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"Sie drückt ihren Unterleib an ihn und lässt eine Hand seinen verschwitzten Rücken hinaufwandern, während ihre Küsse immer gieriger werden. Er saugt und beißt sie leicht in die Lippe, dann küsst er sie am Hals und gelangt zu ihrem Ohr, beißt sie ins Ohrläppchen, lässt seine Zunge damit spielen. Sie genießt das Kitzeln seiner Zunge und den leisen Schmerz, als seine Zähne in ihr Fleisch eindringen. Seine feuchten Atemzüge ganz nah, versetzen ihren Körper in einen sanften Rausch. Sie spürt Lust, ihn in sich zu fühlen. Sein Duft, sein Geschmack, alles. Sie wird ungeduldig. Sie muss ihn haben, voll und ganz. Jetzt."Katrine freut sich auf einen ruhigen Nachmittag, den sie zum ersten Mal seit langer Zeit alleine und mit ihrem englischen Lieblingsklassiker verbringen möchte. Doch schnell wird sie müde und schläft ein. Plötzlich befindet sie sich in einem dunklen Wald, der zu einer kleinen Hütte führt. Als ein großer, gutaussehender Mann ihr die Tür öffnet, tritt sie ein und erlebt das Abenteuer ihres Lebens ...Die Sammlung von Kurzgeschichten enthält: Neue ErfahrungenDas erste MalDer Ballettmeister Sex and SensibilityDer Ski-FlirtGlückwunsch, SchatzIn der Gewalt meines Herrn Das Spielzeug meiner MitbewohnerinNachbarschaftshilfeBesessen von Owen GrayFleischTinder-TaxiLesbische TräumeDas Spiel mit Mr. XDer HandwerkerDie EinladungEin neuer FreundDas PowerpaarDer Feminist Brunch und Multiorgasmen-
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Seitenzahl: 409
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LUST Authors
LUST
Sweet Release: Eine Sammlung erotischer Kurzgeschichten von Erika Lust
Original:
Neue Erfahrungen – Compilation
Übersetzer: LUST Translators Copyright © 2022, LUST, an imprint of SAGA Egmont, Copenhagen All rights reserved ISBN: 9788728180143
1. E-book Auflage, 2022 Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von LUST gestattet.
Ich hatte Sophia nichts sagen wollen. Seit ich eine neue Bekanntschaft zuletzt über meine Jungfräulichkeit in Kenntnis gesetzt habe, sind viele Jahre vergangen. Viel zu viele nervige Sonderangebote und der ständige Strom von ‚was ist mit der da, die sieht doch toll aus?‘ haben mich gelehrt, zuzumachen – und es über mich ergehen zu lassen. Denn obwohl ich mit Mitte zwanzig sicher ungeduldig auf meine erste richtige Nummer warte, bin ich in keiner Weise verzweifelt. Ich bin nämlich auf eine richtige Nummer aus. Nicht nur auf irgendeine zufällige Gelegenheit, um meine Lust zu stillen. In diesem Fall würde ich mich lieber weiter mit meiner rechten Hand zufriedengeben.
Trotzdem weihte ich Sophia letzte Woche ein. Bei der ersten Party mit den neuen Kollegen. Wir waren gerade beim dritten Drink angelangt, und während die anderen Frauen auf der Tanzfläche die Sau rausließen, schloss Sophia ihre vollen, feuchten Lippen um ihren Strohhalm und schenkte mir einen langen Blick, während sie an ihrem Daiquiri nippte. Die Lust ergriff mein Fleisch, und verwirrt nahm ich einen Schluck von meinem Stout.
Sie ließ vom Strohhalm ab. Griff ihn stattdessen mit ihren schlanken, braungebrannten Fingern und rührte ihn durch die rosa Zuckermischung.
„Na … lässt es sich aushalten?“, grinste sie.
Ich musste aussehen wie ein verwirrtes Fragezeichen, denn mein Gesichtsausdruck brachte sie noch mehr zum Lachen.
„Ja, also, der Hahn im Korb zu sein? So ganz allein auf dem Hühnerhof, umgeben von lauter Frauen?“
Ich hustete. Trank noch einen Schluck Bier.
„Doch, doch. Es geht“, stammelte ich.
„Gut.“ Sie blinzelte. „Du wirkst nämlich auch nicht wie einer, der Probleme mit Frauen hat.“
Ihre nussbraunen Augen funkelten schelmisch. Sie warf ihr langes, dunkles Haar zurück, lehnte den Oberkörper über die Tischkante, schnappte sich wieder den Strohhalm und saugte daran. Die figurbetonte Bluse öffnete sich über ihrer Brust und entblößte ein strammes Dekolleté, von dem ich nur schwer die Augen lassen konnte. Doch das war vermutlich auch nicht ihre Absicht.
Und so kam es, dass ich etwas sagte. Über diese eine Sache. Genau da setzt meine Unerfahrenheit nämlich ein. Ich sehe wirklich nicht so aus, als hätte ich Probleme mit Frauen. Ich habe einen stämmigen Oberkörper, die Sommersonne schmeichelt meiner Haut, und meine dunklen Augen durchzieht ein grüner Schimmer, wofür die Frauen mir immer Komplimente machen.
Tatsächlich empfand ich in diesem Moment einen noch nie dagewesenen Leistungsdruck. Sophia war einfach so unverschämt, ihre Bemerkungen und Körpersprache unmöglich misszuverstehen. Nicht einmal für einen Anfänger wie mich. Aber ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, ihre Erwartungen an mich nicht erfüllen zu können. In ihren Augen war ich sicher ein wildes Tier, das ohne Probleme die Kontrolle übernahm und ihre Vagina ordentlich durchnahm … Also sagte ich etwas. Und sie änderte dabei weder die Körperhaltung, noch ihren Blick. Saugte bloß noch kräftiger an ihrem Drink und leerte das Glas. Dann ergriff sie meine Hand und entführte mich auf die Tanzfläche, wo wir bis spät in die Nacht herumalberten, und ich notgedrungen nach Hause gehen musste.
„Meine Eltern kommen morgen“, erklärte ich. „Ein vorgezogener Geburtstag.“
„Wann hast du Geburtstag?“, fragte sie.
„Am Mittwoch.“
Sie drückte mir einen Abschiedskuss auf die Wange. Meine Haut kochte vor Hoffnung.
„Auf ein neues Jahr. Und neue Erfahrungen, die kommen werden, wenn man sie am wenigsten erwartet“, flüsterte sie mir ins Ohr.
Am Montag verhielt Sophia sich wie jede andere Kollegin – höflich und professionell. Aber ich konnte nicht aufhören, an ihren heißen Abschiedsgruß von Freitagabend zu denken. Die Worte rumorten angenehm unruhig in meinem Kopf. „Ein neues Jahr“ erklärte sich von selbst, aber „neue Erfahrungen“ – was meinte sie damit? War das nur eine Anspielung darauf, dass ich neu hier war? Oder steckte etwas anderes dahinter? Es fiel mir schwer, es nicht zweideutig zu verstehen. Doch das wiederum wäre zu schön um wahr zu sein …
Am Dienstag war es nicht anders. Doch hier und jetzt am Mittwochmorgen zittert meine Haut vor Vorfreude, und ich kümmere mich im Bad um alles, damit ich vollkommen bereit bin, wenn … Ich nehme den Rasierer und rasiere mich rundum glatt. Hole mir schnell einen runter, damit ich mich nicht zu schnell erleichtere, falls Sophia wirklich das gleiche im Sinn hat wie ich. Dann gehe ich ins Schlafzimmer, ziehe mein bestes Hemd an und binde den Schlips um den Hals. Normalerweise trage ich Polohemden im Büro, aber heute ist etwas anderes angesagt. Glaube ich.
