Survival – Unter Piranhas - Andreas Schlüter - E-Book

Survival – Unter Piranhas E-Book

Andreas Schlüter

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Beschreibung

Sie haben den Flugzeugabsturz überlebt. Doch jetzt sind sie verloren im Dschungel! Band 4 der Abenteuerserie von Erfolgsautor Andreas Schlüter: actionreich und atemberaubend spannend! Mike, Elly, Matti und Gabriel werden im Amazonas-Dschungel in einen gefährlichen Kampf verwickelt: Der Stamm Indios, der die Kinder vor dem Tod bewahrt hatte, muss sich gegen illegale Goldsucher wehren. Beim Waschen des Goldes vergiften die Männer den Wald und schaden Tieren und Ureinwohnern. Doch sie sind die einzigen, die den Weg zurück in die Zivilisation kennen. Die vier Freunde müssen eine schwere Entscheidung treffen: Sollen sie auf der Seite der Indios kämpfen oder die Goldsucher bitten, sie zurück nach Hause zu führen? Mit vielen coolen Survival-Tipps und -Tricks! Alle Bände der Serie: Band 1: Survival – Verloren am Amazonas Band 2: Survival – Der Schatten des Jaguars Band 3: Survival – Im Auge des Alligators Band 4: Survival – Unter Piranhas Band 5: Survival – Im Netz der Spinne Band 6: Survival – Der Schrei des Affen Band 7: Survival – Von Haien umzingelt Band 8: Survival – In den Krallen des Leguans Serie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 218

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Andreas Schlüter

Survival

Unter Piranhas

 

 

Über dieses Buch

 

 

Seit sie mit dem Flugzeug im Amazonas-Urwald abgestürzt sind, kämpfen Mike, Matti, Elly und Gabriel ums Überleben. Ein Stamm Indios, der sie bereits vor dem Tod bewahrt hat, bittet die Kinder um Hilfe: Goldsucher vergiften beim Waschen des Goldes den Dschungel. Und sie kennen keine Gnade, wenn ihnen jemand in die Quere kommt. Die Kinder stehen vor einer schicksalhaften Entscheidung: Sollen sie ihren Freunden, den Indios, helfen oder die Goldsucher bitten, sie zurück in die Zivilisation zu führen?

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Bevor Andreas Schlüter, geboren 1958, mit dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern begann, leitete er Kinder- und Jugendgruppen und arbeitete als Journalist und Redakteur. 1994 feierte er mit dem Kinderroman »Level 4 – Die Stadt der Kinder« einen fulminanten Erfolg und ist seitdem als Autor tätig. Andreas Schlüter verfasst zudem Drehbücher, unter anderem für den »Tatort«. Schon als Junge liebte er Abenteuerromane, in denen man die wildesten Sachen erleben kann, ohne nasse Füße oder Kratzer zu bekommen.

 

Stefani Kampmann, geboren 1971, zeichnete schon als Kind gerne und überall. Während ihres Studiums der Innenarchitektur nahm sie zahlreiche Aufträge als Illustrato rin an und verfolgte diesen Weg danach weiter. Sie bebilderte zahlreiche Kinder- und Jugendbücher und veröffentlichte zwei Graphic Novels. Außerdem gibt sie Comic-Workshops für Jugendliche. In ferne Länder ist sie schon einige Male gereist, zum Glück musste sie dort aber (fast) nie ums Überleben kämpfen.

Inhalt

Was bisher geschah

Gescheiterte Rettung

Eine böse Überraschung

Gold!

Das Camp der Goldsucher

In die Höhle des Löwen

Der Angriff

Die Katastrophe

Flucht

Vergiftetes Wasser!

Blut!

Gefährliche Rückfahrt!

Die letzte Etappe

Was bisher geschah

Der dreizehn Jahre alte Mike fliegt mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester Elly nach Manaus, Brasilien. In der Großstadt am Rande des Amazonas-Regenwalds wird die Familie die nächsten Jahre leben. Mike und Elly lernen dort Matheus (14), genannt Matti, und Gabriel (11) kennen, die in Manaus aufgewachsen sind. Gemeinsam machen die vier Kinder einen Rundflug über den Dschungel. Aber dann der Schock: Der Pilot erleidet plötzlich einen Herzinfarkt und stirbt. Matti versucht verzweifelt, das Flugzeug zu steuern, dennoch stürzen sie ab.

