich so lieb.« Nik nahm sich einen Moment Zeit, um Laru zärtlich den Kopf zu streicheln. Der Schäferhund sah zu ihm auf. Trauer, Bedauern und bedingungslose Liebe strömten auf Nik ein, brachten ihm die volle Bedeutung ihrer neuen Verbindung zu Bewusstsein. Dort, mitten in dem klaren Bach, kniete er sich neben Laru und schaute ihm in die bernsteinfarbenen Augen. »Ich vermisse ihn auch. Das werde ich immer tun.«

Lähmende Trauer drohte sich über ihn zu legen. Noch vor wenigen Stunden war sein Vater Sol, Sonnenpriester und Anführer des Stammes des Lichts, mit seinem Gefährten Laru, dem unangefochtenen Leitrüden im Stamm, aufrecht und stark den Stammesleuten Thaddeus und Cyril entgegengetreten, hatte gegen die Voreingenommenheit und Ignoranz des Stammes argumentiert, Mari verteidigt und auf die Freilassung der Erdwanderinnen gedrängt, die der Stamm seit Generationen versklavte.

Der weise, tapfere Sol hatte gehandelt, wie er es als richtig erkannt hatte. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, hatte er Mari das Leben gerettet – und das eigene dafür gegeben.

Niemals würde Nik diesen Moment vergessen. Thaddeus, wie er die Armbrust hob und auf Mari zielte – Sol, wie er Mari aus dem Weg stieß, so dass der für sie bestimmte Pfeil sein eigenes Herz durchbohrte. Und dann das Feuer, das den Steg, die schwimmenden Häuser und die Leiche seines Vaters verschlang. Das beinahe auch Laru verschlungen hätte.

Sanft hob Nik den Kopf des massigen Schäferhundes. An Larus Schnauze waren erste silberne Härchen zu sehen, aber er war gesund und stark, sein Fell dick und glänzend. Seine besten Jahre hatte er noch vor sich.

»Danke, dass du mich erwählt hast und nicht mit Vater gestorben bist«, sagte Nik leise. Seine Stimme brach, und langsam rollten Tränen über seine Wangen. Zu seinen frühesten Erinnerungen zählten Tagträume davon, wie ihn einst ein Schäferhund zum Gefährten fürs Leben erwählen würde – jene Wahl, die weder vorherzusehen noch zu manipulieren oder rückgängig zu machen war. In den letzten Jahren hatte er stets gehofft, es werde einer von Larus Welpen sein; eine Weile war es sogar Rigel gewesen, auf dem seine Hoffnungen geruht hatten.

Nie, nicht einmal eine Sekunde, hätte Nik sich träumen lassen, dass Laru den lebensprühenden, kerngesunden Sol überleben und ihn als Gefährten annehmen würde.

»Von einem Schäferhund erwählt zu werden war immer mein größter Traum. Nun, da er wahr geworden ist, würde ich ihn am liebsten zurückgeben. Ich würde sofort auf alles verzichten, wenn nur Vater wieder lebte.« Gemeinsam senkten Mensch und Hund die Köpfe, teilten einen Moment der Qual und des Verlusts. Laru war es, der den Bann der Verzweiflung brach. Abrupt stand er auf, schüttelte sich das Wasser aus dem Fell und sprang auf den Pfad zurück, der sie zu ihrer Stadt führen würde.

Voller Liebe und Ermutigung sah er seinen neuen Gefährten an und bellte auffordernd.

Nik blickte Laru in die Augen und erahnte darin eine Zukunft – eine Zukunft, geboren aus der Asche eines kaltherzig ausgelöschten Lebens –, die vielleicht heller leuchten konnte als die Sonne seines Vaters. Falls Nik die Kraft hatte, sich aus der Asche zu erheben und diese Zukunft zu gestalten.

Vor seinem inneren Auge sah er Maris graue Augen, und er wusste: Er würde diese Kraft haben müssen. Um seines Vaters und Larus willen, um Maris, Rigels und ja, auch um seiner selbst willen.

Stumm schwor er sich und seinem neuen Gefährten: Ja, ich habe die Kraft!

»Okay. Wir schaffen das!« Nik schlang sich den triefenden Tuchstreifen um Mund und Nase, band ihn im Nacken fest und folgte seinem Schäferhund.

In gleichmäßigem Tempo liefen sie weiter. Der Wind hatte aufgefrischt und trug fernes Donnergrollen an ihre Ohren. Auf einer Anhöhe wartete Laru, bis Nik ihn eingeholt hatte, und sie blieben schweratmend stehen. In diesem Moment heulte der Wind unheilvoll und drehte sich.

Zuerst war Nik froh, dass der Rauch nun von ihm weggeweht wurde, und sog wie Laru tief die kühle, saubere Luft ein. Und dann blieb sie ihm in der Kehle stecken, als der Rauch noch mehr ausdünnte und den Blick auf lichterloh brennende Häuser und Stege in den Baumkronen freigab. Der ganze nördliche Teil der Stadt stand in Flammen. Nik sah jedoch, dass es seinem Stamm gelungen war, einige der großen, uralten Kiefern zu fällen – Kiefern voller kostbarer Wohnnester – im Bemühen, eine Schneise gegen das anrückende Inferno zu schlagen. Und es schien Wirkung gezeigt zu haben, vor allem nun, da sich der Wind gedreht hatte und vom Herzen der Stadt wegwehte.

Dennoch hatte der Stamm bereits einen unvorstellbar hohen Preis bezahlt.

»Nein«, flüsterte Nik entsetzt und noch einmal: »Nein.« Übelkeit stieg in ihm hoch. Er sank in die Knie und sah unter bitteren Tränen machtlos zu, wie das Feuer sein Volk und die einzige Heimat verschlang, die er je gekannt hatte.

Laru schmiegte sich an ihn. Nik legte trostsuchend den Arm um den großen Hund, fand Halt in dessen Kraft und Liebe. »Ich muss das aufhalten, Laru. Irgendwie muss ich das aufhalten!«

Laru winselte kummervoll, schüttelte dann aber jedes Anzeichen von Trauer ab. Mit einem scharfen Bellen löste er sich aus Niks Umarmung, trabte ein paar Schritte den Pfad entlang und drehte sich fragend um.

»Hast recht, mein Großer. Hier auf den Knien kann ich überhaupt nichts aufhalten.«

Mit Laru an der Seite hetzte Nik weiter. Nicht lange und ihm kamen die ersten rußbedeckten verängstigten Stammesbrüder und -schwestern entgegen. Manche hatten Verbrennungen erlitten, andere Prellungen oder sonstige Wunden. Blindlings hasteten sie dahin, als seien ihre Seelen von dem Inferno hinter ihnen verschlungen worden.

Eine Frau jedoch brach aus der Schar aus und stolperte auf ihn zu. »Nik! O Nik, du bist ja immer noch am Leben.«

Automatisch nahm er sie am Ellbogen. Sie war so von rußgeschwärztem Schweiß überzogen, dass er sie erst erkannte, als ihr Schäferhund Laru begrüßte.

