Tagebuch eines Vampirs - Im Bann der Ewigkeit - Lisa J. Smith - E-Book

Tagebuch eines Vampirs - Im Bann der Ewigkeit E-Book

Lisa J. Smith

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Beschreibung

Die Spiegel Besteller-Romanvorlage zur beliebten TV-Serie "The Vampire Diaries".

Nach Stefanos Tod beherrscht Elena nur noch ein Gedanke: Rache an Jack und seinen Vampirkreaturen. Gemeinsam mit Damon setzt sie alles daran, die Mörder ihrer großen Liebe zur Strecke zu bringen. Ein schier aussichtsloses Unterfangen, denn die Macht des Gegners scheint unbezwingbar – ebenso wie Elenas Gefühle ... Entschlossen stürzt Elena sich in einen atemberaubenden Wettlauf gegen die Zeit, denn dieser Kampf entscheidet nicht nur über ihr eigenes Schicksal, sondern über das der ganzen Welt …

Leidenschaftlich und blutdürstig, die Tagebücher eines Vampirs sind ein fesselnder Pageturner mit Suchtgefahr!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 308

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Foto: © privat

Die Autorin

Lisa J. Smith hat schon früh mit dem Schreiben begonnen. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie noch während ihres Studiums. Sie lebt mit einem Hund, einer Katze und ungefähr 10 000 Büchern im Norden Kaliforniens.

Weitere lieferbare Titel von Lisa J. Smith bei cbt:

Die Tagebuch eines Vampirs-Serie

Im Zwielicht (Band 1)

Bei Dämmerung (Band 2)

In der Dunkelheit (Band 3)

In der Schattenwelt (Band 4)

Rückkehr bei Nacht (Band 5)

Seelen der Finsternis (Band 6)

Schwarze Mitternacht (Band 7)

Jagd im Abendrot (Band 8)

Jagd im Mondlicht (Band 9)

Jagd im Morgengrauen (Band 10)

Dunkle Ewigkeit (Band 11)

The Vampire Diaries– Stefan’s Diaries

Am Anfang der Ewigkeit (Band 1)

Nur ein Tropfen Blut (Band 2)

Rache ist nicht genug (Band 3)

Nebel der Vergangenheit (Band 4)

Die Night World-Reihe

Engel der Verdammnis

Prinz des Schattenreichs

Jägerin der Dunkelheit

Retter der Nacht

Gefährten des Zwielichts

Töchter der Finsternis

Schwestern der Dunkelheit

Kriegerin der Nacht

Der Magische Zirkel

Die Ankunft (Band 1)

Der Verrat (Band 2)

Die Erlösung (Band 3)

Der Abgrund (Band 4)

Die Hexenjagd (Band 5)

Visionen der Nacht

Die dunkle Gabe (Band 1)

Der geheime Bund (Band 2)

Der tödliche Bann (Band 3)

Das Dunkle Spiel

Die Gejagte (Band 1)

Die Beute (Band 2)

Die Entscheidung (Band 3)

Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. 1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Januar 2015

© 2013 by Alloy Entertainment and L. J. Smith

Published by Arrangement with Rights People, London.

Die amerikanische Originalausgabe erschien

2013 unter dem Titel »The Vampire Diaries:

The Salvation: Unspoken« bei HarperCollins Publishers, New York.

© 2015 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Michaela Link

Lektorat: Kerstin Weber

Umschlaggestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg,

unter Verwendung eines Motivs von gettyimages (© Juanmonino)

he · Herstellung: kw

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-14250-6V002

www.cbt-buecher.de

Kapitel Eins

Meredith wehrte sich verzweifelt gegen die stählernen Fesseln, die ihre Arme und Beine auf dem Operationstisch fixierten. Sie schloss die Augen, spannte die Muskeln an, Adrenalin schoss durch ihren Körper, aber die Fesseln gaben keinen Millimeter nach.

»Bitte«, flehte sie. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen.

Jack ignorierte ihr Flehen und konzentrierte sich auf ihren Hals. Langsam schob er ihr die Nadel einer Spritze unter die Haut.

»Fast fertig«, sagte er und drückte den Kolben herunter. Meredith’ Hals war zu taub, um die Nadel zu spüren, aber die Injektionsflüssigkeit brannte in ihren Adern. Sie schnappte nach Luft und versuchte erneut, sich gegen ihren Peiniger zu wehren.

Jack blickte ihr in die Augen, während sie sich wand. Dieselben warmen haselnussbraunen Augen wie zu der Zeit, als Meredith ihn als Mentor angesehen hatte, als einen der besten Jäger, denen sie je begegnet war. Bevor sie gewusst hatte, dass Jack ein Vampir war. Bevor er Stefano ermordet hatte.

Bevor sie gewusst hatte, dass er sie verwandelte.

»Ich will kein Vampir sein«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. Tränen trübten ihre Sicht. Meredith dachte an Cristian, ihren Vampirbruder, den sie hatte töten müssen, an die vielen Generationen ihrer Familie, deren Lebensaufgabe es gewesen war, die Verkörperung des Bösen zu vernichten. Sie konnte kein Vampir werden, kein Feind, nicht nach allem, was sie durchgemacht hatte.

Ein flüchtiges Lächeln umspielte Jacks Gesicht, in den Augenwinkeln kräuselten sich Fältchen. »Es ist vollbracht.«

Meredith tat alles weh. Langsam schüttelte sie den Kopf, während sie vor Angst keuchte. »Ich werde mich umbringen«, stieß sie verzweifelt hervor.

Jack grinste nur noch breiter. »Nur zu, versuch es«, antwortete er. »Ich habe die Verwandlung perfektioniert. Wir sind unsterblich.«

In einem weiteren Anfall von Panik stemmte Meredith erneut ihre Arme und Beine gegen die Fesseln. Das schwere, taube Gefühl ließ nach und das Metall schnitt ihr scharf in die Gelenke. Mit einer gewaltigen Anstrengung schaffte es Meredith, die Fesseln zu sprengen. Sie war frei. Meredith fiel vom OP-Tisch und landete zitternd auf dem Boden.