Alle Kinder landen leicht verletzt, aber bewusstlos am Boden. Als sie aufwachen, finden sie sich mitten im Regenwald wieder. Sie haben nicht die geringste Ahnung, wo sie sind und haben kaum Ausrüstung dabei – außer Mikes Überlebensgürtel und seinem Survival-Buch. Beides hatte er mitgenommen, um »Abenteuer« zu spielen. Jetzt könnte es ihnen das Leben retten.

Die vier Kinder müssen sich durch den Dschungel schlagen, in der Hoffnung, irgendwo auf Menschen zu treffen.

Nach einigen Tagen begegnen ihnen tatsächlich zwei Männer. Doch es sind Arbeiter der Mafia, die illegal den Regenwald abholzen. Die Banditen sperren die Kinder in ihrer Siedlung ein. Durch eine riskante Aktion können die vier aber fliehen. Nun sind sie wieder allein im Dschungel. Plötzlich bekommt Elly Fieber und wird krank. Gerade noch rechtzeitig werden sie von einem indigenen Volk gefunden. Während Elly von einem Schamanen gepflegt wird, lernen Mike, Matti und Gabriel den indigenen Jungen Davi und dessen Freunde kennen. Nachdem Elly wieder gesund ist, bleiben die vier bei den Indianern. Sie sind zu guten Freunden geworden. Bei dem Stamm erfahren sie viel über Pflanzen und das Überleben im Dschungel.

Doch dann wird das Dorf von Drogenhändlern niedergebrannt, viele Indianer werden getötet. Die Kinder fliehen zusammen mit den Überlebenden. Schließlich lässt sich der Stamm in der Nähe eines Flusses nieder. Mike, Elly, Matti und Gabriel atmen auf. Denn »Wasser führt dich zu Menschen!«, lautet eine alte Überlebensweisheit. Sie wollen sich ein Kanu bauen und damit nach Hause fahren. Doch in welche Richtung? Sie kommen auf die Idee, im Lager der Banditen nach Landkarten zu suchen. Als sie sich anschleichen, entdecken sie einen unbeaufsichtigten Lkw – eine einmalige Gelegenheit! Die vier Kinder brausen mit dem Lastwagen in Richtung Zivilisation. Bis der Lkw vom Weg abkommt und gegen einen Baum fährt. Die Kinder sitzen fest.

Ihnen ist klar, dass die Banditen ihnen auf den Fersen sind. Zum Glück finden die Kinder auf der Ladefläche zwei Kanus und etliche weitere Dinge, die sie brauchen können. Nur knapp entkommen sie den Drogenhändlern, schleppen die beladenen Kanus zum nahen Fluss und fahren auf dem Wasserweg weiter. Doch die Banditen entdecken die Kinder und schießen vom Ufer aus auf sie. Auf der Flucht wird Mike von seinen Freunden getrennt. Er muss sich allein durchschlagen, bis er nach einigen Gefahren wieder auf die Gruppe trifft.

Die Regenzeit beginnt. Der Niederschlag wird mitunter so stark, dass die Kinder ihre Hand vor Augen nicht mehr sehen. Wo können sie festmachen, wo an Land gehen, wenn es kein Ufer mehr gibt?

Die Fahrt auf dem Fluss wird zur größten Strapaze, die die Kinder bisher erlebt haben. Schließlich kentern sie und werden vom reißenden Strom mitgerissen. Alles, was sie besaßen, ist verloren. Die Kinder kämpfen im Wildwasser schwimmend um ihr nacktes Überleben. Bis plötzlich ein Hubschrauber über ihnen auftaucht.

Gescheiterte Rettung

Sie waren gerettet. So dachten sie. Doch als der Mann sich bis auf die halbe Höhe zwischen Hubschrauber und Wasser zu den Kindern abgeseilt hatte, schoss plötzlich ein Pfeil vom Ufer her auf ihn zu und durchbohrte sein rechtes Bein. Der Mann schrie auf und schaffte es wohl nur mit äußerster Kraftanstrengung, nicht loszulassen und abzustürzen. Er rief seinen Kollegen etwas zu, das die Kinder wegen des Motorenlärms nicht verstehen konnten. Weitere Pfeile sirrten in seine Richtung, verfehlten ihn dieses Mal aber knapp. Eilig wurde er mit der Seilwinde wieder hinauf in den Hubschrauber gehievt.

