Survival – Im Netz der Spinne - Andreas Schlüter - E-Book

Survival – Im Netz der Spinne E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Band 5 der Abenteuerserie von Erfolgsautor Andreas Schlüter: actionreich und atemberaubend spannend! Nach ihrer Rettung aus dem brasilianischen Dschungel lässt Mike, Matti, Elly und Gabriel das Schicksal der Urwaldindianer keine Ruhe. Sie müssen den Banditen, die ihre Freunde bedrohen, das Handwerk legen! Doch als sie zurückreisen, passiert das Undenkbare: Ihr Hubschrauber wird entführt. Plötzlich finden sich die Kinder im Regenwald von Peru wieder! Überall lauern neue, unbekannte Gefahren! Und mitten in der Wildnis finden sie etwas, womit sie niemals gerechnet hätten … Mit vielen coolen Survival-Tipps und -Tricks! Alle Bände der Serie: Band 1: Survival – Verloren am Amazonas Band 2: Survival – Der Schatten des Jaguars Band 3: Survival – Im Auge des Alligators Band 4: Survival – Unter Piranhas Band 5: Survival – Im Netz der Spinne Band 6: Survival – Der Schrei des Affen Band 7: Survival – Von Haien umzingelt Band 8: Survival – In den Krallen des Leguans Serie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 225

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Andreas Schlüter

Survival

Im Netz der Spinne

Mit Vignetten von Stefanie Kampmann

FISCHER E-Books

Inhalt

KarteWas bisher geschahZuhause!Eine neue ReiseEin erster NotfallDas DrogenlaborAuf der FluchtNachtlagerZurück und alleinPlötzlicher AufbruchUnbekanntes LandIm Netz der SpinneEine einsame FeuerstelleFlussüberquerungEin GeisterdorfVerloren!Suche nach HilfeAndreas Schlüter

Was bisher geschah

Der dreizehn Jahre alte Mike fliegt mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester Elly nach Manaus, Brasilien. In der Großstadt am Rande des Amazonas-Regenwalds wird die Familie die nächsten Jahre leben. Mike und Elly lernen Matheus (14), genannt Matti, und Gabriel (11) kennen, die in Manaus aufgewachsen sind. Bei einem gemeinsamen Rundflug über den Dschungel stirbt der Pilot an einem Herzinfarkt, und das Flugzeug stürzt ab. Alle vier Kinder überleben leicht verletzt. Doch sie finden sich mitten im Regenwald wieder, haben keine Ahnung, wo sie sind, und kaum Ausrüstung dabei.

Nachdem sie sich einige Tage durch den Urwald geschlagen haben, geraten sie in Gefangenschaft der Mafia, die illegal große Teile des Regenwalds abholzt und Drogen anbaut, doch den Freunden gelingt die Flucht.

Plötzlich wird Elly krank. Gerade noch rechtzeitig findet ein indigenes Volk die vier Freunde. Elly wird von einem Schamanen gepflegt, und die Kinder lernen nicht nur den indigenen Jungen Davi und dessen Freunde kennen, sondern auch deren Gebräuche und wie man im Dschungel jagt und überlebt.

Doch dann wird das Dorf von den Drogenhändlern angegriffen und niedergebrannt. Die Kinder fliehen mit den Überlebenden in den dichten Regenwald. Als sie auf ein Lager der Banditen treffen, fliehen die Freunde mit einem LKW in Richtung Zivilisation. Aber sie haben einen Unfall. Glücklicherweise finden die Kinder auf der Ladefläche des LKWs zwei Kanus, mit denen sie zum nahen Fluss entkommen können. Eine wilde Flucht vor den Drogenhändlern, aber auch vor Kaimanen, Wasserschlangen und Piranhas nimmt ihren Lauf.

Dann beginnt die Regenzeit, die das gesamte Gebiet in eine einzige überschwemmte Fläche verwandelt und die Kinder vor ganz neue Herausforderungen stellt. Die Fahrt auf dem Fluss wird zur größten Strapaze, die sie bisher erlebt haben. Schließlich kentern sie und werden von der reißenden Strömung mitgerissen. Alles, was sie besaßen, ist verloren. Sie kämpfen im Wildwasser um ihr nacktes Überleben und schaffen es mit letzter Kraft ans Ufer.

