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Der Autor ist ein Mensch, der seine Gefühle und Handlungen verstehen will. Er erzählt seine persönliche Geschichte während den letzten 13 Jahren. Tiefgründig, offen und ehrlich, selbstkritisch und angereichert mit einer Portion Humor. Seine Reise in den letzten Jahren war geprägt durch viele Ereignisse und Erlebnisse, Gefühlen und Empfindungen, Höhen und Tiefen, Hoffnung und Ängsten, Depressionen und dem Kampf gegen seine Krankheiten. Erst nach einer zehnwöchigen Rehabilitation in einem Sanatorium für Psychiatrie fand er den für ihn richtigen Weg. 13 Jahre nach seiner Diagnose Parkinson. Seine Krankheiten, die er seit Kurzem "Knirpse" nennt, versucht er zu akzeptieren. Lieben tut er seine Knirpse immer noch nicht und wird es auch nie tun. Aber er hat sich mit ihnen versöhnt und gelernt, mit den ungebetenen Gästen zu leben. Warum er so lange dafür gebraucht hat? Sie finden die Antworten in diesem Buch. Tiefe Einsichten, was im Leben wirklich trägt und zählt, bestimmen heute sein Leben. Seine Familie, Freunde und Bekannte stehen im Vordergrund. Seine Ehefrau begleitet ihn liebevoll und mit viel Verständnis durch die Stunden, Tage, Monate und Jahre.
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Seitenzahl: 179
Veröffentlichungsjahr: 2024
Foto Marlis Brack
Zum Autor
Daniel Brack, geboren 1953, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er lebt mit seiner Frau Marlis im Zürcher Unterland in der Schweiz. Nach seinem frühzeitigen Ruhestand 2012 – er war als Executive Director einer Schweizer Großbank tätig - begann er 2020 Bücher zu schreiben. Seit 2010 bestimmen neurologische Erkrankungen sein Leben. Langsam, aber immer mehr, werden seine möglichen Aktivitäten eingeschränkt.
Zum Buch
Daniel Brack ist ein Mensch, der seine Gefühle und Handlungen verstehen will. Er erzählt seine persönliche Geschichte während den letzten 13 Jahren. Tiefgründig, offen und ehrlich, selbstkritisch und angereichert mit einer Portion Humor. Seine Reise in den letzten Jahren war geprägt durch viele Ereignisse und Erlebnisse, Gefühlen und Empfindungen, Höhen und Tiefen, Hoffnung und Ängsten, Depressionen und dem Kampf gegen seine Krankheiten. Erst nach einer zehnwöchigen Rehabilitation in einem Sanatorium für Psychiatrie fand er den für ihn richtigen Weg. 13 Jahre nach seiner Diagnose Parkinson. Seine Krankheiten, die er seit Kurzem „Knirpse“ nennt, versucht er zu akzeptieren. Lieben tut er seine Knirpse immer noch nicht und wird es auch nie tun. Aber er hat sich mit ihnen versöhnt und gelernt, zusammen mit den ungebetenen Gästen zu leben. Warum er so lange dafür gebraucht hat? Sie finden die Antworten in diesem Buch. Tiefe Einsichten, was im Leben wirklich trägt und zählt, bestimmen heute sein Leben. Seine Familie, Freunde und Bekannte stehen im Vordergrund. Seine Ehefrau begleitet ihn liebevoll und mit viel Verständnis durch die Stunden, Tage, Monate und Jahre.
Daniel Brack
Tanz der Gefühle
Versöhnung mit Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen
© 2023: Daniel Brack
Umschlag, Illustration: Daniel Brack
Weitere Mitwirkende: Jürg Kronenberg, Vorwort
Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
978-3-384-09889-4
Hardcover
978-3-384-09890-0
e-Book
978-3-384-09891-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort Jürg Kronenberg
Das Geschenk
Meine Geschichte
Gedanken von Max
November 2021 – Januar 2022
Reise in die Vergangenheit
Akzeptanz bedeutet Freiheit
Erfolg neu definieren
Gedanken von Max
Der innere Kritiker schweigt nie
Die Waage im Gleichgewicht halten
Wertschätzung durch Andere
Gedanken von Max
Reden, Kommunizieren, Mitteilen
Die Zukunft – Ein Tabu für mich?
Gefangen im Gestern und Morgen?
