Taxi, Tod und Teufel - Watt'n Mord - Lena Karmann - E-Book

Taxi, Tod und Teufel - Watt'n Mord E-Book

Lena Karmann

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Beschreibung

Folge 10: Ganz Palinghuus ist in heller Aufregung: Das Watt’n’rennen findet wieder statt! Der traditionelle Lauf durchs Watt lockt Teilnehmer aus der ganzen Umgebung an. Natürlich läuft James auch mit. Sarah feuert ihren Ehemann kräftig an, und kurz sieht es sogar aus, als würde er gewinnen - bis den Zuschauern klar wird, dass nicht James schneller, sondern alle anderen langsamer werden. Der Grund ist schnell gefunden: Alle Läufer zeigen Vergiftungserscheinungen! Will jemand den Lauf sabotieren? Doch dann entdeckt Sarah eindeutige Beweise, dass das Gift nur einen der Teilnehmer treffen sollte! Sarah und James versuchen gemeinsam mit Kommissar Scharrmann, diesen Läufer zu finden - bevor es der Täter noch mal versucht ...

Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

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Sammlungen



Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Über diese Folge

Titel

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Epilog

Über die Autorin

Impressum

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Taxi, Tod und Teufel – Die Serie

Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!

Über diese Folge

Ganz Palinghuus ist in heller Aufregung: Das Watt’n’rennen findet wieder statt! Der traditionelle Lauf durchs Watt lockt Teilnehmer aus der ganzen Umgebung an. Natürlich läuft James auch mit. Sarah feuert ihren Ehemann kräftig an, und kurz sieht es sogar aus, als würde er gewinnen – bis den Zuschauern klar wird, dass nicht James schneller, sondern alle anderen langsamer werden. Der Grund ist schnell gefunden: Alle Läufer zeigen Vergiftungserscheinungen! Will jemand den Lauf sabotieren? Doch dann entdeckt Sarah eindeutige Beweise, dass das Gift nur einen der Teilnehmer treffen sollte! Sarah und James versuchen gemeinsam mit Kommissar Scharrmann, diesen Läufer zu finden – bevor es der Täter noch mal versucht ...

LENA KARMANN

Watt'n Mord

Prolog

1. Kapitel

Gut zwei Stunden später ...

Um drei Uhr morgens herrschte in Palinghuus ein Trubel, der alles übertraf, was sonst im Jahr in dem kleinen ehemaligen Fischerdorf an der Nordseeküste so los war. Es war die Nacht von Samstag auf Sonntag am zweiten Januar-Wochenende. Rund um das Hafenbecken waren etliche große Zelte aufgebaut worden. Die Freiwillige Feuerwehr hatte zwei Lichtmasten organisiert und aufgestellt, um das Gelände so auszuleuchten, dass niemand versehentlich ins Hafenbecken fiel.

In den zwei größten Zelten waren die Teilnehmer damit beschäftigt, sich für den Lauf quer durchs Watt umzuziehen. Wer fertig war und nach draußen kam, musste ein Formular unterschreiben, dann bekam er seine Startnummer ausgehändigt. Ein paar Meter weiter halfen sich die Läufer gegenseitig, die Nummern an ihre Sportkleidung zu heften. Zum Teil waren es auch Angehörige, die ihnen halfen.

Zwischen all diesen Menschen irrte ein junger Reporter umher, der nach einem Interviewpartner suchte, sich aber nicht so recht traute, irgendwen anzusprechen. Auf einmal sah er rechts von sich eine junge blonde Frau in ein Zelt gehen, in dem sich offenbar nur wenige Leute aufhielten. Vielleicht sollte er dort sein Glück versuchen.

»Moin, Alice«, rief Sarah Teufel, als sie ihre Halbschwester ins Verpflegungszelt kommen sah.

»Moin, moin«, grummelte Alice vor sich hin und begann zu gähnen, während sie sich mit zusammengekniffenen Augen umschaute.