Ich fange den grünen Schimmer meiner Augen im Spiegelschrank ein. Denke mir, dass ich so aussehe, als hätte ich die wildesten Pläne. Und vielleicht habe ich die auch? Wer weiß? Ich bin auf jeden Fall bereit für neue Zeiten. Und neue Erfahrungen …
Die U-Bahnfahrt lässt mich in Fantasien über Sophia versinken. Ihre Haut, ihr Duft. Ich spüre ihre Existenz nahezu in meiner, so deutlich steht sie vor mir.
Die Tagträume lassen mich so weit abdriften, dass ich beinahe meine Haltestelle verpasse. Aber ich merke es noch rechtzeitig. Springe die Treppenstufen nach oben, decke mich beim Bäcker mit Brötchen ein und steige in den Fahrstuhl zum Büro.
Als sich die Tür im dritten Stock öffnet, ist alles wie immer. Die Empfangsdame lächelt mich an. Dann aber erblicken ihre Augen das Gebäck. Schnell klickt sie ein paar Mal auf den Bildschirm.
„Herzlichen Glückwunsch!“, ruft sie da. „Zum Sechsundzwanzigsten!“
„Danke! Das konntest du einfach so im Kopf, was?“, lächle ich.
Sie läuft rosa an, steht auf und kommt auf mich zu.
„Lass es mich anrichten“, grinst sie und nimmt mir das Frühstück ab.
Ich gehe zu meinem Platz. Die meisten sind schon voll im Gang, aber Sophia kann ich nirgendwo entdecken.
„Ein heißes Date heute Abend?“ Amanda zwinkert mir vom Arbeitsplatz gegenüber zu.
„Vielleicht“, grinse ich. Ein wenig verlegen wegen des Hemds und des Schlipses.
Sie erwidert mein Lachen.
Die Empfangsdame kommt mit einer Geburtstagsflagge angerannt. Stellt sie auf meinen Schreibtisch.
„Besser spät als nie“, hustet sie atemlos.
„Ach Gott, Entschuldigung!“, lacht Amanda. „Deswegen bist du so gut angezogen. Alles Gute!“
Ich breite die Arme aus. Die Verlegenheit blättert ab.
Dann machen wir uns an die Arbeit. Telefone klingeln, E-Mails werden beantwortet. Leute rennen von Besprechung zu Besprechung. Aber Sophie ist immer noch nicht aufgetaucht.
Nun steht wieder die Empfangsdame vor mir, diesmal mit einem großen Blumenstrauß in den Armen.
„Hier ein paar schöne Blumen für das Geburtstagskind“, trällert sie und überreicht mir die Zusammenstellung voller oranger Papageienblumen, etwas Grün und ein paar lila Blumen, die ich nicht beim Namen kenne.
„Vielen Dank“, entgegne ich.
„Nicht bei uns“, sagt die Empfangsdame. „Der Strauß kommt nicht von hier. Ist gerade eben geschickt worden.“
Sie macht kehrt und verschwindet.
Amanda ist zu beschäftigt, um einen Kommentar abzugeben. Ich fische einen winzigen, weinroten Umschlag aus dem Cellophan. Darin steckt ein rechteckiges Stück rosa Kartonpapier mit einer computergeschriebenen Nachricht.
Herzlichen Glückwunsch von einer Kollegin! Ich weiß ja, dass du Jungfrau bist. Triff mich nach Betriebsschluss im Lager. Um 21 Uhr, da können wir sicher sein, dass alle gegangen sind.
Küsse von einer Überraschung
Meine Haut wird zur Sauna, und als ich die Karte umdrehe, bin ich kurz davor zu schmelzen. Denn mitten auf der Rückseite leuchtet ein knallroter Kussmund. Ich drehe und wende die Karte. Mein Puls sprintet davon. Dahinter muss Sophia stecken, denke ich aufgeregt.
Amanda schaut vom Bildschirm auf und reckt den Hals.
„Nein, wie hübsch“, sagt sie. „Von wem ist sie?“
Ich räuspere mich und laufe vermutlich rot an, denn ehe ich mir eine Erklärung zusammenbasteln kann, stellt sie kichernd fest:
„Doch nicht etwa von jemand ganz besonderem?!“
Dann zwinkert sie und stürzt sich wieder in die Arbeit.
Ich sollte auch langsam mal anfangen. Stattdessen lasse ich meinen Blick durch den Großraum schweifen. Alle anderen arbeiten auf Hochtouren. Ich höre Sätze wie „ich brauche das unbedingt bis Montag, aber ich schätze, daraus wird nichts?“ und „wir müssen alles geben, um die Deadline zu schaffen, sonst …“.
Mir ist klar, dass ich sie nicht länger vor mir herschieben sollte, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Vielleicht kann ich Ruhe finden, wenn ich herausfinde, wo Sophia ist. Ich lege die Hand auf die Maus. Versuche, auf ihren Kalender zuzugreifen, doch entweder habe ich das IT-System noch nicht richtig im Griff, oder man hat mir noch keinen Zugangscode erteilt.
Ich lasse die Maus los und lasse meinen Blick über die anderen schweifen. Forsche und grüble. Wer könnte etwas wissen? Hängt alles zusammen, wie ich hoffe?
Vielleicht starre ich ein bisschen zu lang, denn einige der Damen wirken auf einmal verlegen. Dabei kann ich nicht vermeiden, alles Mögliche in ihre Mimik hineinzulesen. Sogar in Amandas. Steckt mehr in ihrem flüchtigen Lächeln? Was hatte es mit der neckischen Befragung über mein Outfit, meine Pläne heute Abend und den Absender der Blumen auf sich? Sind sie in Wirklichkeit von ihr?
Meine herannahende Erektion erschlafft, und ich verspüre massive Enttäuschung bei dem Gedanken daran, dass die Blumen womöglich doch nicht von Sophia sind. Ist die Fantasie mit mir durchgegangen?
Die Blumen vor mir sind unter keinen Umständen erfunden, und die Karte bestimmt auch nicht meiner Fantasie entsprungen. Aber der Zusammenhang? Stelle nur ich eine fiktive Verbindung zwischen Freitagabend und der Einladung heute her?
Ich schaue auf. Jetzt ist Sophia endlich da – auf dem Weg durch die Tür und in Begleitung eines externen Lieferanten. Sie sind mitten im Gespräch, aber ihr Blick trifft meinen. Ich lächle, versuche Verbundenheit zu signalisieren. Sie erwidert das Lächeln, aber ich weiß nicht, wie ich es einschätzen soll. Ist es einladend? Bestätigend? Oder ganz neutral?
Stattdessen stehe ich auf und gehe zur Toilette. Spritze mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und atme tief durch. Dann mache ich mich auf den Rückweg.
„Im großen Schrank rechts von der Kaffeemaschine sind Vasen“, flüstert die Empfangsdame mir zu, während sie die Hand über das Mikrofon ihres Headsets hält.
„Danke“, flüstere ich zurück und ändere meine Richtung zur Kantine, wo ich eine große Vase hole und mit Wasser fülle.
Zurück an meinem Platz stelle ich die Blumen hinein.
Sophia ist an ihrem Computer vollkommen in die Arbeit vertieft. Sie scheint mich nicht zu bemerken.