»Nein!«, brüllte Mike. »Hierbleiben!«

Auch Matti, Elly und Gabriel riefen, so laut sie konnten, gegen den Lärm des Helikopters an.

Vergeblich.

Der verletzte Mann wurde von seinen Kollegen an Bord gezogen. Kurz darauf drehte der Hubschrauber ab und – flog davon.

Fassungslos schaute Mike ihm nach.

»Nein!«, rief er noch mal voller Verzweiflung. »Das … das …!«

Ihm fehlten die Worte. Er konnte nicht glauben, was er soeben mit eigenen Augen gesehen hatte. Die Rettung war so nah gewesen. Der Mann hatte gerade mal ungefähr zehn Meter über ihnen gehangen, als der Angriff begonnen hatte.

Läppische zehn Meter, die sie von der ersehnten Rettung getrennt hatten.

Und jetzt? Waren ihre Retter auf und davon geflogen.

»D…das … stotterte Mike erneut, während er und seine Freunde nach wie vor gegen die Strömung ankämpften. »Das kann …«

Kurz geriet sein Kopf wegen einer Welle unter Wasser.

Mike tauchte wieder auf, hustete einige Male und setzte seinen Satz fort: »Das kann doch nicht wahr sein!«

»Was war das überhaupt?«, fragte Gabriel.

Zwischen den Schwimmzügen streckte er immer wieder seine Arme aus, in der Hoffnung, irgendetwas fassen zu können, woran er sich festhalten konnte. Aber da war nichts. So schwamm er tapfer weiter gegen die Strömung an.

»Das müssen die Indianer gewesen sein! Aber wieso haben sie angegriffen?«

»Keine Ahnung!«, rief Elly ihm zu. »Aber wir müssen hier weg. Irgendwie!«

Das »Irgendwie« war berechtigt. Denn keiner der vier hatte eine Idee, wie sie aus dem reißenden Fluss entkommen sollten. Und sie trieben auf einen Wasserfall zu, schon bald würden sie in die Tiefe stürzen!

Elly sah keine andere Chance, ihr Leben zu retten, als so schnell wie möglich das Ufer der anderen Seite zu erreichen, von dem keine Pfeile gekommen waren. Sie schwamm in die Richtung.

Vor ihr tauchte die Spitze eines Felsens auf.

»Vorsicht!«, rief sie.

Der Felsen war vermutlich zu glitschig, um sich daran festhalten zu können. Auch der drohende frontale Aufprall würde sehr schmerzhaft werden. Mit äußerster Kraftanstrengung gelang es Elly und den anderen hinter ihr, dem Steinbrocken auszuweichen. Die starke Strömung erlaubte kein zielgerichtetes Schwimmen. Und so trieben sie rechts am Felsen vorbei statt auf der linken Seite, so dass sie gegen ihren Willen zu jenem Ufer gespült wurden, von dem soeben Pfeile geschossen worden waren. Nur wenige Hundert Meter flussaufwärts hatten von dieser Uferseite auch noch Gangster mit Gewehren auf sie gezielt.

Trotzdem schlug Matti vor: »Lasst uns hier an Land gehen. Rüber schaffen wir es nicht mehr! Wir müssen aber aus dem Fluss raus!«

»Aber wenn die Indianer auch auf uns schießen?«, fragte Gabriel ängstlich.

»Dann hätten sie es längst tun können«, behauptete Matti.

Nach wie vor war kein einziger Pfeil auf sie abgeschossen worden, obwohl sie das Ufer beinahe erreicht hatten. Matti hegte keinen Zweifel, dass die Indianer noch in unmittelbarer Nähe waren und sie nicht aus den Augen ließen.