Die Freunde begegnen erneut Davi. Er führt sie zu einem kleinen Gewässer, wo Tiere verendet sind. Die Kinder bekommen heraus, dass es in der Nähe ein Camp von illegalen Goldsuchern gibt, die mit ihrer Goldwäsche mittels Chemikalien die Gewässer in diesem Gebiet vergiften. Kurz darauf tauchen drei indigene Mädchen auf. Haximu und ihre Schwestern stammen von einem kleinen Volk, das von Goldsuchern vertrieben und vernichtet wurde, und wollen sich nun rächen. Die Kinder beschließen, sich Haximu und Davi im Kampf gegen die Goldsucher anzuschließen.

Zunächst schleichen sie sich ins Goldsuchercamp und stehlen Pläne über eine Goldsucher-Stadt mitten im Dschungel. Eine solche Siedlung wäre das Ende aller indigenen Völker in der Region. Die Kinder greifen das Camp an und sprengen dort Gasflaschen in die Luft.

Dann stirbt auch Davi am vergifteten Wasser. Die Freunde ziehen mit Haximu und den Mädchen weiter und treffen auf zwei deutschsprachige Forscher. Doch auch die sind ihnen nicht freundlich gesinnt. In Wahrheit sind sie darauf aus, indigenes Blut zu stehlen, um es daheim für gentechnische Versuche der Pharma-Industrie zu nutzen. Ein solcher Bluthandel ist streng verboten, daher ließen sich die Forscher mit illegalen Goldsuchern, Drogenhändlern und ähnlichen Kriminellen ein.

Letztlich gelingt es den Freunden aber, den Forschern den Kahn zu stehlen und den Fluss entlangzufahren, bis zur nächsten Siedlung. Mike, Elly, Matti und Gabriel sind endlich gerettet und kehren zurück nach Hause!

Zuhause!

Mike erwachte durch ein Motorengeräusch.

Motorengeräusch? Hier? Dann waren Menschen in der Nähe! Menschen aus der Stadt! Ihre Rettung! Mike schreckte hoch, öffnete die Augen, sah sich um – und war verwirrt.

Er blickte nicht in zig meterhohe Baumkronen, war nicht umgeben von dichten, undurchdringlichen Büschen und Gestrüpp, lag nicht auf hartem, von Wurzeln durchzogenem Boden. Ihm krabbelten weder Käfer über die Beine noch schwirrten Insekten um seinen Kopf. Er hörte kein Krächzen, Schreien, Pfeifen, Piepsen, Rufen. Außer dem einen Motorengeräusch, das sich rasch entfernte, war es still.

Er saß aufrecht in einem weichen, sauberen Bett. Es roch ganz frisch.

Richtig, er war ja schon gerettet worden! Gemeinsam mit seiner Schwester Elly und seinen Freunden, den Brüdern Matheus und Gabriel.

Vor wenigen Tagen erst waren sie wieder zu Hause angekommen, aber noch immer träumte Mike jede Nacht vom Regenwald; von ihrem Absturz mit dem Flugzeug, ihrer Suche nach Nahrung, dem Sammeln von Beeren und anderen Früchten, von den Kämpfen mit Drogenhändlern, Goldsuchern und illegalen Holzfällern. Von Giftschlangen und Kaimanen, von gefährlichen Spinnen und gerösteten Termiten. Von Indigenen, die sie gerettet und mit denen sie sich angefreundet hatten; und die dann überfallen worden waren, fliehen mussten … getötet wurden. Davi, zum Beispiel, der stets freundliche, immer fröhlich lachende Junge eines nahezu unkontaktierten Volkes, ohne den Mike jetzt nicht hier in seinem frisch bezogenen Bett sitzen würde …

Mike stand auf, schaute aus seinem Fenster und war für einen Moment erstaunt, nicht im Parterre auf einen Parkplatz zu blicken. Das war sein altes Zuhause gewesen, in Deutschland. Dieses neue Zuhause war ihm noch immer fremd. Nur wenige Tage, nachdem er und seine Schwester Elly zu ihrem Vater nach Manaus gekommen waren, hatten sie ihren verhängnisvollen Rundflug unternommen. Mike war noch gar nicht dazu gekommen, sich im neuen Haus einzuleben, geschweige denn, seine Kartons auszupacken, die noch immer gestapelt an der kahlen, weißen Wand rechts von ihm standen. Genau dort, wo die Möbelpacker sie abgestellt hatten.

Drei Monate war das jetzt her, wie er nach seiner Rückkehr erfahren hatte. Während ihres Überlebenskampfes hatten sie jegliches Zeitgefühl verloren.

Mikes neues Zimmer lag im ersten Stock und nach hinten heraus. Das Auto, das er gehört hatte, musste also kurz hinters Haus gefahren sein.