Auf mehreren langen Klapptischen standen unzählige kleine Thermosflaschen, auf denen jeweils eine Nummer klebte. Auf einen anderen, stabileren Tisch hatte man einen riesigen Kessel platziert, der mit einem Zapfhahn versehen war. An diesem Kessel stand Sarah, die bereits früher hergekommen war, weil sie die Thermosflaschen für die Läufer abfüllen wollte.

»Du machst nicht mit?«, fragte Alice, nachdem sie lange genug die dicke Winterkleidung ihrer Halbschwester betrachtet hatte.

Sarah schüttelte den Kopf. »Nee, hat kein' Sinn. Erkältung is zwar vorbei, aber mir tun die Knochen noch immer so weh, dass ich nach zehn Metern schnaufend stehen bleiben würde.«

»Also hilfst du mir beim Küchendienst«, fragte Alice hoffnungsvoll.

»Dafür reichen die Kräfte«, bestätigte Sarah. »Ich find's übrigens toll, dass du dich freiwillig gemeldet hast, obwohl du ja schon seit ein paar Monaten nich mehr in Palinghuus wohnst.« Alice war vor einer Weile nach Norddeich umgezogen, um dort eine Ausbildung zur Tierpflegerin zu absolvieren, nachdem sie durch den Fund eines kranken Seehunds ihre eigentliche Berufung gefunden hatte.

»Das hätte doch jeder gemacht«, sagte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Jeder, der so leichtgläubig ist wie ich.«

Sarah sah sie verdutzt an. »Was war das?«

»Ach, lass mal«, wehrte Alice ab, seufzte dann aber herzhaft und erklärte: »Ich bin ja schließlich nur gefragt worden, ob ich am zweiten Wochenende im Januar Lust hätte, bei einem kleinen Marathon vor dem Lauf Tee und nach dem Lauf Suppe an die Teilnehmer auszuschenken. Kein Mensch hat ein Wort davon gesagt, dass ich nachts um drei hier aufkreuzen soll, dass ich erst noch den Tee aufsetzen und dann die Suppe aufwärmen muss. Und dass ich abends schon mithelfen muss, all die Thermoskannen mit Startnummern zu versehen.« Sie zuckte frustriert mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum da nicht einfach zweihundertfünfzig Thermoskannen mit Tee stehen können, und jeder nimmt sich eine!«

»Weil dann irgendjemand zweihundert Kannen spendieren müsste«, machte Sarah ihr klar. »Oder die Veranstalter müssten sie kaufen, und das ist denen zu teuer.«

Alice zuckte mit den Schultern. »Wär ja auch möglich, dass alle eine Kanne mitbringen. Dann füllen wir sie auf, und jeder nimmt sich einfach eine, ohne auf die Nummer zu achten.«

»Da hätte das Gesundheitsamt wohl etwas dagegen einzuwenden, weil keiner weiß, wie gründlich die Thermoskannen gespült wurden. Am Ende wird irgendwer krank, oder er verletzt sich, weil am Ausguss irgendwas kaputt ist.«

»Du meinst, weil dann gleich wieder einer den anderen verklagen kann?«

Sarah nickte. »Und wenn jemand die Veranstalter des Laufs verklagt und die Schmerzensgeld zahlen müssen, dann wird es wohl keinen weiteren Lauf mehr geben.«

Alice winkte ab. »Na, dann werden wir eben alles so erledigen, dass niemand klagen kann.« Sie deutete auf den Kessel. »Kann ich mit Abfüllen loslegen?«

»Ja, mach ruhig, dann sortiere ich die vollen Kannen nach Startnummern.«

Sie machten sich an die Arbeit. Doch schon beim Befüllen der fünften Thermoskanne schrie Alice plötzlich »Autsch!« und schüttelte den Kopf.

»Was is passiert?«, wollte Sarah erschrocken wissen.