Endlich bekamen sie ein paar Schlingpflanzen zu fassen, an denen sie sich festhalten und langsam aus dem Wasser herausziehen konnten. Als sie wieder halbwegs festen Boden unter den Füßen hatten, schauten sie sich um, obwohl sie wussten, wie wenig Sinn das ergab. Wenn die Indianer nicht gesehen werden wollten, dann sah man sie auch nicht. Anders als die Drogengangster. Denen fehlte nicht nur jegliche Fähigkeit, sich »unsichtbar« zu machen, sie hielten das auch gar nicht für nötig. Die Banditen schienen zu denken, ihre Gewehre würden sie hier in der Wildnis unbesiegbar machen. Aber das war ein großer Trugschluss. Im Dschungel lauerten die Gefahren überall und in unterschiedlichster Form: vom hungrigen Jaguar, der sich gestört fühlen könnte, bis zur kleinen, unscheinbaren Mücke, die Menschen mit Malaria infiziert. Dennoch stampften die Drogengangster in aller Regel so lärmend und unvorsichtig durch den Urwald, dass man sie nur deshalb nicht mit einer Elefantenherde verwechselte, weil es im brasilianischen Regenwald keine Elefanten gab.

Es beruhigte Mike ein wenig, dass von den Drogengangstern nichts zu sehen oder zu hören war. Dann waren sie mit großer Sicherheit auch nicht in der Nähe. Das wiederum war seltsam, fand Mike. Vor kurzem noch waren sie nicht weit entfernt von einer knappen Handvoll Gangster verfolgt und beschossen worden.

Etwas Unheilvolles lag in der Luft.

»Seht ihr etwas?«, fragte Mike in die kleine Runde.

Die anderen verneinten.

»Und könnt ihr was hören?«

»Auch nicht!«

Erneut hatte Regen eingesetzt, der laut rauschend auf sie niederprasselte und jegliches Geräusch aus dem Dschungel in sich ertränkte. Ihre kargen, durchnässten Kleidungsreste zogen schwer an ihren Körpern. Es gab keinerlei Chance, sie zu trocknen, und für einen Moment überlegte Mike, ob er sie nicht ausziehen sollte. Aber dann hätte er sie in der Hand tragen müssen, was ihm noch umständlicher erschien. Er prüfte, ob sein Messer nach wie vor in der Tasche steckte, und war froh, dass er auch sein Survival-Buch noch hatte.

Er bedauerte, dass Davi und seine Freunde nicht da waren. Sie hätten den Indianern, von denen sie jetzt ganz sicher beobachtet wurden, sagen können, dass sie Freunde waren. Dann hätten diese bestimmt nicht auf ihre Retter geschossen und sie damit vertrieben.

Plötzlich wurde Mike in seinen Gedanken aufgeschreckt. Wie ein Geist erschien mit einem Mal ein Indianerjunge vor ihm. Mike musste zweimal hinschauen, um trotz der Gesichtsbemalung zu erkennen, dass er den Jungen schon einmal gesehen hatte. Das … das … war doch … Ja! Er gehörte zu Davis Freunden!

»Hey!«, stieß Mike aus, mehr verwundert als erfreut. Denn noch wusste er nicht so recht, wie er es deuten sollte, hier doch auf Davis Gruppe zu treffen. Im nächsten Augenblick erschien auch Davi wie aus dem Nichts. Nicht einmal ansatzweise hatte Mike erkennen können, woher die indigenen Jungs kamen: Nicht ein Strauch hatte sich bewegt, kein Geräusch war an sein Ohr gedrungen. Die beiden waren schlicht nicht da gewesen, und in der nächsten Sekunde standen sie vor ihm. Ebenso aus dem Nichts tauchten nun auch die anderen auf. Davi kam, wie immer freundlich lächelnd, auf Mike und seine Freunde zu.

»Davi!«, rief Matti. Vor lauter Verblüffung vergaß er, dass die indigenen Jungs auch das brasilianische Portugiesisch nicht verstanden. Trotzdem fragte er, wo sie herkämen, und weshalb sie auf den Hubschrauber geschossen hatten.

Anstelle der Indianer antwortete Elly. »Erinnerst du dich nicht? Sie waren doch vor dem Flugzeug geflüchtet. Ganz zu Anfang, als wir sie getroffen hatten.«

Auch Mike erinnerte sich an die seltsame Situation. Ein Flugzeug war direkt über sie hinweggeflogen. Aber schon als sie den kleinsten Versuch unternommen hatten, sich bemerkbar zu machen, hatten sich die Indianer auf sie gestürzt, sie in die Büsche gezerrt und sich mit ihnen vor der »Höllenmaschine« versteckt, für die sie das Flugzeug gehalten haben mussten.