Da sah Mike es auch schon: Seine Eltern hatten einige neue Gartengeräte und Pflanzen ausgeladen, die jetzt in einem Haufen auf der Brachfläche lagen, die mal ihr Garten werden sollte. Seine Eltern hatten nicht die Nerven gehabt, sich auch nur eine Minute darum oder um das neubezogene Haus zu kümmern, während ihre Kinder im Dschungel verschollen gewesen waren. Ihre Mutter, die noch am Tag des Absturzes aus Deutschland nachgekommen war – zwei Wochen eher als ursprünglich geplant –, hatte ihnen erzählt, sie hätten nie die Hoffnung aufgegeben und immer daran geglaubt, dass Mike und Elly noch am Leben waren. Gemeinsam mit den Eltern von Matti und Gabriel hatten sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die verschollenen Kinder zu finden. Doch irgendwann waren ihre Möglichkeiten erschöpft gewesen. Die offiziellen Stellen – von der Polizei bis hin zu Hilfsorganisationen – hatten eines Tages aufgegeben und den Elternpaaren keinerlei Hoffnung mehr gemacht.

Es muss furchtbar für sie gewesen sein, hatte Mike sich überlegt. Na gut, er, seine Schwester und seine Freunde hatten auch etliche Tage – und vor allem Nächte – durchstehen müssen, an denen sie verzweifelt gewesen waren, nicht mehr weitergewusst hatten, beinahe schon an ihrer Angst allein zugrunde gegangen wären. Aber sie hatten ihr Überleben wenigstens selbst in der Hand gehabt, hatten etwas tun können, darum gekämpft. Und sie hatten zu jeder Zeit gewusst, dass ihre Eltern lebten und zu Hause auf sie warteten. Die aber konnten ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch hoffen, beten und glauben. Sie waren zur Untätigkeit verdammt und in der Ungewissheit gefangen gewesen, ob ihre Kinder überhaupt noch lebten.

Entsprechend überwältigend war die Freude ihrer Eltern gewesen, als sie die Nachricht erreicht hatte, dass ihre Kinder entdeckt worden waren: in einem alten klapprigen Kahn auf einem kleinen Zufluss des Rio Branco, knapp 500 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt, etwa 100 Kilometer vor der nächstgrößeren Stadt, Caracaraí, in der es sogar einen Flughafen gibt.

Mike erinnerte sich, mit welch mulmigem Gefühl sie alle vier in die kleine zweimotorige Maschine eingestiegen waren, um wieder nach Hause zu fliegen. Zu fliegen! Womit ja die ganze Katastrophe begonnen hatte!

Die Polizei hatte extra einen zweiten Piloten mitreisen lassen, um den Kindern die Angst vor einem erneuten Unglücksfall zu nehmen.

Mike dachte kurz an den armen Luiz, den netten, freundlichen, älteren Piloten, der während ihres Rundflugs an einem Herzinfarkt gestorben war, was dann zu ihrer Bruchlandung mitten im Dschungel geführt hatte. Sie hatten ihn bei einer kleinen Trauerzeremonie verbrannt, bevor sie sich auf die lange Suche nach dem Heimweg gemacht hatten.

»Hey, guten Morgen!« Elly platzte in Mikes Zimmer.

Sie war bereits fertig angezogen und hielt ein paar Papiere und Prospekte in der Hand. »Endlich wach?«

»Wie spät ist es denn?«, fragte Mike.

»Zehn vor zehn!«, antwortete Elly. »In zehn Minuten kommen Gabriel und Matti. Schon vergessen? Aber Mama hat gesagt, ich soll dich ausschlafen lassen.«

»Wieso das denn? Shit!« Mike sprang auf die Umzugskisten zu, um sich frische Kleidung rauszusuchen. »Bin gleich fertig!«

Er stürzte mit den Klamotten auf dem Arm an Elly vorbei aus dem Zimmer, blieb dann aber auf dem Flur stehen. Wo war hier noch mal das Badezimmer? Ach ja, richtig, links herum, die Tür am Ende des Flurs. Ihr eigenes Bad, nur für Elly und ihn!

Irre!, fand Mike, als er aufs Badezimmer zuging. Zu Hause in Deutschland hatten sie das nicht gehabt. Und im Regenwald wäre er manches Mal froh gewesen, wenn es überhaupt irgendwo so etwas Ähnliches wie ein Klo gegeben hätte. Es hatte ihn anfänglich einige Überwindung gekostet, einfach so auf dem Waldboden, über unzähligen krabbelnden Käfern, Insekten und Würmern, sein Geschäft zu erledigen. Von Toilettenpapier natürlich ganz zu schweigen, und Wasser war zu wertvoll gewesen, um sich damit den Hintern zu waschen. Mühsam hatten sie den täglichen Regen aufgefangen, um Trinkwasser zu gewinnen. Wochenlang waren sie auf keinen Fluss oder Bach gestoßen.