Ich lege die Hände auf die Tastatur. Wackle ein bisschen mit der Maus. Es scheint unvermeidbar, mit der Arbeit zu beginnen. Obwohl ich versuche, es zu lassen, wandert mein Blick schon wieder von Kollegin zu Kollegin. Ich hätte so gern eine Bestätigung, dass die tolle Nachricht von Sophia stammt. Doch je mehr ich nach einer suche, desto unwahrscheinlicher wirkt das. Denn sie sucht meinen Blick nicht mehr. Auch ihre Kleidung deutet nicht darauf hin, dass sie heute Abend etwas Besonderes vorhat. Ich glaube, sie ist eine, die immer etwas mehr gönnt, wenn sie ausgeht. Nicht, dass sie jetzt nicht gut aussehen würde. Das tut sie schließlich immer. Sie wirkt nur so vollkommen casual. Eine dünne, zugeknöpfte Strickjacke, das Haar etwas hochgesteckt wie bei einer Sekretärin. Würde sie nicht etwas mehr Wildtier ausstrahlen, wenn sie wirklich vorhätte, heute Abend mit mir das zu machen, was ich mir erhoffe? Wäre das nicht eher ihr Stil?
Ich fülle meine Wangen wie einen Ballon mit Luft und atme langsam aus. Mein Blick flackert. Ich stelle fest, dass Magda, die mich schräg gegenüber mit einem mürrischen Gesichtsausdruck zurechtweist, mit aller Wahrscheinlichkeit nicht hinter der anregenden Einladung steckt.
Meine Brauen verziehen sich entschuldigend, und ich gehe hinter meinem Bildschirm in Deckung.
Das Postfach füllt sich immer weiter. Während der Vormittag zum Nachmittag wird, lerne ich es zu schätzen, dass ich nicht im Akkord arbeite.
Abwechselnd kratze ich mich abwesend am Kinn und trommle mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Bearbeite nur das Allernötigste und erkläre den Tag schließlich für verloren. Solange es wenigstens so aussieht, als ob ich arbeite – und ich den Rest morgen aufhole – geht das schon.
Der Nachmittag wird zum Abend, und mit den Stunden schwinden auch die Kolleginnen. Schläfrig erledige ich das absolute Minimum, heimse für meine Konzentration aber trotzdem Lob ein.
„Du musst nun wirklich nicht so hart schuften“, lacht Amanda, als sie zusammenpackt. „Pass lieber auf, dass du auf lange Sicht durchhältst.“
Ich grinse. Vielleicht ein bisschen krankhaft.
„Noch einen schönen Abend jedenfalls“, sagt sie.
„Gleichfalls“, antworte ich.
Ich verfalle beinahe in Panik, als ich bemerke, dass wir nun nur noch zu dritt sind und es sich bei keiner der Angestellten um Sophia handelt. Wie kann das sein? Ist sie in einer Besprechung? Ihr Platz sieht komplett verlassen aus, also scheint diese Erklärung unwahrscheinlich. Ist sie in einem Moment der Unaufmerksamkeit gegangen? Und liegt die Unaufmerksamkeit in diesem Fall auf meiner oder ihrer Seite? Habe ich ihr Auf Wiedersehen überhört? Oder hat mich der Wortwechsel mit Amanda so sehr in Anspruch genommen, dass sie uns nicht unterbrechen wollte? Ich bin verwirrt. Denn ganz egal, ob die Blumen nun von Sophia kommen oder nicht, wäre sie doch nie einfach so gegangen? Erst recht nicht, wenn sie weiß, dass ich Geburtstag habe. Auch wenn sie uns hätte unterbrechen müssen. Meine Gedanken spielen mit den Gesetzen der Logik. Oder dem Mangel an diesen.
Eine Kollegin, an deren Namen ich mich nicht erinnere, verabschiedet sich. Jetzt ist nur noch Frida da.
Der Stundenzeiger passiert die Acht, und Frida hat noch immer nicht von der Tastatur abgelassen. Ihre Fingerspitzen klicken lautstark vor sich hin. Ich spüre bittersüße Enttäuschung. Hat sie mir geschrieben? Oder bleibt sie immer so lange? Woher sollte sie wissen, dass ich Jungfrau bin? Das stand schließlich auf der Karte.
Ich nehme Frida unter die Lupe. Sie ist süß, aber keine Sophia. Die Sternzeichentasse mit Kugelschreibern springt mir ins Auge. Liegt hier der Hund begraben? Meinte sie Jungfrau nur im astrologischen Sinn? Mein Geburtstag ist Ende August, also bin ich Jungfrau in zweierlei Hinsicht. Aber würde Frida wirklich so auf mich zugehen? Sie hat sonst nie Interesse gezeigt, scheint es auch jetzt nicht zu tun. Vielleicht ist ihr Fleiß aber auch nur Tarnung?
Frida haut immer noch in die Tasten. Jetzt ist es viertel nach Acht. Halb Neun. Viertel vor.
Um 20:55 Uhr packt sie zusammen und lächelt.
„Bis dann“, sagt sie.
Ich nicke. Zu stumm, um etwas zu erwidern. Ich brenne darauf, ins Lager zu stürmen, bin aber trotzdem wie festgefroren. Denn was, wenn die Einladung wirklich nicht von Sophia ist …
Das Geräusch einer zuknallenden Tür fängt meine Aufmerksamkeit, doch ich kann nicht sicher sagen, ob es die Tür zur Rezeption ist, die hinter Frida ins Schloss gefallen ist, oder ob der Krach aus dem Lagerraum kommt.
Ich stehe auf. Muss die Geschichte zu Ende bringen. Auch wenn das Enttäuschung bedeutet.
Als ich durch den Gang zum Lager gehe, sehe ich, dass die Tür einen Spaltbreit offensteht, und sich ein schwaches Licht hindurchstiehlt. Ein hoffnungsvoller Schauer überkommt mich. Denn wenn die Tür zum Lager offensteht, kann Frida sie unmöglich zugeknallt haben. Das muss die Tür zum Foyer gewesen sein, Frida ist also definitiv gegangen. Außerdem würde das erklären, warum Sophia sich nie verabschiedet hat …
Ich lasse Füße und Atem Tempo aufnehmen. Erreiche die halbgeöffnete Tür. Vergrößere den Spalt mit den Fingern, aber unmittelbar ist nichts Interessantes zu sehen.
Ich trete ein paar Schritte nach vorne. Nur Regale, Pappkartons und allerlei anderer Bürokram. Die Erkundung nimmt langsam Form eines Scherzgeschenks an – eines, das in einer großen Kiste voller Zeitungspapier steckt, wodurch die Erwartungen in die Höhe getrieben werden, aber nicht wirklich was hergibt.
Ordnungshalber überprüfe ich trotzdem auch die Rückseite des hintersten Regals, und dort steht Sophia! Anziehender und einladender, als ich es mir je hätte erträumen können. Ihr schlanker, braungebrannter Körper ist in unglaublich reizende, knallrote Spitzendessous gekleidet. Um den Busen hat sie eine große, leuchtende Schleife gebunden. Die langen Beine stecken in einem Paar trägerlosen Netzstrümpfen, die Füße in turmhohen, schwarzen Stilettos.
Sie wirft mir einen Blick zu, auf den ich den ganzen Tag gewartet habe. Kommt auf mich zu und legt die Arme um meinen Hals.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Jungfrau“, flüstert sie. „Es ist Zeit für neue Zeiten. Und neue Erfahrungen.“
Ich zittere. Kann mein Glück kaum fassen. All die Jahre. All die Warterei. Das war es wert!
„Entspann dich einfach“, kichert sie. „Wir sind ganz allein.“
Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und küsst mich. Die warme Zunge verwandelt die Sehnsucht zu Erlösung in all meinen Zellen.
Ich lege die Hand in ihren Nacken und erwidere den Kuss. Spüre, wie mein Penis hinter dem Reißverschluss steif wird.
Ohne von meinen Lippen abzulassen, dirigiert sie uns nach draußen. Den Rücken an die Wand gepresst, lasse ich meine Hände über ihre wohlgeformten Hinterbacken gleiten. Sie haben die perfekte Größe – eine für jede Hand.