»Nichts, alles in Ordnung«, beruhigte ihre Halbschwester sie. »Ich hab mir nur gerade im Halbschlaf Tee über die Hand laufen lassen und bekam einen Schreck, weil ich dachte, ich hätte mich verbrüht. Aber zum Glück ist der Tee ja kalt, da kann nichts passieren.«

»Ah, okay«, meinte Sarah und nahm sich die nächsten Kannen auf dem Tisch vor, als sie auf einmal stutzte und wieder ihre Schwester ansah. »Kalt? Hast du tatsächlich gesagt, dass der Tee noch kalt ist?«

Alice zog die Augenbrauen zusammen. »Ich dachte nicht, dass ich das laut ausgesprochen hätte.«

»Hast du aber«, sagte Sarah, stellte sich zu ihr und öffnete die Klammern, mit denen der Deckel auf dem Kessel gehalten wurde. Als sie mit einem Handtuch den Deckel am Rand anfasste und ihn vorsichtig anhob, kam ihr kein heißer Dampf entgegen. »Huch?«, rief sie verwundert und hielt versuchsweise eine Hand in den Kessel. »So 'n Mist«, murmelte sie.

»Eiskalt?«, fragte Alice.

Sarah nickte nur, machte den Deckel zu und tippte auf die Schalter unterhalb des Kessels. »Das Ding muss 'nen Wackelkontakt haben«, murmelte sie. Doch dann stöhnte sie leise. »Oder eine Zeitschaltuhr wie die da, die auf sechs Uhr am Morgen eingestellt is.«

»Was?«, fragte Alice. »Hab ich das etwa verbockt?«

»Unsinn, du hast dich doch nur um die Beschriftung der Kannen gekümmert«, beruhigte Sarah sie. »Das wird gestern Abend passiert sein, nachdem der Tee schon mal erhitzt worden war. Ihr wart doch zu mehreren hier, oder?«

»Ja, hier war ein ständiges Kommen und Gehen«, bestätigte ihre Halbschwester. »Es wurden ja andauernd noch Thermoskannen reingebracht.«

»Na bitte.« Sarah zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. »Die laufen ja noch nicht los, und wenn wir den Kessel auf eine höhere Stufe stellen, wird das wohl noch reichen.« Sie sah zu dem Tisch, an dem sie eben noch die Thermoskannen sortiert hatte. »Wir müssen die nur wieder zurück in den Kessel schütten, damit nicht ein paar Leute versehentlich mit kaltem Tee losrennen«, erklärte sie und griff nach den vollen Kannen, um sie wieder zu leeren.

»Hallo, entschuldigen Sie?«, meldete sich einen Moment später eine Stimme zu Wort, die vom Eingang her zu ihnen herüberdrang.

Sarah und Alice drehten sich um und entdeckten einen schmalen jungen Mann, der vermutlich noch keine zwanzig Jahre alt war. »Ja, bitte?«, fragte Sarah.

»Ähm ... also ...«, begann der junge Mann mit den langen blonden Haaren, dessen Frisur an irgendeinen Schlagerstar aus den Siebzigern erinnerte, den Sarah mal auf einem alten Plattencover gesehen hatte. Der einzige Unterschied war der, dass ihr Besucher auch noch einen blonden Kinnbart trug, dem es deutlich an Substanz fehlte und auf den er besser verzichtet hätte. »... mein Name ist Georg Reimers, ich komme vom Berufskolleg in Osnabrück und soll für unser Internetportal über diesen Lauf berichten. Mir wurde nicht gesagt, an wen ich mich wenden soll, darum ... ähm ... sind Sie hier die Köchinnen oder so was?«

»Weder ›die Köchinnen‹ noch ›so was‹«, meldete sich eine alte, aber kraftvolle Stimme zu Wort. Hinter dem jungen Reporter tauchte der Kaleu auf, ein kleiner und daher etwas schmächtig wirkender älterer Mann, der mit seiner schneeweißen Kapitänsmütze, dem weißen Vollbart und der in seinem Mundwinkel eingeklemmten Pfeife wie ein echter Seebär aussah. »Moin, min Jung«, fuhr er fort. »Du bist also der pfiffige Reporter Tim? Wo ist denn dein Hund?«