»Sheena! Captain und du habt es geschafft, wie gut! Hast du O’Bryan gesehen?«

Um Atem ringend nickte Sheena, während weitere Stammesleute an ihnen vorbeiwankten wie Schlafwandler in einem Albtraum. »Als ich ihn zuletzt sah, war er putzmunter.« Bitter wies sie auf den in Flammen stehenden Wald hinter sich. »Aber er ist dorthin zurückgegangen. Er sagte, er höre Falas Welpen fiepen. Er – er wollte sie retten.« Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Wie will er das machen? Wie soll überhaupt irgendjemand das hier überleben?«

Nik packte sie an den Schultern und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Sheena, atme tief durch und beruhige dich. Los! Unser Volk braucht dich.«

Mit zitternder Hand wischte Sheena sich Schweiß, Ruß und Tränen vom Gesicht. »Ja. Natürlich. Du hast ja recht.« Noch etwas unsicher nickte sie. Dann fixierte sie Nik wie einen Rettungsanker. »Wie kann ich helfen?«

»Die Richtung, in die ihr geht, ist gut. Führ die anderen auf diesem Pfad zum Kanal. Wenn der Wind sich wieder dreht, kann das Feuer auch auf diesen Teil des Waldes übergreifen. Der Kanal ist eure einzige Rettung.«

»Aber am Kanal gibt’s nichts zu essen und keinen Unterschlupf. Und so viele sind verletzt. Was soll ich da tun? Nik, ich glaub nicht, dass jemand von den Heilern lebend rausgekommen ist. Sie haben sich geweigert, die schwerkranken Patienten im Heilernest allein zu lassen. Ich habe sie schreien gehört. Ich glaube, ich werde sie bis an mein Lebensende schreien hören.«

Nik schüttelte sie. »Hör auf! Denk jetzt nicht daran. Auf der letzten Späherkanzel vor dem Kanal lagern ein paar Vorräte, das weißt du doch. Hol sie. Und wenn die Heiler tot sind, müssen wir eben selbst tun, was wir können.«

»Wo ist denn diese Mari, die Captain gerettet hat – und O’Bryan ja auch? Sie ist doch Heilerin. Und Sol? Wo ist unser Sonnenpriester?«

Nik zwang sich, ruhig und gefasst zu klingen. »Mari musste zurück zu ihrem Volk gehen. Und Sol ist tot.«

Sheenas Pupillen weiteten sich vor Schock. Wie in Trance schüttelte sie den Kopf. »Tot? Sol? Nein. Unmöglich. Selbst die Sonne hat sich gegen uns gewandt!«

»Hör mir zu, Sheena. Was hier passiert, hat nichts mit der Sonne zu tun. Nur mit der Machtgier und den Vorurteilen der Menschen. Aber ich habe keine Zeit, das genauer zu erklären. Nur eines: Thaddeus ist gefährlich und unberechenbar. Er hat Vater umgebracht.«

»Was? Wie das?«

Nik schüttelte den Kopf. »Das erkläre ich dir später. Du darfst ihm jedenfalls nicht trauen und vielleicht auch Cyril nicht. Ich weiß nicht, wie sehr Thaddeus ihn schon beeinflusst hat. Sheena, unser Volk braucht Leute wie uns beide. Sammle so viele wie möglich am Kanal. Ich schicke euch jede Hilfe, die ich finden kann. Vorräte lagern übrigens auch auf der alten Meditationsplattform. Die liegt so weit von der Stadt entfernt, dass das Feuer sie hoffentlich nicht erreicht hat.« Noch nicht, fügte Nik in Gedanken hinzu, sprach es jedoch nicht aus. »Ich versuche, dafür zu sorgen, dass jemand euch diese Vorräte bringt.«

»Gut. Also, ich führe unsere Leute zum Kanal. Und – und ich hole die Notvorräte von der Späherkanzel und hoffe, dass du uns wirklich die Sachen von der alten Meditationsplattform schickst. Aber, Nik, was machen wir, wenn es heute Abend dunkel wird? Die meisten sind verletzt, manche schwer. Wenn der Schwarm das Blut riecht, werden wir –«

»Reiß dich zusammen! Eines nach dem anderen. Bis es dunkel wird, dauert es noch Stunden. Ihr habt massenhaft Zeit, um einen Schutzwall zu bauen oder, falls nötig, Reisekokons und Hängematten in die Bäume am Kanal zu hängen. Du schaffst das. Das weiß ich.«

Zweifelnd nickte Sheena. »Okay. Ich kann das. Ich schaffe das. Aber beeil dich, Nik. Viele der Verletzten halten sich nur noch durch schiere Angst aufrecht. Irgendwann werden sie zusammenbrechen, und zwar total. Und außer ihnen Nahrung und Wasser zu besorgen und ihnen Ruhe zu verschaffen, habe ich keine Ahnung, was ich für sie tun könnte.«

»Ich lasse dich nicht hängen, versprochen«, versicherte Nik ihr. »Komm, Laru!« Während er an der Kolonne der Verwundeten vorbeirannte, hörte er noch, wie Sheena diese zu ermutigen und zum Kanal zu lotsen begann, ihnen zuredete, sie seien ja bald in Sicherheit.

Er biss die Zähne zusammen und betete stumm, sein Vater möge ihm für den Albtraum, dem er entgegeneilte, etwas von seiner Weisheit und Kraft borgen.

2

Kurz vor der Stadt, wo der Wald bereits wieder ein gut vertrauter Freund war, verließen Nik und Laru den Pfad und schlugen sich schnurgerade die Anhöhe hinauf in Richtung Zentrum. Der beißende Rauch beizte Niks Kehle und wurde zu einem konstanten bitteren Geschmack im Mund. Neben dem ersten der Baumriesen, die dem Stamm Unterkunft boten, hielten sie an. Der wirbelnde Rauch raubte Nik kurz die Orientierung. Dann vertrieb der ständig wechselnde Wind das Grau – und in diesem Moment tauchte daraus eine schreiende Gestalt auf. Es war eine Frau, die einen schwarzen Terrier an sich drückte und deren ganze Tunikarückseite in hellen Flammen stand.

Nik rannte auf sie zu. »Anhalten! Ich kann dir helfen, aber du musst –« Laru schnellte voraus, sprang die brennende Frau an und riss sie zu Boden. Der Terrier rutschte ihr aus den Händen. Nik zerrte sich das Hemd vom Leib, breitete es über sie und klopfte das Feuer aus.

»Fala!«, schrie die Frau verzweifelt. »Fala!«

Nik wagte, einen Blick zur Seite zu werfen, wo sich der kleine Terrier zitternd vor Schock an Laru drückte. »Rose, ich bin’s – Nik. Fala geht’s gut. Laru hat sie. Halt still, damit ich das Feuer löschen kann. Und ich muss schauen, wie schlimm du verletzt bist.«

Rose verhielt sich reglos, drehte aber den Kopf, um mit gequältem Blick Fala ansehen zu können. »Ihre Welpen. Falas Welpen. Sie sind noch da drin.« Ihre Stimme brach, und Tränen strömten ihr über die Wangen. »O’Bryan wollte sie retten, aber da fiel ein brennender Ast vom Nachbarbaum auf meinen, und alles stand in Flammen.«

»Wo ist er? O’Bryan?«

Mit zitternder Hand deutete Rose auf den Wall aus Rauch und Hitze. »Da drin. Sie sind alle noch da drin.«

Nik kniete sich neben sie. »Kannst du dich aufsetzen?«

Sie nickte und stemmte sich mit seiner Hilfe hoch. Fala wankte auf ihre Gefährtin zu, und Rose zog den kleinen Terrier auf den Schoß. »Wie schlimm ist es?«, fragte sie.