Sie rappelte sich auf Händen und Knien hoch und begann, zur Tür zu kriechen. Sie rechnete damit, dass Jack sie jeden Moment packen und wieder auf den Tisch hieven würde. Aber Jack rührte sich nicht von der Stelle, sondern beobachtete nur, wie sie sich vorankämpfte. Sie hörte ihren eigenen Atem, ein raues, verzweifeltes Keuchen, als sie sich über den Boden schleppte. Sie musste einfach weg.

Tatsächlich schaffte sie es zur Tür und zog sich am Türknauf hoch.

»Du wirst zurückkommen«, sagte Jack mit unheimlicher Ruhe.

Meredith riss die Tür auf, stürzte hinaus und rannte stolpernd durch den Flur, rannte so schnell sie konnte. Der Flur war lang und von Neonröhren beleuchtet, die Böden dunkelgrau gekachelt wie in einem Krankenhaus oder einer Schule. Sie war auf Jacks Schritte hinter sich gefasst, aber sie hörte nur sein wahnsinniges Gelächter, das aus dem Raum schallte, aus dem sie geflohen war.

»Du wirst zurückkommen«, wiederholte er. »Du wirst gar nicht anders können.«

Verzweifelt ließ Meredith ihren Blick durch den Flur schweifen. Die Doppeltüren am Ende führten zu einem Treppenhaus. Sie schlüpfte hindurch und ihre nackten Füße klatschten auf den Betonstufen nach unten. Nach draußen, hoffte sie.

Doch die Stufen wollten kein Ende nehmen. Bis Meredith schließlich durch eine weitere Doppeltür auf einen Gehsteig gelangte. Sie hielt für einen Moment inne, holte keuchend Luft und sah sich um. Hinter ihr erstreckten sich Bürogebäude. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Es war noch dunkel, begann aber schon zu dämmern.

Lauf weg, schrie alles in ihr, und ihr Herz hämmerte panisch. Jacks grauenvolle, unverwundbare Vampire konnten hier überall sein. Meredith presste den Rücken gegen die kalte Backsteinmauer hinter ihr und versuchte, sich in der Dunkelheit so unsichtbar wie möglich zu machen. Dann spähte sie vorsichtig um sich. Es war niemand in der Nähe.

Sie atmete tief ein, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, einfach ins Ungewisse zu rennen. Sie ballte die Fäuste, entspannte sich dann bewusst, verscheuchte die Anspannung aus ihrem Körper. Sie fühlte sich jetzt sicherer auf den Beinen, ihre Gliedmaßen kribbelten, während die Betäubung nachließ. Noch immer war niemand zu sehen. Von links hörte Meredith den Autolärm einer Straße. Sie wandte sich in diese Richtung, fest entschlossen, nach Hause zu gelangen.

Der Tag brach an, als Meredith die Tür zu ihrer Wohnung öffnete, leise in die Diele trat und ihre Schlüssel auf den Tisch warf. Du bist in Sicherheit, sagte sie sich. Jack hatte behauptet, sie sei ein Vampir, aber Meredith fühlte sich nicht anders als sonst. Vielleicht wirkte seine Behandlung nicht.

Sie sah sich in ihrem vertrauten Wohnzimmer um. Morgenlicht fiel durch die Vorhänge herein, alles wirkte tröstlich normal. Ihre juristischen Bücher ordentlich im Regal aufgereiht, das Foto von ihrer Hochzeit mit Alaric an seinem Platz auf dem Beistelltisch. Meredith öffnete leise die Tür zum Schlafzimmer und schlüpfte unter die kühlen Laken des Bettes. Neben ihr murmelte Alaric etwas im Schlaf und grub sich tiefer in die Kissen.

Sie war in Sicherheit. Trotz all der schrecklichen Ereignisse – Stefano war tot, Jack war ein Vampir – war das Schlimmste nicht passiert. Du bist okay, sagte sie sich.

Probehalber strich sie sich mit einem Finger über ihre Zähne. Normal. Keine extrascharfen Eckzähne. Ihre Hände waren warm, ihr Herz schlug in einem schnellen, menschlichen Rhythmus. Alles war in Ordnung. Ihr Körper musste das, was Jack ihm anzutun versucht hatte, abgewehrt haben.

Sie rückte näher an Alaric heran. Dann runzelte sie die Stirn. Da war etwas in der Brusttasche ihres Pyjamas. Sie griff hinein und ertastete ein dünnes Rechteck aus Pappe. Eine Visitenkarte. Sie zog die Karte heraus und hielt sie ins fahle Morgenlicht. Ein schwarzes Unendlichkeitssymbol war darauf gedruckt, dazu ein Firmenname: Lifetime Solutions. Darunter stand handschriftlich in schwarzer Tinte eine Telefonnummer.

Da war sich einer aber ziemlich sicher, dachte sie wütend. Sie krampfte die Finger um die Karte und zerknüllte sie ein wenig, bevor sie sie in der Schublade ihres Nachttischs verschwinden ließ. Sie wollte Jack nie wiedersehen.

Auf ihrem Wecker war es noch nicht einmal fünf. Meredith atmete tief durch, schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen, versuchte, Jacks Gesicht zu vergessen, als er ihr die letzte Injektion in den Hals gejagt hatte.

Ihr Bett war weich, die Laken rochen frisch gewaschen. Aber da war noch ein anderer Geruch … salzig, leicht metallisch … wie …

Während Meredith darüber nachgrübelte, drang noch etwas anderes in ihr Bewusstsein. Überall um sie herum erklang ein langsames, gleichmäßiges Rauschen, das sie an den Ozean erinnerte, ein tiefes Dröhnen unter dem stetigen Geräusch der Brandung. Sie atmete im Rhythmus des Rauschens und wäre beinahe eingeschlafen.

