Inhalt
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
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AUTORIN
Lisa J. Smith hat schon früh mit dem Schreiben begonnen. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie bereits während ihres Studiums. Sie lebt mit einem Hund, einer Katze und ungefähr 10 000 Büchern im Norden Kaliforniens.
Von Lisa J. Smith sind bei cbj erschienen:
Die Tagebuch eines Vampirs-Serie
Im Zwielicht (Band 1, 30497)
Bei Dämmerung (Band 2, 30498)
In der Dunkelheit (Band 3, 30499)
In der Schattenwelt (Band 4, 30500)
Rückkehr bei Nacht (Band 5, 30664)
Seelen der Finsternis (Band 6, 30703)
Schwarze Mitternacht (Band 7, 38012)
Jagd im Abendrot (Band 8, 38016)
Jagd im Mondlicht (Band 9, 38027)
Jagd im Morgengrauen (Band 10, 38028)
Dunkle Ewigkeit (Band 11, 38047)
Im Bann der Ewigkeit (Bd. 12, 38053)
Im Licht der Ewigkeit (Band 13, 38056)
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Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
© 1991 by Daniel Weiss Associates, Inc., and Lisa J. Smith
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem
Titel »The Fury – The Vampire Diaries 3«
bei Harper Paperbacks, New York.
Published by arrangement with 17th Street Productions,
Inc., at Alloy, Inc.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2002 unter dem
Titel »Der Zorn« bei CORA Verlag GmbH & Co. KG,
Hamburg
Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten durch cbt,
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische
Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
KAPITEL EINS
Elena trat auf die Lichtung.
Unter ihren Füßen froren der Schlamm und die matschigen Blätter des abgefallenen Herbstlaubs zu Eis. Die Dämmerung war angebrochen. Obwohl der Sturm sich langsam legte, wurde es im Wald immer kälter. Elena spürte den eisigen Frost nicht.
Auch die Dunkelheit machte ihr nichts aus. Ihre Pupillen waren weit geöffnet und fingen noch kleinste Spuren von Licht ein, die für das menschliche Auge schon nicht mehr wahrnehmbar waren. Sie konnte die beiden kämpfenden Männer unter der großen Eiche klar erkennen.
Einer von ihnen hatte dickes schwarzes Haar, das der Wind zu wilden Locken aufwühlte. Er war ein wenig größer als der andere. Obwohl Elena sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass seine Augen grün waren.
Das Haar des anderen war ebenfalls schwarz, aber fein und glatt wie der Pelz eines Tieres. Sein geschmeidiger Körper verharrte in einer kauernden Haltung, wie ein Raubtier, bereit zum Angriff. Seine Augen waren schwarz.
Elena beobachtete beide einige Minuten bewegungslos. Sie hatte vergessen, warum sie gekommen war, warum sie das Echo des Kampflärms hergelockt hatte. Wieder vernahm sie in ihrem Kopf fast ohrenbetäubend die lautlosen Schreie von Wut, Hass und Schmerz, die von den Gegnern ausgingen. Kein Zweifel, es tobte ein Kampf auf Leben und Tod.
Wer wird wohl gewinnen?, dachte sie. Beide waren verwundet und bluteten. Der linke Arm des Größeren hing in einem unnatürlichen Winkel herab. Trotzdem hatte er seinen Gegner gerade gegen den knorrigen Stamm der Eiche geworfen. Sein Zorn war so stark, dass Elena ihn nicht nur hören, sondern auch fühlen und schmecken konnte. Sie wusste, dass die Wut ihm diese ungeheuere Kraft verlieh.
Und jetzt fiel ihr wieder ein, warum sie gekommen war. Wie hatte sie es vergessen können? Er war verletzt. Sein Wille hatte sie herbefohlen und sie mit Schockwellen von Wut und Schmerz überflutet. Sie war gekommen, um ihm zu helfen, weil sie zu ihm gehörte.
Die beiden Gestalten lagen jetzt auf dem eisigen Boden und bekämpften sich wie Wölfe. Schnell und leise trat Elena zu ihnen. Der Kämpfende mit dem lockigen Haar und den grünen Augen – »Stefano«, flüsterte eine innere Stimme ihr zu – war oben. Seine Finger krallten sich in die Kehle des anderen. Zorn übermannte Elena. Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern, ging sie zwischen die beiden, um die würgende Hand zu packen und die Finger zu lösen.
Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass sie zu schwach dazu sein könnte. Sie war stark genug, so einfach war das. Sie setzte ihr ganzes Gewicht ein und riss ihren Feind von seinem Gegner fort. Um sicherzugehen, schlug sie hart auf seinen verwundeten Arm und warf ihn mit dem Gesicht nach unten in das matschige, eisige Laub. Dann begann sie, ihn von hinten zu würgen.