November 2022
Das Unfassbare
Im Sanatorium
Eine Fabel
Dezember 2023
Danke
Medizinische Erläuterungen
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Vorwort Jürg Kronenberg
Medizinische Erläuterungen
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Der Weg
Immer schon ist er da gewesen,
der Bruder des Schicksals.
Ich fühlte mich nie allein mit dem
Weg an meiner Seite.
Sinnlos habe ich die Richtung gewechselt,
damals habe ich nichts begriffen.
Ich dachte ich hätte mich verirrt.
Beim Versuch ihn zu finden, sah ich ihn.
Immer schon ist er dagewesen…
Oben am Horizont der steile Anstieg.
Der Rucksack wurde schwer.
Was passierte, verwischt sich.
Narben erzählen
Ich konnte ihm nicht folgen, dem Schicksal.
Und ich kann nicht erklären, warum ich
eine harte Zeit hatte und ihn nicht sah.
Aber jetzt weiß ich, dass die Richtung immer
schon da war, sie ist Teil des Weges.
Immer schon ist er dagewesen…
Immer schon ist er dagewesen…
An meiner Seite der Weg.
An meiner Seite der Weg,
mein alter Freund der Weg.
Deutsche Übersetzung spanischer
Songtext „El Camino“
Vorwort Jürg Kronenberg
Als langjähriger Weggefährte und Freund – immerhin kenne ich Dani annähernd 30 Jahre – darf ich ein Vorwort über einen Menschen formulieren, der während 58 Jahren die schönen Seiten des Lebens erleben darf. Seit 13 Jahren jedoch steckt er in einer Phase von Krankheit.
Kennengelernt haben wir uns im Jahre 1994 als Dani mit seiner Familie aus Graubünden nach Zürich übersiedelt. Im Rahmen eines Bankprojektes lerne ich einen Mann kennen, der Wert auf sein Äußeres legt, ambitioniert und perfektionistisch, indessen zeitweise auch spitzbübisch, einfühlsam und humorvoll wirkt. Als ehemaliger Geschäftsstellenleiter einer Bankfiliale prägt ihn sein Wille zum Erfolg und seine Kompetenz, Menschen zuzuhören, zu verstehen und ihnen zu dienen. Ich habe ihn seinerzeit als einen Mann kennengelernt, der Herausforderungen und zeitweilig auch Risiken liebt, während er gleichzeitig ein Genießer ist und das Schöne schätzt.
Stolz auf seine berufliche, sportliche und familiäre Karriere, blickt der Autor in diesem Buch auf ein Leben voller Geborgenheit sowohl in finanzieller, emotionaler und auch physischer Unabhängigkeit. Er ist geborgen in sich selbst und verfügt dadurch über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Kurzum, Dani genügt sich selbst. Ich erinnere mich noch genau an den Tag vor 12 Jahren, an welchem er mich über die niederschmetternde Diagnose Parkinson informiert. Innerlich schockiert, beeindruckt mich, mit welcher Ruhe und Abgeklärtheit er damit umgeht. Die diagnostizierte Krankheit platzt mitten in sein Leben. Das Gefühl eingespannt zu sein, gebraucht zu werden, Verantwortung zu tragen, über einen vollen Terminkalender zu verfügen, bedeutet ihm alles!
Dani ist keiner, der den Kopf in den Sand steckt. Im Buch lässt er den Leser wissen, mit welch unbändigem Lebensmut und Kraft sich der Autor auf seine Krankheiten einlässt. Als erster Schritt auf dem Weg lässt er sich frühzeitig pensionieren. Trotz seiner durch Parkinson eingeschränkten Bewegungsfreiheit, pflegt er weiterhin seinen Freundeskreis, unternimmt Reisen und geniesst die Gegenwart von Frau und Familie.
Offen und ehrlich beschreibt der Autor die graduelle Verschlechterung seines Gesundheitszustands, er wird vom In- zum Outsider. Frustration, Ungeduld und motorische Unzulänglichkeiten beeinträchtigen in tiefgreifender Weise seine Beziehung zu Ehefrau, Kindern und auch den erweiterten Familien- und Freundeskreis. Tatsächlich kämpft er nicht nur gegen die unmittelbaren Symptome der Krankheit, sondern auch gegen sein emotionales Auf und Ab.
