Swinging Vienna - Jana Wiesner - E-Book

Swinging Vienna E-Book

Jana Wiesner

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Beschreibung

Das »Schloss« ist Wiens exklusivster Swingerclub. Paare, aber auch einzelne Damen und Herren leben hier ihre erotischen Phantasien aus. Nymphomanische Managerinnen treffen auf Edelmachos, Studentenpärchen probieren einen Dreier aus, reife Ehefrauen vergnügen sich im Beisein des Gatten mit drahtigen Jungs. Dies alles vor den Augen von Voyeuren, die entspannt an der Bar sitzen und bei einem Drink das allnächtliche Treiben beobachten. Betreiberin Jana Wiesner und Swingerin Andrea Garibaldi schildern ihre aufregenden, manchmal auch kuriosen Erlebnisse im Club.

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Jana Wiesner Andrea Garibaldi

SWINGING VIENNA

Willkommen im Pärchenclub

ullstein extra

Die Namen der meisten Personen und Lokalitäten wurden aus Gründen der Diskretion geändert.

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Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden

Ullstein Extra ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbHwww.ullstein-extra.deISBN978-3-8437-0238-6© 2012 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenGesetzt aus der Scala und OptimaSatz und eBook: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Inhalt

Prolog

Zwei Frauen

Ein perfekter Clubabend

Hinein ins Vergnügen

Aus dem Leben einer Swingerin

Kindheit auf dem Lande

Ein perfekter Clubabend

Philosophischer Exkurs

Aus dem Leben einer Swingerin

Das große Geheimnis wird gelüftet

Ein perfekter Clubabend

Eine bunte Mischung

Aus dem Leben einer Swingerin

Erste Erfahrungen

Ein perfekter Clubabend

Seelen- und andere Hygiene

Aus dem Leben einer Swingerin

Das erste Mal

Ein perfekter Clubabend

Von Clubs und Bars

Aus dem Leben einer Swingerin

Das eigene Geschlecht

Ein perfekter Clubabend

Von der Lust der Solofrauen

Aus dem Leben einer Swingerin

Sein statt Schein

Ein perfekter Clubabend

Erkenne dich selbst

Aus dem Leben einer Swingerin

Die Machophase

Ein perfekter Clubabend

Die Magie des Augenblicks

Aus dem Leben einer Swingerin

Swingen? Nie gehört.

Ein perfekter Clubabend

Von Offenlassern und Männerschauern

Aus dem Leben einer Swingerin

Eine Ahnung vom Paradies

Ein perfekter Clubabend

Manche lernen’s nie

Aus dem Leben einer Swingerin

Das zweite erste Mal

Ein perfekter Clubabend

Einlass in die Intimzone

Aus dem Leben einer Swingerin

Exkursionen

Ein perfekter Clubabend

Vom maskierten Ich

Aus dem Leben einer Swingerin

Zwischenhoch

Ein perfekter Clubabend

Die Secondhand-Erotik der Klemmis

Aus dem Leben einer Swingerin

Zwischentief und Neustart

Ein perfekter Clubabend

Massenfummelei

Aus dem Leben einer Swingerin

Die Erfüllung

Ein perfekter Clubabend

Streit und Irritationen

Aus dem Leben einer Swingerin

Selbstbestimmung

Ein perfekter Clubabend

Zwischen Nacht und Morgen

Prolog

Zwei Frauen

Jana, die Frau mir gegenüber, trägt eine weiße Hemdbluse, einen beigefarbenen Bleistiftrock, passende Pumps, Perlenohrstecker. Die blonden Haare fallen ihr in weichen Wellen über die Schultern. Eine Geschäftsfrau wie aus dem Bilderbuch, die im schicken Museumsquartier einer Journalistin ein Interview gibt.

Die Journalistin bin ich. Ich heiße Andrea.

Ich bin Janas stilistisches Pendant – gekleidet in einen schwarzen Hosenanzug aus Leinen und eine fliederfarbene Seidenbluse, die rötlichen Haare zu einem Knoten gebunden.