»Ich bin kein Heiler, doch ich glaube, es geht. Deine Tunika ist hin, hat allerdings das Schlimmste abgehalten. Kannst du laufen?«

»Ich glaube schon. Aber ich lasse die Welpen nicht im Stich.« Mit Fala im Arm kämpfte Rose sich auf die Beine. »Ich muss da noch mal rein. Ich muss sie retten.«

Nik legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich mache das. Nimm du Fala und geh zum Kanal. Weiter vorn führt schon Sheena ein paar Leute dorthin. Ich sorge dafür, dass ihr Hilfe bekommt. Und jetzt suche ich O’Bryan und die Welpen und bringe sie dir.«

Sie sah ihn aus weit offenen, glasigen Augen an. »Wenn der Wurf verloren ist, wird das Fala umbringen – und das wird mich umbringen. Das habe ich auch zu O’Bryan gesagt, als er mir zu Hilfe kam. Es tut mir leid, Nik, ich wollte nicht, dass er ebenfalls stirbt.«

»Er ist nicht tot. Und Falas Welpen auch nicht. Du bringst dich jetzt in Sicherheit. Überlass alles andere mir.«

»Wo ist denn Sol? Warum hat er das Feuer nicht aufgehalten?«

Nik ignorierte die Frage. »Alles wird gut. Das Feuer wird noch aufgehalten.« Dann drehte er Rose in Richtung des Pfads zum Kanal. »Geh. Ich komme mit den Welpen nach.«

Langsam nickte Rose. »Wenn du sie rettest, rettest du auch Fala und mich.« Mit dem zitternden Terrier in den Armen stolperte sie davon.

Nik sah Laru an. »Wir müssen O’Bryan finden!« Der große Schäferhund gab ein Wuff von sich. Ohne Zögern schritt er Nik voran in das wirbelnde Grau des Rauchs hinein.

Schon nach ein paar Schritten drehte Laru ruckartig den Kopf, bellte energisch und nahm eine Abzweigung nach links. Nik hatte Mühe, mit dem kräftigen Hund mitzuhalten. »O’Bryan? Bist du da? Melde dich!«, brüllte er.

»Hier! Hier!«, kam es aus dem dichten Rauch.

Laru schoss davon, und Nik verlor ihn endgültig aus den Augen. »O’Bryan!«, schrie er noch einmal.

»Hier, Nik! Hier!«

Nik schlug die Richtung ein, aus der die Stimme und Larus Gebell kamen, und dann musste er sich an einem heruntergefallenen Ast festhalten, um nicht über Laru und den knienden jungen Mann neben ihm zu stolpern.

Mit einem ungläubigen Grinsen auf dem schweißverklebten, leicht versengten Gesicht sah O’Bryan zu ihm auf. »Du tauchst doch immer wieder an den verrücktesten Orten auf. Aber schön, dass du da bist.«

Nik kniete sich neben den jungen Burschen, der ihm mehr Bruder als Cousin war. O’Bryans Tunika hatte seltsame Ausbeulungen, und er schlang die Arme um sich, als müsse er seinen Leib zusammenhalten. Nik durchzuckte Angst. »Wo bist du verletzt? An der Brust? Hast du Verbrennungen?«

»Nein, nein. Alles gut. Ich musste nur zu Atem kommen. Die Kleinen sind viel schwerer, als sie aussehen.«

Da erst fiel Nik auf, dass O’Bryans Tunika sich bewegte. Dieser lockerte die Arme, die rot und von Blasen übersät waren, und darunter kamen fünf kleine schwarze Schnauzen zum Vorschein, die sich in die rauchgeschwängerte Luft reckten.

»Falas Welpen! Du hast sie tatsächlich gerettet.«

»War auch mal nötig. Du und Sol könnt schließlich nicht die einzigen Helden in der Familie sein.«

Nik unterzog ihn einer schnellen Musterung und wusste nicht, ob er ihn umarmen oder ihm eine scheuern sollte. »Deine Arme sind verbrannt – und dein Gesicht. Kreuz-Käferklöten, was hast du dir nur dabei gedacht? Gestern Abend warst du noch so gut wie tot von der Fäule!«

O’Bryan grinste. »Stimmt. Der Waldbrand hat sich echt keinen guten Zeitpunkt ausgesucht.«

Maßlos erleichtert sank Nik neben ihn. Laru drängte sich zwischen sie, um an den zappelnden Terriern zu schnuppern. »Sind alle Welpen wohlauf?«

»Ja. Wir müssen nur Rose und Fala finden. Die haben wir verloren, als der Baum Feuer fing. Fala war total in Panik und Rose nicht viel weniger.«

»Ihnen geht’s gut. Ich habe sie runter zum Kanal geschickt. Sheena führt schon einige Verwundete dorthin. Ich will ihnen ein paar lebensnotwendige Sachen zukommen lassen, und –«

Wieder drehte der unheilvolle Wind, zerrte an Niks Haar und wirbelte mit fast menschlichem Stöhnen Rauch, Funken und Hitze um sie auf. Seine Gier, die Stadt des Lichts zu verschlingen, schien stetig zuzunehmen.

Nik versuchte, mit einem raschen Rundumblick abzuschätzen, wohin die Flammen sich jetzt ausbreiten würden. »Der Wald wird noch komplett abbrennen! Als würde der Wind das Feuer absichtlich anfachen.«

Aus O’Bryans Ton schwand alle Leichtigkeit. »Nik, Sol muss dringend zur Schneise gehen und Sonnenfeuer herabrufen, bevor die Mutterbäume verbrennen.«

»Sol ist tot.«

O’Bryan runzelte die Stirn und schüttelte flüchtig den Kopf, wie um sich körperlich der Worte seines Cousins zu entledigen. »Wie bitte?«

»Vater ist tot«, widerholte Nik sehr langsam, damit ihm die Stimme nicht versagte.

In den Augen seines Cousins begannen Tränen zu glänzen.

»Wie das?«

»Thaddeus hat ihn erschossen.«

»Warte! Nein! Ein Gefährte hat unseren Sonnenpriester erschossen? Das – das geht doch nicht. So was ist noch nie passiert!« Er packte Nik an der Tunika und schüttelte ihn. »Das muss ein Irrtum sein!«

Nik schloss die Hand um O’Bryans Faust. »Nein. Ich war dabei. Thaddeus wollte Mari töten. Vater hat ihr das Leben gerettet.«

»Mari? Aber die ist doch wichtig! Sie kann die Fäule heilen!«

»Das war Thaddeus egal. Und Cyril auch. Alles, was für die beiden zählte, war, dass die Erdwanderinnen unsere Sklaven bleiben.«

»Cyril war dabei? Das ist doch absurd. Ist es auf dem Inselhof passiert? Wollte Mari die Dreckwüh- oh, sorry, die Erdwanderinnen befreien?«

»Sie wollte sie nicht gleich befreien, sondern erst mal von der Traurigkeit heilen, an der sie bei uns sterben. Irgendwie hat Thaddeus das spitzgekriegt und Cyril und ein paar Krieger zusammengetrommelt. Ich habe keine Ahnung, welchen Stuss er ihnen über Mari und Vater erzählt hat. Sie haben uns angegriffen. Dabei ist das Feuer ausgebrochen. Es ist dann über den Kanal hinweg auf den Wald übergesprungen.«

»Kaum zu glauben, wirklich.« O’Bryans Blick wanderte zu Laru, dann wieder zu Nik.

Nik sah die Frage darin. »Laru hat sich entschieden, nicht mit Vater zu sterben. Er hat mich erwählt. Wir sind jetzt Gefährten.« Der große Schäferhund lehnte sich an Nik und sah voller Liebe zu ihm auf.

»Ich kann’s immer noch nicht glauben. Oder begreifen.«

Nik umarmte Laru kurz und sah wieder O’Bryan an. »Ich erzähl’s dir später genauer. Zuerst müssen wir dem Stamm helfen.« O’Bryan nickte finster, woraufhin Nik fortfuhr: »Hast du Wilkes gesehen? Die Krieger? Oder Thaddeus?«

»Nur Wilkes und Odin. Sie waren als Erste hier oben und haben den Feueralarm ausgelöst. Er sagte, die Jungen, Alten und Kranken sollten fliehen und der Rest zum Dachsbach kommen. Dort wollen sie eine große Brandschneise schlagen.«

Nik nickte. Es war sinnvoll zu versuchen, den Brand an ihrer Hauptwasserquelle aufzuhalten. Der Dachsbach war ein schnelles und ergiebiges Nebenflüsschen des Willum, das tief in den Scheidebergen im Nordwesten entsprang und rein und kühl mitten durch die Stadt strömte. Um den Bach herum hielt der Stamm den Boden stets frei von jeglichem Gestrüpp und Geröll. »Die Ufer sind schön kahl, und dass mittendrin ein tiefer, breiter Bach fließt, hat Vorteile. Da könnte eine Schneise funktionieren«, überlegte er.