Wenn da nicht etwas an ihr genagt hätte, etwas, das sie wach hielt und ihr Appetit machte. Unbewusst leckte sie sich die Lippen. Dieser salzige, metallische Geruch … köstlicher als das Brathühnchen, das ihre Mom zubereitete, süßer als frisch gebackene Apfelpastete. Irgendwie vertraut, und doch konnte sie diesen Duft nicht recht einordnen.

Meredith lief das Wasser im Mund zusammen, als sich plötzlich etwas in ihrem Kiefer bewegte. Entsetzt schlug sie die Hände vor den Mund.

Ihr Kiefer bewegte sich erneut. Zaghaft betastete sie ihre Lippen. Sie waren so empfindlich, dass sie vor Schmerz zusammenzuckte. Noch vorsichtiger berührte sie ihre Zähne.

Ihre Eckzähne waren lang und scharf. Reißzähne.

Das dröhnende Rauschen, der Geruch von Salz und noch etwas anderem – Kupfer – waren fast überwältigend. Und mit jedem Dröhnen schmerzte ihr Magen und ihre Zähne ebenso.

Es war Alaric. Sie hörte Alarics Herz schlagen. Sie roch Alarics Blut.

Voller Panik kroch Meredith aus dem Bett. Sie starrte auf Alaric hinab, der so friedlich, so ahnungslos schlummerte.

Jack hatte es getan. Er hatte sie in einen Vampir verwandelt.

Und sie war ausgehungert.

Kapitel Zwei

Liebes Tagebuch,

ich habe alles verloren. Ich habe mich selbst verloren.

Ich weiß nicht, wer ich ohne Stefano bin.

Tagelang war ich nicht einmal in der Lage, dir zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, wenn ich alles aufschriebe, würde es erst so richtig Realität werden.

Aber es ist die Realität, ob ich es aufschreibe oder nicht.

Stefano ist tot.

Elena zuckte vom Laptop zurück. Dann presste sie die Hände fest auf den Mund. Stefano war tot. Ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen und sie wischte sie heftig weg. In letzter Zeit hatte sie nichts anderes getan als geweint, aber das machte es nicht besser.

Mir scheint, die Erde hätte aufhören sollen, sich zu drehen. Wenn Stefano tot ist, sollte auch die Sonne morgens nicht mehr aufgehen. Aber die Zeit hält nicht inne und immer wieder beginnt ein neuer Tag. Nur dass es mir nichts bedeutet, weil Stefano immer noch tot ist.

Wir alle haben Jack vertraut. Er und Stefano haben Seite an Seite gejagt, auf der Suche nach dem Alten, nach Solomon. Aber während wir alle Solomons Niederlage feierten und uns endlich glücklich und sicher fühlten, hat Jack Stefano seinen Stab durchs Herz gerammt. Jack hat ihn getötet.

Elena hörte wieder auf zu tippen, stützte den Kopf in die Hände, überwältigt von der Erinnerung. Stefano hatte Elena in die Augen gesehen und sanft gelächelt. Sie hatte gewusst, dass sie beide das Gleiche dachten: Jetzt, da die Ursprünglichen tot sind, kann unser wahres gemeinsames Leben beginnen.

Es war alles so schnell gegangen. Elena hatte gesehen, dass etwas nicht stimmte, aber bevor sie Alarm schlagen konnte, hatte Jack zugestoßen. Sie war zu spät gekommen.

Das Lächeln war aus Stefanos Gesicht gewichen, während seine Augen sich weiteten. Einen Moment lang hatte er völlig überrascht aufgeblickt und dann war Stefano einfach verloschen. Seine Augen – diese smaragdgrünen Augen, die sie stets mit solcher Liebe angesehen hatten – waren leer gewesen, er selbst war leblos zu Boden gesackt.

Jack hatte wirklich die Alten gejagt, genau wie wir. Aber er wollte die Welt nicht sicherer machen. Jack hat eine neue Art von Vampiren erschaffen– durch Medikamente und Operationen statt durch Blut und Magie. Und diese Vampire sind furchteinflößender denn je: Immun gegen Sonnenlicht und Eisenkraut und, wie Damon sagt, nicht zu töten. Jedenfalls nicht auf die übliche Weise.

Jack wollte keine Konkurrenz für seine im Labor erschaffene Vampirrasse. Also hat er sich darangemacht, die gefährlichsten Konkurrenten zu eliminieren. Und das sind nicht nur die Alten, die ursprünglichen Vampire, sondern auch jene intelligenten Vampire, die bereits über Jahrhunderte hinweg existieren. Vampire wie Katherine und Damon, wie Stefano.

Jack hat uns alle als Waffen gegen Solomon benutzt– meine Wächterkräfte, Stefanos und Meredith’ Kampfkunst, Bonnies Magie. Der Alte war zu gut versteckt, als dass Jack ihn allein hätte finden können. Aber sobald Solomon tot war, stellte Stefano nur ein weiteres Hindernis auf Jacks Weg dar.

Wir wissen nicht, wo Jack jetzt ist oder was er als Nächstes plant. Die Jäger, die mit ihm gereist waren– Trinity, Darlene und Alex–, sind von ihm ebenso getäuscht worden wie wir. Sie haben die Stadt verlassen und versuchen, Jack aufzuspüren. Aber auch sie haben keine Ahnung, wo er sein könnte.

Elena schluckte und wischte sich erneut mit dem Ärmel ihres Bademantels über die Augen.

Meredith und Damon glauben nicht, dass Jack überhaupt weg ist. Vor einigen Tagen hat Meredith gegen einen seiner seltsamen, synthetischen Vampire gekämpft. Der Vampir ist entkommen und Meredith hat nur mit knapper Not überlebt. Setzt Jack seine Experimente hier in Dalcrest fort?

Eigentlich sollte mich das interessieren. Ich sollte Rache wollen. Aber stattdessen bin ich wie betäubt.