Wir bieten das Bild zweier bürgerlicher Frauen um die vierzig beim entspannten Nachmittagstalk. Wenn sich jemand von den Tischen rundherum für uns interessiert, dann sicherlich nur, weil wir beide ziemlich attraktiv sind, weniger wegen unseres Gesprächsthemas. Denn sie vermuten wohl, wir plaudern über Zuwachszahlen, den Aktienmarkt oder Steuerprobleme. Oder über Betriebsgeheimnisse, denn wir haben uns etwas abseits gesetzt.

Sie alle würden näher rücken, wüssten sie, was tatsächlich unser Thema ist: Sex. Genau genommen reden wir über eine Leidenschaft, die wir zwar mit Tausenden Menschen im deutschsprachigen Raum teilen – und mit noch vielen mehr außerhalb davon –, die aber dennoch in einer Welt neben der Welt ausgelebt wird.

Wir reden übers Swingen.

Die Geschäftsfrau mir gegenüber betreibt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Bernhard in der Freizeit ein ganz besonderes Business: einen der nobelsten Swingerclubs von Wien, in dem ich mit meinem Mann Stefan oft zu Gast bin. Seit mehreren Jahren leben wir dort die Lust am Wechsel der Geschlechtspartner aus, am respektvollen erotischen Spiel mit mehr oder weniger fremden Menschen.

Von diesem Spiel handelt unser Buch. Und auch davon, dass Swingen nichts mit Beziehungsfrust oder verbrämter Prostitution zu tun hat und nicht unbedingt eine primitive, stillose Angelegenheit sein muss. Es erzählt die Geschichte von zwei konservativ erzogenen Mädchen, die sich zu selbstbewussten swingenden Ladys entwickelt haben, von einem perfekten Clubabend und von Frauen und Männern, die es geschafft haben, sich jenseits von Hippiephantasien auf hohem Niveau sexuell zu befreien.

Und Jana beginnt …

Ein perfekter Clubabend

Hinein ins Vergnügen

23.15 Uhr. Ich genehmige mir einen großen Espresso, denn die Nacht wird lang. Das hat sich in der letzten Viertelstunde herauskristallisiert. Jetzt erst ist die Mischung an Gästen perfekt, denn soeben sind zwei mir gut bekannte, talentierte Solomänner (also Männer ohne weibliche Begleitung) angekommen, sowie Andrea und Stefan, die seit längerem wieder einmal mit ihren Freunden aus dem Burgenland angereist sind, einer dunkelhaarigen Frau mit üppigen Kurven namens Karin und einem Mann, der dem jungen de Niro ähnlich sieht und Chris heißt.

Andrea und Stefan gehören zu den Stammgästen und animieren gern auch andere Gäste zum Mitmachen. Und auch ihre Begleiter sind üblicherweise sehr unternehmenslustig. Eigentlich kein Wunder, denn in Österreichs östlichstem Bundesland gibt es keinen einzigen Club dieser Art. Und auch wenn es zwischen dem Neusiedlersee und Güssing sicher genug Swinger gibt, mit denen man Privatpartys veranstalten kann, so kennt man einander doch nach gewisser Zeit. Da ist es eine willkommene Abwechslung, in die Anonymität von Wien oder Graz abzutauchen, um wieder einmal jemand Fremden auf der Haut zu spüren.

Insgesamt sind nun über fünfzig Menschen im Club. Die meisten sitzen hier im vorderen Barbereich, einige sind auch schon in den hinteren Räumen wie dem Séparée, wo es langsam zur Sache geht. Noch ist die Stimmung verspielt und von Reden geprägt, aber bald schon werden die Anwesenden eher bloße Laute als zusammenhängende Worte von sich geben. Und sie werden sich bis vier oder fünf Uhr morgens amüsieren, vielleicht sogar bis sieben oder acht.

Ja, die Stimmung ist angeheizt, doch der Siedepunkt ist noch nicht erreicht. Allerdings spüre ich, dass der Tisch mit dem Quartett und der große Tisch daneben demnächst die Stimmung überkippen lassen. Denn am Nebentisch sitzen Thomas, der Frauenbeglücker, Richard, der schüchterne Beobachter, Agnes und Harald, die Wählerischen, Lisbeth und Jan, die Tänzer, sowie Sylvia und Martin, die sich gern präsentieren – allesamt erfahrene Stammgäste und sehr aktive Swinger.

