Tagebuch einer Verführung - Alexandre Legrand - E-Book

Tagebuch einer Verführung E-Book

Alexandre Legrand

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Beschreibung

In einem Restaurant eines vielstöckigen Appartement­hauses herrscht ein Kommen und Gehen. Jerry Thomsen geht nicht allein zurück in sein Appartement. Er hat eine junge Frau dabei. Sie trägt weiße Netzstrümpfe, ein kurzes Faltenröckchen und einen Pulli, der ihre braune Haut mehr ent- als verhüllt. Das alles macht sie so sexy und verführerisch, dass man auf dumme Gedanken kommen muss. Ihr Minirock hat sich hochgeschoben und Jerry sah die gesunden, sportlichen Oberschenkel und den schmalen Zwickel des Slips..-

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Alexandre Legrand

Tagebuch einer Verführung

Roman

Tagebuch einer Verführung

Copyright © 2017 Zettner Verlag und Alexandre Legrand

All rights reserved

ISBN: 9788711718148

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Zettner Verlag und Autors nicht gestattet.

1

Im Speisesaal des Appartementhauses saß Jerry Thomsen neben einem Mädchen von kaum zwanzig Jahren und versuchte es einzuordnen. War es ein Flittchen? Mit diesem Alter trug man nicht mehr so kurze Röcke und der Pullover war mehr ein Unterhemdchen oder ein Turntrikot, da die nackten Brüste ohne die Einengung durch einen Büstenhalter wie junge Kätzchen hüpften.

Irgendwie gefiel ihm aber das Mädchen. Die Augen waren lebendig, das Gesicht war hübsch, die Sprache gepflegt, doch fühlte er sich im gleichen Augenblick wieder abgestoßen, weil es zu frei die Beine spreizte und bei vielen Bewegungen des Körpers das Röckchen hochrutschte und zu viel des Oberschenkels zeigte. Die Brüste, der Schoß gehörten einer Hure, die Augen, der Mund, das Benehmen einem Mädchen, das aus einem guten Stall kam. Sie tauschten Floskeln, unterhielten sich über die Problematik, in der Nähe einen vernünftigen Parkplatz zu finden, sprachen über das Wetter, das nahe Schwimmbad und über einen Ort, den man nach einer gemütlichen Waldwanderung von etwa einer Stunde erreichen und man dort noch äußerst preiswert essen konnte.

In dem Restaurant des vielstöckigen Appartementhauses war ein Kommen und Gehen.

„Wünschen Sie Nachtisch?” fragte der Ober.

„Nein”, wehrte Jerry lachend ab, „meine schlanke Linie ist sehr in Gefahr, aber ein Glas Bier könnte ich gut brauchen, ich bin völlig ausgedurstet.”

„Ob das Ihrer schlanken Linie besser hilft?” ulkte das Mädchen.

„Ja, wenn Sie auch eines trinken. Wollen wir uns nicht an das Fenster setzen, man sieht von dort so schön auf die Wälder?”

Sie tranken dann sogar noch einen Kognak und Jerry Thomsen erfuhr, daß das Mädchen Fränki Clifford hieß und das Appartement neben seiner Tür bewohnte.

„Das ist aber fein, daß Sie meine Nachbarin sind”, sagte Jerry erfreut.

„Vielleicht freuen Sie sich zu früh und ich bin gar nicht so nett, wie Sie glauben”, antwortete das Mädchen.

„Ich bin Optimist. Ihre Augen sind gut …”

„Und?”

„Ich verweigere die Aussage, sonst…”

„Was sonst?”

„Sonst nehmen Sie mich beim Wort, und wenn ich Sie näher kenne, trifft vielleicht nicht ein Prozent von dem zu, was ich glaubte.”

„Und was glaubten Sie?”

„Trinken wir noch einen Kognak?”

„Wenn Sie mir sagen, was Sie glaubten.”