Ohne Stefano ist es, als sei ich ebenfalls tot.

Ein Schlüssel klickte in der Wohnungstür. Elena blickte vom Bildschirm auf und sah Damon hereinkommen. Das kalte Appartement schien sich ein wenig zu erwärmen, als habe der gut aussehende dunkelhaarige Vampir etwas von der spätsommerlichen Luft in die klimatisierten Räume gebracht. Während er hereinkam, schien er kleiner zu werden und zog die Schultern hoch. Durch das Band zwischen ihnen spürte Elena seinen wehmütigen Schmerz beim Anblick von dem, was einst Stefano gehörte. Erinnerungen daran, dass sein Bruder nicht mehr war.

»Du hast gegessen«, kommentierte sie die fast menschliche Röte seiner Wangen.

»Wenn man es so nennen kann.« Damon verzog angewidert die Lippen. »Stefanos Tierkost ist so was von abscheulich, genau wie ich es immer vermutet habe.«

Als Elena zusammenzuckte, schaute Damon auf und sein Gesichtsausdruck wurde weicher. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß, ich sollte nicht …« In seinen Augen spiegelte sich ihr eigener Schmerz wider.

»Ist schon okay«, murmelte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Natürlich solltest du seinen Namen sagen dürfen, er ist dein Bruder. Ich hab nur …« Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie nur mühsam zurückhielt. Aber sie musste aufhören zu weinen.

Damon ergriff mit seinen kühlen, glatten Fingern ihre Hand. »Ich verspreche dir, dass Jack dafür bezahlen wird«, sagte er leise, seine Augen so dunkel wie die Nacht. »Koste es, was es wolle.«

Eine Welle der Panik ergriff Elena und raubte ihr den Atem. Fest umklammerte sie Damons Hand. »Nein«, sagte sie. »Damon, du musst vorsichtig sein. Selbst wenn es bedeutet, Jack laufen zu lassen.«

Damon versteifte sich und fixierte sie mit dunklem Blick. »Wir haben einander versprochen, dass wir uns an Jack rächen würden«, erklärte er entschieden. »Das sind wir Stefano schuldig.«

Elena schüttelte den Kopf. »Ich weiß … aber ich will dich nicht auch noch verlieren.« Sie hasste das schwache Zögern in ihrer Stimme, aber sie drückte die Schultern durch und sah Damon ruhig und entschlossen an. Manchmal war es ihr, als hielte allein Damons Gegenwart sie davon ab, wahnsinnig zu werden. Damon war der Einzige, der verstand. Der Einzige, der Stefano wirklich so tief geliebt hatte wie sie selbst.

Jede Nacht hörte sie Damons leise Schritte im Appartement, vom Wohnzimmer in die Küche bis zum Flur, und manchmal verharrte er draußen vor ihrem Schlafzimmer, aber er kam niemals herein, selbst wenn sie sich nach seinem Trost sehnte. Er bewachte sie, während er umherwanderte, und er vertrieb seinen eigenen Kummer. Der Gedanke daran, dass Damon ebenso verlöschen könnte wie Stefano, sein schönes Gesicht plötzlich leer und reglos, ließ Elenas Herz verzweifelt hämmern.

»Bitte, Damon«, flehte sie.

Damons Blick wurde weicher. Er seufzte und strich mit einem Finger sanft über ihre Knöchel, dann zog er die Hand schnell zurück. Sein Kiefer verkrampfte sich. »Ich mache schon keine Dummheiten. Denk immer daran, dass ich ganz gut auf mich selbst aufpassen kann.«

Elena nickte dankbar – und hielt dann plötzlich inne, als ihr klar wurde, was er da eigentlich gesagt hatte. Er hatte nicht wirklich versprochen, sich nicht in Gefahr zu begeben. »Aber du kannst niemanden töten«, rief sie ihm nachdrücklich ins Gedächtnis. »Die Wächter haben dir gesagt, wenn du jemanden tötest, werde ich sterben. Es hat also nicht viel Sinn, nach Rache zu streben.«

Damon lächelte. Ein freudloses, hartes Lächeln. »Vampire sind nicht menschlich«, sagte er. »Ich kann Jack töten und ich werde ihn töten.«

Elenas Schultern sackten herunter. Damon würde niemals aufhören, Jagd auf Jack zu machen.

Damon würde auf dieser Jagd sterben, dessen war sie sich sicher. Und dann hätte sie endgültig alles verloren.

Kapitel Drei

Damon lief in Elenas Wohnzimmer auf und ab und betrachtete missmutig die hellen Flecken, welche die nachmittägliche Sonne auf den Boden malte. Als er vor einer Stunde aus seinem rastlosen Schlaf erwacht war, war Elena bereits fort gewesen.

Geistesabwesend strich er sich über die Brust und spürte Elenas Gefühle durch das Band zwischen ihnen. Nichts hatte sich verändert – da war immer noch dieselbe scharfe, zornige Trauer, die ihn nach Dalcrest zurückgebracht hatte, die ihn hatte wissen lassen, dass sein Bruder tot war. Sonst nichts. Wo immer Elena hingegangen war, sie war nicht in Gefahr.

Er sehnte sich verzweifelt danach, loszuziehen und Jack zu jagen, ihn zu finden und ihn in Stücke zu reißen. Zorn brodelte in ihm – wie konnte irgendjemand es wagen, seinen kleinen Bruder anzurühren. Selbst als er und Stefano einander gehasst hatten, wäre das niemandem gestattet gewesen.

Aber für den Moment musste Damon die Ruhe bewahren. Er bewachte Elena. Und wartete auf seine Gelegenheit.