»Erfahren« ist das Zauberwort. Denn fast an jedem Abend kommen Neulinge in den Club, die wenig bis gar keine Ahnung von dem haben, was hier geschieht. Ihre Vorstellung vom Swingen schwankt zwischen öffentlicher Schweinerei und verschämter Zwinker-Erotik, die sich bereits mit dem Hochschieben des Rocksaums einstellt. Vor allem mein Lebensgefährte Bernhard, mit dem ich mir die Dienste hier teile und der die besucherstarken Tage Freitag und Samstag betreut, weiß ein Lied davon zu singen, mit welch kruden Vorstellungen Menschen unser Etablissement betreten. Denn genau an diesen Tagen kommen viele Neulinge, da sie sich in der Entspanntheit des Wochenendes gewappneter für dieses Wagnis halten – das zwar geplant, aber doch nicht einschätzbar ist.

Das Paar dort gleich neben der Go-go-Stange, an der sich manchmal mitten in der Nacht bestens gelaunte Frauen mit einem Striptease präsentieren, ist typisch dafür, obwohl heute Donnerstag ist. Die beiden sind vor ein paar Minuten angekommen. Er mit hocherhobenem Haupt und stetem Grinsen, akkurat gescheiteltem dunklen Haar sowie schwarzen Jeans und dunkelgrünem Polohemd; sie in weiß getupftem, jadegrünem Kleid mit großen braunen Augen und einem scheuen Lächeln, wenn sie angesprochen wird – etwa, als Claudia, die heutige Bardame, sie nach ihren Namen fragte, um eine Getränkeliste für die beiden anzulegen. Sie zögerte auch kurz, ihn auszusprechen; wahrscheinlich hat sie irgendwo gelesen, dass es durchaus üblich ist, in einem Etablissement dieser Art ein Pseudonym zu benutzen. Insofern weiß ich nicht, ob die beiden wirklich Caroline und Patrick heißen, aber ich nehme es an, denn »Caroline« fällt einem als Pseudoname nicht so leicht ein.

Patrick lässt seiner Frau oder Freundin − wer weiß das schon? − keine Zeit zum Verschnaufen, sondern dirigiert sie sofort in die hinteren Räumlichkeiten zu den Spielwiesen. Sie lässt sich halb ziehen und sieht sich dabei mit schnellen Seitenblicken um, ob sie jemand beobachtet – alles unbewusst und so verräterisch, dass mir sofort klarwird: Sie ist eine »Jungfrau«, und zwar nicht nur bei uns im Schloss, sondern generell in der Szene.

Das ist für mich der Moment, die beiden zu begrüßen und zu fragen: »Kann ich euch irgendwie helfen?«

Sie strahlt mich an: »Ja, gerne.« Er hingegen wendet sich halb ab: »Danke nein, geht schon.«

»Aber warum denn nicht?«, insistiert sie.

Vollkommen klar: Er kann nicht zugeben, irgendetwas im erotischen Bereich nicht zu wissen oder nicht im Griff zu haben. Aber immerhin ist er wohlerzogen genug, über Carolines Begeisterung nicht einfach hinwegzugehen. Nun stehen mir die beiden also erwartungsfroh gegenüber.

»Okay«, sage ich, »wie ihr schon bemerkt habt, ist das Schloss eine Swingerbar, mit Betonung auf Bar. Ihr müsst euch also nicht ausziehen, um an der Bar sitzen zu können, wie das in manchen anderen Clubs üblich ist.«

Caroline strahlt mich erneut an. »Das habe ich auf eurer Homepage gelesen, dass es hier elegant sein soll. Toll.« Sie sieht sich um. »Ist es ja auch.«

Das kann man wohl sagen. Unsere Einrichtung ist frei von Plüsch und anzüglichem Dekor. Klare Linien und Lederpolsterung geben den Räumlichkeiten einen edlen Anstrich.