In einer entwaffnenden und selbstkritischen Art, hinterfragt der Protagonist, welche Prioritäten im Leben richtig und wichtig sind. Gehhilfe und Rollator existieren zunächst nicht in seinem Vokabular, doch mit fortschreitender Krankheit muss Dani zähneknirschend einen Gehstock und danach einen Rollator in seinem Leben willkommen heissen.
Er nimmt uns Leser mit und gewährt Einblick in Erfolge und Niederlagen als auch Fortschritte und Rückschläge im fortwährenden Kampf gegen seine neurologischen Krankheiten. Für Dani ist das Leben zu einer Achterbahn geworden. Zuversicht und Hoffnung wechseln sich ab mit Enttäuschungen und Rückschlägen.
Er zeigt auf, dass Akzeptanz zu innerer Freiheit führt. Eine positive Grundeinstellung zu sich selbst und zu den eigenen Möglichkeiten helfen ihm, mit den Krankheiten zu leben. Nach Jahren der Ablehnung, versöhnt er sich mit ihnen und nennt sie liebevoll: „Seine Knirpse!“
Der Autor beschäftigt sich in der Folge mit den fundamentalen Fragen: Was ist der Sinn meines Lebens? Worauf basiere ich meine Identität und mein Selbstwertgefühl, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt? Dani hat Antworten auf die wichtigen Fragen des Lebens gefunden!
Jürg Kronenberg, ein Freund
Das Geschenk
Mein Leben liebte ich. Meine Familie war mir wichtig. Ich hatte Spaß. Ich genoss meine berufliche Karriere. Nichts hatten wir auf die Zeiten nach dem Ruhestand verschoben. Viele verschiedene Länder bereist. Die Wochenenden im Sommer auf unserer Segelyacht verbracht. Im Winter unsere Ferienwohnung im Toggenburg und später in Klosters genossen und dem Skisport gefrönt.
Wir schreiben Ende Juni 2010:
Als Verantwortlicher der Nachwuchsplanung für eine rund 1000 Mitarbeitende zählende Organisationseinheit, leitete ich ein Seminar im bankeigenen Hotel und Ausbildungszentrum am Thunersee. Angehende Teamleiter motivierten mich zu spannenden Diskussionen. Bei der Gestaltung solcher Anlässe wurde viel mit Flip Chart gearbeitet. Die wichtigsten Erkenntnisse und Lösungsansätze landeten auf den großen, weißen Blättern und wurden visualisiert. Etwas mit mir schien nicht in Ordnung zu sein. Die Schrift wurde immer kleiner und unlesbarer. Zudem begann meine rechte Hand zu zittern. Nur mit besonderer Anstrengung konnte ich noch laut und verständlich sprechen. Meine Stimme klang verschwommen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ein sofortiger Arztbesuch keine Verzögerung mehr zuließ. Seit zwei Jahren zeigten sich solche Störungen ab und zu. Verdrängen in solchen Situationen ist ein einfacher Weg, führt aber nicht zum Ziel. Zu lange schob ich die Störungen meiner permanenten Müdigkeit, der anspruchsvollen Funktion in der Bank und dem Balanceakt zwischen Beruf und Familie zu. Bereits seit einiger Zeit und nach drei Burnouts machte ich mir Gedanken zu meiner beruflichen Belastung.
Im Juli 2010 hatte ich Gewissheit. Die schon länger auftretenden Beschwerden erwiesen sich als das, was ich innerlich befürchtet hatte. Das Unbekannte in mir nahm Gestalt an und ich wusste, was für einen Namen mein unsichtbarer Feind trug: Morbus Parkinson übernahm meinen Körper. Ohne, um Erlaubnis zu fragen. Einfach so. Wenn Sie nun glauben, ich wäre nach der Diagnose in eine tiefe Depression verfallen, dann liegen Sie falsch. Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, überlegt und sinniert, was das für meine Zukunft bedeuten könnte. Die Diagnose, die ich im Juli 2010 erhalten habe, entpuppte sich als „Geschenk“. Ja, so habe ich es damals empfunden. Ich war nämlich erstmals gezwungen, ernsthaft mein Leben vor mir auszulegen. Gründlicher, als ich das je zuvor getan hatte. Auch wenn sich das als unangenehm erwies, ich zwang mich dazu zu überlegen, wie mein weiteres Leben und dasjenige meiner Frau und unseren Kindern sich gestalten würde und auch danach zu handeln. Sie werden beim Lesen dieses Buches erleben, dass zwischen Überlegen und Handeln ein tiefer Graben herrschen kann. 13 Jahre brauchte ich, um zu akzeptieren, was neurologisch bedingte Krankheiten bedeuten. Immer wieder fiel ich zurück in frühere Aktivitätsmuster und konzentrierte mich auf Dinge, die nicht mehr zu bewerkstelligen waren. Ich ignorierte, dass Vieles noch möglich und auch durchführbar war. Damals wusste ich allerdings nicht, dass die Jagd nach Akzeptanz mich etliche Jahre beschäftigen würde. Ich erkläre das gerne mit einem Beispiel: Seifenblasen symbolisieren für mich Freude, Aktivität und Lebenslust und dies neben der Betrachtung von Faszination, Ästhetik und Farbenpracht. Seifenblasen sind aber vergänglich. Eine zerplatzende Blase bedeutet auch das Ende von Dingen, die man geliebt hat. Ein Zeichen der Vergänglichkeit; was gestern noch war und heute nicht mehr ist.