Nach Stefanos Beerdigung hatte Meredith versucht, ihm Vorschriften zu machen. »Soweit Jack weiß, bist du immer noch in Europa«, hatte sie gesagt. »Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. Du bist vielleicht die beste Waffe, die wir haben.«

In den grauen Augen der Jägerin hatte Damon gesehen, wie viel Überwindung es sie kostete, ihn um etwas bitten zu müssen – und unter anderen Umständen hätte ihn das amüsiert. Aber Meredith hatte nun mal kein Recht, ihm irgendwas vorzuschreiben, und er hatte keine Veranlassung, ihrem Rat zu folgen.

Doch Elenas verzweifelter, flehender Ausdruck in den Augen … Ich will dich nicht auch noch verlieren … Damon war bereit zu tun, was immer sie wollte.

Er seufzte, setzte sich aufs Sofa und sah sich um. Er begann diesen Raum zu verabscheuen, so hübsch er auch war, mit seinen schweren, antiken Möbeln und den Kunstdrucken an den Wänden. Er war ganz nach Stefanos Geschmack eingerichtet: traditionell und gemütlich. Stefanos Geschmack, Stefanos Besitztümer, Stefanos Elena.

Auf dem Tisch neben dem Sofa lag ein dickes, in braunes Leder gebundenes Notizbuch: das Dokument der Serie von Experimenten, die Jack durchgeführt hatte, um seine neue Vampirrasse zu schaffen. Damon hatte es gefunden, als er in Jacks Firma in der Schweiz eingedrungen war.

Darin befand sich eine Liste jener Vampire, die Jack bereits vernichtet hatte – und eine Liste, auf der alle Vampire standen, die er noch zur Strecke bringen wollte. Damon griff nach dem Notizbuch und wandte sich der langen Reihe von Namen zu. Viele davon gehörten Vampiren, die Damon über Jahrhunderte hinweg gekannt hatte – und die jetzt durchgestrichen waren. Nur drei Namen standen noch unversehrt auf der Liste: Catarina von Schwartzchild. Damon Salvatore. Stefano Salvatore.

Damon strich gedankenverloren mit dem Finger darüber und erinnerte sich daran, wie Catarinas Gesicht erbleicht war, als ihr das Leben endgültig entglitt. Und er verspürte erneut den Stachel von Elenas gequältem Entsetzen, das ihm den Tod seines Bruders angezeigt hatte. Wenigstens hatte Damon das Buch gestohlen, bevor Jack ihre Namen ausstreichen konnte.

Er biss die Zähne zusammen und blätterte die Seiten durch. Wenn er schon nicht einfach losziehen und Jack jagen konnte – noch nicht –, konnte er wenigstens nach Hinweisen suchen, wie er zu besiegen war.

Aber er fand nichts Neues, schließlich war er das Buch schon x-mal durchgegangen. Nach einigen Minuten stöhnte er leise, schloss die Augen und rieb sich die Schläfen.

Zwar hatte Jack jede Menge über die Schwächen seiner Kreationen notiert – aber auch, wie er diese Schwächen behoben hatte. Sonnenlicht, Feuer, Enthauptung, ein Pflock ins Herz: Soweit Damon erkennen konnte, gab es keine Möglichkeit, diese von Menschen geschaffenen Vampire zu töten.

Es war hoffnungslos. Vielleicht sollte Damon aufgeben und Jack laufen lassen, wie Elena gesagt hatte.

Nein. Er riss die Augen wieder auf und knirschte mit den Zähnen. Er war Damon Salvatore. Kein verrückter Wissenschaftler würde ihn besiegen.

Er klappte das Buch zu. Irgendetwas musste diese künstlichen Geschöpfte ernsthaft in Gefahr bringen können. Irgendetwas, woran Jack nicht gedacht hatte.

Beinahe widerstrebend ließ Damon seinen Blick zu der schweren Mahagonitruhe schweifen, auf der Stefanos Talismane lagen, eine Sammlung von Gegenständen aus seinem langen Vampirleben. Goldmünzen, ein Achatbecher, eine goldene Taschenuhr. Und das fliederfarbene Haarband von Elena, aus einer Zeit, in der Stefano sie noch gar nicht wirklich gekannt hatte und bevor Damon sie überhaupt kennengelernt hatte. Was wohl gewesen wäre, wenn er, Damon, Elena als Erster kennengelernt hätte?

Er stand auf, ging langsam zu der Truhe hinüber, berührte alles sanft: Eisenkästchen, Elfenbeindolch, seidenes Haarband.

Damon hing nicht an Dingen, so wie Stefano es getan hatte. Er sah keinen Sinn darin, Gegenstände zu behalten, denen er entwachsen war, und seine Vergangenheit durch die Welt zu schleppen.

Stefano hatte ihrer beider Vergangenheit für ihn mitgeschleppt. Ein Gedanke, der ein hohles Gefühl in seiner Brust auslöste. Stefano und Catarina waren beide tot – es gab also niemanden mehr, der sich an Damon erinnerte, als er noch ein Mensch gewesen war.

Er zog einen Finger über die Klinge des Dolchs mit dem Elfenbeingriff und riss die Hand mit einem Zischen zurück. Stefano hatte stets darauf geachtet, den Dolch scharf zu halten, obwohl es wahrscheinlich Jahrhunderte her war, dass er ihn das letzte Mal benutzt hatte.

Ihr Vater hatte diesen Dolch jahrelang in einer Scheide an seinem Gürtel getragen, erinnerte Damon sich. Ein wunderschönes Exemplar, dessen feiner glänzender Griff sich über einer gut geschliffenen Klinge krümmte. Er hatte ihn Stefano zu seinem fünfzehnten Geburtstag geschenkt.