»Aber wir haben ihnen doch inzwischen erklärt, dass das Freunde sind«, jammerte Mike. »Freunde und unsere Retter!«

»Vielleicht haben sie es nicht verstanden?«, sagte Gabriel betrübt. »O Mann, das ist schon das zweite Mal, dass die unsere Rettung verhindert haben.«

Davi und die anderen indigenen Jungs standen immer noch vor ihnen und schauten in aller Ruhe zu, wie die weißen Kinder sich unterhielten, ohne dass sie ein Wort verstanden. Als Davi den Eindruck hatte, dass sich die Kinder nichts mehr zu sagen hatten, bedeutete er ihnen mit einer winkenden Handbewegung, ihm zu folgen, und ging los. Die anderen Jungs folgten ihm schweigend.

»Er will uns etwas zeigen«, vermutete Matti. Auch er setzte sich in Bewegung, um den Indianern zu folgen.

»Warte!« Elly blieb stehen. »Vielleicht kommt der Hubschrauber zurück. Ich meine, die wollten uns retten. Der haut doch jetzt nicht einfach so ab und kommt nicht wieder! Wir sollten hier auf ihn warten!«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragte Gabriel. »Selbst wenn er zurückkehrt, können die uns nicht sehen.« Er zeigte hinauf in die dichten Baumkronen, durch die man so gut wie nichts vom Himmel sah. »Wir müssten zurück in den Fluss.«

Elly wusste, was Gabriel meinte: Der Fluss war durch die Regenmassen längst zu einem reißenden Strom geworden. Mit jedem Schauer würde es schlimmer werden. Sie hatten es nur mit Glück und äußerster Kraftanstrengung bis ans Ufer geschafft. Ihre Kanus waren gekentert und abgetrieben. Ihre Ausrüstung hatten sie verloren, bis auf das wenige, das sie am Leib trugen. Ein Zurück gab es nicht. Der Hubschrauber war ihre einzige Chance gewesen. Und diese war nun vertan. Von nun an mussten sie es wieder allein bis in die Zivilisation schaffen. Sie konnten nur hoffen, dass sie nicht mehr allzu weit entfernt war.

»Du hast recht«, gab Elly gegenüber Gabriel zu. »So, wie es aussieht, ist das Beste, was wir tun können, Davi und seinen Jungs zu folgen. Obwohl sie uns gerade unsere Rettung versaut haben. Es fällt mir echt schwer, nicht total sauer auf sie zu sein.«

»Geht mir auch so«, bekannte Mike. »Auch wenn sie es nicht besser wissen. Wieso haben sie uns nicht einfach vertraut? Ich meine, die müssen doch gesehen haben, dass wir dem Hubschrauber zugewinkt haben und nicht vor ihm abgehauen sind.«

»Das weiß ich auch nicht«, sagte Matti nachdenklich. »Trotzdem hat Elly recht. Jetzt bleibt uns erst einmal nichts übrig, als ihnen zu folgen.«

Wieder hatte Davi auf sie gewartet und setzte nun seinen Weg fort. Mike, Elly, Matti und Gabriel trotteten den indigenen Jungs hinterher, ohne eine Ahnung zu haben, was die von ihnen wollten, oder wohin sie nun geführt wurden. Sie wussten nur: Solange sie bei den Indianern blieben, würden sie überleben. Sogar vor einer schlimmen Krankheit hatten die Indianer sie schon einmal gerettet. Aber warum waren Davi und seine Freunde in diesen Teil des Dschungels gekommen? Ihr Volk musste sich einige Tagesmärsche entfernt befinden. Mindestens. Sie hatten sich doch von ihnen verabschiedet – ein Abschied für immer, das war allen klar gewesen.

Waren Davi und seine Jungs ihnen trotzdem weiter gefolgt? Weshalb? Oder war ihre jetzige Begegnung purer Zufall gewesen? Das konnte sich Mike nicht vorstellen.

Ihr kleiner Fußmarsch durch den weichen, morastigen Boden dauerte nicht lange. Davi und seine Freunde fanden schnell und geschickt den Weg durchs überschwemmte Gebiet. Und noch während sie sich über Baumwurzeln, Gestrüpp und Hügel durch die sich ausbreitenden Wassermassen hindurchschlängelten, konnte man schon absehen, dass auch dieser Weg in Kürze tief unter Wasser liegen würde. Umso erstaunlicher fand Mike es, dass die Indianer ihnen scheinbar weiter und weiter gefolgt waren. Schließlich war die Gefahr, dass sie selbst nicht mehr zu ihrem Stamm zurückkehren konnten, recht hoch, schätzte Mike.