Mike presste sich einen Klecks Zahnpasta auf seine elektrische Zahnbürste. Die vergangenen drei Monate hatten sie sich die Zähne jeden Tag einfach nur mit dem Finger und einem weichen Stück Holz notdürftig gereinigt. Für sie alle war die Vorstellung, mitten im Dschungel Zahnschmerzen zu kriegen, der pure Horror gewesen.

Zähneputzen in der Wildnis

Zahnschmerzen sind immer eine äußerst blöde Sache. Aber stell dir vor, du bekommst welche, und dann ist weit und breit kein Zahnarzt in der Nähe, der dir helfen kann! Um dem vorzubeugen, sollte man also auch in der Wildnis regelmäßig die Zähne putzen, selbst wenn man weder Zahnbürste noch Zahnpasta bei sich hat.

Nur wie?

Zunächst sucht man sich eine »natürliche Zahnbürste«. Dazu eignet sich zum Beispiel Süßholz. Du brauchst nichts weiter zu tun, als auf dem Ende eines Süßholz-Zweigs herumzukauen, bis es faserig wird. Dadurch entsteht so etwas wie ein kleiner Besen, mit dem man wunderbar seine Zähne putzen kann.

 

Ist kein Süßholz zu finden, lässt sich das auch auf andere weiche Hölzer übertragen.

Zudem gibt es zahlreiche Pflanzen, die bei der Zahnpflege und teilweise sogar gegen Zahnschmerzen oder Zahnentzündungen helfen, so zum Beispiel:

Kamille

Daraus einen starken Tee kochen, Mund spülen, ausspucken. Wird zur Beruhigung des Zahnfleischs eingesetzt.

Salbei

Die ätherischen Öle des Salbeis können Zahnfleischentzündungen hemmen. Die Salbeiblätter kauen, dann den Mund mit Wasser ausspülen. Man kann auch einen Tee kochen, der darüber hinaus sogar gegen Halsschmerzen hilft. Mit dem Tee dann gurgeln und anschließend ausspucken.

Anissamen

Zu einem Pulver zerstampfen. Dieses kann man zur Zahnreinigung einsetzen. Oder (siehe unten) in die Zahnpasta mischen.

Zitronenmelisse

Schmeckt gut und wirkt erfrischend. Hat antibakterielle Eigenschaften. Einfach die gewaschenen Blätter kauen oder aus den Blättern einen starken Tee kochen. Den Tee aber nicht trinken, sondern damit nur den Mund kräftig ausspülen.

Pfefferminze

Den Geschmack kennt jeder, denn er ist in vielen Zahncremes enthalten, die man bei uns in den Drogerien kaufen kann.

Pfefferminze hat ebenfalls antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften. Sie wird benutzt wie Zitronenmelisse: kauen oder Tee zum Spülen kochen.

Thymian

Hat desinfizierende und ebenso entzündungshemmende Eigenschaften. Auch hier: kauen oder als Tee zum Spülen.

Gewürznelken

Sie stehen bei vielen auch zu Hause im Gewürzregal. Getrocknete Nelken und Nelkenöl haben eine schmerzstillende Wirkung und werden sogar in der Zahnmedizin als Schmerzmittel eingesetzt. Außerdem wirken sie antibakteriell.

Und sie wirken in der Mundhöhle sogar leicht betäubend. Einfach eine Gewürznelke zwischen die Zähne nehmen oder auf den betroffenen Zahn legen und sanft draufbeißen.

 

Natürlich kannst du die verschiedenen Kräuter auch mixen, sie kleinschneiden, zerstampfen und mit etwas Flüssigkeit einen Brei daraus herstellen, den du dann als »natürliche Zahnpasta« benutzen kannst.

Nach dem Zähneputzen wusch Mike sich noch schnell Hände und Gesicht. Seine Mutter hätte es »Katzenwäsche« genannt. Aber im Vergleich zu den vergangenen drei Monaten glich es eher einer ausführlichen Grundreinigung.

Um seine Haare musste er sich im Moment nicht kümmern. Die waren nach dem langen Kampf im Dschungel so verfilzt und verdreckt gewesen, dass Mike sie sich gleich nach seiner Rückkehr ratzekahl kurz hatte schneiden lassen. Er trug nun einen Stoppelhaarschnitt. Elly hingegen hatte so ziemlich als Erstes nach ihrer Rettung – so kam es Mike jedenfalls vor – mindestens eine Stunde lang nur ihre Haare gewaschen. Dabei war Mike sich sicher, dass Elly kurze Haare sehr gut stehen würden. Sie sah das aber anders, warum auch immer.