Der junge Mann schaute verwirrt vom Kaleu zu Sarah und wieder zum Kaleu. »Tim? Mein Hund? Ich ... ähm ... ich verstehe nicht.«

»Erklär ich dir später, min Jung«, sagte der Kaleu und klopfte ihm tröstend auf die Schulter. Dann zeigte er nach rechts auf zwei Stühle. »Setzen wir uns da drüben hin. Ich mag nich so lange rumstehen.« Auf dem Weg zu den Stühlen zog er den Reißverschluss seiner gefütterten Jacke auf und setzte sich hin.

»Und Sie sind Herr ...?«, begann der junge Mann.

»Einfach nur Kaleu.«

»Ist das Ihr Vor- oder Nachname? Oder so was wie ein Rufname?«

»Das is so was wie 'n Dienstgrad, min Jung. Kaleu steht für Kapitänleutnant.«

»Oh.« Reimers bekam vor Verlegenheit einen roten Kopf. »Dann ... dann sind Sie also zur See gefahren?«

»Das is für gewöhnlich das, was 'n Kaleu so macht, nich wahr, min Jung?« Dabei zwinkerte er Sarah zu, die sich ein Grinsen verkneifen musste.

So wie jeder im Dorf wusste sie, dass der Kaleu sein Leben lang nie zur See gefahren war. Das Äußerste, wozu er sich bereit erklärte – und das auch nur, wenn es unbedingt sein musste –, war eine Überfahrt nach Baltrum, aber selbst da bestand die Gefahr, dass er seekrank wurde.

Der junge Mann nickte pflichtbewusst und tippte auf seinem Tablet etwas ein. »Stimmt, Herr ... ähm ... Kaleu, was können Sie mir zu dem Wettlauf sagen, der hier bald losgehen wird?«, las er ab. »Warum in dieser Kälte? Und warum mitten in der Nacht? Ist das nicht viel zu gefährlich? Ich meine, es geht doch ins Watt.«

»Gemach, min Jung, gemach«, sagte der Kaleu und lehnte sich zurück. »Also ... das Watt'n'rennen, das eigentlich Hinrich-Hinrichsen-Lauf heißt, is eine Veranstaltung, die alle zwei Jahre stattfindet. Erinnert wird damit an den Fischer Hinrich Hinrichsen, der im Jahr 1774 sein eigenes Leben riskierte, um acht Kinder aus dem Watt zu retten, die sich am späten Abend da draußen verirrt hatten.«

»Wie konnte das passieren?«, wollte Reimers wissen. »Waren die Kinder ausgerissen?«

»Es heißt, dass ihre Eltern, die beide Fischer waren, von einer Fangfahrt nicht zurückgekehrt waren. Deshalb sollen sie versucht haben, so weit wie möglich ins Meer hinauszulaufen, um nach ihnen Ausschau zu halten.« Der Kaleu zuckte mit den Schultern. »Es gibt viele Möglichkeiten, in so 'ne Situation zu geraten. Was zählt, is der Mut, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um das Leben eines anderen zu retten, oder nich?«, hakte der Kaleu nach.

»Ja«, antwortete der junge Reporter. »Und ... ähm ... was ist mit Ihnen? Sie laufen auch mit?«

Der Kaleu musste lachen. »Nee, nee, min Jung. Das is nix für mich und meine alten Knochen. Das is was fürs junge Gemüse, also für jeden, der jünger is. Ich gehör zu den Leuten, die darauf achten, dass die Traditionen geachtet werden«, erklärte er. »Dass also nich zu viel Neumodisches reinkommt.«

»Aha. Das heißt dann aber doch, dass auch schon mal etwas modernisiert wird«, folgerte der Reporter. »Oder sehe ich das falsch?«

»Joh, das is schon so. Dieses Jahr hat jeder Teilnehmer irgend so 'n technischen Tüddelkram«, sagte der Kaleu und sah zu Sarah. »Sarah, sach ma gerad, wie das Ding heißt.«

»Transponder«, rief sie zu ihm rüber.