Sie erreichten eine kleine Anhöhe, die das Wasser noch nicht eingenommen hatte, und Mike dachte schon, sie würden dort eine kurze Rast einlegen und vielleicht besprechen, wie und wohin es weitergehen sollte. Denn nur hier auf der Anhöhe war es noch möglich, sich mittels Zeichnungen in der Erde miteinander zu verständigen – die einfachste Methode, um mit den Indianern Informationen auszutauschen. Mike schaute sich schon nach einem Zweig um, den er benutzen könnte, als Davi auf etwas zeigte, das er selbst wohl zuvor dort in die Astgabelung gelegt hatte.

Mike stockte der Atem. Und Matti platzte laut heraus: »Ein Funkgerät!«

Er konnte sein Glück kaum fassen.

Auch Mikes Herz schlug bei diesem Anblick höher. Sofort war ihm klar, dass dieses Gerät ihre Rettung bedeutete. Sie konnten damit Hilfe rufen. Vermutlich waren sie direkt mit einem Hubschrauberpiloten verbunden und …

Matti sprang auf das Gerät zu, doch Davi hielt ihn zurück und zeigte eine besorgte, ja, fast schon verängstigte Miene. Matti versuchte, ihn freundlich abzuschütteln und sprach auf Portugiesisch auf ihn ein. Gabriel übersetzte es leise für Elly und Mike.

»Er sagt ihnen, dass das Funkgerät gut ist, weil wir damit unsere Freunde rufen können. Das ist unsere Rettung!«

Mike nickte zustimmend, hatte aber wenig Hoffnung, dass Davi oder die anderen indigenen Jungs Matti verstehen würden. Ihnen war es eigentlich egal, ob jemand portugiesisch oder deutsch mit ihnen sprach, sie beherrschten keine dieser Sprachen. Das wusste Mike. Und Matti eigentlich auch. Entsprechend zeigte sich Davi von Mattis Wortschwall wenig beeindruckt. Ungerührt deutete er immer noch auf das Funkgerät, wobei er aber einen gewissen Abstand dazu hielt.

Plötzlich schnarrte es los, und jemand sprach zu ihnen.

Davi und seine Jungs sprangen zurück und hielten sofort ihre Speere und Bogen kampfbereit vor sich.

Matti hob die Hände und versuchte nun, in einem möglichst beruhigenden Ton zu sprechen. »Alles gut. Es sind Freunde!«

Er sagte es wieder in beiden Sprachen: Portugiesisch und Deutsch. Nur die Stammessprache konnte er leider nicht. Bedächtig näherte er sich dem Gerät, nahm es vom Baum in seine Hand, hielt es behutsam hoch. Davi ließ ihn gewähren.

Matti lauschte.

Nach einem Schnarren meldete sich erneut jemand.

»Alô? Ramon? Alô??«

Ramon? Wer ist Ramon?, fragte sich Mike. Und plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf.

Matti suchte nach der Sprechtaste und wollte antworten. Doch Mike entriss ihm schnell das Funkgerät.

»Hey!«, beschwerte sich Matti. »Was soll …?«

»Nicht!«, befahl Mike entschieden.

Auch seine Schwester konnte nicht verstehen, was Mike da trieb. »Was soll das, Mike? Wir können Hilfe rufen!«

»Nein!«, widersprach Mike. »Glaube ich nicht.«

»Was? Wieso nicht?« Elly schaute fragend zu Matti und Gabriel. Aber die konnten Mike auch nicht folgen. Im Gegenteil: Matti ging auf ihn zu, streckte seine rechte Hand aus und forderte den Apparat zurück. »Gib her!«

Mike weigerte sich. »Nein! Habt ihr euch mal überlegt, wem das Funkgerät gehört?«

»Wieso? Das …«, setzte Elly zu einer Antwort an.

Doch Mike wartete nicht ab. »Den Männern im Hubschrauber wohl kaum! Denn die sind ja gar nicht gelandet. Und hier unten …«

»… war niemand, der uns retten wollte«, ergänzte Matti, der allmählich begriff, was Mike sagen wollte. »Sondern nur …«

»Die Gangster!«, ergriff Mike wieder das Wort. »Genau!«

Matti, Gabriel und Elly schauten sich einen Augenblick stumm und entsetzt an.