Ihr Überfall hatte ihn überrascht, aber er gab sich noch lange nicht besiegt. Er schlug zurück, seine gesunde Hand suchte nach ihrer Kehle und sein Daumen bohrte sich in ihren Hals.
Elena schnappte unwillkürlich mit den Zähnen nach der Hand. Ihr Verstand konnte es nicht begreifen, aber ihr Körper wusste, was zu tun war. Ihre Zähne waren eine Waffe. Sie durchbohrten das Fleisch und brachten es zum Bluten.
Aber er war stärker als sie. Mit einer raschen Bewegung befreite er sich aus ihrem Griff und warf sie zu Boden. Dann war er über ihr. Sein Gesicht war wutverzerrt. Sie fauchte ihn an und stach mit den Fingernägeln nach seinen Augen. Er schlug ihre Hand einfach weg.
Er würde sie töten. Sogar verwundet war er der Stärkere. Aus seinem Mund ragten scharfe Zähnen hervor, die bereits rot befleckt waren. Wie eine Kobra war er bereit zuzustoßen.
Dann hielt er plötzlich inne und sein Gesicht veränderte sich.
Elena sah, wie die grünen Augen sich weiteten. Die Pupillen, die zu kleinen Löchern zusammengezogen gewesen waren, sprangen auf. Er starrte sie an, als würde er sie zum ersten Mal richtig sehen.
Warum dieser Blick? Warum brachte er es nicht einfach zu Ende? Aber jetzt löste sich der eiserne Griff von ihrer Schulter. Die wutverzerrte Maske verschwand und wich Verwirrung und ungläubigem Staunen. Er setzte sich zurück, half ihr, sich aufzurichten, und sah dabei die ganze Zeit in ihr Gesicht.
»Elena«, flüsterte er. Seine Stimme klang gebrochen. »Elena, du bist es.«
Ist das mein Name?, dachte sie. Elena?
Es war im Grunde egal. Sie warf einen Blick auf die alte Eiche. Er war immer noch dort. Stand keuchend zwischen den aufgeworfenen Wurzeln und stützte sich mit einer Hand am Stamm ab. Er blickte sie mit seinen unergründlichen schwarzen Augen ernst an.
Mach dir keine Sorgen, dachte sie. Ich werde mit dem hier schon fertig. Der ist dumm. Sie warf sich fauchend auf den grünäugigen Fremden.
»Elena!«, schrie er, als sie ihn erneut zu Boden werfen wollte. Seine gesunde Hand griff nach ihr, wollte sie aufhalten. »Ich bin’s, Stefano! Elena, sieh mich an!«
Das tat sie. Doch alles, was sie interessierte, war der entblößte Fleck an seinem Hals. Sie fauchte wieder, zog die Unterlippe zurück und zeigte ihm ihre Zähne.
Er erstarrte.
Sie fühlte, wie das Entsetzen durch seinen Körper fuhr, sah, wie sein Blick sich wandelte. Sein Gesicht wurde weiß, als hätte ihn jemand in den Magen geboxt. Er schüttelte leicht den Kopf und senkte ihn.
»Nein«, flüsterte er. »Nein.«
Er schien es zu sich selbst zu sagen, als ob er nicht erwarten würde, dass sie ihn hörte. Sanft streckte er eine Hand nach ihrer Wange aus und sie biss danach.
»Oh, Elena«, flüsterte er wieder.
Die letzten Spuren von Wut, von wilder Gier nach Blut waren aus seinem Gesicht verschwunden. Sein Blick war wie betäubt, leidend und voller Trauer.
Und damit wurde er verwundbar. Elena nutzte die Gunst des Augenblicks und stürzte sich auf die freie Stelle seines Halses. Er hob den Arm, um sie abzuwehren, ließ ihn jedoch wieder sinken.
Er sah sie einen Moment lang an, der Schmerz in seinem Blick wurde unsagbar groß. Dann gab er einfach auf. Er hörte völlig auf zu kämpfen.
Sie fühlte, wie es passierte. Wie jeder Widerstand seinen Körper verließ. Er legte sich auf den gefrorenen Boden und blickte an ihr vorbei in den schwarzen, wolkenverhangenen Himmel.
Mach ein Ende, hörte sie seine müde Stimme in ihrem Kopf.
Elena zögerte kurz. Etwas in seinen Augen rief Erinnerungen in ihr wach. Sie standen gemeinsam im Mondlicht … saßen in einer Dachkammer … Aber die Fetzen waren zu schwach Sie konnte sie nicht festhalten und die Anstrengung ließ sie schwindlig werden.
Der hier musste sterben. Dieser grünäugige Fremde mit dem Namen Stefano. Denn er hatte ihn verletzt, den anderen, der von Elenas Geburt an als ihr Partner bestimmt war. Niemand durfte ihm etwas antun und überleben.
Sie schlug ihre Zähne in Stefanos Hals und biss fest zu.