Caroline löst die verschränkten Arme und nestelt an ihrem Ausschnitt herum. Ihr gefällt es offensichtlich immer besser hier. Patricks Lächeln hingegen wirkt ein bisschen gezwungen. Wahrscheinlich sucht er mehr das Spritzige als das Elegante.

»Ich zeig euch jetzt einmal die hinteren Räumlichkeiten, wo man zur Sache gehen kann, wenn man will. Aber ihr müsst natürlich nicht. Bei uns gibt es überhaupt keinen Zwang. Ihr macht einfach das, worauf ihr Lust habt.«

Doppeltes Nicken. Wir gehen los und durchstreifen als Erstes den Actionbereich, wo bislang noch eher geflirtet als gefummelt wird. Trotzdem fassen sie einander noch fester an den Händen als zuvor. Mir sind Swingerclubs mittlerweile zu vertraut, als dass allein das Ambiente mich erregen könnte; erst recht, seitdem ich die Räumlichkeiten als Betreiberin natürlich auch bei Tageslicht kenne – dann sind es nämlich einfach nur Zimmer mit großen Betten. Erotik lebt von Schummerlicht, von animierender Hintergrundmusik und unbestimmbaren Geräuschen, von sich bewegenden Körpern und zweideutigen Blicken, von Ahnen und Nicht-genau-Wissen.

Auf die beiden Neulinge macht die Atmosphäre jetzt schon mächtig Eindruck. An einer Glasscheibe, hinter der ein großes Zimmer zu erkennen ist, bleibe ich stehen. »Wenn ihr im Barbereich mit jemandem in Kontakt kommt, ist eh alles klar. Dann sucht ihr euch zusammen einfach einen Raum aus, der euch angenehm ist. Falls ihr am Beginn noch etwas schüchtern seid und nicht zu viele Zuschauer wollt, könnt ihr hier hinein« – ich deute auf die offenstehende Tür. »Die ist zu versperren, und dieses Schaufenster kann man von innen mit einem Vorhang verschließen.«

Jetzt nickt Patrick eifrig, während Caroline mich nicht einmal gehört zu haben scheint. Ihr Blick ruht auf dem großen, offenen Zimmer gegenüber.

Dass Patrick über die Aussicht, sich zu verbarrikadieren, offenbar so erfreut ist, kann mehrere Gründe haben. Der erste betrifft Männer und Frauen gleichermaßen: Kann ich damit umgehen, dass mir andere Menschen (egal ob fremd oder vertraut) beim Sex zusehen? Klar, wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, in der wir ständig bewertet werden − im Beruf, im Kaffeehaus, beim Friseur, überall. Wir sind so sehr daran gewöhnt, dass viele von uns es als selbstverständlich nehmen und nicht einmal auf den Gedanken kommen, sich gegen solche Beurteilungen zu wehren oder sie zu ignorieren. Und so fragen wir uns auch an einem Ort wie diesem: Machen sich die Leute, die gerade zusehen, über meinen dicken Hintern lustig? Schreiben sie mich ab, weil mein Schwanz nicht richtig steht? Finden sie mich hässlich, weil meine Wimperntusche verrinnt? Lachen sie, weil sie finden, dass es grundsätzlich lächerlich ausschaut, wenn ein Mann rammelt wie ein Kaninchen?

Wenn das Gespräch auf dieses Thema kommt, frage ich üblicherweise: »Und? Findest du denn selbst das alles lächerlich oder peinlich?«

Wenn jemand das bejaht, ist er für öffentlichen Sex wie beim Swingen sowieso nicht geeignet und muss über seine Ängste auch nicht weiter nachdenken. Wenn jemand nein sagt, dann frage ich: »Gut, und warum sollten andere, die auch nur Erotik wollen wie du, es lächerlich finden?« Das leuchtet den meisten dann ein. Es ist nämlich glücklicherweise in der Regel egal, ob jemand Modelmaße besitzt oder nicht. Es kommt auf ganz andere Dinge an: auf Selbstbewusstsein und Ausstrahlung – auf das Feuer und die Lust, die ein Mensch versprüht.