»Nicht ohne einen Sonnenpriester, der Sonnenfeuer herabrufen kann«, widersprach O’Bryan ihm.

»Wir haben keinen Sonnenpriester mehr«, sagte Nik bedächtig.

»Dann sind wir verloren.«

»Nicht unbedingt. Ich habe vielleicht eine Idee.«

»Denkst du an Mari?«

»Nein! Sie darf nicht herkommen – nicht jetzt. Thaddeus würde sie töten.«

»Aber, Nik, sie hat Sonnenfeuer herabgerufen, als ihre Mutter –«

Nik schnitt ihm das Wort ab. »Nein! Das heißt ja, schon, aber sie weiß nicht mehr, wie. Ich weiß nicht, ob sie es jetzt wieder könnte, vom Kontrollieren ganz zu schweigen. Sie wusste nicht mal, wie man die Energie der Sonne in sich aufnimmt, bis ich es ihr gezeigt habe. Ich dachte eher an die Ältesten und an Krieger wie Wilkes – und sogar mich selbst. Wenn ich mich anstrenge, kann ich einen Becher Wasser zum Sieden bringen. Und du weißt ja, ein paar von den Ältesten können Funken hervorrufen, um eine Kerze oder ein Kaminfeuer zu entzünden.«

O’Bryan sah skeptisch drein. »Das ist aber noch lange kein richtiges Sonnenfeuer.«

»Das weiß ich auch. Aber was, wenn sich mehrere Leute zusammenschließen, die Kleinkram können wie Wasser erwärmen und Funken erzeugen und so? Vielleicht können wir ja mit vereinten Kräften Sonnenfeuer herabrufen?«

»Klingt wie eine Frage, die man dem Sonnenpriester stellen müsste.«

»Wir haben aber keinen Sonnenpriester und keine Zeit für Fragen. Wir müssen handeln, und genau das tue ich jetzt«, sagte Nik. »Nimm du die Welpen. Geh zum Pfad, der am Kanal entlangführt. Weißt du, welchen ich meine?«

O’Bryan nickte »Ja.«

Nik deutete über die Schulter. »Wenn du da langgehst, stößt du auf ihn, nachdem du einen kleinen Bach überquert hast. Irgendwo dort sind Sheena und Rose und die anderen. Nimm alle mit, denen du begegnest, und hilf am Kanal mit, eine Art Lager zu schaffen. Bring die Leute dazu, möglichst viel zu trinken. Und sie sollen ruhig und besonnen bleiben. Sag ihnen nicht, dass Vater tot ist – das würde nur Panik schüren. Auf der letzten Späherkanzel sind ein paar Vorräte, und ich schicke euch mehr zu essen und Hilfe, sobald ich kann.«

»Und wohin gehst du?«

»Zum Dachsbach. Das Feuer aufhalten.«

»Okay. Hilf mir, aufzustehen und die Welpen zu beruhigen, dann verschwinde ich.« Mit einer Hand hielt er die Tunika mit den wuselnden Welpen fest, die andere streckte er Nik hin. Dieser zog ihn auf die Füße. Sie waren eben dabei, es den kleinen Terriern in der Tunika bequemer zu machen, da stolperte Rose aus dem Rauch hinter Nik.

»O’Bryan, der Sonne sei Dank! Du hast sie gerettet!« Sie stürzte zu dem jungen Mann, der sich bereits bückte und die kleinen Terrier vorsichtig auf die Erde setzte, um Fala mit ihrem Wurf zu vereinen. »Danke, danke tausendfach!«, schluchzte Rose unter Tränen. »Das werde ich dir niemals vergelten können.«

»Ach, die Kleinen glücklich und gesund wieder bei Fala zu wissen ist mir Lohn genug«, wehrte O’Bryan ab.

»Was machst du hier, Rose?«, fragte Nik. »Du solltest doch zu Sheena gehen. Hast du dich im Rauch verirrt?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Das Feuer breitet sich am Fuß des Hügels aus. Ich konnte nicht mehr weiter und wusste nicht wohin.«

»Mist«, murmelte Nik. Zu Rose sagte er: »In die Stadt kannst du nicht zurück. Die steht ja auch in Flammen.«

»Was ist mit der alten Meditationsplattform?«, fragte O’Bryan. »Die ist ziemlich weit von der Stadt weg.«

»Nicht weit genug, und in der Nähe gibt es außer einer winzigen Quelle kein Wasser. Dort wäre die Gefahr zu groß, vom Feuer eingeschlossen zu werden.«

Mit einem Mal krachte es im Gebüsch, und wild bellend kam Captain auf sie zugestürzt, dicht gefolgt von Sheena, die unter dem Gewicht zweier junger Mädchen wankte, die sich schwer auf sie stützten. Eine hatte allem Anschein nach einen gebrochenen Knöchel, die andere schlimme Verbrennungen über den gesamten linken Arm und das linke Bein verteilt.

Niks Magen zog sich zusammen. »Was ist passiert?«

Während er Sheena half, die beiden Verletzten auf den bemoosten Boden zu setzen, wischte diese sich den Ruß vom Gesicht und erklärte: »Die meisten der Leute haben es zum Pfad am Ufer geschafft. Aber ich bin umgekehrt, weil Sarah und Lydia um Hilfe riefen. Währenddessen drehte sich der Wind, und eine tote Zeder fing Feuer und versperrte uns den Weg zu den anderen.« Dann winkte Sheena Nik und O’Bryan beiseite und senkte die Stimme. »Ich weiß nicht, ob die anderen es wirklich bis ans Wasser geschafft haben. Es war schlimm – einfach schrecklich. Von einer Sekunde zur nächsten ging alles um uns herum in Flammen auf. Womöglich sind sie alle tot.« Gepeinigt sah sie Nik an. »Ich muss zurück. Ich muss versuchen, sie da rauszuführen.«

»Damit würdest du nur dich und Captain in Gefahr bringen«, sagte O’Bryan.

»Er hat recht«, stimmte Nik ihm zu. »Wenn sie vom Feuer eingeschlossen wurden, sind sie jetzt schon tot. Wenn nicht, sind sie am Kanal und hoffentlich in Sicherheit.«

»Ich bin fast froh, dass Crystal nicht mehr da ist. Sie wäre am Boden zerstört, die Stadt und unser Volk so zu sehen. Was zur Hölle machen wir?«

Nik raufte sich die Haare und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Unmöglich zu sagen, wie weit der Waldbrand sich am Fuß des Hügels ausgebreitet hatte. Vielleicht waren sie schon komplett vom Kanal abgeschnitten. Die Stadt war keine Option, und im Wald drumherum gab es nirgendwo Schutz. Sie brauchten Wasser und einen sicheren Unterschlupf.