Sofort fiel ihr auf, dass sie es nicht richtig machte. Sie hatte weder eine Arterie noch eine Vene getroffen und wurde wütend über ihre eigene Unfähigkeit. Es fühlte sich gut an, zu beißen. Doch es wollte kein Blut kommen. Frustriert hob sie den Kopf und versuchte es erneut. Sie spürte, wie sein Körper vor Schmerz zusammenzuckte.
Viel besser. Diesmal hatte sie eine Vene gefunden, aber sie hatte nicht tief genug gebissen. Ein kleiner Kratzer, nein, das genügte ihr nicht.
Elena fühlte, wie ihr Feind erschauderte, als sie ihr Werk fortsetzte. Bohrend und reißend trieb sie ihre Zähne in seinen Hals und merkte, wie das Fleisch nachgab, als sie plötzlich von hinten gepackt und hochgehoben wurde.
Elena fauchte, ohne sich von Stefanos Hals zu lösen. Doch der Griff war fest und bestimmend. Ein Arm wand sich um ihre Taille, Finger packten ihr Haar. Sie wehrte sich und klammerte sich mit Zähnen und Fingernägeln an ihr Opfer.
Lass ihn los! Lass ihn! Die Stimme war scharf und befehlend wie ein eisiger Windstoß. Elena erkannte sie und hörte auf, gegen die Hände anzukämpfen, die sie wegziehen wollten. Während sie auf den Boden gelegt wurde und zu ihm aufblickte, fiel ihr ein Name ein. Damon. Sein Name war Damon. Sie sah ihn mürrisch an, war böse auf ihn, weil er sie am Töten gehindert hatte, aber dennoch gehorsam.
Stefano setzte sich auf. Sein Hals war rot von Blut, das über sein Hemd lief. Elena leckte sich die Lippen. Sie spürte plötzlich einen entsetzlichen Hunger. Das Schwindelgefühl kam zurück und wurde immer größer.
»Hattest du nicht behauptet, sie sei tot?«, fragte Damon laut. Er sah Stefano an, der noch bleicher war als zuvor, soweit das überhaupt möglich war. Sein weißes Gesicht war von entsetzlicher Hoffnungslosigkeit erfüllt.
»Schau sie dir an« war alles, was er erwiderte.
Eine Hand legte sich unter Elenas Kinn und hob ihr Gesicht. Sie blickte offen in Damons verengte, dunkle Augen. Seine langen, geschmeidigen Finger berührten ihre Lippen, tasteten zwischen ihnen. Instinktiv versuchte Elena zu beißen, aber nicht sehr fest. Damon fand die scharfe Krümmung eines Eckzahns und Elena knabberte sanft wie ein Kätzchen an seiner Fingerspitze.
Damons Gesicht war völlig ausdruckslos, sein Blick hart.
»Weißt du, wo wir sind?«, fragte er sie.
Elena blickte sich um. Bäume. »Im Wald?«, erwiderte sie vorsichtig und sah wieder zu ihm.
»Und wer ist das?«
Ihre Augen folgten seinem ausgestreckten Finger. »Stefano«, antwortete sie ohne jedes Gefühl. »Dein Bruder.«
»Und wer bin ich? Weißt du, wer ich bin?«
Sie lächelte ihn an und zeigte ihre spitzen Zähne. »Natürlich. Du bist Damon und ich liebe dich.«
KAPITEL ZWEI
Stefanos Stimme war beherrscht, aber voller Wut. »Das wolltest du doch, nicht wahr, Damon? Und jetzt hast du es erreicht. Du hast sie in eine von uns verwandelt. Es war dir nicht genug, sie nur zu töten.«
Damon blickte nicht zu ihm hin. Er musterte Elena, immer noch neben ihr kniend, ihr Kinn in seiner Hand. »Das ist das dritte Mal, dass du das behauptest, und ich bin es allmählich leid«, sagte er leise. Obwohl seine Kleidung zerrauft war und er von der Anstrengung des Kampfes leicht nach Atem rang, hatte er die Situation und sich selbst unter Kontrolle. »Elena, habe ich dich getötet?«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie und schlang ihre Finger um seine freie Hand.
Sie wurde ungeduldig. Wovon redeten sie? Niemand war getötet worden.
»Ich hätte dich niemals für einen Lügner gehalten.« Die Bitterkeit in Stefanos Stimme war unverändert. »Alles andere, ja. Aber das nicht. Ich habe nie erlebt, dass du dich hinter Ausflüchten versteckst.«
»Noch eine Minute, und ich verliere die Beherrschung«, drohte Damon.
»Was könntest du mir denn wohl noch antun?«, entgegnete Stefano. »Mich töten? Sei barmherzig. Los, mach’s. Es wäre eine Erlösung für mich.«
»Barmherzigkeit? Dieses Wort kenne ich schon seit einem Jahrhundert nicht mehr«, spottete Damon. Er ließ endlich Elenas Kinn los. »Denk an den heutigen Tag. Woran erinnerst du dich?«, fragte er sie.
