15,99 €
Forschungsarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Didaktik - Theologie, Religionspädagogik, Note: 1.0, Universität Luzern (Religionswissenschaftliches Seminar), Veranstaltung: Methodisches Proseminar: qualitative Religionsforschung, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit befasst sich mit theoretischen und praktischen Aspekten einer weit verbreiteten qualitativen Methode, der teilnehmenden Beobachtung. Die theoretischen Perspektiven umfassen die Definition des Verfahrens sowie die Prinzipien und Formen der Beobachtung. Die Dimension der Offenheit einer Beobachtung beschäftigt sich mit der Frage, ob die untersuchte Gruppe über die Beobachtung informiert ist. Die Elemente des zyklischen Forschungsablaufs umfassen Feldzugang, Rollendefinition, Datenerhebung und -auswertung sowie den Feldrückzug. Die vorliegenden Feldforschungen zeigen diesen offen-reflexiven Zugang an einem Praxisbeispiel. Die erste Beobachtung war verdeckt, die zweite offen. Die Forschungsfrage wurde während des Forschungsprozesses modifiziert. Die Diskussion der Ansätze umfassen ethische und praktische Fragen. Der verdeckte Ansatz wird weitgehend kritisch betrachtet, während dem offenen klare Vorteile zugesprochen werden. Schliesslich wird das Nähe/Distanz-Verhältnis angesprochen, wobei verschiedene Standpunkte möglich sind.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 1
Page 3
Teilnehmende Beobachtung - Reflexionen zur Methodik - 3 -
In der Religionswissenschaft sind Methoden, Verfahren und Techniken - das heisst ein geplantes Vorgehen mit dem Ziel der Erhebung von Daten-ein zentraler Bestandteil. Als Student bin ich im vergangenen Herbstsemester 2008 durch ein methodisches Seminar zur qualitativen Religionsforschung erstmals damit in Kontakt gekommen. Im Rahmen einer begleitenden Praxisübung habe ich zudem erste Schritte „im Feld“ gemacht. Durch diese Erfahrungen habe ich die Entscheidung getroffen, die Methode der teilnehmenden Beobachtung näher zu betrachten. Als zusätzliche Motivation sei mit Knoblauch festgehalten: „Die Vielfalt der gegenwärtigen Lebensführung schreit geradezu nach einer Beschreibung, die die Unübersichtlichkeit der eigenen Lebenswelt überwinden hilft. Denn während wir über historische Religionen (und historische Texte heutiger Religionen) enorm viel wissen, beschäftigen sich nur wenige mit dem, was man die gelebte Religion nennen kann.”1
Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem strategischen Problem der teilnehmenden Beobachtung: Es geht um die Frage, ob verdeckt oder offen beobachtet werden soll. Zuerst werden theoretische Standpunkte zur wissenschaftlichen Beobachtung dargestellt. Primär werden allgemeine Theorien für die Sozialforschung verwendet und jeweils da und dort für die Religionsforschung spezifiziert. Im Praxisteil steht dann dieunstrukturierte teilnehmende Beobachtungim Zentrum. Es wird jeweils ein theoretischer Überblick gegeben, an den die beiden konkreten Feldforschungen anschliessen. Es handelt sich dabei um eine verdeckte und eine offene Beobachtung bei einer Gesprächsgruppe der BewegungHumanity’s Team.Die Konzeptionen zur Feldforschung, die Protokolle, die detaillierte Darstellung der Gruppe, der Forschungsbericht und das Forschungstagebuch sind im Anhang2zu finden.
Vor diesem Hintergrund werden die Ansätze verglichen und reflektiert. Das forschungsleitende Interesse kann somit folgendermassen definiert werden: Was unterscheidet die verdeckte von der offenen teilnehmenden Beobachtung bzw. welcher Ansatz ist für die vorliegenden praktischen Feldforschungen geeigneter? Ferner: Welche anderen inhärenten Aspekte sind wichtig? Die Arbeit hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Oft wird daher auf weiterführende Literatur verwiesen. Insbesondere die praktischen Feldforschungen sind als Versuch der Annäherung an die spezifische soziale Wirklichkeit zu sehen. Die Methode des Interviews wird nicht behandelt, obwohl sie nur schwer von der teilnehmenden Beobachtung zu trennen ist. Schliesslich ist zu erwähnen, dass aus Gründen der besseren Lesbarkeit jeweils nur männliche Formen verwendet werden. Selbstverständlich sind implizit die weiblichen Formen mitgemeint. An dieser Stelle möchte ich mich beim Dozenten des Seminars sowie bei meinen Freunden, Kollegen und Eltern für ihre Unterstützung und Arbeit im Hintergrund bedanken.