Und plötzlich kam ihm die Lösung. »O’Bryan, meinst du, du findest den Weg zu dem Flüsschen an der Grenze zum Erdwandergebiet, wo wir die ersten Spuren von Rigel fanden?«

Sein Cousin zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Da bin ich mir ziemlich sicher, selbst in diesem Rauch. Dorthin sind wir ja so einige Male gegangen.«

»Gut, dann hör gut zu: Führ Sheena und Rose und die Mädchen dorthin. Beim Versammlungsplatz der Erdwanderer solltet ihr in Sicherheit sein. Ich versuche, so bald wie möglich zu euch zu stoßen, aber falls irgendwas passiert, gehst du zu Mari. Sie wird euch helfen, da bin ich mir sicher.«

»Halt, wie finde ich Mari denn?«

»Mari?«, fragte Sheena. »Aber ist sie nicht eine Dreckwühlerin? Warum sollte sie uns Schutz gewähren?«

»Sie wird es tun. Vertraust du mir?«

Sheena blickte erst Nik, dann O’Bryan an. Sie zögerte nicht lange. »Ich vertraue dir. Nur dank Mari sind Captain und ich noch am Leben.«

»Ich auch«, fügte O’Bryan hinzu. »Aber das sagt mir immer noch nicht, wie ich sie finden soll.«

»Captain kann sie sicher aufspüren – oder Rigel. Und wo Rigel ist, ist auch Mari.«

»Wenn der Welpe irgendwo in der Nähe dieses Platzes ist, wird Captain ihn finden«, bekräftigte Sheena.

»Sucht von dort aus im Südosten. Und ruft immer mal nach Rigel. Gebt nicht auf. Ich verspreche euch, irgendwann hört er euch.«

»Hey, Cousin, du kommst aber bald nach, oder?«

»Ich versuch’s, aber wenn ich es nicht aus der Stadt heraus schaffe, müsst ihr Mari sagen … Sagt ihr, es täte mir leid. Sagt ihr, ich hätte mir gewünscht, es wäre anders ausgegangen.«

»Gar nichts sag ich ihr. Du verbrennst gefälligst nicht, verstanden? Wenn du diesen Brand nicht löschen kannst, dann flieh so schnell wie möglich. Wenn du da drin stirbst, ist nicht nur Mari sauer auf dich.«

Nik umarmte seinen Cousin kurz. »Ich bemühe mich, Kleiner.«

»Falls du meine Eltern siehst –«, begann O’Bryan, brach aber ab und presste die Handballen auf die Augen.

»Wenn ich sie sehe, tue ich alles, um sie rauszuholen«, sagte Nik.

O’Bryan schluckte mühsam. »Danke.«

»Okay, ruht euch noch kurz aus und haut dann ab. Hier zu bleiben ist zu gefährlich. Bis dann, Leute.«

Ehe Nik loseilen konnte, berührte ihn Sheena noch einmal an der Schulter. »Möge die Sonne dich segnen, stärken und beschützen«, sagte sie feierlich.

»Dich auch, Sheena.« Nik winkte Laru. »Na komm!«

3

Mari verließ den Pfad, der zu Niks Stadt führte, und schlug sich zwischen die Bäume, doch schon nach einem kurzen Marsch durchs Unterholz biss sie sich verwirrt auf die Lippe. Hier war der Rauch zwar nicht mehr so dicht wie zu Anfang ihrer Flucht, aber noch immer dicht genug, um den Himmel zu verdecken und ihr die Orientierung zu rauben. Indem sie sich einmal langsam um sich selbst drehte, versuchte sie zu erraten, wie sie am besten so schnell wie möglich am Gebiet des Stammes vorbei nach Südosten in den feuchteren Wald der Erdwanderer kommen würde. Auf der ersten Route, die sie einschlug, versperrte ihr bald ein so dichtes Brombeergebüsch den Weg, dass sie gezwungen war, vorsichtig denselben Weg zurückzugehen. Zunehmend frustriert suchte Mari nach irgendeinem Anhaltspunkt, wie sie endlich nach Hause finden könnte.

Da erstarrte Rigel wenige Schritte vor ihr. Mit erhobenem Kopf und gespitzten Ohren schnupperte er in den Wind. Tief in seiner Brust ertönte ein Grollen zur Warnung, dass sie nicht mehr allein waren. Mari wich bereits zurück und hielt gerade verzweifelt nach einem umgestürzten Baum oder einem Dickicht Ausschau, wo sie sich verstecken konnte, als eine junge Erdwanderin aus dem Unterholz brach, die sie sofort erkannte – Isabel, eine der soeben befreiten Gefangenen.

»Mari, da bist du ja! Ich hätte nie gedacht, dass ich dich finde!« Isabel rannte auf Mari zu – und hielt abrupt an, als sie Rigel bemerkte, der schützend neben Mari stand und noch immer warnend grollte. »Mari?«, flüsterte das Mädchen steif. Alles Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen. »Hilf mir! Bitte lass ihn mich nicht töten!«

»Alles gut, Rigel. Isabel ist eine Freundin.« Mari tätschelte ihrem Hund den Kopf, obwohl er sich bereits entspannte und aufgehört hatte zu knurren. »Keine Angst. Er tut dir nichts, darauf hast du mein Wort«, sagte sie zu Isabel.

Mit vor Furcht geweiteten Augen beäugte diese Rigel. »Wieso hast du einen Schäferhund des Stammes dabei?«

»Das ist Rigel. Ich bin seine Gefährtin«, sagte Mari so beiläufig wie möglich. »Hast du ihn denn auf dem Steg noch nicht bemerkt?«

»Ich dachte, er gehörte zu dem jüngeren Gefährten. Dem, der gestern Jenna geholt hat. Nik heißt er, glaube ich – genau weiß ich’s nicht. Heute, nachdem du uns gereinigt hattest, konnte ich zum ersten Mal, seit ich gefangen wurde, wieder klar denken.«

»Ja, er heißt Nik. Sein Gefährte heißt Laru. Rigel hier ist Larus Sohn. Er gehört zu mir und ich zu ihm.«

Isabel sah zwischen dem Hund und Mari hin und her. »Aber das ist unmöglich, du bist doch keine –« Es war deutlich zu sehen, wie Schrecken Isabel durchzuckte, als sie Mari genau musterte. »Deine Haare – dein Gesicht«, sagte sie langsam. »Du siehst aus wie du und doch nicht wie du. Fast wie eine von ihnen.«

Mari straffte die Schultern. »Mein Vater war ein Gefährte aus dem Stamm des Lichts. Mama und ich haben das all die Jahre vor dem Clan verheimlicht. Aber jetzt ist Mama tot, und es hat sich einiges geändert. Ich habe nicht mehr vor, meine Herkunft zu verbergen.«

Isabel fixierte sie, während sie die Hände zu Fäusten ballte. »Gehörst du jetzt zu ihnen? Zum Stamm des Lichts?«

Mari schnaubte. »Sah das etwa so aus, als die auf mich schossen?«

»Nein. Aber dieser junge Typ. Nik. Und der Sonnenpriester. Du kamst doch mit ihnen zusammen!«

»Ja.« Mari schüttelte traurig den Kopf. »Jetzt ist es nur noch Nik. Der Sonnenpriester war sein Vater. Sol. Er starb auf dem Steg, weil er mich beschützte.«

»Ich kapier’s immer noch nicht.« Isabel deutete von Mari zu Rigel.

»Ich erzähle dir gern alles, aber lieber nicht mitten in einem brennenden Wald.«

»Okay, schon gut. Überhaupt müssen wir wieder zu den anderen.«

»Den anderen?«

»Auf einer Lichtung in der Nähe warten ein paar Clansfrauen«, erklärte Isabel. »Ich wollte kundschaften und rauskriegen, wo wir eigentlich sind. Dieser blöde Rauch. Wir haben keine Ahnung, wo es nach Hause geht. So komisch es klingt, Dank sei der Erdmutter, dass du seine Gefährtin bist.« Sie nickte in Richtung Rigel, ohne ihn anzusehen. »Er kennt doch sicher den Weg nach Hause, oder?«

Mit Mühe hielt Mari sich davon ab, sich die Hand auf die Stirn zu klatschen und sich kreuzdämlich zu schimpfen. »Rigel? Aber natürlich.« Wie blöd bin ich eigentlich? Selbst Isabel weiß, dass Rigel den Weg nach Hause finden kann. Auf die Idee hätte ich schon längst kommen können! Da echote in ihr die lange vertraute Ermahnung ihrer Mama, nett zu sich zu sein, keine Zeit damit zu verlieren, sich zu tadeln, sondern zu handeln. Sie schritt auf Isabel zu. »Führ mich zu den anderen. Dann bitte ich Rigel, uns nach Hause zu bringen.«

»Hier lang. Ich habe die Bäume markiert, damit ich den Weg zurück finde.« Isabel achtete darauf, dass Mari zwischen ihr und Rigel blieb, während sie losging und mit einem spitzen Feuerstein auf den Kratzer wies, den sie damit in die Rinde des nächsten Baums geritzt hatte.