Elenas Stimme klang müde wie die eines Kindes, das eine verhasste Lektion aufsagt. »Heute waren die Festlichkeiten zum Gründungstag.« Sie schmiegte ihre Finger fester um seine Hand. So weit kam sie allein, doch es war nicht genug. Frustriert versuchte sie, sich mehr ins Gedächtnis zurückzurufen.
»Da war jemand in der Cafeteria … Caroline.« Erfreut, dass sie etwas gefunden hatte, bot sie ihm den Namen an. »Sie wollte vor allen aus meinem Tagebuch vorlesen, und das war schlimm, weil …« Elena verlor den Faden. »Ich weiß nicht mehr, warum. Aber wir haben sie überlistet.« Sie lächelte Damon warm und verschwörerisch an.
»Oh, wir. Das haben wir tatsächlich?«
»Ja. Du hast es ihr gestohlen. Du hast es für mich getan.« Die Finger ihrer freien Hand krochen unter seine Jacke und suchten nach dem kleinen Buch. »Weil du mich liebst.« Sie fand es und fuhr mit den Nägeln leicht kratzend darüber. »Das stimmt doch, oder?«
Ein leises, klagendes Geräusch kam von der Mitte der Lichtung. Elena sah hin. Stefano hatte den Kopf abgewandt.
»Was ist dann geschehen, Elena?«, drang Damon weiter in sie.
»Was dann geschehen ist … Tante Judith und ich haben gestritten.« Elena dachte einen Moment darüber nach und zuckte mit den Achseln. »Über … irgendwas. Ich wurde wütend. Sie ist nicht meine Mutter. Sie kann mir nicht vorschreiben, was ich tun soll.«
»Ich glaube nicht, dass das in Zukunft noch ein Problem sein wird«, erwiderte Damon trocken. »Weiter.«
Elena seufzte schwer. »Dann habe ich mir Matts Auto geliehen. Matt.« Sie wiederholte den Namen nachdenklich und fuhr sich mit der Zunge über die scharfen Zähne. Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein gut aussehender Junge mit blondem Haar und breiten Schultern auf. »Matt?«
»Und wo bist du mit Matts Auto hingefahren?«
»Zur Wickery Bridge«, antwortete Stefano für sie und drehte sich zu ihnen um. Sein Blick war verzweifelt.
»Nein, zur Pension«, verbesserte Elena ihn gereizt. »Ich wollte warten auf … Mm, ich hab’s vergessen. Jedenfalls war ich dort. Dann … dann hat das Unwetter angefangen. Wind, Regen, all das. Mir gefiel das nicht. Ich bin wieder eingestiegen. Aber etwas hat mich verfolgt.«
»Jemand hat dich verfolgt.« Stefano sah Damon scharf an.
»Etwas«, beharrte Elena. Sie hatte genug von seinen Unterbrechungen. »Gehen wir irgendwohin, wo wir allein sein können«, sagte sie zu Damon, richtete sich auf die Knie auf und lehnte sich nach vorn, bis ihr Gesicht ganz nah an seinem war.
»Gleich. Was für ein ›Ding‹ hat dich verfolgt?«
Sie setzte sich aufgebracht zurück. »Weiß ich doch nicht! So etwas habe ich noch nie gesehen. Es war nicht wie du oder Stefano. Es war …« Bilder tauchten vor ihr auf. Nebel, der über dem Boden wirbelte. Der heulende Wind. Eine riesige Gestalt, die aussah wie aus weißen Dunstschleiern geschaffen. Die sie verfolgte wie eine vom Sturm gepeitschte Wolke.
»Vielleicht gehörte das alles zu dem Unwetter«, überlegte sie. »Aber ich hatte das Gefühl, es wollte mich verletzen. Ich konnte jedoch fliehen.« Sie spielte mit dem Reißverschluss von Damons Lederjacke, lächelte ihn an und schenkte ihm einen verführerischen Blick durch ihre langen Wimpern.
Zum ersten Mal zeigte sich eine Regung auf Damons Gesicht. Seine Lippen verzerrten sich. »Du konntest also fliehen?«
»Ja. Daran erinnere ich mich … jemand … hatte mir etwas von fließendem Wasser erzählt. Das Böse kann es nicht überqueren. Deshalb bin ich in Richtung Drowning Creek zur Brücke gefahren. Und dann …«
Sie zögerte und versuchte, sich in der erneut aufsteigenden Verwirrung an etwas Konkretes zu erinnern.
Wasser. Ja, da war Wasser gewesen. Und jemand hatte geschrien. Aber sonst war alles leer. »Und ich habe es überquert«, schloss sie schließlich lebhaft. »Muss ja sein, denn ich bin hier. Das war alles. Können wir jetzt gehen?«
Damon schwieg.