»Ja, genau«, stimmte der Kaleu ihr zu. »So 'n Ding zum Wechbeamen.«

»Kein Transporter, Kaleu, sondern ein Transponder«, korrigierte sie ihn, weil sie zu spät erkannt hatte, dass er sich einen kleinen Scherz erlaubt hatte, damit sie die Erklärung übernahm. Einfach nur, weil er für den Moment genug geredet hatte und sich vermutlich ein wenig ausruhen wollte, bevor der spannende Lauf begann.

»Wenn Sie wollen, kann ich kurz was zu den technischen Dingen sagen«, schlug sie dem Reporter vor. »Sofern es Ihnen nichts ausmacht, dass ich nebenher weiterhin die Thermosflaschen für die Läufer sortiere.«

»Wenn ich Sie dabei nicht störe«, gab er zurück.

»Sie können ja aufpassen, ob ich alle richtig hinstelle. Sie wissen doch, vier Augen sehen mehr als zwei.«

»Dann habt ihr vier Augen da drüben wohl nix dagegen, wenn ich meine zweimal für 'ne halbe Stunde zumache«, warf der Kaleu ein, lehnte sich auf dem Stuhl nach hinten und ließ seinen Worten Taten folgen.

Sarah lächelte den jungen Mann an. »So ist unser Kaleu nun mal. Also, was möchten Sie noch wissen?«

»Nun, diese Transponder interessieren mich«, erwiderte er. »Und ich würde gern etwas über die Sicherheitsmaßnahmen erfahren. Ich meine, ein Nachtlauf kann doch eine gefährliche Angelegenheit sein, wenn zum Beispiel der Letzte im Feld so ins Hintertreffen gerät, dass er die anderen gar nicht mehr sehen kann und auf einmal in die falsche Richtung rennt.«

Sarah nickte. »Die beiden Dinge gehören zusammen, darum bekommen Sie auf die zwei Fragen eine einzige Antwort. Es is schon seit Jahren so, dass der Streckenverlauf – über den Deich, runter auf die Wiese, über den Strand, durchs Watt, zurück zum Strand und wieder rauf auf den Deich für die nächste Runde – durchgehend mit reflektierendem Flatterband gekennzeichnet wird und außerdem Lampen aufgestellt werden. So erkennen die Läufer deutlich , wo sie lang rennen müssen. Dazu kommen all die Zuschauer, die bis auf den Abschnitt im Watt fast überall stehen und das Geschehen im Blick haben.«

Der Reporter machte sich ein paar Notizen. Als er fertig war, fuhr sie fort: »Dieses Jahr sind wir Teil eines Forschungsprojekts der Uni Hamburg. Die Leute haben jeden Läufer mit einem Transponder ausgestattet, der an einer beliebigen Stelle am Körper getragen werden kann. Er wird mit dem Smartphone verbunden und liefert so die Positionsdaten des Läufers. Gleichzeitig übertragen die Smartphones Gesundheitsdaten wie Herz- und Atemfrequenz. Wir können also sehen, ob jemand bedenkliche Werte erreicht und aus dem Rennen genommen werden muss. Das ist zwar bislang noch nie der Fall gewesen, aber wenn man das überwachen kann, dann sollte man es auch machen.«

»Hat niemand Bedenken geäußert, dass das Probleme mit dem Datenschutz geben könnte?«, wollte Reimers wissen.