Ich merke, wie ihre Hand meinen Gürtel öffnet. Dann meine Hose. Ich lecke an ihrem Hals. Sie schmeckt nach Kokos und dem Elixier des Lebens.
Sophias Körper schmiegt sich spielerisch an meinen und schubst mich auf einen Bürostuhl, küsst mich, geht auf alle Viere und macht sich daran, meinen großen, erigierten Penis zu lecken, der jetzt senkrecht steht. Ihre auf und abtanzenden Finger und ihre Zunge erwecken eine Lust in mir, an die meine Hand nie herankommen wird.
Sophia hält inne. Greift nach meinen Hemdknöpfen und öffnet sie einen nach dem anderen. Dann leckt sie gierig meinen Brustkorb. Kneift mich mit sanften Bissen in die Brustwarzen und taucht wieder in meinem Schoß ab. Saugt an meinem Penis, als hätte sie nie etwas anderes getan.
Sie hebt den Kopf. Packt meinen Schlips und zieht mich zu sich. Liebevoll, aber bestimmt – wie man einen Hundewelpen erzieht.
Sie lässt die Leine wieder los. Tätowiert ihre Lust in meine Augen. Taucht wieder hinunter zu meinem Penis, den sie leckt, verschlingt, massiert. In konstant steigendem Tempo.
Mein Körper würde sich so gerne nach hinten lehnen und die Augen schließen, aber ich bin nicht im Stande, mich von dem schönen Anblick von Sophia und dem, was sie mit mir anstellt, zu lösen.
Ich beuge mich nach vorne. Befreie Sophias Busen von der Schleife. Sie lächelt mich an. Leckt über meinen Torso und beißt verspielt in meine Brustwarze.
Dann erhebt sie sich. Ihr Schoß befindet sich nun direkt vor meinem Gesicht. Erwartungsvoll kaue ich auf meiner Unterlippe. Dann ziehe ich ihr Slip und BH aus und lasse sie mich besteigen.
Die straffe Möse fühlt sich wunderbar an. Ihre Brüste schlagen gegen mein Gesicht, während sie mich mit tiefen Stößen reitet.
Sie streckt ihre Hand nach hinten aus und packt meinen Penis am Anschlag. Lässt wieder los und unterzieht die Eier einer ordentlichen Behandlung. Ich stöhne schwer auf. Schnappe spielerisch nach ihrem Kiefer und dem schlanken Hals.
Sophia presst ihren Oberkörper an meinen. Drückt mich tief in den Stuhl, während sie die Arme um meine Schultern legt. Sie sitzt rittlings auf mir. Sie hebt vom Boden ab, und mein Penis verschwindet tiefer in ihr. Ich muss mich fest darauf konzentrieren, nicht zu kommen. Denn obwohl ich scharf darauf bin, in ihr zu explodieren, will ich ganz bestimmt nicht, dass das hier jetzt schon aufhört.
Gierig greife ich nach ihrem Hintern. Lasse meinen Zeigefinger weitergleiten und ihr Arschloch erforschen. Sie keucht. Wir küssen uns heftig.
Mit leicht geöffnetem Mund steigt sie von mir, der Blick eigenommen von Erregung. Sie macht eine Vierteldrehung, leckt sich über die Oberlippe und besteigt mich nun umgekehrt. Beim Anblick von Sophias auf- und abtanzenden Lenden kann ich mich kaum noch halten. Meine Finger flechten sich in ihr weiches Haar, als wären es Zügel, während sie ihre Nägel zur besseren Kontrolle in meine Oberschenkelmuskulatur bohrt. Wir beide stöhnen laut. Treiben es miteinander, als hätten wir nie etwas anderes getan.
Das hier war das Warten zu hundert Prozent wert, denke ich. Es ist genauso, wie ich es mir erhofft habe. Hundert Prozent reine Lust. Nicht nur auf den Sex, sondern aufeinander. Viel zu viele haben Lust auf Sex, nehmen einfach die erstbeste, aber Lust auf Sex miteinander hebt das Ganze auf ein ganz anderes Level.
Sophia zieht jetzt die Beine an und beugt sich vornüber, wodurch sich ihre Scheide noch strammer als zuvor anfühlt. Ich stöhne in Ekstase. Schiebe die Hände unter ihre Schenkel und dirigiere sie noch schneller auf und ab.
Dann ziehe ich sie zu mir, drehe sie ein Stück und knöpfe mir ihre Brust vor. Kneife, sauge und lecke, während sie vor Genuss bebt.
Sie bohrt den linken Stiletto in den Boden und streckt ihr rechtes Bein hoch, wo mein Arm sie genau dort packt, wo der Strumpf endet. Sie legt den Hinterkopf auf meine linke Schulter, und ich küsse ihren Hals.
Nun beugt sie sich wieder nach vorne. All die Stellungen – ich kann mein Glück kaum fassen. Ich habe mir schon gedacht, dass sie gut in Form ist, aber sie ist athletischer, als ich es je gedacht hätte. Ich preise mich selbst glücklich ob aller Solosessions, die ich in den Jahren mit meiner rechten Hand hatte. Nicht auszudenken, wenn ich dieses fantastische Geschenk bekommen und dann nur zwei Sekunden ausgehalten hätte.
Sophia muss wohl das Gleiche gedacht haben, denn sie neigt den Kopf und schaut mich ausgelassen an.
„Ich dachte, du hättest das noch nie gemacht?“, lacht sie. „Aber dein Schwanz stellt Sachen mit mir an, die weit vom Anfängerniveau entfernt sind!“
Ich gurgle vor Erregung. Ziehe sie in den Stand und stelle mich hinter sie. Stupse sie an die Wand. Sie geht leicht in die Knie und streckt mir den Po entgegen. Ich ziehe das Hemd ganz aus. Dringe hart in sie ein. Meine Arme umfassen ihre Schultern, und ich nehme Sophia nun mit voller Kontrolle. Sie schreit vor Freude.
Schnell gleitet mein Penis herein und heraus. Ihre Säfte sickern über meinen Hoden. Die Regale schlagen rhythmisch gegen die Wand.
Sophia ringt nach Luft, während sie die Arme nach mir ausstreckt.
„Komm heraus! Ich will dich schmecken!“, stöhnt sie.
Ich ziehe mich heraus. Sie dreht sich um und kniet nieder. Starrt mich mit erwartungsvoll geöffnetem Mund an, während ich den Orgasmus in alle Glieder strömen spüre und sehe, wie das Sperma auf das Gesicht, den Hals und die Brüste dieser fantastischen Frau spritzt.
Sophia leckt sich die Lippen. Ich bücke mich und küsse sie. Lasse meine Hände ihr Gesicht umschließen. Dann sinken wir auf dem Boden des Lagerraums zusammen.
Am nächsten Tag kreuze ich in aller Frühe auf, um den Rückstand von gestern wieder aufzuholen. Doch zu allererst schicke ich eine Mail mit der Frage an die IT-Abteilung, Zugang zum gemeinsamen Kalender zu erhalten. Damit ich darauf einstellen kann, wann Sophias Geburtstag ist. Dann werde ich mich nämlich sicher um einen großen Blumenstrauß kümmern – und eine rote Schleife für meinen Penis …
Im Park sehe ich Anna überall. In den Spiegelungen der Wasserpfützen, zwischen den Wolken und aus den Baumkronen hervorschauend. Es ist ein komisches Gefühl, dass sie so nah, und doch so fern ist. Zumindest geographisch gesehen. Ich seufze tief und fahre eine Hand durch meine James-Dean-Frisur, die sie immer scherzhaft als schmierige Zuckerwatte bezeichnet hat, aber trotzdem nicht missen wollte.