»Jeder Gentleman sollte einen tragen«, hatte Guiseppe Salvatore gesagt und liebevoll die Schulter seines jüngeren Sohnes gedrückt. »Nicht, um angreifen zu können oder um damit auf der Straße zu kämpfen wie ein Bauer …« Damon hatte gespürt, wie sein Vater ihn von der Seite ansah, mit einem Blick, der fast ebenso spitz gewesen war wie der Dolch. »… sondern für den Fall, dass du ihn wirklich brauchst. Diese Klinge ist aus feinstem Stahl geschmiedet. Sie hat mir gute Dienste geleistet.«

Stefanos grüne Augen hatten geleuchtet, als er zu ihrem Vater aufgeschaut hatte. »Vielen Dank, Vater«, hatte er gesagt. »Ich werde ihn in Ehren halten.«

Damon hatte träge dabeigesessen, ausgeschlossen von dem Einverständnis, das zwischen seinem Vater und seinem kleinen Bruder herrschte, und hatte seinen eigenen, sehr schönen Dolch mit Elfenbeingriff berührt, als eine plötzliche Bitterkeit in ihm aufgestiegen war.

Damon verscheuchte die Erinnerung. Er hatte schon genug Zeit darauf verschwendet, Stefano zu grollen.

Und er verschwendete jetzt Zeit. Damons langsamer Herzschlag hämmerte hart, der hohle Schmerz in seiner Brust wurde stärker. Sein ernsthafter, liebevoller, lästiger kleiner Bruder war tot. Ermordet. Und Damon duckte sich in den Schatten? Er verzog angewidert das Gesicht. Er konnte sich gut vorstellen, was ihr Vater dazu gesagt hätte.

Mit einer geschmeidigen Bewegung packte er den Dolch und ging zur Tür. Er würde sein Wort nicht brechen. Er hatte Elena gesagt, dass er keine Dummheit begehen würde. Ja, er würde vorsichtig sein. Aber er würde sich nicht verstecken, nicht mehr. Damon war ein Salvatore – der Letzte der Salvatores –, und das bedeutete, dass er sich vor nichts fürchtete.

Es war Zeit, die Kontrolle zu übernehmen. Und dazu musste er als Erstes herausfinden, wo Jack sich versteckt hielt.

Der Fluss plätscherte sanft gegen die kleinen Steine am Ufer und das Sonnenlicht spiegelte sich auf dem gekräuselten Wasser. Elena rückte unwillkürlich tiefer in den Schatten eines der moosbedeckten Bäume am Flussufer.

Die rechteckige Fläche, unter der Stefano begraben lag, war immer noch deutlich zu erkennen. Es war noch nicht genug Zeit vergangen, dass Gras hätte darüber wachsen können.

Bis vor Kurzem war Stefano noch lebendig gewesen.

Eine Welle des Schmerzes schlug über Elena zusammen und sie ließ sich neben dem Grab auf die Knie fallen. Sie beugte sich vor und legte sanft eine Hand auf die Erde.

Sie wollte etwas sagen, wollte ihm erzählen, wie sehr sie ihn vermisste, aber sie brachte nur seinen Namen hervor: »Stefano«, sagte sie elend, und ihre Stimme stockte. »Oh,Stefano.«

Noch vor zwei Wochen waren sie zusammen gewesen. Und nicht lange davor hatte er sie mit dem Schlüssel zu ihrem alten Zuhause überrascht – er hatte das Haus, in dem sie aufgewachsen war, von ihrer Tante Judith gekauft. »Wir werden zusammen neue Plätze auf der Welt entdecken«, hatte er ihr erklärt, seine Hände stark und fest um ihre. »Aber wir werden für immer einen Ort haben, an den wir zurückkommen können. Wir werden ein gemeinsames Zuhause haben – dein Zuhause.«

Für immer, hatte er gesagt. Und jetzt war dieses für immer vorbei. Sie hatten nicht einmal Zeit gehabt, das Haus zusammen zu besuchen. Elena grub die Finger tief in den Boden und versuchte, nicht an Stefanos Leichnam zu denken, der unter der Erde lag.

»Elena?«

Bonnie erschien zwischen den Bäumen. Elena zog die Hände von Stefanos Grab. Es schien ihr eine zu intime Geste, die niemand sehen sollte, selbst Bonnie nicht. »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie leise und stand auf.

»Natürlich.« Bonnies braune Augen blickten sie ängstlich an. Sie umarmte Elena. »Wie geht es dir? Zander und ich wollten wissen, ob wir irgendetwas für dich tun können.«

»Es gibt wirklich etwas«, antwortete Elena und nahm Bonnies Hand.

»Ich erwarte immer noch, dass er plötzlich auftaucht«, gestand Bonnie, den Blick auf das Grab gerichtet. »Es ist schwer zu glauben, dass er tot ist, nicht wahr?«

Nein, Elena ging es nicht so. Von dem Moment an, wenn sie morgens aufwachte, bis nachts, wenn sie endlich in einen rastlosen Schlaf fiel, konnte sie nicht vergessen, dass Stefano fort war. Seine Abwesenheit verfolgte sie sogar im Traum. Doch das erzählte sie nicht. Stattdessen rückte sie ein wenig näher an Bonnie heran, als finde sie in der Wärme ihrer Freundin Schutz.

»Erinnerst du dich daran, wie du nach meinem Tod mit mir gesprochen hast?«, fragte Elena und drückte Bonnies Hand.

Bonnie löste den Blick vom Boden und schaute wieder zu Elena auf. »Oh, Elena, ich denke nicht …«

»Dank dir konnte Stefano mich sogar sehen«, fuhr Elena beharrlich fort, während sie jetzt den Arm ihrer Freundin fest umklammerte.

Bonnie wich etwas zurück. »Aber du solltest nicht tot sein! Nicolaus hatte dich in einer Art Zwischenwelt eingesperrt – du warst eine Gefangene, nicht wirklich tot.« Sie zögerte, dann fragte sie mit leiser Stimme: »Und erinnerst du dich, dass die Wächter sagten, Vampire würden einfach … enden?«

»Aber einen Versuch ist es wert, nicht wahr?«, fragte Elena hastig. »Wächter wissen nicht alles, das haben wir in der Vergangenheit schon festgestellt. Wenn du mir helfen könntest, ihn zu sehen, Bonnie …« Erst jetzt merkte sie, wie fest sie Bonnie umklammert hielt, und lockerte ihren Griff. »Bitte«, fügte sie leise hinzu.