Sie tranken diesen Kognak. War er es, der die Gedanken löste und in Worte formte? Oder lag es nur daran, daß Jerry glücklich war, zwei so zentral gelegene Zimmer gefunden zu haben? Der Balkon zeigte nach Süden und er träumte schon jetzt davon, wie er sich dort am Wochenende in einen Liegestuhl legen, dösen und viel lesen würde. „Morgen will ich Blumen bestellen”, sagte er leise vor sich hin. „Gibt es in der Nähe ein preiswertes Geschäft?”

„Blumen?”

„Ja, ich möchte an die Außenseite meiner Balkonwände Blumenkästen hängen. Ich liebe Blumen.”

„Sie Glücklicher. Mein Appartement kostete nur zwölftausend Mark weniger und ich habe keinen Balkon geschafft. Hoffentlich verreisen Sie oft?” „Warum?”

„Dann könnte ich Sie bitten, mich auf Ihren Balkon zu lassen. Ich möchte mich dort in die Sonne legen, scheine eine Sonnenanbeterin zu sein, und würde mich oft und oft von Kopf bis Fuß bräunen lassen.” „Das können Sie doch auch, wenn ich zuhause bin. Der Balkon ist groß genug, zwei Liegestühle haben bequem Platz.”

Das Mädchen lachte. „Nein, besser nicht, sonst würden Sie ununterbrochen rot werden. Ich möchte nahtlos braun werden und da kann ich keine männlichen Zuschauer brauchen.”

„Und wenn ich immer die Augen zumache?”

„Einen solchen Mann gibt es nicht und davon abgesehen, scheinen Sie nicht der Typ zu sein, der wirklich die Augen schließt, wenn er eine nackte Frau neben sich liegen hat.”

„Da mögen Sie recht haben, aber in etwa schließe ich doch hin und wieder die Augen.”

„Wann?”

„Wenn ich durch einen Wald wandere – ich gehe gerne spazieren und verbringe fast jedes Wochenende, wenn es das Wetter einigermaßen erlaubt, in den Bergen – und nahe am Wegrand ein Pärchen liegt und sich liebt. Hier kehre ich oft sogar um oder mache einen Bogen.”

„Hoppla, dann sind Sie ja bräver als Sie aussehen!”

„Mache ich denn einen so sündigen Eindruck?” Das Mädchen prüfte Jerry und lächelte dann schalkhaft. „Ja. Sie sehen gut aus, wirken gepflegt. Ihre Augen und die Falten an Ihrem Mund zeigen aber, daß Sie nicht gerade ein Heiliger sind.”

Jerry lachte. „Da habe ich mir aber eine mehr als kritische Nachbarin eingehandelt. Ich werde morgen die Verwaltung bitten, mir ein Appartement zuzuweisen, das nicht eine so hübsche und trotzdem so abwehrende Nachbarin hat.”

„Ja, mißtrauisch bin ich, das stimmt. Aber hübsch? Nein, das ist eine Floskel, die ich Ihnen nicht abnehme.”

Die Augen Jerrys wanderten zu den Brüsten, die sich unter dem dünnen Trikot mehr als deutlich abzeichneten.

„Warum sehen Sie mich auf einmal so komisch an?” Jerry schwieg.

„Sind Sie altmodisch oder prüde?” fragte das Mädchen nachdenklich, als könnte sie Gedanken lesen.

„Was verstehen Sie darunter?”

„Man trägt heute nicht mehr Büstenhalter. Wenn Sie also glauben, mich deswegen negativ einstufen zu müssen, dann wäre es wirklich besser, sich eine konservativere Nachbarin zu suchen.”

„Und wenn mir Ihre Brüste gefallen?”

„Sie sind ein Flegel. So etwas darf man denken, aber auf keinen Fall nach kaum einer Stunde Bekanntschaft bereits sagen.”

„Verzeihen Sie mir, wenn ich mich entschuldige?”

„Ja, aber nur, wenn es keine Phrase ist.”

Jerry Thomsen streckte die Hand über den Tisch.

„Ich entschuldige mich”, sagte er förmlich, „aber … “

„Schon wieder ein aber?”

„Sie gefallen mir trotzdem, ohne’.”