Als Matti und Gabriel unten an der Haustür läuteten, stand Mike gewaschen und angezogen bereit. Denn sie hatten heute etwas Besonderes vor.

Nach ihrer Rückkehr, der großen Wiedersehensfreude und zwei Tagen, in denen sie sich einfach nur von dem erschöpfenden Abenteuer ausruhten, das ihnen alles abverlangt hatte, waren einige ärztliche Untersuchungen gefolgt. Die Kinder hatten einige Kilo abgenommen, obwohl sie in der ganzen Zeit nicht gehungert hatten, doch sie waren ausgezehrt und durch die letzten Anstrengungen auf dem Fluss auch geschwächt gewesen. Alles in allem ging es ihnen aber gut, weil sie dank der Indianer gelernt hatten, sich ausreichend zu ernähren.

In die neue Schule waren sie noch nicht gegangen. Trotzdem hatten sich weder Elly noch Mike in diesen ersten Tagen um ihr neues Zuhause, ihre Zimmer oder ihre Habseligkeiten in den Umzugskartons gekümmert. Mike erging es ganz ähnlich wie seiner Schwester. Er hatte festgestellt, dass all seine Sachen – vom Fahrrad bis hin zu seiner Kleidung, Büchern, Sport- und Spielsachen, einfach alles – mit einem Mal nicht mehr die gleiche Bedeutung für ihn hatten wie vor ihrem Absturz. Mit Ausnahme des Computers, den Mike sofort angeschlossen und auf eine der Umzugskisten gestellt hatte. Aber nicht, um damit Spiele zu spielen, wie er es früher oft und gern getan hatte, sondern um nach Informationen über das zu suchen, was ihn und Elly derzeit am meisten bewegte.

Beide hatten sich – gemeinsam mit Gabriel und Matti – geschworen: Wenn sie heil und gesund aus dem Dschungel wieder herausfanden, dann wollten sie sich fortan aktiv für die Rettung des Regenwalds und das Überleben der indigenen Stämme einsetzen. In der Fülle des Materials, auf das sie im Internet gestoßen waren, hatten sie auch eine Jugendgruppe in Manaus gefunden, die sich genau dies zum Ziel gesetzt hatte. Von dieser Jugendgruppe stammten auch die ausgedruckten Papiere, die Elly in der Hand hielt, als sie in Mikes Zimmer gekommen war: vom Info-Flyer bis zum Beitrittsformular. Das nächste Treffen der Gruppe begann um 11 Uhr, mitten in der etwa dreißig Minuten entfernten Innenstadt, wohin sie gemeinsam mit Gabriel und Matti fahren wollten.

Elly öffnete die Tür und wollte den beiden Freunden gerade ein fröhliches »Hallo« zurufen, als ihr die Begrüßung im Halse steckenblieb. Vor ihr standen nicht Matti und Gabriel, sondern zwei Polizisten! Und zwar nicht einfach in Uniform, wie Elly es aus Deutschland kannte. Die Männer trugen zur herkömmlichen Jeans ein schwarzes Uniformhemd, darüber eine Weste, die schusssicher aussah und auf der das Polizeiabzeichen prangte. Über die Schulter hatten sie Maschinenpistolen gehängt, trugen mehrere Taschen und Schlaufen am Gürtel, in denen Schlagstock, Funkgerät, Handschellen und noch weitere Gerätschaften steckten, von denen Elly auf den ersten Blick nicht erkannte, wozu sie dienten.

Elly wich zwei Schritte zurück.

»Huch! Bom dia!«, stotterte sie und hoffte, die Männer hätten sich in der Tür geirrt.

Der eine Mann versuchte wohl, freundlich zu lächeln, aber irgendwie gelang es ihm nicht so richtig. Mike, der nun hinter seiner Schwester stand, fand ihn immer noch bedrohlich und gefährlich.

Der Polizist sagte etwas auf Portugiesisch. Zu schnell, als dass Elly ihn richtig verstehen konnte, obwohl sie sich in den vergangenen drei Monaten hin und wieder die Zeit im Dschungel damit vertrieben hatte, von Matti und Gabriel ein wenig die Sprache zu lernen. Besonders wenn sie wegen der heftigen Regengüsse nicht vorankamen und manchmal stundenlang irgendwo ausharren und warten mussten.