Bonnie kaute auf ihrer Unterlippe. Elena spürte förmlich den Moment, in dem sie innerlich nachgab. Ihre Schultern sackten herunter. »Ich will nicht, dass du noch mehr verletzt wirst«, sagte Bonnie kaum hörbar.

»Wir müssen es versuchen«, beharrte Elena.

Bonnie zögerte noch kurz, dann nickte sie schließlich. »Okay.« Sie kniff die Augen nachdenklich zusammen und trat auf den Fluss zu, wobei sie Elena mit sich zog. »Als ich es für Stefano gemacht habe, bin ich in eine Trance gefallen, habe Kontakt zu dir hergestellt und ihn dann hinzugezogen. Aber ich denke, dass wir jetzt etwas anderes versuchen sollten.«

Der steinige Sand knirschte unter ihren Füßen, als Bonnie Elena noch weiter ans Flussufer zog. Wasser plätscherte gegen ihre Sneakers und durchweichte den Stoff, bis Elenas Zehen ganz kalt wurden.

»Ich will, dass du mir erlaubst, deine Macht zu benutzen.« Bonnie drückte Elenas Hand. »Das wird mir die Suche nach Stefano erleichtern. Als ich damals mit dir kommuniziert habe, wusste ich, wie ich dich finden konnte, weil du zu mir Kontakt aufgenommen hattest. Jetzt dagegen wird es schwer werden, ihn zu finden.«

»Natürlich«, stimmte Elena zu.

Sie umklammerte Bonnies Hand und versuchte, ihre eigene Macht auf ihre Freundin zu übertragen. Mit tiefen, langsamen Atemzügen entspannte Elena sich, bis sie im Augenwinkel ihre eigene goldene Aura sah. Gedämpft von grauen Flecken der Trauer verbreitete sie sich dennoch und vermischte sich mit dem Rosarot von Bonnies Aura.

Bonnie holte ihrerseits tief Luft und richtete den Blick auf die Sonnenstrahlen, die das Wasser reflektierte. »Genauso gut wie eine Kerze, um sich zu konzentrieren«, murmelte sie geistesabwesend. Elena beobachtete, wie sich Bonnies schmales Gesicht anspannte und ihre Pupillen sich weiteten wie die einer Katze. Elena selbst schloss die Augen.

Dunkelheit. Aber vor ihr ein rosa und goldener Schimmer. Bonnies Aura, verwoben mit ihrer eigenen. Bonnies kleine Gestalt, sehr aufrecht und entschlossen, die schnell in der Ferne verschwand.

Elena eilte ihr aufgeregt nach. Sie würde Stefano wiedersehen. Sie konnte ihm sagen, wie hart jeder Tag ohne ihn war, und er würde sie in den Armen halten und sie trösten. Es würde wie eine Heimkehr sein.

Sie gingen in die Dunkelheit hinein, umgeben vom Licht ihrer verwobenen Auren. Aber dann begann das Leuchten zu verblassen. Elena wollte etwas rufen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wo war Bonnie? Elena versuchte, hinter ihr her zu laufen, aber ihre Freundin wurde immer kleiner und verschwand schließlich aus dem Blickfeld.

Elena blieb leise schluchzend stehen.

»Stefano!«, rief sie. Das Echo ihrer Stimme hallte zurück. »Stefano!«

Sie war allein in der Dunkelheit.

Elenas Augen öffneten sich flatternd. Sie stand am Flussufer, ihre Zehen kalt von den plätschernden Wellen. Bonnie blinzelte zu ihr empor, das Gesicht bleich und tränennass.

»Es tut mir so leid, Elena«, sagte sie. »Ich konnte ihn nicht finden. Er ist nirgendwo, wo wir ihn erreichen können.«

Elena lehnte sich an ihre Freundin, ließ sich von ihr in den Arm nehmen und schluchzte.

Bonnie fühlte sich schrecklich. Sie schniefte, während sie sich in der Diele ihrer und Zanders Wohnung die feuchten Sneakers von den Füßen kickte. Vielleicht hatte sie sich nach dem Nachmittag am Fluss erkältet. Immerhin eine einfache Erklärung für das scheußlich hohle Gefühl in ihrer Brust.

Aber wenn Bonnie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, dass dieses Gefühl eine andere Ursache hatte. Schuld. Sie fühlte sich schuldig. Das Erste, worum Elena sie nach Stefanos Tod gebeten hatte – das Einzige, worum Elena überhaupt irgendjemanden gebeten hatte –, konnte Bonnie nicht erfüllen.

Bei der Erinnerung an Elenas angespanntes Lächeln, als sie sich für den Versuch bedankt hatte, stolperte Bonnie beinahe über Zanders schlammverkrustete Arbeitsstiefel und konnte sich gerade noch mit einer Hand an der Wand festhalten. Jetzt, gegen Ende des Sommers, pflanzten die Landschaftsgärtner Büsche und Bäume und Zander kam jeden Tag vollkommen verdreckt nach Hause.

Er war es, den Bonnie jetzt dringend brauchte. Zander. Er würde sie in die Arme nehmen und er würde nach Gras und Sonnenschein duften und ihr sagen, dass es in Ordnung sei, dass sie ihr Bestes gegeben habe.

Sie hörte Zanders Stimme und folgte den gedämpften Lauten in die Küche. Als sie vom Flur um die Ecke bog, hielt sie für einen Moment inne, um Zander einfach nur anzusehen. Er stand mit dem Rücken zu ihr, straffe Muskeln, gebräunte Haut, und sein mondlichtblondes Haar lockte sich – immer noch feucht von Schweiß – im Nacken. Sie waren nun schon seit einigen Jahren zusammen, aber sein Anblick weckte in ihr manchmal immer noch den Wunsch, auf der Stelle mit ihm zu verschmelzen.