Mir fiel es nach der Diagnose nicht besonders schwer, mich zu meiner Krankheit zu bekennen. Nein, diese Aussage ist geschwindelt. In Wahrheit wollte ich die niederschmetternde Erkenntnis für mich behalten. Ich war nicht bereit dafür, die schützende Maske abzulegen. Das wäre für mich damals ein Zeichen der Schwäche gewesen. Undenkbar! Meine Frau versuchte mich mit vielen Argumenten vom Gegenteil zu überzeugen. Rückblickend erkenne ich, dass Marlis den für mich und sie einzig begehbaren Weg vertreten hatte. und sie sollte Recht behalten. Wie so oft während unseren 45 Ehe jahren.
Zuerst teilte ich es unseren Kindern, der erweiterten Familie, Freunden und Bekannten bei passender Gelegenheit mit. Der nächste Schritt bestand darin, mein engstes berufliches Umfeld zu informieren. Das fiel mir besonders schwer und bereitete mir Sorgen. War ich doch nicht so stark, wie ich glaubte zu sein? Ein Outing stand in meinem Kopf für anders sein, nicht der Norm entsprechend. Ich würde nicht mehr dem Profil eines Direktionsmitglieds einer Schweizer Großbank entsprechen. Mir graute davor, dem Raster nicht mehr zu genügen. Welchem Raster? Dem Raster unserer heutigen Leistungsgesellschaft. Ich befürchtete, dass ich mir in Zukunft im Alltag ein Schild mit der Aufschrift „Ich habe Parkinson. Bitte haben Sie Geduld mit mir“ würde umhängen müssen. Waren meine Ängste berechtigt? Was passierte? Ich stieß bei meinem Outing auf Anerkennung für den Mut, mich für die offene Kommunikation entschieden zu haben.
Die Reaktionen fielen allerdings unterschiedlich aus. Grosse Anteilnahme, Sprachlosigkeit, Nachfrage, was das konkret für mich bedeute und wie sich die Krankheit bemerkbar machen würde. Für mich erwies sich das Outing wie ein Befreiungsschlag. Bereits damals merkte ich auch, dass einige Menschen Mühe im Umgang mit meiner Situation bekundeten. Sie wichen aus und wussten nicht genau, wie sie mit der Situation umgehen sollten.
Nach Mitte 2011 konnte ich trotz aller Bemühungen nicht mehr verbergen, dass ich die beruflich anspruchsvolle Aufgabe nicht mehr zu hundert Prozent zu erfüllen vermochte. In Stresssituationen wurde ich langsam. Die vielen Meetings, die strukturellen Veränderungen in der Bank und das Erkennen, dass ich nicht mehr so leistungsfähig wie früher war, belasteten mich persönlich stark. Nach 42 Jahren in der Bankenwelt fühlte ich mich schwach, ausgelaugt, müde, krank und gescheitert. Nach Lösungen gesucht hatte ich nicht. Mein Berufsleben gestaltete sich wie früher. Ich redete mir ein, dass der Job das mit sich brachte. Höchste Leistung, streng mit sich selbst und anderen, planen, ausführen, delegieren, andere überzeugen, lernen und lehren, organisieren, über neue Möglichkeiten für die Zukunft nachdenken. Ich selbst blieb liegen. In meinem früheren Leben -vor der Diagnose- hatte ich mir vorgestellt, mit 62 Jahren meine bisherige Tätigkeit aufzugeben. Meine Vorgesetzte ermöglichte mir früher als geplant einen würdigen Abgang. Ich konnte die operative Leitung meiner Einheit abgeben, teilweise im Homeoffice arbeiten und mich ausschließlich den Dingen widmen, die mir sehr am Herzen lagen. Mit 57 Jahren und 7 Monaten verabschiedete ich mich im Juli 2012 von meinen Kolleginnen und Kollegen und trat den frühzeitigen Ruhestand an.