„Das war wieder Wortspiel. Was meinen Sie, wie oft man mir im Büro sagt, daß ich ein nettes Mädchen sei und schielt dann auf meine Brüste? Wenn es darauf ankommt, verkauft man mich trotzdem für dumm, nützt mich aus und ich bin wieder die Lackierte. Vorschlag, Herr Thomsen. Ich bin zu einer guten Nachbarschaft bereit, doch wir vereinbaren ab sofort, daß keine Floskeln erlaubt sind.

Einverstanden?”

Jerry lachte und sagte „Einverstanden!”

Wieder streckte er seine Hand versöhnungsbereit über den Tisch.

„Sie sind doch auch nur Angestellter”, fragte Fränki, „wie schafften Sie den Preis Ihrer Eigentumswohnung?”

„Durch einen hohen Bausparvertrag, den ich vor fast zehn Jahren von meinen Eltern zum Abitur bekam. Sie stifteten die Prämie für genau ein Jahr und sagten, daß ich den Rest alleine schaffen müsse. Ich schaffte es, mußte mich aber oft und oft krummlegen.”

„Wie alt sind Sie?”

„Etwas über Sechsundzwanzig.”

Das Mädchen sinnierte vor sich hin. „Ich bin Zweiundzwanzig”, sagte sie nachdenklich.

„Und wer half Ihnen?” tragte Jerry neugierig.

„Eine Tante. Meine Eltern starben früh. Ich wuchs bei ihr auf und als sie vor gut einem Jahr verunglückte, erfuhr ich, daß sie immer für mich gespart hat und so ist mein Appartement eigentlich das Eigentum von Tante Lisbeth.”

„Was machen Sie jetzt?”

„Wie meinen Sie das?”

Jerry schluckte. „Es wäre nett, wenn Sie mir, weil Sie ein so nettes Mädchen sind – bitte, das war keine Floskel – beim Auspacken der Bücherkisten und Einräumen der Bücher helfen könnten.”

„Sie haben Bücher?” frotzelte das Mädchen.

„Ja, manche haben nur ein Buch. Ich habe mir zu diesem Sollbestand noch einige dazugekauft.”

„Warum?”

„Weil Bücher die besten und treuesten Freunde sind.”

„Die besten Freunde?”

„Ja. Sie sind treu, bescheiden, sprechen nur, wenn man sie fragt. Kommen Sie mit. Ich stelle eine Flasche Sekt in den Kühlschrank, und wenn die Bücher eingeräumt sind, begießen wir meinen Einzug.”

„Bücher …”, wiederholte das Mädchen nachdenklich.

„Was meinen Sie damit?”

„Alles. Doch Schluß mit dieser Philosophiererei. Ich helfe Ihnen. Nur vorweg: ich gehe täglich, und wenn der Teufel auf Stelzen kommen sollte, um 22.00 Uhr ins Bett.”

„Sie sind ein weises Mädchen. Hoffentlich werden Sie mir nicht zu gefährlich?”

„Bitte, keine Phrasen. Wir haben doch ein Abkommen getroffen und man sollte das, was man verspricht, auch halten.”

Jerry verbeugte sich. „Ohne Floskel und ohne Spaß. Ich bin ein Frühaufsteher, muß daher ebenfalls zu meiner Zeit ins Bett, weil ich sonst am nächsten Tag nicht fit genug bin. Zufrieden?”

„Das haben Sie nett gesagt.”

„Sehen Sie, Sie sind ein nettes Mädchen und ich”, Jerry suchte die passenden Worte, „sage Ihnen manchmal etwas Nettes.”

„Nun aber ans Werk”, stichelte das Mädchen.

„Wenn wir Ihre zehn Bücher auspacken und einsortieren wollen, sollten wir allmählich anfangen, denn um 22.00 Uhr bläst bei mir der Nachtwächter auf seinem Horn und die Sandmännchen schütten über mich ihre Säcke aus.”

Als sie das Appartement betraten, das sich Jerry Thomsen gekauft hatte, sah sich das Mädchen interessiert um.

„Sie wohnen hübscher, großzügiger. Ihr Balkon geht nach dem Süden und damit haben Sie einen wunderschönen Blick auf die Wälder. Meine Fenster liegen nach Norden und so ist es bei mir fast immer dämmrig.”