»Gute Idee.« Mari bemerkte, wie der Blick des jüngeren Mädchens immer wieder nervös zu Rigel zuckte. »Du musst wirklich keine Angst vor ihm haben. Er würde dir nur etwas tun, wenn du mich angreifen würdest.«

»Das würde mir nicht im Traum einfallen! Irgendwie bist du ja jetzt trotzdem unsere Mondfrau!«

Mari lächelte matt. »Offensichtlich ja. Und, Isabel, du bist mir gar nicht so unähnlich. Auch deine Augen verraten, dass in dir Mondfrauenblut fließt.«

»Schon, allerdings kann ich nicht den Mond herabrufen.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber was ich damit sagen will, ist, dass wir viel gemeinsam haben. Kann dir das helfen, über unsere, na ja«, sie wies versöhnlich auf Rigel, »unleugbaren Unterschiede hinwegzusehen?«

Isabel lächelte zögernd. »Du klingst fast wie deine Mutter.«

»Danke – was Schöneres hättest du mir nicht sagen können. Bist du also einverstanden?«

Isabels Lächeln wurde breiter. »Niemand, der bei klarem Verstand ist, könnte anderer Meinung sein als Leda.«

»Das nehme ich als Ja«, sagte Mari und dachte: Die nächste Clansfrau, die mich akzeptiert. Wie viele fehlen noch?

Schweigend folgten sie den Kratzern in den Bäumen, die in der trüben, rauchverhangenen Luft förmlich zu glühen schienen. Mari wartete ab, bis Isabel Rigel nicht mehr so misstrauisch beäugte und sich etwas zu entspannen schien, ehe sie fragte: »Wie viele Frauen sind denn bei dir?«

»Zwanzig. Das waren alle, die ich finden konnte. Ich – ich weiß nicht, wie viele es sonst durch den Kanal geschafft haben. Die Strömung war so stark. Und mit dem Rauch und all den Gefährten ringsum glaube ich, dass sie das Ufer nicht finden konnten. Sie sind ertrunken. Viele sind ertrunken.« Isabel schluckte mühsam und rieb sich die Augen. »Ich habe Leichen gefunden. Zu viele.« Beim letzten Wort brach ihre Stimme, und sie schluchzte auf.

Mari biss sich auf die Lippe und kämpfte gegen die anflutende Schuld an. »Große Göttin! Ich habe nicht nachgedacht. Ich hätte das besser planen müssen. Ich wollte doch nur helfen.« Sie verstummte und wischte sich bittere Tränen aus den Augen.

Isabel hielt an und nahm ihre Hand. »Mari, du bist doch nicht schuld daran. Wirklich nicht.«

Mari blinzelte die Tränen weg. »Ich hatte das gar nicht vor – jedenfalls nicht so. Ich hatte gerade Sols Neffen von der Fäule geheilt, und Sol sagte, ich könne ihn um einen Gefallen bitten – egal was. Da habe ich gesagt, ich würde gern die Gefangenen vom Nachtfieber reinigen. Danach wollte ich Sol und die anderen Gefährten davon überzeugen, euch alle zu befreien, im Austausch dagegen, dass ich ihre Kranken von der Fäule heile. Das war mein Plan.«

Isabel nahm ihre Hand zwischen ihre beiden. »Ich verstehe.«

»Aber alles passierte so schnell! Eigentlich hatten nur Sol und Nik gewusst, dass ich überhaupt dort war. Keine Ahnung, wie der Stamm uns gefunden hat. Und dann haben sie ja kein bisschen auf vernünftige Argumente gehört – nicht mal, als ihr Sonnenpriester sie vortrug. Ich hätte warten sollen. Ich hätte nicht anfangen sollen, irgendwen zu heilen, bis alle frei und in Sicherheit gewesen wären. Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«

»Hör zu, Mari. Das war schon richtig so. Indem du uns gereinigt hast, hast du auch denen geholfen, die ertrunken sind. Heute haben manche von uns zum ersten Mal seit Jahren Hoffnung und Freude verspürt. Für ein solches Geschenk ist selbst der Tod kein zu hoher Preis. Das würde, glaube ich, jede von uns sagen.«

Mari nickte und schob die Schuld und die Reue beiseite, die sie zu überwältigen drohten. Ihre Gefühle würde sie später ordnen. Jetzt gab es Dringenderes. »Dann lass uns die Überreste unseres Clans sammeln und sicher nach Hause bringen. Ein für alle Mal.«

Schließlich erreichten die beiden jungen Frauen und der Schäferhund eine kleine Lichtung an einem ausgetrockneten Bachbett, auf der sich ein Häuflein durchnässter, verängstigter Erdwanderinnen drängte, die Jüngsten noch kaum auf der Schwelle zur Frau. Als sie Mari sahen, erhoben sich freudige Willkommensrufe – aber bei Rigels Anblick erstarben diese und machten erschrockenem Gemurmel und verwirrten Blicken Platz.

Mari hob das Kinn und legte die Hand auf den Kopf ihres Schäferhunds. So musterte sie eine nach der anderen, bis alle verstummt waren. Dann sagte sie laut und deutlich, in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Das hier ist Rigel. Ja, er ist ein Schäferhund, und er gehört zu mir. Er wird euch nichts tun. Wie ihr wisst, bin ich Ledas Tochter. Ich bin allerdings auch die Tochter eines Gefährten. Ich weiß, es ist schwer, aber wenn ihr mich akzeptieren wollt, müsst ihr ihn ebenfalls akzeptieren. Wenn ihr das könnt, dann kommt mit mir. Rigel wird uns nach Hause führen.« Sie holte tief Luft und fügte hinzu: »Wenn nicht – wenn ihr das nicht akzeptieren könnt –, werden Rigel und ich euch trotzdem nach Hause führen. Dort könnt ihr euch ausruhen und Reisevorbereitungen treffen und dann weggehen, um euch einem anderen Clan anzuschließen. Ich werde euch dabei helfen. Ich werde für euch tun, was ich kann, außer weiterhin zu verheimlichen, was ich bin. Das will ich nie wieder tun.«

Es folgte eine so lange Stille, dass sich in Mari ein hohles, flaues Gefühl auszubreiten begann. Dann stand eine ältere Frau auf, deren Gesicht ihr bekannt vorkam, an deren Namen sie sich aber nicht erinnerte. »Wo ist denn dieser Gefährte, der dein Vater ist?«

»Er starb, als ich ein Baby war.«

»Und dieses nach Hause, wohin dein Hund uns führen soll – ist das eine Erdwanderersiedlung oder eine andere Stadt in den Bäumen, wo man uns wieder versklavt?«

»Nach Hause bedeutet: auf Clansgebiet zu unseren eigenen Bauen«, erwiderte Mari, wobei sie sich Mühe gab, jeden Ärger aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Ich würde euch niemals zurück in die Sklaverei führen.«

Die ältere Frau sah sie unverwandt an. Mari zwang sich, offen zurückzublicken. »Ist es wahr, dass Leda tot ist?«

»Ja«, sagte Mari.