»Ich weiß«, sprach er scharf ins Telefon. »Ich ändere meine Meinung nicht.«

»Hey«, flüsterte sie, trat vor und strich sachte mit den Fingern über seinen Rücken. Zander zuckte zusammen.

»Bonnie ist da«, sagte er gepresst und drehte sich zu ihr um. »Ich muss Schluss machen. Ich werde später wieder anrufen.« Er legte auf.

»Wer war das?«, fragte Bonnie und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Zanders Lippen streiften ihre, warm und weich. Als er sich zurückzog, mied er jedoch ihren Blick.

»Niemand Wichtiges«, antwortete er. »Willst du Pizza zum Abendessen? Jared hat mir das Geheimnis für diesen knusprigen Rand verraten, den er macht. Maismehl.«

»Klingt gut«, antwortete Bonnie, während sie fragend die Stirn runzelte. »Ist alles in Ordnung?«

Dann sah Zander sie an und sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Um seine himmelblauen Augen bildeten sich Lachfältchen. »Alles bestens«, erwiderte er.

»Okay.« Bonnie lächelte zaghaft zurück. Dann wich Zander erneut ihrem Blick aus und seine Schultern versteiften sich.

Bonnie beschloss, die nagende Sorge zu verdrängen. Seit Stefanos Tod waren sie alle angespannt. Mehr steckte nicht dahinter.

Bei dem Gedanken an Stefano seufzte Bonnie und Zander drehte sich sofort anteilsvoll zu ihr um. »Was ist los?«, fragte er.

»Ich habe heute versucht, Kontakt zu Stefano aufzunehmen, um Elenas Wunsch zu erfüllen, ihm Lebewohl sagen zu können. Aber ich konnte ihn nicht finden.«

»Oh, Bonnie«, murmelte er und legte ihr, genau wie sie es vorhergesehen hatte, den Arm um ihre Schultern. Bonnie kuschelte sich an ihn und fand Trost in seiner Stärke. »Sie weiß, dass du alles getan hast, was du tun konntest«, fuhr Zander beschwichtigend fort. »Und dass du immer alles für sie tun würdest.«

Aber Elena hat so gebrochen gewirkt, dachte Bonnie. Ganz anders als das stolze Mädchen, mit dem Bonnie von Kindheit an befreundet war. Elena liebte Stefano mehr als alles andere auf der Welt und jetzt war ihr nichts mehr geblieben.

Bonnie schauderte und kuschelte sich an Zander. »Ich liebe dich«, sagte sie zu ihm. Ohne ein Wort zog Zander sie noch näher an sich.

Kapitel Vier

Die Sonne versank langsam hinter dem naturwissenschaftlichem Institut von Dalcrest und sandte ihre letzten goldenen Strahlen über die Wiesen des College-Geländes. Auf einem über dem Weg hängenden Ast eines Ahornbaums breitete eine große Krähe ihre glänzenden blauschwarzen Flügel aus. Ihr Blick war aufmerksam auf den Seiteneingang des Labors gerichtet.

Damon bewegte die Krallen auf dem Ast, dann glättete er eine widerspenstige Feder mit dem Schnabel. Er hatte den ganzen Tag damit verbracht, Dalcrest abzusuchen, sowohl als Krähe als auch in seiner menschlichen Gestalt.

Falls Jack sich in medizinischen Einrichtungen mit jenen »Zutaten« eindeckte, die er zur Erschaffung weiterer Ungeheuer brauchte, gab es nur eine begrenzte Anzahl möglicher Orte in der Stadt. In dem belebten Krankenhaus oder den ruhigeren Arztpraxen war keine Spur von Jack zu finden gewesen; die Praxen waren zudem größtenteils übers Wochenende geschlossen. Also war Damon jetzt auf dem Campus und observierte das naturwissenschaftliche Labor von Dalcrest. Es war reine Spekulation, dass Jack sich in der Nähe des Ortes aufhalten könnte, an dem er zuletzt gesehen worden war, aber er musste es versuchen. Stefano war tot. Und alles, woran Damon denken konnte, war die Suche nach dem Monster, das ihn ermordet hatte.

Der Campus lag verlassen da. Die Studenten waren nach den letzten Klausuren des Sommersemesters nach Hause gefahren und die Professoren hatten noch nicht mit der Vorbereitung ihrer Herbstkurse begonnen. Aber jetzt kam ein untersetzter, dunkelhaariger Mann aus dem Labor, und Damon richtete sich etwas höher auf dem Ast auf. Nach der Beschreibung, die Damon bekommen hatte, hätte der Mann, der einen Rucksack und eine große Schachtel bei sich trug, Jack sein können – Gesichtsfarbe, Körperbau, Alter. Aber wahrscheinlich passte dieselbe Beschreibung auch auf hundert andere Männer in Dalcrest. Damon klapperte nachdenklich mit dem Schnabel und sandte etwas von seiner Macht aus, um herauszufinden, ob der Mann etwas anderes als ein Mensch war.

Vielleicht eine klitzekleine Regung in seiner Aura? Diese Vampire hatten gelernt, sich abzuschotten, um menschlich zu erscheinen und ihre Beute nicht zu alarmieren. Aber hier würde wahrscheinlich jeder davon ausgehen, dass er allein war, dass niemand ihn beobachtete, bis auf eine Krähe im Baum. Jetzt, da Damon seine volle Aufmerksamkeit auf diesen Mann richtete, schien tatsächlich etwas nicht ganz natürlich an ihm zu sein – etwas, das irgendwie nicht stimmte und durch die schützende Maske schimmerte. Damon spreizte die Flügel. Hab ich dich, dachte er etwas selbstgefällig, als er leise hinter dem Mann auf den Pfad flatterte und sich bei der Landung in seine eigene Gestalt verwandelte.

Damons perfekt polierte schwarze Stiefel kamen lautlos auf, aber Jack wirbelte sofort herum. Eindeutig ein Vampir.