„Ich sagte es ja schon”, lächelte Jerry, „mein Balkon steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.”

„Na, wie ich Sie kenne, liege ich keine halbe Stunde in der Sonne und schon meinen Sie tätscheln zu müssen. Nach dem zweiten Cola – die Männer sind doch alle gleich … – glauben Sie schon Rechte zu haben. Sind Sie mir böse, wenn ich Ihnen auf diese Einladung einen grundsätzlichen Korb gebe?” „Haben Sie denn bisher so schlechte Erfahrungen gemacht, daß Sie so kritisch, fast möchte ich sagen nihilistisch sind?”

„Wie man es nimmt. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Doch wollten wir nicht Ihre Bücherkisten ausräumen und …?”

„Sie stehen im Bad. Die Deckel habe ich schon aufgestemmt. Ich möchte schnell meinen Schreibtisch einräumen, wären Sie so lieb, die Bücher hierher ins Wohnzimmer zu tragen und zu sortieren?” Kurz überlegte er und blickte auf das Mädchen. „Wenn Sie die Bücher bereits sortieren, könnten wir dann gemeinsam die Regale belegen. Ich möchte nicht jedes Fach von links nach rechts vollstopfen. Es sollen Lücken sein, doch müssen sie sich von selbst ergeben. Zwischendurch soll ein schönes Glas, eine Vase, eine interessante exotische Flasche oder eine Plastik stehen.”

„Gut. Ich lege die Bücher auf den Boden und Sie … “

„Könnten Sie die Bücher nicht gleich in bestimmte Wissensgebiete aufteilen?”

„In welche?”

„Bilden wir sechs Gruppen. Warten Sie, ich mache Zettel und Sie brauchen dann auf diese nur die zutreffenden Titel legen. Hier ist Kulturgeschichte’, dann kommt Zeitgeschichte’, also Krieg, Politik usw., als dritte Gruppe nehmen wir Belletristik’, also Romane, Erzählungen, Lyrik usw., alles was in etwa der Unterhaltung dient. In diese Ecke legen Sie, Religionsgeschichte’, dorthin Bildbände’. Diese Bücher brauchen einen besonderen Platz, weil sie oft sehr groß sind und als letzte Gruppe kommt die, Erotik’, die Sexualkunde mit all ihren Problemen.”

„Dann sind Sie doch nicht so keusch, wie Sie bisher taten?”

„Muß man Krebs haben, um darüber etwas aussagen zu können? Muß man von einer Schlange gebissen worden sein, um ihre Gefährlichkeit zu kennen, muß man rauschgiftsüchtig gewesen sein, um das Wissen zu haben, wie schwer man von den Drogen wieder loskommt?”

„Ich räume ja schon die Kisten aus”, sagte Fränki kess. Nach etwa zwanzig Minuten atmete sie tief durch. „Um Gottes willen, was machen Sie denn mit so vielen Büchern? Haben Sie die alle gekauft oder hatten Sie einen Onkel, der sie Ihnen vererbte?”

„Gekauft natürlich.”

„Und mit was bezahlten Sie diese riesigen Bücherberge?”

„Indem ich schöne Mädchen mied. Manchen Kuß und Sündenfall erlaubte ich mir nicht, weil mir dieses oder jenes Buch lieber war. Schöne Frauen kosten nun mal Geld …”

„Da wird mir aber Angst.”

„Warum?” lachte Jerry zurück.

„Weil ich hoffte, daß mein Nachbar ein froher, lebendiger, im Jetzt stehender Mensch ist und nicht einem Tick nachläuft.”

„Wenn ich aber, trotzdem’ nicht ticke? Wenn ich trotz meiner Bücher sehr lebendig und froh und vernünftig bin?”

„Dann ist wahrscheinlich ein Wunder geschehen”, sagte das Mädchen und atmete wieder tief durch.

Es war genau 21.00 Uhr, als die Bücher ihren Platz hatten. Fränki Clifford hatte sogar gewagt, die strenge Anordnung zu durchbrechen und der Dank war, daß sie von Jerry mehrmals wohlwollend angelächelt wurde.