„Mit dem Haarwachs machst du ja Flecken auf mein Kissen“, lachte sie, als ich zum ersten Mal in ihrer korallenen Bettwäsche lag. Als ich zum ersten Mal überhaupt in fremder Bettwäsche lag. „Aber je länger du hier bleibst, desto besser“, flüsterte sie und tippte mit den Fingerspitzen auf die Fettflecken. „Denn ab jetzt bist du auch hier, wenn du nicht hier bist …“
Sie drückte den Zeigefinger in den Kissenbezug, malte unsichtbare Herzen darauf und dann auf mich. Mein Penis erhob sich in dem Moment, als sich ihr Blick von Unschuld zu Lust wandelte. Wir wussten beide, wo das enden würde, auch wenn keiner von uns es schon mal gemacht hatte. Auch wenn es an diesem Tag noch nichts wurde.
Sie führte die Fingerspitze zu ihren feuchten Lippen und begann an ihr zu saugen – ohne den Blick von meinen hungrigen Augen abzuwenden.
„Muss ich jetzt um Erlösung betteln?“, kicherte sie.
Ich fiel über sie her und küsste sie gierig.
Ich spüre es auf meiner Haut, als wäre es gestern gewesen. Vielleicht fühlt sich deshalb alles so leer an, jetzt, wo Anna weg ist. Es ist, als wäre kein Leben mehr in mir. Keine aktiven Knochen, Muskeln, Zellen und Sehnen. Nur tote Organe, geronnenes Blut und Adern, die wie schlaffe, bordeauxrote Fäden nach unten hängen. Ein totes Herz, das genauso brennend liebt wie zuvor … Wo geht es hin? Und ein Penis, der sich ständig aufstellt, ohne dass Anna ihn empfangen kann? Was soll er tun? „Ihr habt aber nicht Schluss gemacht?“, wandte Marco neulich ein, während wir im Park Basketball spielten.
Er schleuderte den Ball direkt in meine Arme. Verwirrt stolperte ich ein paar Schritte rückwärts. Sammelte mich und schüttelte den Kopf. Denn nein, wir hatten nicht Schluss gemacht. Aber … es ist schwer zu erklären. Ich kann nur soviel sagen, dass ich zum ersten Mal verstehe, was die Leute meinen, wenn sie love hurts sagen, obwohl nach außen hin alles gut aussieht.
Ich beginne, schneller zu gehen. Gehe vom Park auf den Boulevard. Fische mein Handy aus der Hosentasche und checke Annas Instagram-Profil. Nichts Neues. Nicht seit dem Abschiedsfoto vom Flughafen – dem Sonnenuntergang hinter der Tragfläche auf dem Weg nach Oslo.
Ich würde alles dafür geben, sie wieder bei mir zu haben. Zu fühlen, wie die richtige Anna ihren Kopf auf meine Schulter legt. Mich vom Duft ihrer Haut berauschen lassen und den schönen, kurzen Atemzügen lauschen zu können, die immer eine sonisch-meditative Wirkung auf mich haben. Wie das schnarrende Geräusch, das Babys zum Einschlafen brauchen.
Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Auch ihre Nachrichten sind weniger geworden. Das verunsichert mich. Obwohl ich nicht an meiner Liebe zu ihr zweifle. Obwohl wir beide gesagt hatten, dass wir daran festhalten wollten. Aber ich weiß nicht, was ich jetzt erwarten kann. Ihr steht es schließlich auch zu, erst einmal in ihrem alten Haus anzukommen. In ihrem alten Leben …
„Du darfst mich gerne mal besuchen kommen“, sagte sie mit Tränen in den Augen. Es waren die gleichen schön und durchsichtig glänzenden Tropfen, die ihr entwischt waren, als ich ihr zum ersten Mal meine Liebe gestand. Und als wir zuletzt beieinander lagen und die Verbundenheit teilten, die keiner von uns je mit einem anderen erlebt hatte. Die auch keiner von uns je mit einem anderen erleben wollte …
Mir wird ganz warm ums Herz, wenn die Erinnerungen an unsere erste Begegnung meinem toten Innern Leben einhauchen. Die langen Beine, die milchweiße Haut, das wunderschöne, rotblonde Haar, die neugierigen, graugrünen Augen und das Lächeln. Dieses ganz besondere Lächeln, das sie nur mir schenkte. „Oslo“, seufzte ich und lasse mir das Wort auf der Zunge zergehen. „Oslo …“
Es schmeckt kalt, und der Weg von meiner Stadt zu ihrer ist weit. Von Barcelona nach Oslo. Insgesamt 2580,4 Kilometer laut Google. 10.000 Trilliarden laut mir.
Ich befeuchte meine Lippen. Fühle Annas Hand über meine Wange streicheln. Die Sehnsucht geht mir ans Herz, dreht es im Kreis und ist kurz davor, es aufzureißen. Die Adern schnüren sich krampfartig durch meinen Körper wie Wurzeln im Todeskampf. Ich weiß nicht, wie ich sie gießen soll, wenn Anna nicht in meiner Nähe ist.
„Wir sehen uns“, waren ihre letzten Worte vor ihrem Aufbruch. Daran halte ich fest. Das dumpfe Geräusch eines Basketballs, der auf den Bürgersteig prallt, findet Eingang in meine Gedanken. Erst als der Ball mich streift, wird mir klar, dass das kein Traum ist.
„Sorry!“, grinst ein Typ verlegen.
Ich schnappe mir den Ball. Lasse ihn auf dem Zeigefinger rotieren, dribble und werfe ihn zurück. Der Typ bedankt sich. Ich nicke ihm zu. Denke an all die Male, die Anna und ich im Park gespielt haben. Sie war wirklich schlecht. Doch das machte mich nur noch schwächer.
„Ich dachte, du hättest ein paar Jahre gespielt?“, lachte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. Wollte ihr einfach nur nah sein. Und das war einfacher, wenn ich nicht von ihr wegdribbelte.
Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue in den Himmel.
„Wo bist du?“, flüstere ich und höre sie aus der Mitte der Sonne lachen.
Ich fixiere den Blick auf den brennenden Wasserstoff. Niese, als wäre das Abendrot Annas weiches Haar, das mir in der Nase kitzelt.
Ich streichle meine Lippen mit der Zunge. Mit Anna fühlte sich alles so richtig an. Mit ihr fühlt sich alles richtig an …
Ich zeigte ihr Barcelona. Sie liebte die Atmosphäre. Wir lebten von Churros und Liebe. Strichen durch die Straßen, am Strand entlang und durch den Park. Die Zeit stand still, aber alles war belebt.
„Ihr seid so laid-back”, lachte sie mit funkelnden Augen.
„Mañana, mañana“, grinste ich und küsste sie auf die Nasenspitze.
Es bildete den exakten Gegensatz zu den Diplomatenfeiern mit Anna und ihren Eltern, obwohl die auch sehr nett waren. Meine Zuckerwatte wurde strenger, wie die eines Yuppies zurechtgemacht, und dann versuchten wir inmitten der spießig gekleideten Menschen mit ausgeglichenem Lächeln ernst zu bleiben. Wir kosteten von Häppchen und nippten an Cocktails. Spielten mit, als wären wir die Hauptrollen in einem Nordic Noir-Krimi, in dem ein Schwerverbrecher an sein Heimatland ausgeliefert werden soll. Jedoch füllten wir heimlich Drinks in Kannen um und versteckten uns im Keller der Botschaft. Danach gingen wir zu mir. Plauderten bis in die Morgenstunden – über Träume, mich als Drehbuchautor, Anna als Schauspielerin und meine ewige Muse.
„Die erste Liebe ist immer die größte. Auch wenn die nächste noch größer wird“, sagte meine Mutter mit einem Augenzwinkern, als sie Anna zum ersten Mal traf – und verliebte sich genauso Hals über Kopf in sie wie ich.