»Darauf haben wir schon im Anmeldeformular hingewiesen«, meldete sich der Kaleu zu Wort, der tatsächlich nur die Augen geschlossen hatte, ohne eingeschlafen zu sein. »Trotzdem gab es wieder über zweitausend Anmeldungen un nich einen einzigen Protest.«

»Über zweitausend?« Der Reporter riss erstaunt die Augen auf. »So viele Leute laufen da mit?«

»Nee, nee, wir lassen nur zweihundertfünfzig mitlaufen, sonst herrscht da draußen zu viel Gedränge«, stellte der ältere Mann klar.

Während sich der Reporter noch mit dem Kaleu unterhielt, wandte sich Sarah an Alice und fragte leise: »Was macht der Tee?«

»Der ist auf einem guten Weg«, sagte Alice. »Was für ein Glück, dass ich so ungeschickt war.«

»Kannst du laut sagen«, stimmte Sarah ihr zu. »Möchte ja nicht wissen, was wir uns hätten anhören dürfen, wenn die Leute unterwegs gemerkt hätten, dass ihr Tee eiskalt is.«

»Sarah, sach doch mal«, rief der Kaleu dazwischen. »Dieser Transdingsda, der macht doch noch was anderes, nich? Doch nich bloß mitteilen, wie schnell einer schnauft. Da war doch noch was mit der Position, nich?«

»Dazu wollte ich noch kommen«, erwiderte sie und fügte mit gespielter Entrüstung hinzu: »Und dazu wär ich auch längst gekommen, wenn nich ein gewisser Kaleu ganz raffiniert das Wort an sich gerissen hätte.«

Der Reporter sah zwischen den beiden hin und her, da er nicht wusste, was er von diesem Schlagabtausch halten sollte.

»Dann sabbel nich, Sarah, sondern sag ihm, was Sache ist«, konterte der Kaleu mit einem Augenzwinkern.

»Wer von uns beiden tatsächlich sabbelt, weißt du so gut wie ich«, meinte Sarah und wurde wieder ernst, als sie sich dem Reporter zuwandte. »Das System ist programmiert, dass wir durch den Transponder in Echtzeit verfolgen können, wo sich jeder Läufer gerade befindet. Wenn sich ein Signal sechzig Sekunden lang nicht von der Stelle bewegt, wird der Teilnehmer automatisch angerufen. Meldet er sich nich, setzen sich die Rettungssanitäter in Bewegung, um an Ort und Stelle nach dem Rechten zu sehen. Außerdem kann man sofort erkennen, wenn jemand unterwegs von der Strecke abweicht und zu weit ins Watt hinausläuft.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber wie gesagt, so was kann hier kaum passieren, weil es hell genug ist und so viele Zuschauer an der Strecke stehen, dass denen schon auffallen würde, wenn irgendwas nich stimmt. Das Ganze is mehr ein Test, um zu gucken, ob da alles so läuft, wie es soll.«

Reimers machte sich eifrig Notizen, las ab und an noch einmal über das, was er geschrieben hatte, und nickte zufrieden. »Das ist ja für den Anfang schon mal sehr viel an Informationen. Aber bestimmt werde ich nach dem Lauf noch ein paar Fragen haben. Darf ich mich dann wieder an Sie wenden, Frau ... ähm ... ich glaube, ich habe Ihren Nachnamen gar nicht mitbekommen.«

»Teufel. Sarah Teufel. The one and only. Betreiberin des größten Taxiunternehmens von ganz Palinghuus, Taxi Tod und Teufel!«, kam prompt die Antwort, allerdings nicht über Sarahs Lippen, da die Stimme dafür zu tief und zu männlich war.

Sarah musste lachen, als sie den verständnislosen Blick des Reporters bemerkte, dem im Gegensatz zu ihr noch nicht ganz klar zu sein schien, woher die Stimme mit dem nicht mehr ganz so deutlichen, aber immer noch erkennbaren amerikanischen Akzent kam.

Ihr amerikanischer Ehemann James hatte gerade rechtzeitig das Zelt betreten, um die Frage des jungen Mannes zu beantworten.