„Nun haben wir aber einen guten Schluck verdient”, sagte er und holte aus dem Kühlschrank den Sekt. „Ich bin ein Freund von Trinksprüchen”, witzelte er, „es mag an meinem Hobby liegen.”

„Was, Sie haben sogar noch ein Hobby?”

Er nickte. „Es kann sein”, sagte er grübelnd, „daß ich es Ihnen nie zeige, es kann aber auch sein, daß Sie es erfahren, wenn wir uns heute Gute Nacht sagen.”

„Und wenn ich es schon jetzt wissen möchte?” „Dann sage ich Ihnen erneut und präzise, daß ich es Ihnen vielleicht nie, vielleicht aber schon um 22.00 Uhr sage.”

„Und an was hängt das vielleicht’?”

„Bitte, lassen Sie mir Zeit, Sie erfahren es früh genug.”

Der Sekt schmeckte, löste die immer noch etwas zwischen ihnen liegende Verkrampfung. Es war über 21.30 Uhr, als die Flasche leer war und sie erst begannen, warm zu werden.

„Trinken wir noch ein Glas?” fragte Jerry.

„Die Flasche ist doch schon leer?”

„Im Kühlschrank liegt noch eine zweite.”

„Ob ich aber dann noch nachhause finde?”

„Ich zeige Ihnen gerne den Weg”, frotzelte Jerry.

Es war wenige Minuten nach 22.00 Uhr, als sie noch bei der zweiten Flasche saßen. Sie lachten, erzählten sich dies und das. Fränki berichtete von ihrer ersten, großen Liebe und Jerry berichtete, daß er schon einmal verlobt gewesen war, Irene beinahe geheiratet hätte, wenn …

„Wenn?”

„Wir paßten nicht zusammen. Eine Ehe wäre zum Fiasko geworden.”

„Wieso?”

„Irene war ein Stadtmensch und ich liebe die Natur. Es war für sie meist ein riesiges Opfer, mit mir in die Berge zu wandern. Lieber hockte sie ganze Abende in Bars herum. Und so zog ich einen Schlußstrich.”

„Sie können also auch hart sein?”

„Hatten Sie von mir einen besseren Eindruck?” „Ja und nein.”

„Das verstehe ich nicht.”

„Sie erwecken den Anschein, als wenn Sie tolerant und fair sein könnten.”

„Das bin ich auch.”

„Warum dann diese Härte, nur weil dieses Mädchen die Berge und das Herumklettern nicht liebte?”

„Gegenfrage: Was ist Ihnen lieber: am Wochenende eine interessante Autofahrt in die Berge – oder ein Tanzlokal, in dem man nach den ewiggleichen Schnulzen hüpft?”

„Natürlich die Autofahrt.”

„Also Berge und Seen, fremde Länder und interessante Menschen. Wenn Sie nun einen Freund hätten, der mit Ihnen immer wieder und wieder in ein Bumslokal ging und meint, daß er hier alles Glück auf dieser Erde findet …?”

„Dann würde ich ihn bald sausen lassen”, sagte sie energisch.

„Das machte ich auch. Wir sind uns also einig, daß ein weiterer Kontakt bald sinnlos geworden wäre.” Die zweite Flasche war noch immer nicht ganz leer, als Jerry erneut feststellte, daß Fränki entzückende Brüste hatte.

„Warum sehen Sie mich so eigenartig an?” fragte das Mädchen.

„Ich verweigere die Aussage”, lächelte Jerry zurück. „Warum?”

„Weil man nie alles sagen soll, was man denkt, aber immer wissen soll, was man sagte.”

„Orakeln Sie nicht, das waren Floskeln und diese bin ich überdrüssig. Ich möchte einen echten, einen ehrlichen Nachbarn haben und keinen Phrasenheini.”

„Und ich möchte eine Nachbarin haben, die lieb und nett ist. Das sind Sie auch, aber Sie sollen nicht zu jedem Mann lieb und nett sein.”

„Bin ich denn zu jedem nett?”

„Ja.”