»PAPA?«, rief Elly. Ihr Vater arbeitete schon seit längerer Zeit in Manaus und war im Moment der Einzige in der Familie, der fließend Portugiesisch sprach.

Schon tauchte er aus der Küche auf, begrüßte die Polizisten freundlich, bat sie herein und fragte, weswegen sie gekommen wären.

Mike und Elly warteten gespannt auf die Antwort.

Zu ihrem Schwur, sich für die Rettung des Regenwalds einzusetzen, gehörte als erster Schritt, genau das zu tun, was die Gangster, von denen sie im Dschungel mehrfach verfolgt worden waren, wohl am meisten befürchtet hatten: die Standorte der illegalen Drogenlabore zu benennen, die Wilderer unter den Goldsuchern anzuzeigen und zudem darauf aufmerksam zu machen, wie sehr die Goldsucher den Regenwald vergifteten. Genau das hatten Elly und Mike gleich zu Beginn der Woche getan, nämlich der Polizei ausführlich Bericht erstattet. Leider wussten die Kinder nach wie vor nicht, wo genau sie eigentlich im Dschungel gewesen und welchen Weg sie nach dem Flugzeugabsturz gegangen waren. Allerdings gab es einige hilfreiche Anhaltspunkte:

Der Ort, an dem sie auf dem Rio Branco auf die Fischer gestoßen waren

Die Goldvorkommen

Die Beschreibung des unkontaktierten Volkes – also ein Ort, der bisher nicht erschlossen war

Die ursprünglich geplante Flugroute und das mögliche Gebiet, in dem die Kinder abgestürzt waren

Und tatsächlich: Die Polizisten waren gekommen, um zu berichten, dass sie es geschafft hatten, eine ungefähre Linie aufzuzeigen, an der die Kinder möglicherweise entlanggegangen waren.

»Super!«, freute sich Elly.

Und Mike hakte sogleich nach: »Und das Drogenlabor? Haben Sie das gefunden?«

Er war erstaunt über die Antwort, die sein Vater ihm übersetzte: »Sie sagen, sie haben im Moment zu viel hier in der Stadt zu tun. Sie sind einigen Drogenhändlern vor Ort auf den Fersen und müssen sich darauf konzentrieren.«

Mike verstand die Antwort nicht. Verwirrt wechselte er einen Blick mit seiner Schwester. Auch die wirkte ratlos.

»Einige Drogenhändler?«, wiederholte sie ungläubig. »Aber wir waren dort, wo die Drogen hergestellt werden! Wenn man das Drogenlabor schließt, ist es doch das Beste, was man auch hier gegen die Drogenhändler tun kann, oder nicht? Ich meine, wenn keine Drogen mehr hergestellt werden, kann man auch keine verkaufen.«

Genau das hatte Mike auch gedacht.

Doch ihr Vater wollte sich auf keine Debatte mit den schwerbewaffneten Polizisten einlassen, die in seinem Wohnzimmer standen. Er übersetzte die Einwände der Kinder deshalb nicht, sondern bedankte sich bei den beiden Männern für die Information und verabschiedete sie freundlich.

»Was soll das?«, fragte Mike fassungslos, nachdem die Polizisten das Haus wieder verlassen hatten.

»Lasst gut sein, Kinder«, versuchte ihr Vater zu beschwichtigen. »Ihr habt getan, was ihr konntet, eure Aussagen gemacht. Wir sind froh, dass ihr wieder heil zu Hause seid. Den Rest sollten wir wirklich der Polizei überlassen.«

»Aber …«, wollte Elly gerade einwenden, doch da läutete es schon wieder.

Dieses Mal öffnete ihr Vater, weil er glaubte, die Polizisten hätten vielleicht etwas vergessen. Doch nun standen Gabriel und Matti vor der Tür.

Matti trug wieder seinen Ara auf der Schulter, den er so lange hatte vermissen müssen.

»Hallo!«, grüßte er freundlich. »Alles klar?«

»Geht so«, antwortete Mike mürrisch.

»Also bis dann«, verabschiedete sein Vater die vier. »Seid rechtzeitig zurück!« Und ging wieder in die Küche.

»Wieso? Was ist denn los?«, fragte Gabriel, der sofort spürte, dass irgendetwas geschehen war.

»Das erzählen wir euch auf dem Weg«, versprach Mike.

Eine neue Reise

Drei Wochen später

 

 

 

Ist das wirklich eine gute Idee?«, fragte Gabriel ängstlich, während er Mike beobachtete, der auf seiner Liste nachprüfte, ob er alles, was er brauchte, bereitgelegt hatte.

»Nun fang nicht schon wieder an!«, ermahnte Elly ihn.