Anna kicherte verlegen und schmiegte sich an mich. Anschließend wurde das zu unserem Insider. Besonders, wenn wir Churros teilten.
„Ich will den größten“, grinste ich immer.
„Aber meiner soll noch größer sein!“, lachte Anna und machte sich mit der ganzen Tüte aus dem Staub.
Ich rannte ihr hinterher. Umschlang ihren Leib und riss uns in den Sand. Spürte unsere Herzen schlagen, während wir einander den Zucker von den Lippen küssten, in unsere Seele aufnahmen. Mit Anna an meiner Seite wurde alles süßer.
Ich biege um den Wohnblock und gehe auf das Ende des Gebäudes zu. Habe keine Lust, ohne Anna nach Hause zu gehen, also nehme ich stattdessen die Feuertreppe aufs Dach, wo wir immer zusammen in die Sterne geschaut hatten.
Ich lehne den Rücken ans Geländer. Hoffe, dass der Große Wagen heute Abend klar zu sehen ist.
„Von allen Sternbildern ist der Große Wagen am einfachsten zu finden“, grinste Anna, als sie ihre Tätowierung am Unterarm entblößte, während wir beide atemlos im Bett lagen. „Wenn man ihn gefunden hat, findet man auch alle anderen.“
„Ich will keine anderen als dich“, flüsterte ich.
Sie kuschelte sich an mich. Ich drückte meinen Daumen leicht in ihre Haut.
„Hat das nicht wehgetan?“, fragte ich.
„Das ist längst vergessen“, lachte sie.
Ich küsste die dunkelblaue Tinte.
„Das kitzelt“, kicherte sie und vergrub ihre Arme unter meinem Pullover.
„Wenn du dir ein Tattoo stechen lassen würdest, was wäre es?“, fragte sie, während sie wie mit einer Tattoonadel Kreise auf mein Schulterblatt malte.
„Noch nie drüber nachgedacht“, murmelte ich.
„Einen Anker?“, grinste sie. „Eine Rose? Oder ein Bild von deiner Mutter?“
„Eine Anna!“, lachte ich und beugte mich über sie.
Mein Hosenschlitz presste sich an ihren Rock. Sie lief rosa an. Biss mich zärtlich in die Unterlippe und drückte ihre Brüste an meinen Torso.
Ich schaffte es nie, Tinte auf die Haut zu bekommen. Doch mein letzter Tag mit Anna sitzt wie eine Tätowierung in mir. Es zu bekommen tat nicht weh, aber es schmerzt fürchterlich, es mit mir herumzutragen, wenn sie nicht mehr in meiner Nähe ist. Wie eine ewige Hautirritation, die nur Anna wegküssen kann.
Ich trommle mit den Fingern auf das Geländer. Ein Stück Papier steckt zwischen der Stufe, auf der ich sitze, und dem Geländer fest. Ruhelos fummle ich daran herum, während ich an den letzten Tag mit Anna in der Wohnung ihrer Eltern denke. Als wir inmitten der Umzugskartons und dem Gedankenchaos einen Augenblick für uns hatten. Als ich sie zum letzten Mal festhielt …
Sie kochte Tee. Ich beobachtete ihre Bewegungen. Ihre Hand zitterte, als sie mir die warme Tasse reichte.
„Glaubst du, Liebe kennt keine Grenzen?“, fragte sie kleinlaut.
„Jederzeit!“, antwortete ich und nahm ihre Hand.
Sie lächelte. Ließ meine Hand los, legte ihre Hände auf die Tischplatte und setzte sich darauf. Ich stellte mich direkt vor sie. Wir küssten uns. Wussten beide, dass der Zeitpunkt gekommen war. Wir waren schon zusammen nackt gewesen. Hatten einander überall berührt, aber noch nicht den letzten Schritt gewagt. Ich spürte einen starken Drang, eins mit ihr zu sein. Nicht nur neben ihr.
Ich fuhr mit der Hand über ihren Schenkel und unter ihre Shorts. Sie atmete flach, während ich sie auf den Hals küsste. Dann schlang sie die Beine um meinen Leib und legte die Arme in meinen Nacken. Ich hob sie von der Tischplatte und trug sie in ihr Zimmer. Legte sie auf das Bett, das noch nicht abgebaut worden war, und kroch über sie.
Wir küssten uns. Ich ließ meine Lippen ihren Hals hinabwandern, während ich ihre Bluse öffnete und ihre Bauchdecke entblößte. Küsste ihren Nabel, während sie mein Haar verwuschelte. Anna zog zuerst mir, dann sich selbst die Jacke aus. Mein Penis richtete sich noch weiter auf, als ich ihre steifen Brustwarzen unter dem dünnen BH-Stoff sah.
Ich setzte mich auf. Sie setzte sich auf meine Beine, und wir küssten uns. Ich spürte sie an meinem nackten Oberkörper. Dann öffnete sie ihren Gürtel und zog sich die Hose aus. Ich tat es ihr gleich. Ich strich über ihre Lende, während sie den BH von sich warf. Anschließend zogen wir meine Boxershorts herunter.
Ich küsste ihren Körper. Ließ die Zunge ihre Brustwarzen liebkosen und spürte, wie alles in mir bebte. Meine Zunge wanderte über ihren Torso und spürte die herannahende Wärme ihres Schoßes.
Wir kicherten liebevoll, als wir ihr den weißen Slip auszogen und die zarte Schambehaarung zum Vorschein kam. Ich streichelte die Haare, legte dann mein Gesicht zwischen ihren Beinen zurecht.
Meine Zunge ging auf Entdeckungsreise, auf und ab. Alles war neu und aufregend. Und schaffte Abhängigkeit.
Sie schmeckte süß und ein wenig salzig. Meine Zunge glitt nach oben und fand die Klitoris. Anna stöhnte sanft und streichelte meine Wange. Ich begann zu saugen. Ihre Schenkel zitterten, und ihre Hände griffen nach meinen. Wir hielten einander fest, während sie vor Genuss jammerte.
Dann ließ sie meine Hände los. Legte sie an mein Gesicht und zog mich zu sich. Küsste mich auf den Mund und ließ mich wissen, dass ich mich auf den Rücken legen sollte.
Ich schaute gespannt zu ihr auf. Sie setzte sich rittlings auf meine Schenkel und nickte in Richtung Nachttisch. Ich griff nach dem Kondom und zog es über. Sie senkte sich vorsichtig über meinen erwartungsvollen Penis.
Immer tiefer drang ich in sie ein. Ergriff zärtlich ihre Hüften und half ihr auf dem letzten Stück Weg. Ihre Scheide fühlte sich an wie ein angespanntes Loch. Ich stieß vor und zurück, während wir den Blick aufrecht erhielten. Ich hatte nicht gedacht, dass sie noch schöner werden konnte, doch das wurde sie. Meine heißgeliebte Anna.
Sie begann, mich zu reiten. Ihr Unterleib wog vor und zurück, fügte meinem Penis Dinge zu, die die Fähigkeiten meiner Hand überstiegen.
Anna ließ ihren Oberkörper sinken und küsste mich. Immer heftiger. Ich streichelte ihren Hintern.
Dann wechselten wir die Stellung. Einmal. Und noch einmal. Es war süß, zärtlich und wunderbar.
Ich war kurz davor, zu kommen, hielt aber wieder inne. Sie drehte sich auf den Rücken, strich mir außer Atem durch das Haar. Ich erlangte wieder Fassung und legte mich wie eine Decke auf sie, während ich meinen Penis in sie drückte. Sie kraulte meinen Nacken, während sie stöhnend die Augen schloss.
„Ich will dich wieder schmecken“, flüsterte ich, und sie nickte.