„Ich werde verrückt. Sie sind der Erste, der mir solche Dinge sagt.”

„Und das – bitte sehen Sie auch das – in nachbarlicher Verbundenheit und Güte.”

„Sprechen Sie schon.”

„Ihr Pulli ist zu dünn und Ihre Brüste sind zu hübsch. Das reizt jeden Mann. Dann haben Sie sehr schöne Beine. Der knappe Rock enthüllt sie so, daß jeder Playboy Ihnen sofort den Hof machen muß. Sie sollten aber kein Mädchen sein, das mit jedem geht, das jedem optisch die Brüste und den Schoß anbietet.”

„Ich hätte jetzt eine Antwort, die Sie verblüffen würde, aber zur Strafe spreche ich sie nicht aus.” Jerry lächelte. „Und so strafen wir uns jeden Abend irgendwie, weil keiner das sagt, was er denkt. Sie sind gegen Floskeln, zwingen sie jedoch einem geradezu auf.”

Gedankenverloren trank Fränki das soeben neu gefüllte Glas aus. Lag es an dem Sekt oder an dem Gespräch, daß ihr Herz irgendwie stark klopfte und ihre Sinne auf einmal so aufgewühlt waren?

„Sehe ich denn so verführerisch aus?” fragte sie.

„Ja”, antwortete Jerry und seine Augen glänzten.

„Wenn Sie unter diesem dünnen Hemdchen – oder ist es wirklich ein Pulli? – ohne Büstenhalter gehen, wird jeder gesunde Mann sofort einige Wünsche haben.”

„Welche?”

„Fränki, bitte, jetzt sprechen Sie in Floskeln. Wollten wir nicht jegliche Phrase meiden?”

„Ich fragte, welche Wünsche?” sagte sie zäh, eigensinnig.

„Sie sind doch zweiundzwanzig?”

Ja.”

„Dann müssen Sie wissen, daß die Brüste eines Mädchens, wenn sie nur einigermaßen hübsch sind, zu jenen Geschlechtsmerkmalen gehören, die einen Mann fast magnetisch anziehen.”

„Ziehe auch ich Sie an?”

„Fränki!”

„Ich fragte Sie etwas.”

„Um Gottes willen, ja. Ihre Brüste sind eine einzige Versuchung. Tragen Sie zukünftig unbedingt einen Büstenhalter, wenn Ihre Pullis alle so dünn sind. Das ist ein guter, ein sehr guter Rat.”

„Warum sagen Sie mir das?”

„Weil ich Sie mag, weil Sie ein netter Kerl sind, weil ich will, daß Sie Ihre Spielsachen besser verpacken. Männer sind schließlich auch nur Menschen … “

„Frauen aber auch.”

„Es geht jetzt um Sie, Fränki. Um Ihr Überleben, um Ihr Seelenheil. Dann ist Ihr Rock zu kurz. Man meint fast den Schoß und den Po zu sehen und wird dadurch lüstern.”

„Man sieht ihn aber nicht.”

„Aber man ahnt ihn und das ist noch viel verführerischer. Sie wissen doch, daß das Verhüllen mehr Reize schafft als das Enthüllen.”

„Ich bin doch unter dem Rock angezogen. Im Bikini sieht man viel mehr. Ist das nicht eine zweigleisige Moral?”

„Wecken Sie nicht Wünsche, die … Ihnen gefährlich werden könnten.”

„Ein Mann kann mir – wenn er mein Typ ist – auch im keuschesten Büstenhalter und langen Rock gefährlich werden, auch hier hinkt Ihr Unken.” „Fränki, Schluß damit. Ich mag Sie. Wir trinken jetzt die Flasche aus und diskutieren morgen weiter über Sein oder Nichtsein, über die Gefahr von kurzen und langen Röcken, über den Sinn und Unsinn von Büstenhaltern … Ich habe einen kleinen Schwips. Darf ich Ihnen eine Wahrheit sagen, aber Sie dürfen nicht beleidigt sein?”

„Unbedingt. Ich bin immer für ein ehrliches Wort.”

„Trinken wir einen Schluß, sonst fallen Sie mir vor Schreck um.”