Bis Elly sagte: »Ach du meine Güte! Mike hat recht. Das Funkgerät gehört den Banditen!«

»Alô?? Ramon? Alô?«, schnarrte es wieder aus dem Apparat.

Langsam drehte sich Matti und wandte sich wieder Davi zu. »Woher habt ihr es?«

Davi verstand die Frage natürlich nicht und schwieg. Wie seine Freunde stand er nur da und beobachtete, wie die weißen Freunde auf das ihnen fremde Gerät reagierten.

»Ich nehme an, sie haben es gefunden«, lautete Mikes Vermutung. »Dann sprach jemand daraus, sie haben es mit der Angst zu tun bekommen und uns geholt!«

Die Vermutung ihres Bruders klang logisch, fand Elly.

Doch Gabriel schüttelte den Kopf und deutete auf einen etwa mannshohen Strauch. »Seht mal!«

Mike konnte nichts Besonderes entdecken.

Bis Gabriel präzisierte: »Darunter!«

Mike senkte den Blick und erkannte nun, was Gabriel ihnen zeigte. Aus dem Gebüsch ragten zwei bestiefelte Füße heraus, mit den Fußspitzen nach oben. Da lag einer der Banditen.

»Ist er tot?«, fragte Elly.

»Keine Ahnung«, antwortete Matti. »Vermutlich ja.«

Und damit war ihm klar: »Das Funkgerät ist also ihre Beute. Sie haben die Banditen besiegt und es ihnen abgenommen. Bis es anfing zu schnarren.« Matti schaute nun zu Elly. »Was das angeht, könntest du recht haben, Elly. Sie wollten es uns zeigen, weil sie annahmen, dass wir wissen, was das ist, und ob es gefährlich ist. Und den Hubschrauber haben sie angegriffen, weil sie wussten, dass er den Banditen gehört.«

»Sie haben also nicht unsere Rettung verhindert, sondern im Gegenteil: Sie haben uns gerettet!«, stellte Elly nun fest. »Du meine Güte!«

Die anderen nickten verlegen. Elly hatte recht. Genau so musste es abgelaufen sein.

»Peinlich!«, fand Mike. »Wir müssen uns bei Davi entschuldigen.«

Matti winkte ab. »Er hat uns ja ohnehin nicht verstanden.«

Mike hatte dennoch den Eindruck, dass Davi erahnte, worüber die weißen Kinder diskutierten.

»Okay!«, sagte Mike. »Jetzt wissen wir zumindest, der Hubschrauber war nicht gekommen, um uns zu retten, sondern wohl eher, um uns daran zu hindern, nach Hause zurückzukehren. Wir haben zu viel gesehen und könnten den Standort der illegalen Drogenlabore verraten.«

»Den Standort verraten?« Mike lachte laut auf. »Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Ich bräuchte nur hundert Meter geradeaus laufen und würde diese Stelle vermutlich nie wieder finden. Schon gar nicht von Manaus aus. Wie sollte ich da etwas verraten?«

»Mike hat recht!«, stimmte Elly ihm zu. »Es wäre bestimmt nicht so einfach, die Banditen wieder aufzuspüren. Obwohl ich sie gerne der Polizei ausliefern würde.«

Gabriel allerdings dachte bei sich, dass ihm diese Gangster sicher egal wären, wenn er nur endlich wieder zu Hause sein könnte.

Auch Gabriel gab zu: Diese Gangster wären ihm herzlich egal, wenn er nur endlich wieder zu Hause sein könnte.

Aber sie waren nicht zu Hause. Und sie wussten nach wie vor nicht, ob sie es überhaupt jemals zurück zu ihren Eltern schaffen würden. Sie standen wieder einmal am Anfang, begannen wieder bei null; ohne die geringste Ahnung, wo genau sie sich befanden und wie weit es bis ins nächste Dorf, geschweige denn bis nach Hause war. Es war gut möglich, dass sie sich die ganzen Tage und Wochen, die sie bereits unterwegs waren, immer weiter weg von ihrem Ziel fortbewegt hatten, ohne es zu wissen oder zu merken. Sie wussten ja nicht einmal, wie lange sie schon im Dschungel waren. Sie hatten jegliches Zeitgefühl verloren. Und auch kein Handy bei sich. Selbst wenn sie noch eines gehabt hätten, wäre der Akku längst leer gewesen. Sie hätten also nicht einmal das Datum nachschauen können.