»Haben Sie das notiert?«, fragte er und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, an: »Ich bin übrigens James Todd, Ehemann der Taxiunternehmerin und Mitinhaber, außerdem Betreiber der größten Kfz-Werkstatt von ganz Palinghuus.«

Sarah sah James an und schüttelte leicht den Kopf. »Ich nehme an, du bist noch müde.«

»So sehr, dass ich mir einrede, immer noch zu träumen«, antwortete er. »Ich kann nämlich nur hoffen, dass ich träume und nicht tatsächlich bei dieser Kälte mitten in der Nacht durchs Watt rennen werde.« Er atmete seufzend durch. »Ich will nur hoffen, dass diese Transponder auch unter Wasser funktionieren – für den Fall, dass ich mich verlaufe und auf dem Meeresgrund bis nach Baltrum trabe.«

Sarah schnaubte und gab es für den Moment auf. Tatsächlich wurde James manchmal umso alberner, je weniger Schlaf er bekommen hatte. Das Problem war nur, dass er das wusste und es auch merkte, wenn er anfing, Unsinn zu reden. Dennoch war er nicht in der Lage, sich zu bremsen.

»Hören Sie«, sagte sie zu dem Reporter, während James leise vor sich hin summte und die leeren Thermoskannen zu verschieben begann. »Nach dem Lauf haben wir hier alle Hände voll zu tun, weil alles zusammengeräumt und abgebaut werden muss. Sprechen Sie einfach den Kaleu an, der kann Ihnen sagen, an wen Sie sich wenden müssen. Und wenn Sie ihn nicht auf Anhieb finden, fragen Sie sich nach ihm durch. Irgendwer hat ihn immer gerade eben noch da drüben oder da hinten gesehen.«

»Hm, okay, dann werde ich das so machen«, entgegnete der junge Mann. »Vielen Dank für alles, was ich bis jetzt erfahren habe, Frau Teufel.«

»Keine Ursache«, erwiderte Sarah.

Auf dem Weg zum Ausgang gesellte sich der Kaleu zu ihm und begann eine Anekdote aus seiner »Seefahrerzeit« zu erzählen, die der Reporter sich interessiert anhörte.

»Wenn der Junge wüsste«, meinte James amüsiert, als er den beiden hinterhersah.

»James, wenn du deine Thermosflasche ausfindig machen kannst, dann fülle ich sie jetzt schon mit Tee auf, damit du nicht gleich hier im Gedränge stehen musst«, schlug Alice ihm vor.

»James hat keine Kanne. James trinkt kaltes Wasser«, sagte er in schroffem Tonfall und setzte eine mürrische Miene auf. »James hat gesprochen.«

»James klingt wie Django«, nahm Sarah ihn auf den Arm. »Aber das schiebe ich mal auf deine Müdigkeit.«

»Ist das so offensichtlich?«, konterte er grinsend.

»Dann bist du einer von den ganz Harten, wie?«, sagte Alice.

»Wenn es um das Watt'n'rennen geht, ist mein James der Chuck Norris von Palinghuus. Stimmt's, Darling?«, meinte Sarah.

»That's right, Sweetheart«, antwortete er mit sonorer Stimme und zwinkerte ihr und Alice zu.

»Chuck Norris? Wäre nicht Iron Man angemessener? Der ist immerhin ein richtiger Superheld.«

James beugte sich vor und erklärte: »Iron Man ist der Mann, der für Chuck Norris die Hemden bügelt, wenn du weißt, was ich meine.«

»Iron Man bügelt die ...«, wiederholte sie grübelnd, dann ging ihr ein Licht auf. »Oh, Iron Man. Verstehe. Sehr clever.«

»Danke.« Dabei deutete er auf die Tasche an seinem Gürtel. Er zog den Klettverschluss auf, sodass Alice die beiden Halbliterflaschen und eine Reihe von Energieriegeln sehen konnte.

»Du trinkst wirklich kaltes Wasser!«, rief sie erstaunt. »Ich dachte, du machst Witze.«