»Und du bist nun an ihrer Stelle Mondfrau?«

»Ja. Mit Sora zusammen.«

Dem Satz folgte ein entsetztes Keuchen aus vielen Kehlen. »Zwei Mondfrauen für einen Clan? Das gab es noch nie«, sagte die ältere Frau.

»Verzeih mir, Mutter«, gab Mari zurück, indem sie die formelle Anrede für eine erwachsene Frau des Clans wählte. »Ich erinnere mich zwar an dein Gesicht, aber nicht an deinen Namen.«

»Ich heiße Serena. Deine Mutter war mir ebenso Freundin wie Mondfrau.«

Endlich erinnerte sich Mari, warum das Gesicht ihr bekannt vorkam. »Du warst Hebamme im Geburtsbau.«

Serena nickte. »So ist es.«

Maris Ton wurde wärmer. »Dann weißt du, wie wichtig Zusammenarbeit ist. Das hast du ja täglich im Geburtsbau erlebt. Sora und ich haben beschlossen zusammenzuarbeiten. Seit dem Tod meiner Mutter hat sich viel verändert. Der Clan hat sich verändert. Da ist es gut, wenn die Mondfrau sich nicht nur auf den Mond, sondern auch auf eine Gleichrangige verlassen kann«, erklärte sie schlicht.

»Mit dem Ding neben dir fällt es schwer, etwas von dem zu glauben, was du sagst«, rief jemand aus der Mitte der Gruppe.

Mari konterte scharf: »Rigel wird immer an meiner Seite sein, also gewöhnt euch besser schon einmal daran.«

»Hunde sind die Tiere unserer Feinde!«, rief eine weitere Stimme.

»Sie hat uns gereinigt!«, übertönte Isabel das zustimmende Gemurmel, was dieses verstummen ließ. »Da war der Hund schon dabei. Er stand neben ihr auf dem Steg. Was ist los mit euch? Nur dank Mari warten wir nicht mehr in schwimmenden Käfigen darauf, am Nachtfieber zu sterben. Sie hat den Mond herabgerufen, und das heißt, sie ist unsere Mondfrau. Wir sind nicht mehr versklavt. Wir gehen nach Hause! Und alles dank Mari. Das ist es, was für mich zählt. Für euch etwa nicht?«

Flüchtig warf Mari Isabel ein dankbares Lächeln zu, dann erkämpfte sie sich mit einem tiefen Atemzug etwas Geduld zurück. »Ich weiß, wie unerwartet das kommt. Manche von euch kennen mich noch als Ledas kränkliche Tochter. Aber das war ich nie. Ich war nur anders, und Mama hielt es für das Beste, wenn wir dieses Anderssein verbargen. Jetzt ist Mama nicht mehr da, und ich habe keine Lust mehr, mich zu verbergen. Ihr könnt mich akzeptieren oder nicht. Aber lasst uns damit nun bitte keine Zeit mehr verlieren. Oder wollt ihr heute Abend nach Sonnenuntergang noch in diesem brennenden Wald herumirren?«

»Ich nicht«, sagte Isabel mit fester Stimme. »Ich will nach Hause. Ich folge Mari und ihrem Rigel.« Sie sah Mari an und verneigte sich respektvoll vor ihr. Dann richtete sie sich auf und durchbohrte die Frauen mit scharfem Blick. »Wer kommt mit?«

Eine nach der anderen, die Mienen voller Skepsis und Hoffnung in unterschiedlichem Maße, standen die Frauen auf und verneigten sich vor Mari – zuletzt auch Serena, die sie und Rigel unverändert argwöhnisch betrachtete.

4

Im Laufschritt tauchten Nik und Laru in den Teil des Waldes ein, der die Stadt in den Bäumen beherbergte. Allen Flüchtlingen, denen sie begegneten, rief Nik zu, sie sollten sich nach Süden wenden und mit O’Bryan und Sheena dem Grenzflüsschen zum Gebiet der Dreckwühler bis zu deren verlassenem Versammlungsplatz folgen. Mehr konnte er nicht für sie tun, sosehr er es sich auch gewünscht hätte. Gern hätte er sie eigenhändig dorthingeführt, um nicht zu riskieren, dass sie doch die versperrte Route zum Kanal einschlugen. Aber es hatte wenig Sinn, ein paar Leute zu retten, wenn dafür der gesamte Wald in Flammen aufginge. Wenn der Brand weiterwütete, war das Risiko groß, dass genau das passierte. Womöglich würde das Feuer dann sogar das Gebiet der Erdwanderer erreichen.

Also eilten Nik und Laru weiter.

Anfangs befürchtete er, man würde ihn aufhalten und ihm Fragen stellen. Doch das Grauen vor den Flammen überschattete alles andere. Diejenigen, die ihn ansprachen, waren lediglich erleichtert zu sehen, dass Laru bei ihm war und er dem Brandherd entgegeneilte.

»Die denken, wir wären auf dem Weg zu Vater und dass Vater sie retten wird«, erklärte er Laru, der durch Farn und Unterholz, über umgestürzte Baumstämme und Gräben hinweg immer an seiner Seite blieb. Von den majestätischen Kiefern ringsum schien es verwirrte, verängstigte Menschen und Hunde zu regnen, die alle ein Wunder von ihrem Sonnenpriester erwarteten.

Sie flitzten an den sechs Mutterbäumen vorbei. Darunter standen mehrere Frauen und nahmen Bündel entgegen, die in beinah panischer Eile zu ihnen abgeseilt wurden. Nik legte den Kopf in den Nacken und konnte weit oben fieberhafte Aktivität ausmachen – der Stamm löste die kostbaren Mutterfarne von den Zweigen, wickelte sie in angefeuchtete Tücher und lud sie auf Tragen, die sodann schnell herabgelassen wurden.

»Nik! Laru!«

Nik spürte Laru zögern. Der Schäferhund hatte die Stimme der Frau erkannt – wie er selbst auch. Es war Maeve, die Geliebte seines Vaters und Gefährtin von Fortina, dem kräftigsten weiblichen Welpen des Wurfs, dem auch Rigel angehörte.

Ich kann ihr nicht von Vater erzählen. Nicht hier und jetzt.

»Maeve«, brüllte er im Weiterrennen über die Schulter, »versucht, nach Süden zu gelangen! Folgt dem Grenzflüsschen ins Dreckwühlergebiet.«

»Nein!«, schrie sie zurück. »Wir müssen zum Kanal und auf den Inselhof, da ist es sicher.«

Widerwillig hielt Nik an. »Der Brand hat sich über den Westhang ausgebreitet. Der Weg zum Kanal ist abgeschnitten.«

»Dann gehen wir nach Osten. Ich bringe die Mutterfarne nicht in Dreckwühlergebiet! Egal, wie nett manche von denen zu sein scheinen.« Ihr Blick bohrte sich in ihn. Nik musterte sie. Maeve hatte Mari kennengelernt. Sie wusste, dass Mari O’Bryan geheilt hatte. Und vermutlich auch, dass Mari Captain geheilt hatte. Dennoch machten ihr Ton und ihre ganze Haltung deutlich, dass sie den Dreckwühlern nicht traute.

»Tu, was dir am besten erscheint«, sagte er unverbindlich, während Fortina ihren Erzeuger glücklich begrüßte und ihm die Schnauze leckte. »Laru und ich müssen zur Brandschneise.«

»Richte deinem Vater aus, ich liebe ihn – und passt auf euch auf, alle drei!«, rief Maeve ihm nach, als er davonstob.

Laru neben ihm bellte unglücklich.