Jenseits von Eitelkeit und der Frage, ob man der körperlichen Norm entspricht, besteht bei Männern oft auch Unsicherheit, was ihre Männlichkeit betrifft, wie mir Bernhard vor zwölf Jahren am Beginn unseres »Schlossherrendaseins« erklärt hat (wir tauschten uns damals über Ängste und Bedürfnisse der Geschlechter aus, um für die Einführungen vorbereitet zu sein). Männer müssen bei Zuschauern noch mehr also sonst beweisen, dass sie wirklich der Hengst sind, als der sie sich ausgeben – und schon funktioniert es oft nicht mehr. Diesem Risiko wollen sie sich ungern aussetzen.

Caroline indes scheinen solche Ängste nicht zu plagen, obwohl sie für den allgemeinen Geschmack sicher einen zu kleinen Busen hat. Sie nestelt an einer Kordel, die am Eingang zum gegenüberliegenden großen Raum anstelle einer Tür montiert ist: »Und für was ist die?«

»Wenn ihr euch zurückzieht und eure Ruhe haben wollt, dann legt ihr die vor. Damit weiß jeder, dass er zwar zuschauen, aber nicht mitmachen darf.«

»Und wenn sie nicht davorhängt …« Caroline bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, aber für das verschüchterte Angsthäschen, als das sie zu Beginn aufgetreten ist, hat sie mir mittlerweile zu viel Glanz in den Augen.

»Dann dürfen andere dazukommen.«

»Einfach so?« Patrick kreischt beinahe. Er ist sicher nicht blöd und kann sich ausrechnen, dass garantiert mehr Männer als Frauen hier mitspielen wollen – es gehen nun mal mehr Männer als Frauen in Swingerclubs. Wahrscheinlich sieht er sich schon wild um sich schlagend die Horden vertreiben, die über seine Angebetete herfallen wollen.

Ich lächle ihm beruhigend zu. »Nein, natürlich nicht. Man muss immer erst fragen, wenn man zu jemandem dazukommen will. Speziell in einem abgetrennten Raum. Wenn hier im Gang allerdings eine Massenfummelei stattfindet, was öfter vorkommt, kann es schon sein, dass sich Interessierte langsam zu einem Pärchen hinbewegen und mit beiläufigen Berührungen und Blicken Kontakt aufnehmen. Aber selbst wenn das Pärchen anspringt und dann aber vielleicht nur mit Gesten andeutet, dass es sich in ein Zimmer zurückziehen will, fragt der Interessent, ob es in Ordnung ist, dass er mitgeht.«

Patrick scheint noch immer nicht beruhigt, denn seine Kiefer arbeiten sichtbar. »Und wenn einer trotzdem reinkommt, ohne zu fragen oder obwohl wir nein sagen?«

»Dann schmeißt ihr ihn einfach raus. Wenn es jemand überhaupt nicht kapiert, sagt ihr mir oder jemand anderem vom Club Bescheid. Wir sorgen dann dafür, dass ihr Ruhe habt. Das ist aber selten notwendig. Alle hier kennen die Regeln.«

Die beiden atmen tief durch. Zur Entspannung zeige ich ihnen nun die Dusche und die Toiletten sowie den Aufbewahrungsraum für die Handtücher und die verschließbaren Fächer für Wertsachen. Zurück an der Bar weise ich sie noch auf die Schüssel mit Kondomen hin, die am anderen Ende des Tresens steht. Schließlich bugsiere ich sie sanft zu einem Ecktisch, von dem aus man den ganzen Eingangsbereich überblickt und wo man auch im Fall eines Gedränges nicht auf Tuchfühlung gehen muss. Diese Ruhe benötigen die beiden auf jeden Fall, ebenso den Prosecco, den sie sich sofort bestellen.

Ich kann mich noch gut genug an mein erstes Mal in einem Club erinnern, um dafür volles Verständnis zu haben. Zunächst hielt ich einen Swingerclub gar für ein Tanzlokal (was mehr Leuten passiert, als man glaubt), und als ich dann endlich drinnen war, kam ich mir in diesem ganzen Plüsch und Rot unheimlich verrucht vor, als sei ich in einem Nobelpuff gelandet. Dass das Treiben hier im Schloss nichts mit Unter- oder Halbwelt zu tun hat, sondern einfach nur mit dem Ausleben von Lust von Leuten wie dir und mir, muss ein Neuling erst einmal verarbeiten. So viele Leute sind pervers? Dieser Satz muss geruhsam verwandelt werden in: Toll, so viele lustbetonte Menschen wie ich.