Drei Wochen war es her, dass sie das erste Mal die Jugendgruppe zur Rettung des Regenwalds besucht und dort nicht nur von ihren Abenteuern, sondern auch von ihrer Erfahrung mit der Polizei berichtet hatten. Die vier hatten so viel zu erzählen, dass sie gleich mehrere Nachmittage mit Vorträgen über ihre Zeit im Dschungel füllen konnten. Aufgrund der mehr oder weniger untätigen Reaktion der Polizei hatten sich einige erwachsene Umweltschützer eingeschaltet. Erschwerend kam hinzu, dass kurz vor der Rückkehr der Kinder aus dem Dschungel in Brasilien Parlamentswahlen stattgefunden hatten. Für den neuen Regierungschef spielte die Rettung des Regenwalds leider überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil: Im blinden Hass gegen alle indigenen Völker hatte er regelrecht zur Jagd auf sie aufgerufen, statt sie in ihren Forderungen und Rechten zu unterstützen. Für die Natur, den Umweltschutz und die indigenen Völker waren äußerst bittere Zeiten angebrochen, weshalb die Umweltschützer sehr schnell beschlossen hatten, selbst aktiv zu werden. Kurzum, sie wollten eine eigene kleine Expedition zu den geheimen Orten der Kriminellen schicken, um die Verbrechen im Regenwald zu dokumentieren, die Öffentlichkeit zu informieren und es so vielleicht zu schaffen, dass die Regierung doch noch etwas gegen sie unternahm. Genau dafür benötigten sie die Hilfe der vier Kinder, ohne die sie diese Orte nicht finden konnten.

Zuerst hatten die Eltern sowohl von Gabriel und Matti als auch von Mike und Elly natürlich empört protestiert und den Kindern strikt untersagt, an solch einer Expedition teilzunehmen.

Nach mehreren bis spät in die Nacht dauernden Gesprächen und dem heiligen Versprechen der Umweltschützer, alles Erdenkliche für die Sicherheit der Kinder zu tun, stimmten sie schließlich zu, wenn auch recht halbherzig. Es fehlte jedoch die Alternative, denn auch die Eltern erkannten, dass Regierung und Behörden zurzeit nichts gegen die Verbrecher im Wald unternahmen. Sie machten allerdings zur Bedingung, dass mindestens ein Elternteil mitfuhr. Zunächst sollte es mit einem Hubschrauber in den Dschungel gehen, dann weiter mit einem großen Boot, um die Orte ausfindig zu machen.

Und nun stand der Tag der Abreise bevor.

Mike und Elly waren gerade dabei, ihre Sachen zu packen, als Matti und Gabriel zu Besuch kamen.

»Vielleicht treffen wir Haximu wieder«, sagte Elly, um von Gabriels Bedenken abzulenken, »und finden ihre Schwester und können beiden helfen!«

»Meinst du?«, fragte Matti skeptisch. »Ich glaube nicht, dass sich Haximu freiwillig in der Nähe der Gangster aufhält. Viel zu gefährlich. Bestimmt hat sie sich noch tiefer in den Wald verzogen.« Er saß auf Mikes Bettkante und schaute zu, was der so alles einpackte. Sein Überlebensgürtel, über den sich zu Beginn ihres damaligen Rundflugs alle lustig gemacht hatten, hatte den Kindern zeitweise das Leben gerettet. Dieses Mal hatte sich jeder einen angeschafft.

»Und das da?« Matti zeigte auf einen kleinen Haufen von Dingen, die Mike ein wenig abseits hingelegt hatte.

»Kochgeschirr, Gewürze, Grillanzünder und noch so einiges, was nicht zum Überlebensgürtel gehört, was wir aber vermisst haben. Zumindest in der ersten Zeit«, erklärte Mike.

»Und er muss es geheim halten«, sagte Elly schmunzelnd. »Wenn unsere Mutter sieht, dass wir uns darauf einstellen, möglicherweise wieder im Dschungel verlorenzugehen, flippt sie aus.«

Wie auf Kommando öffnete sich die Zimmertür.

Blitzartig warf Mike eine Decke über die geheime Notfallausrüstung.

Tatsächlich trat seine Mutter ein. »Kinder, ich hab einen Kuchen gebacken. Ich dachte, wir trinken zum Abschied einen Mate-Tee zusammen und essen ein Stück.«

»Mit Schoko und Sahne?«, fragte Elly.

Sie war eine riesige Naschkatze. Je süßer eine Süßigkeit, desto besser.

»Schoko ja, Sahne nein!«, antwortete ihre Mutter.