»Das Auto liegt noch unten im Fluss«, sagte Stefano.
Die beiden Brüder sahen sich an wie zwei Erwachsene, die sich über den Kopf eines kleinen Kindes hinweg unterhalten. Ihre Feindschaft war im Augenblick vergessen.
Elena wurde sauer. Sie öffnete den Mund, aber Stefano fuhr fort: »Bonnie, Meredith und ich haben sie gefunden. Ich bin getaucht und habe sie hochgeholt, doch da war sie schon …«
War ich was? Elena runzelte die Stirn.
Damon verzog spöttisch die Lippen. »Und du hast sie einfach aufgegeben? Ausgerechnet du hättest doch vermuten müssen, was geschehen könnte. Oder war dir diese Vorstellung so sehr zuwider, dass du sie nicht einmal ins Auge fassen wolltest? Wäre es dir lieber gewesen, wenn sie tatsächlich gestorben wäre?«
»Sie hatte keinen Puls, hat nicht mehr geatmet!«, fuhr Stefano ihn wütend an. »Und sie hatte nicht genug Blut bekommen, um die Umwandlung durchzumachen!« Sein Blick verhärtete sich. »Jedenfalls nicht von mir!«
Elena öffnete wieder den Mund, doch Damon legte ihr zwei Finger auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. »Das ist jetzt das Problem – oder bist du zu blind, um es zu erkennen? Du hast mir geraten, sie anzusehen. Sieh sie dir selbst einmal an! Sie hat einen Schock, ist total von Sinnen. Oh ja, sogar ich muss das zugeben.« Er hielt einen Moment inne und lächelte. »Das ist die normale Verwirrung so kurz nach der Umwandlung. Sie braucht Blut, menschliches Blut, oder ihr Körper wird keine Kraft haben, das Werk zu vollenden. Und sie wird sterben.«
Von wegen verwirrt, dachte Elena beleidigt. »Mir geht es gut«, sagte sie und leckte an Damons Fingern, die immer noch ihren Mund bedeckten. »Ich bin zwar ein bisschen müde, aber das ist alles. Ich wollte gerade schlafen, als ich euch beide kämpfen hörte, und kam, um dir zu helfen, Damon. Und dann hast du noch nicht einmal zugelassen, dass ich ihn töte«, schloss sie angewidert.
»Ja, warum hast du sie daran gehindert?« Stefano starrte Damon eindringlich an. Jede Kameradschaft von seiner Seite war wieder verschwunden. »So wäre es doch das Einfachste gewesen.«
Damon erwiderte seinen Blick und mit einem Schlag kehrte auch seine Feindschaft wieder. Sein Atem ging schnell und leicht. »Vielleicht mag ich einfache Dinge nicht«, zischte er. Dann schien er sich wieder unter Kontrolle zu haben. Die Lippen spöttisch verzogen, fügte er hinzu: »Wir wollen es einmal so ausdrücken, lieber Bruder. Wenn jemand das Vergnügen haben sollte, dich zu töten, dann werde ich es sein. Und niemand anders. Ich habe vor, diese Aufgabe persönlich zu übernehmen. Und ich werde sie sehr, sehr gut machen, das verspreche ich dir.«
»Dass du das kannst, hast du uns ja bereits bewiesen«, sagte Stefano leise, als würde jedes Wort ihn anwidern.
»Aber unsere Kleine hier«, Damon sah Elena mit blitzenden Augen an, »habe ich nicht getötet. Warum sollte ich auch? Ich hätte sie jederzeit zu meinem Geschöpf machen können.«
»Vielleicht weil du sie zu verlieren drohtest, weil sie sich gerade mit einem anderen verlobt hatte, den sie heiraten wollte?«
Damon hob Elenas Hand. Ihre Finger waren immer noch um seine geschlungen. Am Ringfinger glitzerte der Goldring mit dem dunkelblauen Stein. Elena betrachtete ihn stirnrunzelnd und erinnerte sich flüchtig, ihn vorher schon einmal gesehen zu haben. Dann zuckte sie mit den Schultern und lehnte sich müde an Damon.
»Nun.« Damon sah zu ihr hinunter. »Das scheint mir kein Problem mehr darzustellen, nicht wahr?« Er schenkte Stefano ein böses Lächeln. »Aber das werden wir genau herausfinden, wenn sie wieder sie selbst ist. Wir können sie fragen, wen von uns beiden sie wählen will. Einverstanden?«
Stefano schüttelte den Kopf. »Wie kannst du so etwas auch nur vorschlagen? Nach allem, was passiert ist mit …« Seine Stimme verklang.