1Knoblauch, 2003, S. 24f.
2Teilweise wird auch im Anhang Literatur zitiert. Sofern es sich um Werke handelt, die in dieser Arbeit verwendet werden, sei auf die bibliografische Dokumentation im Literaturverzeichnis verwiesen.
Page 4
Teilnehmende Beobachtung - Reflexionen zur Methodik - 4 -
Bei empirischen Untersuchungen religiöser Gruppen bedient sich die Religionswissenschaft oft der Methoden ihrer Nachbardisziplinen, besonders der Soziologie und der Ethnologie. Religionswissenschaft untersucht religiöse Tatbestände oder Gruppen empirisch und historischwissenschaftlich.3Dabei soll kein religiöses Wissen, sondern Wissen über Religion und Religiöses gewonnen und vermittelt werden. Der Forscher will faktenbezogen berichten. Dies geschieht durch historisch-deskriptive Beschreibungen, analytische Untersuchungen und durch das Erörtern von systematisch-theoretischen Zusammenhängen. Es geht darum, überprüfbare und falsifizierbare Aussagen zu machen. Zentral dabei sind die wissenschaftlichen Kriterien der Rationalität und Intersubjektivität (Nachvollziehbarkeit durch verschiedene Personen).4
„Unter Beobachtung verstehen wir das systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens zum Zeitpunkt seines Geschehens.“5
Wissenschaftliche Beobachtung dient einerseits der Erfassung und Deutung sozialen Handelns, ist andererseits aber selbst soziales Handeln. Ziel ist die Darstellung der sozialen Realität im Lichte einer leitenden Forschungsfrage. Die Ergebnisse werden schliesslich der Kontrolle wissenschaftlicher Diskussionen unterzogen.6
Beobachtung kann sowohl quantitativ7als auch qualitativ orientiert sein. Im Folgenden wird die Beobachtung im Kontext der qualitativen Sozialforschung (auchfreie Feldforschunggenannt) beschrieben, da sich der Praxisteil dieser Arbeit ausschliesslich auf diesen Bereich beschränkt.8
3Die Frage, ob Religion und Religiöses überhaupt wissenschaftlich erforschbar ist, wird hier nicht behandelt. (Siehe dazu z.B. Baumann, 1998, S. 9f.)
4vgl. Baumann, 1998, S. 7ff. Knoblauch, 2003, S. 34, weist auch auf zwei ähnliche grundlegende Kriterien hin, nämlich die logische Konsistenz und die empirische Überprüfbarkeit.
5Atteslander, 2008, S. 67.
6vgl. ebd., S. 67. Siehe dazu auch Girtler, 2001, S. 63.
7Quantitative Beobachtungen sind hochstrukturiert, theoriegeleitet und kontrolliert. Das Verfahren ist meist deduktiv (Schluss vom Allgemeinen auf das Einzelne). Dabei geht es in erster Linie um die Überprüfung der Validität, Reliabilität, Repräsentativität und der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit von Theorien und Hypothesen (vgl. Atteslander, 2008, S. 70). Die Vor- und Nachteile der beiden Ansätze werden hier nicht diskutiert. (Siehe dazu z.B. Girtler, 1984 und Knoblauch, 2003.)
8vgl. Atteslander, 2008, S. 69. Näheres zu Eigenschaften qualitativer Sozialforschung und dem ihr zugrunde liegenden interpretativen Paradigma ist zu finden bei Atteslander, 2008, S. 70ff., Knoblauch, 2003, 30ff. und Merkens, 1989, 10f.