Elly verzog leicht die Mundwinkel.

Gabriel war dennoch zufrieden. »Ich liebe Schokokuchen!«, verkündete er.

Mike erinnerte sich daran, dass Gabriel im Dschungel stets Kakaobohnen bei sich gehabt hatte.

Elly warf ihrem Bruder einen Blick zu, der sagte: Du solltest auf jeden Fall noch eine Dose Sprühsahne einstecken.

»Habt ihr soweit alles zusammen?«, fragte ihre Mutter mit besorgter Miene. Sie war noch immer nicht sehr überzeugt davon, dass es richtig war, die Kinder fahren zu lassen. Die Reise war für drei Tage geplant. Drei Tage, in denen sie vermutlich kein Auge zutun würde.

»Ja, Mama, mach dir keine Sorgen!«, versuchte Elly sie zu beruhigen. »Papa fährt mit; dieses Mal haben wir nicht nur zwei Piloten anstatt einen, sondern eine ganze Crew dabei, inklusive Arzt.«

»Außerdem haben wir ein Satellitentelefon und Funkgeräte mit an Bord«, ergänzte Mike.

Seine Mutter nickte und ging voran in die Küche. Mike wusste: Wirklich beruhigen tat sie nichts von alledem.

Am nächsten Tag war es dann so weit. Dieses Mal wartete kein Flugzeug auf sie, sondern ein Hubschrauber, den die Umweltschutzorganisation bereitstellte.

Gabriels und Mattis Vater parkte seinen Jeep so nah wie möglich an der Abflugstelle. Ellys und Mikes Vater stieg als Erster aus, ihm folgten die vier Kinder, ganz zum Schluss die beiden Mütter. Elly blieb nach wenigen Schritten stehen, drehte sich noch mal zur ihrer Mutter um, lief zurück und drückte sie. Sie wusste, dass ihre Mutter die meisten Bedenken hatte. Das war nicht weiter verwunderlich. Alle vier Elternteile waren natürlich geschockt gewesen vom Verschwinden ihrer Kinder. Und doch … Gabriels und Mattis Vater kam als Arzt sehr viel in der Wildnis herum. Auch ihre Mutter, eine Ingenieurin und Kollegin von Mikes und Ellys Vater auf dem Bau, kannte die Gegend und ihre Gefahren recht gut. Sie alle drei wussten, dass so ein Vorfall wie der Flugzeugabsturz selten vorkam und ungewöhnlich viel Pech gewesen war. Es gab nicht den geringsten Anlass zu glauben, dass so etwas sich wiederholen würde. Nur Mikes und Ellys Mutter war erst vor kurzem nach Brasilien gekommen. Für sie war schon das normale Alltagsleben neu, fremd und dadurch von Unbehagen begleitet. Wobei sie ein »normales« Alltagsleben hier in Manaus noch gar nicht erlebt hatte. Vom ersten Moment an, in dem sie brasilianischen Boden betreten hatte, waren ihre Tage und Nächte von der Angst und tiefen Sorge um ihre vermissten Kinder geprägt gewesen.

»Passt gut auf euch auf!«, flüsterte ihre Mutter Elly zu.

»Papa passt doch auf uns auf!«, tröstete Elly sie.

Und Mike ergänzte: »Wir sind doch schon Überlebensprofis!«

Was seine Mutter allerdings überhaupt nicht beruhigte.

»Hör bloß auf!«, mahnte sie. »Nicht, dass ihr noch einmal in solche Gefahr kommt!«

Elly schaute ihren Bruder vorwurfsvoll an. Manchmal plapperte er einfach zu unbedacht drauflos.

Dann stand schon der Leiter der kleinen Expedition vor ihnen.

»Hallo! Herzlich willkommen. Mein Name ist Luiz!«

Mike zuckte zusammen. Er bemerkte, dass es den anderen ähnlich erging.

»Luiz?«, fragte er entsetzt.

Luiz wusste, weshalb seine Vorstellung eine so bedrückte Stimmung hervorrief. Er trug denselben Vornamen wie der in der Luft verstorbene Pilot bei dem Unglücksflug. Entschuldigend hob er die Schultern und bot an: »Nennt mich einfach Dunga!«

Mike wusste, dass ein ehemaliger Trainer der brasilianischen Fußballnationalmannschaft so hieß, hatte aber keine Ahnung, weshalb Gabriel und Matti plötzlich breit grinsten.

Luiz selbst erklärte es ihm: »Dunga ist nicht mein Nachname, sondern ein Spitzname. Es bedeutet: der mit den abstehenden Ohren.«