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TEUFELSJÄGER: Die 15. Kompilation
Enthalten in dieser Sammlung:
81/82 »Blutige Hölle« / »Dämonenherz« W. A. Hary
83/84 »Teufelsgesänge« / »Die geheime Macht« W. A. Hary
85/86 »Die verkaufte Seele« / »Mächte des Bösen« W. A. Hary
87/88 »Das fremde Ich« / »Sie haben mich gejagt« W. A. Hary
89/90 »Im Auge des Bösen« / »Der Arzt des Grauens« W. A. Hary
Die Serie TEUFELSJÄGER Mark Tate erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Bis Band 20 wurde sie von HARY-PRODUCTION neu aufgelegt und ab Band 21 nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ist jederzeit nachbestellbar.
Nähere Angaben zum Autor siehe auf Wikipedia unter dem Suchbegriff Wilfried A. Hary!
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie Teufelsjäger Mark Tate: Wilfried A. Hary!
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch)
by HARY-PRODUCTION
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TEUFELSJÄGER:
Die 15.
Kompilation
W. A. Hary (Hrsg.)
Impressum:
Diese Kompilation beinhaltet Bände aus der laufenden Serie rund um Mark Tate, natürlich für das Buchformat optimiert.
Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen
(einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.haryproduction.de
Copyright dieser Fassung 2018 by www.HARYPRODUCTION.de
Canadastr. 30 * D66482 Zweibrücken
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eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von HaryProduction.
Covergestaltung: Anistasius
Die Serie TEUFELSJÄGER Mark Tate erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Bis Band 20 wurde sie von HARY-PRODUCTION neu aufgelegt und ab Band 21 nahtlos fortgesetzt! Jeder Band ist jederzeit nachbestellbar.
Es ist kein Wunder, dass sich Kompilationen, also Sammlungen von mehreren Büchern und Texten in einem einzigen Band vereint, immer größerer Beliebtheit erfreuen. Immerhin bieten sie eine Fülle von Lesestoff für einen kleineren Geldbeutel. Unsere Kompilationen gibt es für jede Serie, und darin sind die Romane und Texte in ihrer richtigen Reihenfolge geordnet, so dass jeder seine Lieblingsserie nach Belieben zusammenstellen und sie am Ende vollständig besitzen kann. Sowohl als eBook, erhältlich über wirklich alle relevante Plattformen, als auch (natürlich!) als gedruckte Bücher, ebenfalls über alle maßgeblichen Plattformen erhältlich.
Wie zum Beispiel dieser Band aus der Serie rund um Mark Tate:
TEUFELSJÄGER: Die 15. Kompilation
W. A. Hary (Hrsg.): „Diese Kompilation beinhaltet die Bände 81 bis 90 der laufenden Serie!“
Enthalten in dieser Sammlung:
81/82 »Blutige Hölle« / »Dämonenherz« W. A. Hary
83/84 »Teufelsgesänge« / »Die geheime Macht« W. A. Hary
85/86 »Die verkaufte Seele« / »Mächte des Bösen« W. A. Hary
87/88 »Das fremde Ich« / »Sie haben mich gejagt« W. A. Hary
89/90 »Im Auge des Bösen« / »Der Arzt des Grauens« W. A. Hary
TEUFELSJÄGER081:
W. A. Hary
Blutige Hölle
„Sie bedeutet unendliche Pein
– aber auch unendliche Macht!“
Das Gebilde sah aus wie von einem surrealistischen Maler auf schmutzige Leinwand geklatscht. Eine verwirrende Anordnung durchsichtiger Schläuche, in denen eine teils grüne und teils blutigrote Flüssigkeit zirkulierte. Hinzu kamen verdrehte Elemente wie zerdrückte Trümmerstücke, blatternarbig, verdreckt. Der Anblick war so hässlich, dass ein Betrachter unwillkürlich zu würgen begonnen hätte. Aber es gab keinen Betrachter, denn dieses Gebilde befand sich dort, wo niemand hingelangen konnte. Zumindest nicht uneingeladen. Als würde es sich nicht in der diesseitigen Welt befinden, sondern in einer extra dafür künstlich geschaffenen, unerreichbar fremden Sphäre…
Außer diesem Gebilde gab es nur noch den Schrei, der von den tausend Peinigungen der Hölle zeugte, unablässig, ohne jemals abzubrechen, bis in alle Ewigkeit nicht.
Wäre der zufällige Betrachter dem Ursprung des Schreies gefolgt, hätte er die Vertiefung in dem ekelerregend surrealistischen Gebilde gefunden – und in dieser Vertiefung so etwas wie ein grausig verzerrtes Gesicht mit weit aufgerissenem, schreiendem Mund. Die Augen waren halb geschlossen. Man konnte von den Augäpfeln nur das Weiße erkennen.