Ich war damals weit davon entfernt, meine Krankheit, und diejenigen die später dazukamen, zu akzeptieren und Verantwortung für ein angepasstes Leben zu übernehmen. Im Ruhestand konnte ich leben, ohne dem Arbeitsstress ausgeliefert zu sein. An meinen unverhältnismäßigen Ansprüchen an mich selbst änderte sich wenig. Um ehrlich zu sein, nichts! Meine Frau, die Kinder, Freunde und Bekannte, Ärzte und Therapeuten versuchten immer wieder, mich zur Vernunft zu bringen. Ich begriff das Anliegen zwar, scheiterte in der Umsetzung aber kläglich.
Seit 12 Jahren genieße ich meinen Unruhestand. Glücklich und zufrieden wäre ich, wenn da nicht die ungebetenen Plagegeister ihr Unwesen mit mir treiben würden. Die können mich mit ihrem unberechenbaren Verhalten in mehrfacher Hinsicht echt an den Rand der Verzweiflung bringen! Die Akzeptanz der Krankheiten fordert mich. Manchmal mehr und manchmal weniger. Ich arbeite hart daran, meine Grenzen zu akzeptieren und Tag für Tag die Aktivitäten meinen aktuellen Möglichkeiten anzupassen. Erstmals spüre ich, dass ich diesen neuen Weg auch tatsächlich werde gehen können. Ein großer Schritt für mich. Ein kleiner für Menschen, die nie erlebt haben, wie es sich anfühlt, ihre Werte und Ziele wegen einer fortgeschrittenen Krankheit anpassen zu müssen und entsprechend zu handeln.
Glücklich fühle ich mich im privaten Bereich. Warum? Eine Frau an meiner Seite zu haben, die mich seit 45 Jahren unterstützt. Die meine schlechte Laune erträgt, wenn ich mit mir nicht zufrieden bin oder durch anhaltende Schmerzen gequält werde. Die akzeptiert, wenn ich einen geplanten Ausflug oder einen Spaziergang kurzfristig absage, weil es nicht funktionieren würde. Die mit meinen unkontrollierten und manchmal leider auch verletzenden Emotionen umzugehen versteht, auch dann, wenn mein Verhalten die Vorstellungskraft anderer übersteigt. Eine Tochter und einen Sohn zu erleben, die mich akzeptieren, Verständnis zeigen, mir Hilfe leisten und auf mich Rücksicht nehmen. Die mir aber auch mit aller Deutlichkeit zu verstehen geben, wenn ich wieder einmal mit meinen Äußerungen und Handlungen zu weit gegangen bin. Das Gleiche gilt für ihre Partner, die wir in unsere Herzen geschlossen haben. Das einzige, mit dem ich zu kämpfen habe, ist die Tatsache, dass ich meiner Frau nicht immer der Mann war und sein kann, den sie verdient hätte.