Als sie ihr Glas ausgetrunken hatten, sagte Jerry kehlig: „Vergessen Sie aber wirklich das, was ich jetzt sage?”

„Unbedingt”, antwortete das Mädchen ernsthaft.

„Sie sind mir, ohne Büstenhalter und mit kurzem, kessen Röckchen lieber. Es macht Sie froh, frisch und sexy. Ihre Brustwarzen zeichnen sich in Ihrem Pulli entzückend ab. Sie machen mir, so wie Sie sich anziehen, viel Freude. Es ist nur die Frage, ob Sie sich damit einen Dienst erweisen.”

„Das verstehe ich nicht.”

„Fränki, Sie fordern mich nur heraus, tun unschuldiger, als Sie sind. Zwischenfrage: Waren Sie schon einmal ganz tief verliebt?”

Das Mädchen lachte. „Einmal? Nein, genau vier Mal. Und das mit allen Schikanen.”

„Fränki!” mahnte Jerry Thomsen und drohte mit dem rechten Zeigefinger.

„Sollte ich lügen?”

„Nein.”

„Also?”

„Sie sind zu nett, um ein Allerweltsliebchen zu werden.”

„Das war ich noch nie und ich glaube, daß ich keine Veranlagung dazu habe. Mit etwas über Sechzehn war ich bereits zum zweiten Mal sehr verliebt und … “

„Wie alt waren Sie bei der, ersten’ Liebe?”

Das Mädchen lächelte, machte ein Gesicht wie eine Sphinx. „Meinen Sie die erste Liebe oder den ersten Sündenfall?”

Jerry Thomsen bekam ein schweres Herz. „Ich will beides wissen!” sagte er hart.

„Beides?” fragte das Mädchen nachdenklich. Einige kleine Schlucke Sekt gaben ihr den Mut zur Antwort. „Mit knapp sechzehn liebte ich den Französisch-Lehrer. Wenn ich sachlich bleibe, muß ich sagen, daß genau siebzehn Schülerinnen in ihn verknallt waren.”

„Und?”

„Wir gingen einmal ins Kino und hielten uns dort die Händchen, und dann war ich bei ihm zwei Mal je eine Stunde zum Privatunterricht.”

„Und?” fragte Jerry wieder monoton.

„Der Unterricht bestand meist nur aus Küssen, Kosen, zärtlichen Worten und noch zärtlicheren Händen.”

Eine Pause herrschte, das Schweigen legte sich wie eine schwere Decke auf sie.

„Ich war schon ziemlich entwickelt”, flüsterte Fränki, „und der Lehrer hatte seine helle Freude, als ich, vom Kakteenschnaps beschwingt, den er sehr liebte, nur noch im Slip tanzte und so tat, als wenn ich einen leidenschaftlichen Flamenco ausf Parkett legen würde.”

Wieder trennte sie Schweigen, wurde jetzt zu einem Schmerz, der ihnen fast den Atem nahm.

„Als ich dann weich war – ich glaube, die Männer sagen so? –, war mein Idol vollkommen blau und so endete meine erste, große Liebe.”

„Und die erste wirkliche Liebe?” ächzte Jerry, als fiele ihm das Sprechen schwer.

„Da war ich in der Lehre. Aus einem mir unerklärlichen Grund, machte ich eine Ausbildung als Bankkaufmann durch. Die ersten Monate verbrachte ich im Keller, in der Registratur, legte dort Woche für Woche Belege ab, obwohl ich schon über siebzehn war.

Jerry erhob sich und ging erregt auf und ab. „Und da geschah es?” fragte er bösartig. „Wer war es?”

„Muß ich?”

„Ja.”

„Ich bin aber nicht stolz darauf!”

„Also?”

„Herr Eggli war das Faktotum des Hauses, zählte zu den ältesten Mitarbeitern.”

„Wie alt war er denn?”

„Genau 68. Er war schon pensioniert, arbeitete jedoch freiwillig weiter. Seine Frau starb kurz vor seinem Ausscheiden aus der Bank, und so blieb er, weil in der Firma keiner im Keller arbeiten wollte.