Ein hässliches Kichern mischte sich ein, kaum in der Lage, den grausigen Schrei auch nur zum Bruchteil zu übertönen. Eine Stimme schloss sich dem an:
„Ja, schrei nur, Batic Heil! Schrei so gellend du kannst. Schrei uns die Höllenpein vor, die du erleiden musst, doch schrei dir nicht die Seele aus dem verstümmelten, gemarterten Leib, denn diese brauchen wir noch!“ Aus dem Kichern wurde ein kreischendes Gelächter, wie über einen besonders gelungenen Scherz: „Je größer deine Qualen und je lauter dein Geschrei, desto mehr mehrt es unsere Macht. Besser noch: Meine Macht!“
*
Ich trat vor das Apartmenthaus in Bayswater und blinzelte einen Augenblick, weil die grelle Sonne mich blendete. Wenn man aus dem Halbdunkel des Treppenhauses trat, war die Sonnenglast fast wie ein Schock.
Als ich wieder klar sehen konnte, vertrat mir ein noch ziemlich jung wirkender Mann den Weg.
„Mark Tate?“, erkundigte er sich.
Ich schreckte unwillkürlich einen Schritt vor ihm zurück. Ich hatte ja schon einiges erlebt, vor allem in letzter Zeit. Nach dem letzten Mordanschlag vor knapp einem Monat war ich doppelt vorsichtig geworden, denn gegen eine tödliche Waffe half mir auch mein Amulett, der geheimnisvolle Schavall, nicht. Deshalb war ich bemüht, den Abstand zu dem Fremden zu wahren.
Der junge Mann indessen machte keinerlei Anstalten, den Abstand wieder zu verkleinern. Eher das Gegenteil war der Fall. Mir schien, er schielte dabei nach meiner Brust, wo sich unter der leichten Jacke der Schavall befand.
Oder war dieser Blick nur ein Zufall?
„Wer will das wissen?“
„Mein Name ist Heil, Batic Heil!“, behauptete der junge Mann und räusperte sich in die hohle Hand. Als er dazu die Hand hob, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Danach verfluchte ich meine Nervosität. Verflixt, nicht jeder, der mich auf offener Straße ansprach, wollte mein Leben auslöschen.
„In Ordnung, ich bin es.“
„Der Mark Tate, den man den Teufelsjäger nennt?“, vergewisserte er sich.
Ich nickte nur.
„Gut!“ Er atmete sichtlich auf und senkte den Blick zu Boden. „Nun, ich benötige Ihre Hilfe – als eben dem Teufelsjäger.“
„Dann schlage ich doch vor, wir gehen hinauf in mein Büro, im fünften Stock“, meinte ich freundlich. Ich benötigte ziemlich viel Selbstbeherrschung, um meine Stimme überhaupt so freundlich klingen zu lassen. Irgendwie war mir der Typ nicht geheuer.
Ich betrachtete ihn genauer. Er war schätzungsweise einmeterfünfundsiebzig groß und mit einem fast bodenlangen Lodenmantel bekleidet. Um den Hals hatte er sich einen dicken Schal geschlungen, dessen Enden vorn und hinten lang herabfielen. Sein Gesicht war fein geschnitten, wenig männlich. Anscheinend war ihm das klar, weshalb er einen Dreitagebart trug, um wenigstens dadurch männlicher zu wirken. Fast war ich versucht, ihn einen Schönling zu nennen. Dazu passten auch die halblangen Haare. Nicht ganz eine Frisur, die man modern nennen durfte, doch sie stand dem jungen Mann ausgesprochen gut.
Er hob den Blick und schaute mich direkt an.
„Leider, Mark Tate... Ich – ich kann Ihnen nicht folgen in Ihre Wohnung.“
„Und wieso nicht?“
„Als würden Sie das nicht wissen.“
„Nun, ich weiß es nicht!“, behauptete ich.
„Wegen den vielen Dämonenbannern geht das nicht“, gab er unumwunden zu.
„Ach?“ Unwillkürlich rutschten meine Augenbrauen nach oben. Ich konnte es nicht verhindern.
„Es wäre mir auch lieb, wenn Sie diesen – äh – Schavall ablegen würden. Es ist unerträglich für mich, ihn so nah zu spüren.“
Das war doch nicht möglich: Der junge Mann da vor mir war ein Diener des Bösen? Und er trat vor mich hin und gab das auch noch unumwunden zu? Das war ungefähr so unmöglich wie die frohe Kunde, der Papst sei ein idealer, weil bewährter Familienvater.
Was, um alles in der Welt, sollte ich von einer solch kuriosen Begegnung halten?
Ich hätte jetzt einfach nur unter die Jacke greifen müssen. Dann hätte ein einziger Satz genügt, mit dem Schavall in der Hand, um die Entfernung zu dem Fremden zu überbrücken. Der Schavall hätte diesen Diener des Bösen ein für allemal vernichtet.
Aber er schien das sogar zu wissen. Deshalb diese deutliche Panik in seinen Augen - um nicht zu sagen: Seine Todesangst!
Und trotzdem hatte er es riskiert.
Aus welchem Grund?
Ja, das hätte ich gern von ihm erfahren, weshalb ich fragte: „Was wollen Sie eigentlich von mir? Doch wohl kaum, dass ich Sie erlöse?“
Er winkte mit beiden Händen schwach ab.