Da legte ich mich zwischen ihre Beine und leckte ihre Säfte auf. Fühlte, wie ihre Klitoris gewachsen war. Meine Zunge spielte damit.
„Das kitzelt!“, lachte sie.
Sie legte ihre Hand auf den Schoß und spreizte die Schamlippen. Ich steckte einen Finger in sie. Sie wimmerte und zog mich wieder an sich.
Ich drang in sie ein. Vögelte sie, während sie ihre Beine um meine Hüften schlang und mit den Fingerspitzen über meinen Rücken fuhr. Ich zog das Tempo an, senkte mich tiefer und umarmte sie fest. Ihre Arme bildeten einen Kranz um meinen Hals.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie.
„Ich dich auch“, flüsterte ich zurück. Wie so viele Male zuvor.
Dann wechselten wir wieder die Stellung. Sie setzte sich auf mich, während ich sie von unten nahm. Meine Hände reckten sich nach oben und packten ihre Brüste, die mit unseren Bewegungen tanzten.
Ich war auf diese Gefühle vorbereitet. Hatte Anna lange geliebt. Und das hier war der nächste natürliche Schritt. Aber ich hatte nicht gewusst, dass es sich so gut anfühlen konnte. Das war viel mehr als Sex. Das war eine euphorische Verbundenheit, deren Existenz ich nicht erahnt hatte. Es war magisch.
Anna ging auf alle Viere. Streckte den wohlgeformten Arsch in die Luft, den Oberkörper auf die Matratze gesenkt. Drehte den Kopf zu mir und sah mich an.
„Nimm mich so“, lächelte sie und biss sich keck auf die Lippe.
Ich stieß in sie. Genoss den Anblick ihres Körpers, der vor und zurück schaukelte, während sie leise stöhnte. Wie es sich für ein gutes Mädchen gehörte, das nicht von seinen Eltern erwischt werden wollte.
Sie streckte ihre Hand nach hinten aus und fand meine. Drückte sie fest. Mir fiel es immer schwerer, so still zu bleiben. Kniff die Augen zusammen und senkte mich dicht über sie, während sie die Beine nach hinten streckte. Mein Penis galoppierte in ihre wunderbare Scheide.
Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. Es duftete nach Kokos. Ich ließ die Lippen wandern – küsste mich den ganzen Weg von ihrem Nacken bis zu den Schulterblättern entlang.
„Dreh mich wieder um“, flüsterte sie.
Ich hielt mich im Liegestütz oben, während sie sich unter mir umdrehte. Mein Penis fand seinen Weg schnell wieder. Sie streichelte meinen Brustkorb, während ich damit kämpfte, meine Begeisterung für mich zu behalten.
Die Hände an meinem Gesicht – und uns mit glasigen Blicken anstarrend – kamen wir.
Ihre Finger ließen mich los und fielen auf das verkrumpelte Laken. Ich legte mich neben sie. Wir kuschelten lange. Ich vergaß die Zeit. Sie erschien ewig und wandelbar zugleich.
Ich glaubte nicht daran, dass ich meine Muskeln von hier wegbewegen konnte. Die Liebe hatte sie gelähmt, und das einzige, was sie wollten, war, hier neben Anna zu liegen – meine Hand auf ihrem Brustkorb, um ihr Herz schlagen zu spüren.
Vielleicht ist es mir deshalb schleierhaft, wie wir uns überhaupt verabschiedet haben; wie es uns physisch gelang, einander loszulassen.
Ich versuche, das Stück Papier aus seinem Versteck unter der Treppe zu ziehen. Kratze und reiße daran. Das Stück wird größer, und plötzlich halte ich einen zusammengefalteten Umschlag in der Hand. Außen ist er leer. Keine Schrift. Kein Aufdruck. Rein gar nichts.
Ich öffne die Lasche und ziehe einen Zettel hervor. Ich schrecke zusammen, als ich Annas Handschrift erkenne:
Wenn du das hier liest, bin ich schon weg. Ich bin wieder mit meinen Eltern in Oslo und schreibe dir, um mich zu verabschieden. Ich weiß noch, wie du mich am ersten Abend angeschaut hast, als ich in Barcelona ankam. In deiner Stadt, die für eine Weile zu unserer wurde. Dein Blick sah mich wie kein anderer. Und ich denke an all die Tage, wo Worte überflüssig waren. Wo wir stundenlang dalagen, uns anstarrten und einander so nah waren wie keinem zuvor. Ohne Worte gelang es dir, mich als Teil von etwas ganz Besonderem fühlen zu lassen. Wie ein Teil von uns.
Du warst der schönste Junge auf der ganzen Welt. Und du hast mir gezeigt, dass ich das schönste Mädchen war. Du warst mein bester Freund und meine erste große Liebe. Unseren letzten gemeinsamen Tag werde ich nie vergessen. In der Wohnung. Zwischen den Umzugskartons. Wir haben eine Liebe geteilt, die ich mir nie hätte erträumen können. Etwas in mir ist geschmolzen und hat sich auf ewig mit dir vermischt. Wir sind für immer verbunden. Vielleicht treffen wir uns eines Tages wieder. Doch bis dahin bewahre ich die teuren Erinnerungen in meinem Herzen.
Ich werde dich nie vergessen. Niemals.
So leicht das Papier auch ist, so schwer fühlt sich seine Nachricht an. So gezwungen. Die Tränen kündigen sich an. Warum schreibt sie in der Vergangenheitsform? Und warum „vielleicht“? Das kann unmöglich meine Anna geschrieben haben …
Ich lasse den Blick über die Dächer der Stadt wandern. Meine Haut zittert vor Verlust. Alles was ich will, ist, sie wieder an meiner Seite zu haben. Ihre Haut, ihr Haar, ihren Atem und vor allen Dingen eines: Ihre Liebe zu spüren. Denn wenn Liebe keine Grenzen kennt, warum baut sie dann eine Mauer zwischen uns?
Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und öffne den Messenger.
„Ich vermisse dich“, schreibe ich.
Die drei tanzenden Punkte zeigen, dass sie zurückschreibt. Aber es kommt keine Nachricht. Und plötzlich sind sie verschwunden.
„Bist du da?“, versuche ich es. Doch die Nachricht bleibt ungelesen.
Ich fühle mich wie ein großes gebrochenes Herz. Der späte Abend wird zur Nacht. Die Sterne, auf die ich mich gefreut hatte, fallen gar nicht mehr auf. Alles ist dunkel. Ich starre in den Nachthimmel. Mit einem Mal spüre ich, dass sich etwas verändert, als ein Windzug meine feuchten Wangen trocknet. Ich kann das Gefühl nicht erklären, aber es fühlt sich wie eine Schicksalsbotschaft an. Falls es sowas gibt. Meine Augen entdecken den Großen Wagen, und wenige Sekunden später trifft ein Videoanruf von Anna ein. Tränen laufen über ihre Wangen.
„Schläfst du?“, schnieft sie.
Ich schüttle den Kopf. Schwenke die Linse durch die Umgebung – in den Nachthimmel und auf die Buchstaben im Brief.
„Entschuldigung“, flüstert sie. „Ich dachte, es wäre einfacher, wenn wir einfach versuchen, es zu vergessen.“
„Ich bin gar nicht in der Lage, dich zu vergessen!“, sage ich. „Und ich gebe nicht auf!“
Ich halte sie an meine Brust, stehe auf und nehme sie mit ins Bett, wo wir zum Atem des anderen einschlafen.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, schläft sie noch. Ich lausche ihren sanften Atemzügen. Lasse den Blick über ihre Stirn, das Nasenbein und den Mund wandern.
„Guten Morgen“, flüstere ich, während sie blinzelt.
„Du bist immer noch da“, lächelt sie und streckt eine Hand zum Bildschirm.