»Mit Catarina? Gut, ich spreche es laut aus, wenn du es nicht über dich bringst. Catarina hat eine dumme Entscheidung getroffen und sie hat den Preis dafür gezahlt. Elena ist anders. Sie weiß, was sie will. Es ist völlig egal, ob du meiner Meinung bist oder nicht«, fügte er hinzu und überging Stefanos Protest. »Tatsache ist, dass sie im Moment sehr schwach ist und Blut braucht. Ich werde dafür sorgen, dass sie es bekommt, und dann werde ich den finden, der ihr das angetan hat. Du kannst mir dabei helfen oder nicht. Mach, was du willst.«
Er stand auf und zog Elena mit sich. »Gehen wir.« Elena kam bereitwillig mit. Sie freute sich, ihre Glieder wieder bewegen zu können. Der Wald bei Nacht war ungeheuer interessant. Vorher war ihr das nie aufgefallen.
Traurig und gespenstisch drangen die Schreie der Eulen durch das Dickicht der Bäume und raschelnd flohen die Mäuse am Boden vor ihnen. An manchen Stellen war die Luft kälter, da der Frost sich zuerst in den Niederungen und Vertiefungen festsetzte.
Elena bereitete es keine Mühe, lautlos neben Damon über das Laub zu schreiten. Sie musste nur aufpassen, wo sie hintrat. Ob Stefano ihnen folgte, interessierte sie nicht. Sie erkannte die Stelle, an der sie den Wald verließen, denn sie war heute schon früher am Tag einmal da gewesen. Jetzt herrschte dort ein hektisches Treiben und die Szenerie wirkte gespenstisch. Rote und blaue Lichter flackerten von den Autodächern und Scheinwerfer beleuchteten die dunklen Gestalten der Menschen.
Elena betrachtete die Gesichter neugierig. Einige kamen ihr bekannt vor. Eine Frau zum Beispiel, mit dünnen, verhärmten Zügen und angsterfüllten Augen -Tante Judith? Und der große Mann neben ihr – Tante Judith’ Verlobter Robert?
Es müsste noch jemand bei ihnen sein, dachte Elena. Ein Kind, dessen Haare so blond waren wie ihre eigenen. Aber sosehr sie sich auch bemühte, der Name fiel ihr nicht ein.
An die beiden Mädchen jedoch, die die Arme Trost suchend umeinanderschlangen und in einem Kreis von Polizeibeamten standen, erinnerte sie sich. Die Kleine mit dem roten Haar, die weinte, war Bonnie. Und die Größere mit der langen, dunklen Mähne Meredith.
»Aber sie ist nicht im Wasser«, sagte Bonnie gerade zu einem Mann in Uniform. Ihre Stimme zitterte. Sie war am Ende ihrer Kräfte. »Wir haben gesehen, wie Stefano sie herausgeholt hat. Das habe ich Ihnen wieder und wieder erklärt.«
»Und Sie haben ihn hier mit ihr allein gelassen?«
»Wir hatten keine andere Wahl. Der Sturm wurde immer schlimmer, und etwas näherte sich …«
»Das ist jetzt auch egal«, unterbrach Meredith. Sie schien ein wenig ruhiger als Bonnie. »Stefano sagte, wenn … wenn er sie allein lassen müsste, würde er sie unter eine Weide legen.«
»Und wo ist dieser Stefano jetzt?«, fragte ein weiterer Beamter scharf.
»Wir wissen es nicht. Wir sind zurückgelaufen, um Hilfe zu holen. Wahrscheinlich ist er uns gefolgt. Aber was mit … mit Elena …«
Bonnie wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht an Meredith’ Schulter.
Sie sind traurig meinetwegen, dachte Elena. Wie dumm von ihnen. Ich kann alles aufklären. Sie wollte auf die Lichter zugehen, doch Damon zog sie zurück. Verletzt sah sie ihn an.
»Nicht so. Such dir diejenige aus, die du willst, und ich hole sie dir«, sagte er.
»Wozu aussuchen?«
»Für deine Nahrung, Elena. Du bist jetzt eine Jägerin. Das ist dein Wild.«
Elena strich mit der Zunge zweifelnd über einen scharfen Eckzahn. Nichts da draußen sah für sie nach Nahrung aus. Aber weil Damon es gesagt hatte, protestierte sie nicht. »Wie du meinst«, erwiderte sie gehorsam.
Damon warf den Kopf zurück und betrachtete die Szene kritisch wie ein Experte, der ein berühmtes Gemälde beurteilt. »Nun, wie wäre es mit ein paar netten Sanitätern?«
»Nein«, meldete sich eine Stimme hinter ihnen. Damon blickte flüchtig über die Schulter auf Stefano. »Warum nicht?«
»Es hat genug Überfälle gegeben. Kann sein, dass sie menschliches Blut braucht. Aber sie wird nicht dafür jagen müssen.« Stefanos Miene war verschlossen und ernst, doch gleichzeitig unnachgiebig.
