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Tagebuch eines Besiegten E-Book

Cy Landie

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Beschreibung

Tagebuch eines Besiegten: 23 Gedichte

Der sechste Gedichtband von Cy Landie – düstere Lyrik aus dem Untergrund; ein raues und ungeschliffenes Zeugnis für eigenartige Seelenzustände, die keine Sieger zulassen.

Inhalt

1. Begrüßung des Publikums

2. Nur eine Fliege war Zeuge

3. Ein Tag wie jeder andere

4. Ein Besuch im Theater

5. Der Schreibtischmensch

6. Harmonie

7. E-Mails

8. Der Brief

9. Wenn das Telefon klingelt

10. Der Fleck

11. Die Stille

12. Mord

13. Eine gute Zeit

14. Einkaufszettel

15. Abenteuer im Supermarkt

16. Vor dem Schaufenster

17. Damals

18. Mein Nachbar

19. Happy Hour

20. Luxus

21. Der Ballon

22. Peg Entwistle

23. Am Ende lacht immer der Dichter

 

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Cy Landie

Tagebuch eines Besiegten

23 Gedichte

Für Jo March BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Titel

 

Tagebuch eines Besiegten

 

23 Gedichte

 

von Cy Landie

 

 

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www.instagram.com/cylandie

 

Kontakt u. Anfragen

[email protected]

 

Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet. Handlungen und Personen im Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

1. Begrüßung des Publikums

 

Herzlich willkommen

in meiner Welt.

Wenn du diesen Satz liest,

spreche ich direkt zu dir.

Lies ihn wieder und wieder.

Du kannst mich nicht sehen,

aber glaube mir, hier ist es,

wo ich wirklich bin.

Scheiß auf den Rest.

In einer Welt

voller Darsteller

wollte ich nie wer sein

und nie etwas darstellen.

Ich wollte nie ein falsches

Leben im echten, sondern eins,

das in der Künstlichkeit

fortbesteht.

Darin bestand für mich

der einzige Sinn.

Und so umrande ich

jeden einzelnen

Buchstaben und

bewege mich zwischen

den Zeilen hindurch,

immer weiter hinab,

Satz für Satz,

Seite für Seite.

Es interessiert nicht, was

fernab dieser Welt geschieht.

Genau diese Zeile ist wichtig,

genau in diesem Moment,

egal, ob ich lebe

oder längst tot bin.

Schau, ich werde niemals aufhören,

zu dir zu reden, solange du

es zulässt und die Wiederholungen

erträgst,

die ewigen Wiederholungen,

Satz für Satz,

Seite für Seite.

Und so lade ich dich ein,

es dir auf dem

Sofa gemütlich zu machen

und dich unter eine warme

Decke zu kuscheln.

Das, was ich schreibe,

soll eine Reise für

dich sein. Ich nehme

dich an die Hand und

gehe gemeinsam mit dir,

Satz für Satz,

Seite für Seite.

Viel Vergnügen.

2. Nur eine Fliege war Zeuge

 

5.30 Uhr.

Das erste Mal wach.

Froh, dass es erst 5.30 Uhr

ist.

Die Gedanken beginnen

damit, sich zu regen,

das Herz beginnt damit,

gegen die Brust zu schlagen

wie ein Hammer.

Anhaltende Turbulenzen.

Ein Gewitter zieht auf.

Versuche, das Schlechte

nicht an mich

heranzulassen. Nicht um

5.30 Uhr morgens.

Also wälze ich mich

auf die andere Seite

und versuche, ganz

ruhig zu atmen und

mir einen Sinn

vorzustellen, selbst

wenn es verdammt

schwer fällt.

6.30 Uhr.

Das zweite Mal wach.

Ich bleibe wach.

Scheiße.

Decken werden zur

Seite geschlagen.

Menschen stehen auf.

Die ersten Bewegungen.

Die ersten Seufzer.

Eine Fliege summt durchs

Zimmer. Ich lausche dem

Geräusch der Fliege, wie

sie sich im Vorhang verfängt

und gegen die Fensterscheibe

knallt, wieder und wieder

und wieder.

Mit tränenden Augen

sehe ich auf die

verschwommenen

Ziffern der grellen Digitaluhr.

Noch eine halbe Stunde

habe ich Ruhe vor der Welt.

Ab jetzt ist jede Minute

kostbar.

 

Geräusche schallen durch

die Wohnung.

Die Toilettenspülung.

Der Wasserhahn.

Der Wasserkocher.

Kleidung, die angezogen wird.

Das Scheppern von Tellern und

Tassen. Ein zur Fröhlichkeit

verdammter Radiomoderator,

der keine Ahnung von

guter Musik hat.

Mein Blick auf die Uhr wird

regelmäßiger.

Noch 20 Minuten.

Noch 10 Minuten.

Noch 5.

Noch einmal genieße ich

die Wärme der Decke,

die meinen Körper umhüllt

wie ein Kokon, wie das

letzte Paradies für die

Menschheit.

 

Dann schlägt die Kirchenglocke

mitten durch das Fensterglas,

tief hinein in meine Ohren.

Es ist 7.00 Uhr.

Schon wieder.

Seit 33 Jahren.

Langsam erhebe ich mich

vom Bett. Sofort kriecht

die Kälte des Raumes in

meine Knochen. Ich schiebe die

Vorhänge zur Seite und

schrecke damit die Fliege auf,

die an der oberen Fensterecke

verrückt spielt.

Ich müsste nur das

Fenster öffnen, um die

Fliege in die Freiheit

zu entlassen.

Doch ich entscheide mich

dafür, den Gedanken noch

für eine Weile ruhen zu

lassen.

Stattdessen lasse ich meinen

Blick aus dem Fenster nach

draußen in den Garten

schweifen, blicke über

die Bäume und Häuser

mit den dampfenden

Schornsteinen hinweg.

Nur um dann festzustellen,

dass immer wieder die gleiche

Frage in meinen Schädel schießt:

Kann diese gottverdammte

Welt nicht einfach mal

explodieren?