„Ich bin immer da“, antworte ich und nehme sie mit unter die Decke, wo sie meine Morgenerektion in Empfang nimmt.
Sie lacht.
„Die habe ich auch vermisst“, sagt sie mit rosa Wangen, während sie die Finger unter ihren Hosenbund gleiten lässt und sich selbst berührt.
Ich stöhne schwer, nehme meinen Penis in die Hand und stelle mir vor, dass es Annas Hand ist.
„Es gibt viele erste Male“, flüstere ich, während wir die Kameras dicht davorhalten und uns bis zum Höhepunkt massieren.
„Ja … und dieses erste Mal wird sicher nicht das letzte sein …“, antwortet Anna liebevoll.
Für mich ging es beim Ballett immer darum, das Erhabene zu erreichen. Mein Körper war
mein Instrument, das ich durch diszipliniertes Training, Mühe und Geduld bis zur Perfektion in jedem einzelnen Ton stimmte. Ein nie endender Drahtseilakt, sowohl auf, als auch hinter der Bühne, ob ich trainierte oder nicht.
Ich wusste genau, wie viel ich üben, wie viele Proteine und Kohlehydrate zu mir nehmen, und wie viel ich schlafen musste. Stadtbummel und Sahnetorten waren nicht Bestandteil meines Programms. Aber trotzdem war ich es nie leid. Dem Tanz zog ich ohnehin nichts vor.
Davon abgesehen war die Kontrolle, die ich im Gegenzug über meinen Körper erlangte, allein berauschend genug. Wenn ich die Stärke in meinen Muskeln fühlte, die mich unbeschwert vom Boden abheben und durch die Luft schweben, wie eine perfekte Schneewehe herumwirbeln ließen, war ich glücklich. Ich überwand die Schwerkraft für das höhere Wohl. Ich setzte einen Fuß vor den anderen und tanzte mir unbeschwert meinen Weg unter den Solotänzerinnen nach oben. Für mich gab es nichts Schweres, nichts, was mich aus dem Gleichgewicht bringen konnte.
Bis zum Sommer mit der Hitzewelle. Das Theater nahm an einem Austausch teil, und wir hatten einen Ballettmeister aus New York zu Besuch, der Solotänzer für die Herbstsaison auswählen sollte. Trotz Mangels an Klimaanlage, Ventilatoren oder irgendetwas, das die überhitzten Säle herunterkühlen konnte, hatten wir eine Probe nach der anderen, damit er seine Tänzer auswählen konnte. Normalerweise hatte ich nichts gegen Proben einzuwenden. Wo Tanz war, war alles gut. Aber ich ertappte mich selbst dabei, wie mich dieser unbeeindruckte Typ aus New York zu nerven begann. Das lag vermutlich an der Wärme, aber ganz ehrlich, wie schwer konnte es sein, eine Auswahl zu treffen? Warum musste das so lange dauern? Seinem Gesicht war nicht der Hauch einer Reaktion abzulesen. Er bat uns einfach wieder und wieder zu tanzen.
Für gewöhnlich vergaß ich jeden Gedanken über Konkurrenzkämpfe und Ambitionen, sobald ich tanzte. Es ging dann nicht länger um meine Karriere, sondern darum, eins mit der Musik und dem Tanz zu werden, mich der Kunst hinzugeben. Doch dieses Mal war es anders.
Wir tanzten eine moderne Interpretation von La Sylphide, in der die männlichen und weiblichen auf eine meines Erachtens törichte Weise getauscht worden waren. Gleichzeitig hatte ich noch nie so sehr für eine Rolle gebrannt wie jetzt. Zwar war ich immer mal wieder eifersüchtig, wenn eine Kollegin eine Rolle bekam, die ich mir erhofft hatte, doch das Gefühl hielt selten so lange an.
Die Wärme und meine Gereiztheit machten mich jedoch merkwürdig stur. Zum ersten Mal seit meiner Kindheit verspürte ich starke Nervosität und Angst, wenn ich tanzen sollte.
Die Wärme kroch mir unter die Kleidung und schmiegte sich an meinen Körper, sodass überall Schweißperlen hervortraten. Auch auf der Kleidung meiner Kollegen konnte ich große Schweißflecken sehen, und die Hitze machte mich schwindlig. Die engen Strumpfhosen klebten an unseren Beinen. In gewisser Weise wollte ich alles hinschmeißen, doch gleichzeitig spürte ich den Antrieb, die Rolle zu ergattern, komme was wolle.
Endlich bedankte sich der Ballettmeister und bat uns, Pause zu machen. Wir sanken auf den Boden, lehnten ausgestreckt mit Handtüchern an den Wänden oder an den Stangen.
„I shall dance the male part myself“, sagte er und stand von seiner Bank auf.
Was für ein Arsch, dachte ich. Ich konnte meinen Kollegen ansehen, dass sie das gleiche dachten. Da hatte er uns schon tagelang vor Schweiß triefend durch die Gegend springen lassen, und trotzdem war dem feinen Herrn keiner gut genug. Wenn er das ganze Ballett selbst tanzen könnte, hätte er das sicher auch gemacht. Er überging die Unzufriedenheit in den Augen aller Anwesenden, in den Spiegeln bis ins Unendliche erweitert, bewusst und fuhr mit dem gleichen ausdruckslosen Gesicht fort:
„I haven’t yet decided for the female part. We will have to make a few more tests.”
Das musste ein schlechter Scherz sein. Wie war es möglich, dass er uns nochmal tanzen sehen musste? Woran lag seine vermeintliche Unentschlossenheit?
„Just to test the energy between us”, fügte er hinzu. Ich dachte gerade noch, dass er wohl kaum noch Energie an irgendeinem von uns würde vorfinden können, als er mich anschaute und sagte: „I would like to begin with you, Anya.“
Mein Herz machte einen Hüpfer. Ich wusste nicht, ob aus Freude oder aus Wut. Ich hatte das Gefühl, dass diese Rolle wie für mich gemacht war, dass ich sie bekommen MUSSTE, doch gleichzeitig verspürte ich diese nie dagewesene Irritation und Verunsicherung.
„The rest of you can go home. Take a cold shower”, sagte er, und zum ersten Mal konnte man den Anflug eines schiefen Lächelns in seinem Mundwinkel erahnen. „Is it always this hot in summer here?“
Der Hauch von Menschlichkeit in ihm lockerte die Stimmung augenblicklich, und es schien, als würden alle anderen ihm die Tanzhölle, durch die er uns vollkommen grundlos gejagt hatte, auf einen Schlag verzeihen. Plaudernd verließen sie den Saal.
Die Tür fiel hinter den letzten Kollegen zu, und die Stille legte sich wie ein schweres, warmes Tuch über den Saal. Ich schloss die Augen und schluckte. Spürte meinen Atem. Versuchte, meine Gereiztheit loszuwerden. Es ging hier ums Tanzen. Dann schnippte er mit den Fingern (wie nervig war das bitte?) und gab mir das Zeichen, meine Position einzunehmen. Er sah mich prüfend an. Dann zog er sein T-Shirt aus und ging auf seine eigene Position, lediglich in die enge Hose gekleidet, die sich an seinen Unterleib und seine Schenkel schmiegte.
Er war kleiner als die meisten meiner Kollegen, aber wirklich muskulös. Ich bemerkte zwei Adern auf seiner pumpenden Brustmuskulatur. Gleichzeitig merkte ich, dass es mir schwerfiel, stillzustehen. Das Gleichgewicht zu halten. Er hatte irgendetwas an sich und im Raum war eine gewisse Energie zu spüren, die mich verunsicherte. Ich hatte Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ich sog die warme, feuchte Luft tief ein, dann begannen wir zu tanzen.