»Gibt es einen anderen Weg?«, fragte Damon spöttisch.
»Das weißt du genau. Wir müssen jemanden finden, der freiwillig bereit ist oder dazu gebracht werden kann. Jemand, der es für Elena tun würde und stark genug ist, es geistig zu verkraften.«
»Und du kennst einen solchen Ausbund an Tugend?«
»Bring sie in die Schule. Wir treffen uns dort«, erklärte Stefano kurz und verschwand.
Sie verließen den Ort. Während sie sich von dem hektischen Treiben entfernten, fiel Elena etwas Merkwürdiges auf. Mitten im Fluss, von den Scheinwerfern angestrahlt, lag ein Auto. Bis auf die vordere Stoßstange, die aus dem Wasser herausragte, war es völlig in den Fluten versunken.
Was für ein verrückter Platz, ein Auto zu parken, dachte sie und folgte Damon zurück in den Wald.
Stefanos Gefühle kehrten langsam zurück.
Es schmerzte. Er hatte geglaubt, den Schmerz und damit jedes Gefühl längst überwunden zu haben. Als er Elenas leblosen Körper aus dem Wasser gezogen hatte, hatte er gedacht, jenseits aller Qualen zu sein, denn nichts würde den brutalen Schock dieses Augenblicks jemals übertreffen können.
Er hatte sich geirrt.
Stefano blieb stehen, stützte sich mit seiner gesunden Hand an einem Baumstamm ab, senkte den Kopf und atmete tief ein. Als sich der rote Nebel vor seinen Augen verzogen hatte und er wieder richtig sehen konnte, ging er weiter. Doch das schreckliche Brennen in seiner Brust hielt unvermindert an. Hör auf, an sie zu denken, ermahnte er sich und wusste gleichzeitig, dass es sinnlos war.
Aber sie war nicht richtig tot. Zählte das denn gar nicht? Er hatte gedacht, nie mehr ihre Stimme zu hören, nie mehr ihre Berührung zu spüren …
Und jetzt, wenn sie die Hand nach ihm ausstreckte, wollte sie ihn töten!
Er blieb wieder stehen, krümmte sich zusammen. Sein Magen revoltierte.
Elena in diesem Zustand … Das war eine größere Folter für ihn, als sie kalt und leblos daliegen zu sehen. Vielleicht hatte Damon ihn deswegen am Leben gelassen. Vielleicht war das seine Rache.
Und vielleicht sollte er gerade jetzt das tun, was er sich vorgenommen hatte, wenn er Damon getötet hätte. Nämlich warten, bis die Morgendämmerung kam, und den Ring abziehen, der ihn vor der Sonne bewahrte. Dann wollte er sich der feurigen Umarmung ihrer Strahlen aussetzen, bis sie das Fleisch von seinen Knochen gebrannt hatte und der Schmerz für immer vorbei war.
Aber er würde es nicht tun. Solange Elena auf dieser Welt war, würde er sie niemals verlassen. Selbst wenn sie ihn hasste und jagte. Er würde alles tun, um sie zu schützen.
Stefano machte einen Umweg zu seiner Pension. Er musste sich erst säubern, bevor er sich unter die Menschen wagen konnte. In seinem Zimmer wusch er das Blut von Gesicht und Hals und untersuchte seinen Arm. Der Heilungsprozess hatte bereits begonnen. Mit etwas Konzentration konnte er ihn noch weiter beschleunigen.
Seine übernatürlichen Kräfte verbrauchten sich rasch. Der Kampf mit seinem Bruder hatte ihn bereits geschwächt. Aber das hier war zu wichtig. Nicht wegen des Schmerzes, den spürte er kaum. Sondern wegen Elena.
Damon und Elena warteten vor der Schule. Stefano konnte die Ungeduld seines Bruders fühlen und die neue, fremde Wildheit, die von Elena ausging.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, meinte Damon trocken.
Stefano schwieg. In der Aula herrschte Aufregung. Menschen, die sich eigentlich auf dem Ball zum Gründungstag hatten amüsieren wollen und dem Sturm zum Trotz geblieben waren, liefen unruhig herum oder standen in kleinen Gruppen zusammen und diskutierten. Stefano schaute durch die offene Tür und versuchte, die Aura einer bestimmten Person aufzufangen.
Er fand sie. Ein blonder Kopf war über einen Tisch in der Ecke gebeugt.
Matt.
Matt richtete sich auf und sah sich verwirrt um. Stefano zwang ihn durch seine Willenskraft, nach draußen zu kommen. Du brauchst frische Luft. Er flößte diesen Gedanken Matt ein. Du willst unbedingt einen Moment vor die Tür gehen.
Damon, der unsichtbar gerade außerhalb des Lichtkreises stand, bedeutete er: Bring sie in die Schule. Ins Fotolabor. Sie weiß, wo das ist. Zeigt euch nicht, bis ich es euch sage.