Im Umgang mit meinen Krankheiten gehe ich meinen individuellen Weg. Ich bin mit Sicherheit kein Egoist, das war und bin ich nicht. Andere nennen es vielleicht eigensinnig, undankbar oder starrköpfig. Mit dem kann ich leben. Ich möchte keine gut gemeinten Ratschläge erhalten, das oder jenes sollte ich tun und anderes auf keinen Fall. Dreimal pro Woche in die Physiotherapie, nur zweimal reicht nicht! Ergänzt durch mehrmaliges Training an den kraftaufbauenden Geräten. Und das neben schwitzenden und schnaubenden Menschen, die nicht zu wissen scheinen, wann es genug ist. Gesunde Ernährung wäre auch wichtig. Kein Alkohol. Nur kalziumreiches Mineralwasser oder Tee. Jeder glaubt etwas beitragen zu können. Wenig wissen all die Leute, die es gut mit mir meinen. Sie können es nicht nachvollziehen. Das tönt für andere hart oder schlichtweg nicht begreifbar. Aber niemand kann nachfühlen, wie es mir wirklich geht. Zu unterschiedlich sind die Empfindungen und die Auswirkungen dieser Krankheiten. Von anderen Betroffenen nehme ich Erfahrungen und Ratschläge am ehesten an. Ich will leben und genießen. Zu einem vorzüglichen Essen gehört für mich ein guter Wein. Auf den verzichte ich nicht, egal ob es mir guttut oder nicht. Ich gönne mir auch ab und zu „Pommes“. Gesunde Ernährung ist mir dann nicht wichtig. Meine Seele liebt fast alles, was unvernünftig ist! Da können meine „Knirpse“ sich ausdenken, was sie wollen.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meine mit Ratschlägen nicht tiefgründige Gespräche über meine Emotionen, mein Verhalten in gewissen Situationen oder meine ungebrochene Lebenslust. Im Gegenteil, ich bin sehr offen für jegliche Hinweise, die mir aufzeigen, wenn ich mich wieder einmal idiotisch verhalten habe. Ich habe grosse Achtung vor Menschen, die mir ohne Rücksicht auf meine Krankheiten unverblümt sagen, was Sache ist. Mir so richtig den „Tarif“ durchgeben!
Wieso?
Sind wir doch ehrlich, meine Lügen, oder sagen wir schönend, die nur zaghafte und wenig ausdauernde Suche nach der Wahrheit, ist inzwischen längst moralisch-gesellschaftlich toleriert und wenn es die eigene Person betrifft, sogar erwünscht. Wir haben die Vorbilder jeden Tag vor Augen. Es sind die Akteure der Politik, die das Lügen „Taktieren“ nennen und stolz darauf sind, der Öffentlichkeit, ihren Wählern, denjenigen, für die sie Verantwortung zu tragen vorgeben, ein Schnippchen zu schlagen. Leider sind es nicht nur Politiker, die diesem Virus erliegen. Viele andere auch! Leute aus den Teppich-Etagen von Unternehmungen, Journalisten, Werber, Fernsehleute und viele mehr.
Ist denn die Wahrheit für mich gefährlich? Natürlich ist sie das, denn sie ist für mich unbequem. Sie entlarvt schonungslos meine Schwindeleien im Umgang mit den Krankheiten.
„Ich bin zufrieden“, „Es geht ganz gut“ oder „Ich hatte schon bessere Tage“. Wie es mir wirklich geht? Was ich fühle? Darf ich das anderen zumuten? Ich kann es schlecht in Worten beschreiben. Die Schmerzen, den körperlichen und den seelischen, das Gefühl, den Krankheiten ausgeliefert zu sein, den Kontrollverlust über den eigenen Körper, der Abhängigkeit vom Stimulator und den zahlreichen Medikamenten. Die Unsicherheit sich in der Gesellschaft mit den feinmotorischen Störungen zu bewegen und dem Wissen, dass man sich verändert hat.
Heldentum und Angst, zwei Begriffe, die sehr nahe beieinander liegen. Wie auch Gelassenheit und Grauen.
Meine Geschichte
Mit der Schilderung meiner Krankengeschichte in den letzten 13 Jahren beabsichtige ich nicht, Mitleid zu erwecken. Mitleid besitzt für mich einen negativen Touch. Es bedeutet für mich, schwach und hilfsbedürftig zu sein und dankbar für jede Hilfe sein zu müssen. Es ist eine Form von „Misshandlung.“ Ich empfinde ein Unwohlsein und spüre, dass ich unangenehm berührt bin. Manchmal wird mein Schmerzzentrum aktiviert. Es kann auch vorkommen, dass ich mich in solchen Situationen von anderen emotional manipuliert fühle.
Mitgefühl und Anteilnahme interpretiere ich anders und sie bedeuten mir viel. Mitgefühl erkenne ich daran, wenn der Gesprächspartner erkennt, wie es mir im Moment geht. Wenn er Verständnis und Anteilnahme zeigt, wenn er überlegt, wie er mir helfen könnte und mich dabei aktiv unterstützt. Wenn er sich bewusst ist, dass es mein Leben und nicht seines ist. Nur ich kann und muss die Verantwortung für mein Leben tragen.