Mike hatte zwar trotz aller Gefahren und Widrigkeiten sein Survival-Buch retten können, aber viel mehr war ihm nicht geblieben. Seinen Überlebensgürtel, der ihm so wertvolle Dienste hätte leisten können, hatte er ebenso verloren wie seine Armbanduhr. Die ersten Banditen, denen sie begegnet waren, hatten ihnen alle Wertgegenstände abgenommen. Und später hatten sie ihre Ausrüstung im Fluss verloren. Mike wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte.

Die indigenen Jungs standen still da, so als warteten sie, endlich mit ihnen weiterziehen zu können. Tatsächlich gab Davi ein Zeichen zum Aufbruch. Und obwohl niemand wusste, wohin der Weg nun führen sollte, fragte niemand. Denn allen vier Kindern war klar: Ohne die Indianer waren sie in dem Wasserlabyrinth des Urwaldes verloren.

Mike warf noch einen Blick auf die Stiefel des niedergestreckten Banditen, die aus dem Busch herausragten. Er fragte sich, ob sie einem von ihnen passen würden. Er selbst trug noch immer seine knöchelhohen, schweren Wanderstiefel, für die seine Schwester ihn ausgelacht hatte, als sie vor Wochen zu einem kleinen Rundflug aufgebrochen waren. So schwer ihm das Schwimmen in den Stiefeln auch gefallen war, sie hatten ihm die ganze Zeit besten Schutz geliefert. Ellys leichte Sportschuhe hingegen waren wasserdurchtränkt und nach den Strapazen ihres Weges durch den Dschungel recht zerschlissen. Die Stiefel des Mannes sahen zwar auch schon recht mitgenommen aus, aber besser als Ellys Schuhe waren sie allemal.

Mike kniete sich hin und zog dem Mann einen Stiefel aus.

»Was tust du da?«, fragte Elly.

»Welche Schuhgröße hast du?«, fragte er zurück.

»38!«, antwortete Elly. »Wieso?«

Mike verzog das Gesicht. »Schade. Der Mann hier hat noch kleinere Füße: 36.«

»Das ist dann 38 bei euch!«, korrigierte Gabriel. »Wir haben in Brasilien andere Schuhgrößen. Meine Oma hat mir mal Sneakers aus Deutschland geschickt. Die passten dann leider nur Matti.«

»Die waren super!«, lachte Matti. »Aber die Stiefel könnten dir passen, Elly!«

In einem ersten Impuls wollte Elly ablehnen, die alten Schuhe einer Leiche aufzutragen, doch ein Blick auf ihre nassen Füße in den aufgeweichten, zerrissenen Sportschuhen belehrte sie eines Besseren.

»Du meinst …?«

Ihr Bruder nickte ihr aufmunternd zu und lud sie mit einer Handbewegung wie ein Schuhverkäufer freundlich zur Anprobe ein.

Nachdem sie beide Stiefel angezogen hatte, rief Elly freudig: »Sie passen wirklich!«

Davi und seine Jungs beobachteten den »Schuhkauf« mit grinsenden Gesichtern. Zwischendurch riefen sie sich etwas zu und kicherten.

»Machen die sich etwa über uns lustig, weil wir Schuhe tragen?«, empörte sich Gabriel.

»Das kann ich gut verstehen!«, gab Elly zu. »Trotzdem möchte ich nicht wie sie barfuß durch den Dschungel laufen.«

»Jetzt sollten wir aber zusehen, dass wir hier wegkommen«, drängte Matti. »Bevor der Typ aufwacht.«

Elly schreckte zurück. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Sie hatte den Mann für tot gehalten. Aber Matti hatte recht. Das konnten sie gar nicht wissen. Und jetzt, wo sie drüber nachdachte, wäre es ihr sogar sehr viel lieber gewesen, wenn der Mann noch lebte, obwohl er für sie dann gefährlich werden konnte.

»Sollen wir trotzdem nachgucken, ob wir nicht noch etwas von ihm brauchen können?«, fragte Gabriel.

Mike hielt das für eine gute Idee. Ohne abzuwarten, was die anderen dazu sagten, krabbelte er tiefer in den Busch hinein, dann stoppte er abrupt.