Dann zog er sich zurück und wartete auf Matt.
Matt kam. Er starrte mit traurigem Gesicht auf den mondlosen Himmel. Als Stefano ihn ansprach, zuckte er heftig zusammen.
»Stefano! Du bist hier!« Verzweiflung, Hoffnung und Entsetzen wechselten auf seinem Gesicht. Er lief zu ihm hinüber. »Haben sie … sie zurückgebracht? Gibt es etwas Neues?«
»Was hast du bisher erfahren?«
Matt starrte ihn einen Moment an, bevor er antwortete. »Bonnie und Meredith kamen her und berichteten, dass Elena mit meinem Auto von der Wickery Bridge gestürzt sei. Dass sie …« Er hielt inne und schluckte. »Stefano, das ist nicht wahr, bitte!« Seine Augen flehten ihn an.
Stefano wandte den Blick ab.
»Oh, mein Gott«, sagte Matt mit gebrochener Stimme. Er kehrte Stefano den Rücken zu und presste die Handrücken auf die Augen. »Ich kann es nicht glauben, ich kann nicht. Das darf einfach nicht wahr sein.«
»Matt …« Stefano berührte seine Schulter.
»Tut mir leid«, erwiderte Matt heiser. »Es muss die Hölle für dich sein und ich mache alles noch schlimmer.«
Mehr, als du ahnst, dachte Stefano. Er ließ seine Hand fallen. Zunächst hatte er vorgehabt, Matt mit seinen übernatürlichen Kräften zu beeinflussen. Aber das war ihm jetzt unmöglich. Er konnte es nicht tun, konnte das nicht dem ersten und einzigen menschlichen Freund antun, den er hier in der Stadt gefunden hatte.
Also gab es nur noch eines, ihm die Wahrheit zu sagen. Wenn er alles wusste, sollte er seine eigene Wahl treffen.
»Wenn du jetzt, in diesem Moment, etwas für Elena tun könntest, würdest du es tun?«, fragte er.
Matt war zu sehr in seinem Schmerz gefangen, um darüber nachzudenken, dass die Frage zu diesem Zeitpunkt eigentlich völlig idiotisch war. »Alles«, antwortete er und rieb sich mit dem Ärmel über die Augen. »Ich würde alles für sie tun.« Er schaute Stefano fast herausfordernd an. Sein Atem kam in unregelmäßigen, schnellen Stößen.
Herzlichen Glückwunsch, Matt, dachte Stefano müde und traurig. Du hast soeben eine Reise ins Herz der Finsternis gewonnen.
»Komm mit«, sagte er laut. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
KAPITEL DREI
Elena und Damon warteten in der Dunkelkammer. Stefano konnte ihre Anwesenheit in dem kleinen Raum spüren, als er die Tür zum Fotolabor aufstieß und Matt hineinführte.
»Die Türen sollten eigentlich verschlossen sein«, wunderte sich Matt, während Stefano das Licht einschaltete.
»Das waren sie auch.« Stefano wusste nicht, wie er den Freund auf das Kommende vorbereiten sollte. Er hatte seine wahre Natur noch nie freiwillig einem Menschen enthüllt.
Schweigend blieb er stehen, bis Matt sich umdrehte und ihn ansah. Während sich der Augenblick endlos hinzuziehen schien, beobachtete er, wie Matts Gesichtsausdruck sich langsam von stumpfer Trauer in Unbehaglichkeit wandelte.
»Ich verstehe nicht …«, sagte er unsicher.
»Ich weiß.« Stefano schaute ihn weiter an und ließ dabei absichtlich alle Barrieren fallen, die seine übernatürlichen Kräfte vor den Menschen verbargen. Er beobachtete, wie sich Angst auf Matts Gesicht ausbreitete. Matt blinzelte und schüttelte den Kopf. Sein Atem ging schneller.
»Was …?«, fragte er mit heiserer Stimme.
»Es gibt sicher ein paar Dinge an mir, über die du dich schon gewundert hast«, fuhr Stefano fort. »Zum Beispiel warum ich bei starkem Licht eine Sonnenbrille trage. Warum ich nichts esse. Warum meine Reflexe so schnell sind.«
Matt stand jetzt mit dem Rücken zur Dunkelkammer. Seine Kehle arbeitete heftig, als wollte er versuchen zu schlucken. Stefano konnte mit den Instinkten eines Jägers spüren, dass sein Herz wie das eines gefangenen Tieres hektisch schlug.
»Nein«, brachte Matt hervor.
»Aber du musst darüber nachgedacht haben, musst dich gefragt haben, warum ich mich so von den anderen unterscheide.«
»Nein. Das heißt … es ist mir egal. Ich halte mich aus Dingen heraus, die mich nichts angehen.« Matt wollte zur Tür. Sein Blick ging kaum merklich in diese Richtung.