Nach ein paar Minuten holen mich die beiden nochmals zu sich. Patrick wendet sich an mich: »Äh … noch eine Frage … ist es eigentlich okay, wenn ich ein bissel am Ausschnitt von der Caro herumtu?«

»Ja, natürlich.« Ich lächle ihm beinahe mütterlich zu. »Deswegen sind doch alle hier − eben weil man hier ungezwungen sein kann.«

Caroline beugt sich zu mir. »Und wenn es … also theoretisch nur natürlich …«

»Natürlich.«

»Also, wenn dann ein Mann mit uns da nach hinten … und wir tun was, und er fragt mich, ob ich ihm seinen … na ja, lutsche − muss ich das dann?«

Ich verkneife mir jeden Kommentar zu dem Umstand, dass sie in Gedanken offensichtlich schon viel weiter ist als er, und erkläre: »Jede erotische Handlung ist bei uns erlaubt, solange sie freiwillig geschieht. Wenn du also einen Mann oder seinen Schwanz nicht willst, dann sagst du einfach nein.«

Sie lächelt scheu, mit leichter Röte auf den Wangen und mit einem Glanz in den Augen, der sicher nicht nur vom zweiten Prosecco herrührt, den sie bereits trinkt.

Ich ahne, dass ich die beiden beobachten muss. Ihr Verhalten vor der Führung sowie ihre Fragen danach zeigen sehr deutlich, dass die Idee zum Besuch eines Swingerclubs von ihm gekommen ist – wie es meistens die Männer sind, die die Frauen überreden. In der Zwischenzeit ist allerdings auch deutlich geworden, dass Caroline mittlerweile angespitzter ist als ihr Partner, der offenbar noch nicht realisiert hat, dass sie es ernst meint. Vielleicht haben sie an einem betrunkenen Abend einmal von ihren Phantasien geredet, vielleicht hat sie ihm sogar ihren Masturbationstraum, es mit zwei Männern gleichzeitig zu treiben, gebeichtet, und er mag das als reizvoll empfunden haben – Gedanken sind schließlich frei. Aber er hat nicht die hemmungslose Lustgöttin in ihr erkannt, die wahrhaftig zur Tat schreiten will. Vielleicht hatte er sich ein wenig Stimulanz erhofft (an ihrem Ausschnitt herumfummeln, vielleicht dann auch an einem fremden), mehr aber auch nicht. Sie hingegen sucht hier die Befriedigung ihrer Wünsche − jetzt, an Ort und Stelle, mit einem Mitspieler oder gar mehreren.

Ob Patrick das verkraftet? Denn jenseits der Benimmregeln gibt es noch sehr viel Emotionales und geradezu Philosophisches, das beim Swingen bedacht sein muss. Und er hat daran offensichtlich noch keinen Gedanken verschwendet. Sie vielleicht schon. In einem solchen Fall sind Probleme vorgezeichnet …

Aus dem Leben einer Swingerin

Kindheit auf dem Lande

Mein Elternhaus steht in einer kleinen Gemeinde in Niederösterreich, dem Bundesland rund um Wien, und meine Kindheit war in die Welt von etwa fünftausend Katholiken eingebettet. Der Ort war damals von seiner Struktur her klassisch: eine Fabrik (Beton), zwei Großbetriebe (Hühnerzucht und Sägewerk), mittelständische Betriebe in nahezu jedem Dienstleistungs- und Handwerksbereich, Nahversorger, Allgemein-, Zahn- und Tierarzt, Kindergarten, Volks- und Hauptschule, zwei Kaffeehäuser, eine Kegelbahn, drei Wirtshäuser, zwei Restaurants, Weinbetriebe mit entsprechenden Heurigen – und eine Mühle.

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