»Ich weiß, ich weiß, aber um ihr das mit Vater zu sagen, war keine Zeit. Und sie wäre am Boden zerstört gewesen, dabei hat sie doch die Verantwortung dafür, die Mutterfarne zu retten! Wenn sie nun alles stehen und liegen gelassen hätte? Himmel, Laru, sie muss sich ja schon durch den brennenden Wald kämpfen, weil sie es ablehnt, sich in die Nähe von Dreckwühlergebiet zu wagen«, schüttete Nik seinem Gefährten sein Herz aus. Das Reden half ihm, den wieder aufgeflammten Schmerz in seinem Bein und seinem Rücken zu ignorieren, und auch jenes schrecklich hohle Gefühl der Leere und Verlassenheit. Unter Aufbietung seiner letzten Kraftreserven, die nur dem Adrenalin und der Gefahr zu verdanken waren, zwang er sich, mit Laru Schritt zu halten.

Bald schien die Luft etwas kühler und sogar klarer zu werden. Sie mussten kurz vor dem Dachsbach sein. Nik verlangsamte, um zu Atem zu kommen, und auch Laru fiel in Schritt. Auf einer Anhöhe hielten sie an und spähten auf die Gefährten und Hunde unten am Bach hinunter. An dieser Stelle schienen es vor allem Jäger zu sein, denn er entdeckte nur Terrier. Alle, Menschen wie Hunde, waren fieberhaft dabei, auf der dem Feuer zugewandten Seite des Baches einen langen, breiten Graben auszuheben und beidseits davon über mehrere Meter allen Bewuchs zu entfernen. In der Ferne waren Grüppchen von Kriegern mit Schäferhunden damit beschäftigt, in aller Eile die dicken Kiefern am Bach zu fällen, um zu verhindern, dass das Feuer über das Wasser hinweg übersprang.

Aber all das würde nichts nützen – nicht ohne eine Front aus Sonnenfeuer, die der Lohe Einhalt gebieten und sie endlich löschen konnte. Das wusste Nik. Und auch der Stamm wusste es, das sah er den grimmigen Gesichtern der Männer und Frauen dort unten an und spürte es in dem verbissenen Schweigen, das sie umgab.

Er beugte sich zu seinem Gefährten hinunter und sah ihm in die klugen, bernsteinfarbenen Augen. »Keine Ahnung, was jetzt passiert. Vielleicht werden sie mich gefangen nehmen wollen. Wenn ja, hau ab, Laru. Lauf zu Rigel und Mari. Ich komme schon irgendwie frei und folge dir – aber lass du dich nicht schnappen, egal was sie mit mir machen.«

Laru hörte aufmerksam zu. Als Nik endete, wandte der große Schäferhund sehr betont den Kopf und blickte zu den Stammesleuten hinüber. Er hob die Lefzen, zeigte seine blitzenden Zähne und grollte tief in der Brust. Alles an ihm strahlte eine ruhige, majestätische Selbstsicherheit aus, die Nik an seinen Vater, den Sonnenpriester, erinnerte.

Grimmig lächelte er seinen Gefährten an. »Ich verstehe. Wenn sie mich wollen, müssen sie an dir vorbei. Na dann. Versuchen wir also beide, das Ganze zu überleben.«

Er suchte mit den Augen die Arbeitstrupps ab. In einem entfernteren fand er, wen er gesucht hatte: Wilkes, den Anführer der Krieger, einen Mann, den er von jeher schätzte und respektierte. Auf alles vorbereitet trat er mit Laru auf den gerodeten Uferstreifen hinaus und marschierte so direkt wie möglich auf Wilkes zu. In den Gruppen der Jäger sah er einige, die bei dem Angriff auf den Inselhof dabei gewesen waren. Im Vorbeigehen fühlte Nik ihre Blicke auf sich und hörte, wie sich Raunen erhob. Er ignorierte es und ging stur weiter, Wilkes und seinem Gefährten Odin entgegen.

Da ertönte die Stimme seines Freundes Davis, Gefährte des kecken Terriers Cameron: »Nik! Ich weiß ja nicht, ob es so klug war hierherzukommen.«

Nik sah zu ihm hinüber. »Klug oder nicht, mir blieb nichts anderes übrig. Ich habe eine Idee, wie wir das Feuer vielleicht aufhalten können.«

Aus einer Gruppe, die damit beschäftigt war, eine der herrlichen Kiefern zu fällen, trat Thaddeus hervor. »Uns reicht’s mit deinen Ideen, verfluchter Verräter!«, knurrte er. »Jäger, ergreift ihn! Fesselt ihn! Um ihn und seine Dreckwühlerhure kümmern wir uns später.«

Und ehe Nik sichs versah, fand er sich von einer Schar finster dreinblickender rußgeschwärzter Jäger umgeben, die sich um ihn und Laru schlossen, der mit gesträubtem Rückenfell grollend neben ihm stand.

»Wohin führst du uns denn?«, wollte Isabel wissen, die zu Mari aufgeschlossen hatte. Rigel eilte ihnen voraus, nur um in regelmäßigen Abständen umzukehren und ungeduldig zu winseln, wenn die Frauen ihm zu langsam vorankamen.

Während sie neben Isabel durch den Wald wanderte, hatte Mari sich genau diese Frage gestellt. Zu ihrem eigenen Bau konnte sie die Frauen nicht führen. Wo dieser sich befand, wussten schon viel zu viele Leute. Wenn das sich herumspräche – wenn auch nur eine der Frauen es auch nur einem Clansmann verriete –, wären Mari, Rigel, Sora und selbst Jenna und Danita nicht mehr sicher. Aber von den verlassenen Bauen war unmöglich zu sagen, welche eine sichere Zuflucht boten und welche von vagabundierenden Clansmännern im Nachtfieber genutzt oder zumindest gelegentlich besucht wurden. Daher beschloss sie, einen Bau anzusteuern, den die Clansmänner verwüstet und dann aufgegeben hatten, der allen zwanzig Frauen Platz bot und nahe genug an ihrem eigenen lag, um diese problemlos medizinisch zu versorgen.

»Also, momentan führe nicht ich euch«, gab sie zurück. »Erst mal bringt uns Rigel auf Clansgebiet. Wenn wir dort sind, schaffen wir es bestimmt noch bei Tageslicht zum Geburtsbau.«

»Der Geburtsbau! Gute Idee. Der ist groß genug, und die Vorratskammer und der Garten sind gut bestückt.«

»Ganz so ideal ist er im Moment nicht. Seit du gefangen wurdest, hat sich manches verändert, und nicht alles zum Guten. Aber er ist jedenfalls ein guter Ausgangspunkt, um zu überlegen, wie wir den Clan wiederaufbauen.«

»Egal wie er im Moment ist, ich glaube, fürs Erste ist er ideal.« Isabel verstummte und platzte dann heraus: »Mari, ich will nicht unverschämt sein, aber glaubst du, du könntest uns heute Abend noch mal reinigen? Ich weiß, es ist noch nicht Drittnacht, für viele der Frauen ist es allerdings so lange her, dass sie eine Mondfrau hatten. Es wäre wunderschön, wenn du es tätest.«

»Ich denke schon. Oder Sora kann es tun, während ich die Verwundeten versorge.« Unruhig schaute sie sich um; wieder hatte der launenhafte Wind sich gedreht und blies fast lebendig scheinende Rauchwolken an ihnen vorüber.

»Tut mir leid, dass ich dich damit belästige. Ich will dir nicht noch mehr Umstände machen.«

Rasch schüttelte Mari den Kopf. »Kein Problem. Mir tut’s leid, dass ich so abgelenkt bin. Dieser Wind ist so seltsam. So unberechenbar. Wer weiß, wo er diesen schrecklichen Brand noch hintreibt.«

»Na ja, Hauptsache, nicht auf Clansgebiet, oder?«

Mari bedachte Isabel mit einem scharfen Blick. Deren Miene war offen und unschuldig. Es kümmert sie wirklich nicht, ob ein ganzer Stamm von Menschen ausradiert wird!