„Hören Sie, Mark Tate, es tut schrecklich weh. Ich habe das Gefühl, bei lebendigem Leib zu verbrennen. Diese Nähe zum Schavall…“
Ich griff jetzt tatsächlich unter die Jacke.
Er sah es und prompt versteifte sich seine Haltung. Sein Mund öffnete sich wie zum Schrei. Seine Augen weiteten sich.
Ich berührte den Schavall mit der Hand und bemerkte, dass er sich erhitzt hatte. Die Hitze war vom Hemd abgehalten worden. Deshalb hatte ich sie noch nicht bemerkt. Sie war auch nicht so groß, dass ich hätte annehmen müssen, mir drohe eine direkte Gefahr.
Ja, drohte mir denn eine?
Der junge Mann machte einen so panikerfüllten Eindruck auf mich, dass ich mir das schwerlich vorstellen konnte.
Ich zog die Hand wieder zurück und zeigte sie ihm: Leer!
Er atmete sichtlich erleichtert auf und schöpfte tief Atem.
„Glauben Sie mir, ich hätte es niemals gewagt, Sie anzusprechen, Mark Tate, wenn es nicht ganz besonders dringend wäre.“
„Und was ist Ihrer Meinung nach besonders dringend?“
Ich hatte mich entschieden: Ich würde ihn nicht vernichten, nicht bevor ich seine Motive erfuhr. Wenn ich jetzt den Schavall gegen ihn einsetzte, würde ich diese nie erfahren.
„Es – es geht gar nicht um mich selber“, stotterte der junge Mann. Wahrscheinlich handelte es sich keineswegs um einen Typen, wie er da scheinbar vor mir stand. Ich neigte eher zu der Annahme, dass es sich lediglich um ein schwarzmagisch erzeugtes Trugbild handelte. Wie sah der Typ eigentlich in Wirklichkeit aus?
Und wieso, um alles in der Welt, war er im langen Lodenmantel und einem dicken Schal erschienen? Der Mantel reichte bis fast zum Boden und spottete damit eigentlich allem, was man moderne Mode nannte.
Ich hielt von dieser zwar persönlich absolut gar nichts und kleidete mich selber grundsätzlich so, wie es mir gerade gefiel, ohne Rücksicht auf Verluste modischer Art, aber der junge Mann – oder das, was sich hinter dieser Erscheinung verbarg – übertrieb in der Tat.
Außerdem war es für einen Mantel und für einen solchen Schal wesentlich zu warm. Ich hatte noch im Treppenhaus bereits bereut, überhaupt auch nur eine Jacke angezogen zu haben.
„Um wen geht es denn dann? Immerhin gehen Sie ein großes Risiko ein.“
„Ja, gehe ich das, Mark Tate? Würden Sie wirklich…? Würden Sie mich wirklich vernichten wollen?“
„Natürlich würde ich das. Dass ich noch zögere, sollten Sie nicht zu Ihren Gunsten auslegen. Ich kenne keine Gnade mit Ihresgleichen.“
„Dabei wissen Sie gar nicht, was das ist – meinesgleichen!“, warf er mir vor. „Ja, ja, ich weiß, Sie haben sich dem Kampf gegen das Böse verschrieben. Seit vielen tausend Jahren oder so. Sie sind ein Wiedergeborener. Ich weiß alles über sie, was von Bedeutung ist – für mich von Bedeutung wohlgemerkt. Aber sind Sie in all diesen Jahrtausenden jemals auf die Idee gekommen, vielleicht auf der falschen Seite zu kämpfen?“
Das reizte mich jetzt doch tatsächlich zum Lachen.
„Auf der falschen Seite? Ich war ein Gorite, einst. Die Goriten haben das Böse aus der Welt verbannt…“
„Ohne nachhaltigen Erfolg!“, belehrte er mich.
„Sie haben zu spät bemerkt, dass es ohne das Böse nicht das Gute geben kann. Der Mensch ist der bestimmende Faktor. Er verkörpert in sich beides. Kein Wunder, denn er ist ein Ergebnis der Natur – und auch diese birgt in sich beides, ganz grundsätzlich gesehen. Gut und Böse sind untrennbar miteinander verbunden, ein ehernes Naturgesetz, wenn man so will. Genauso wenig wie es Licht ohne Schatten gibt, wäre das Gute ohne das Böse denkbar.“
„Was soll jetzt der Vortag?“, beschwerte er sich.
Passanten, die zufällig vorbei kamen, schauten uns verwirrt an. Was sie von unserem Gespräch mitbekamen, schien sie glauben zu machen, es handele sich bei uns beiden um zwei Verrückte.
Ich ließ mich davon nicht beirren.
„Ich beziehe mich nur auf Ihre Behauptung, ich würde möglicherweise auf der falschen Seite kämpfen. Es gibt nicht falsch oder richtig. Ich bin das, was man ein Regulativ nennen könnte. Ich kämpfe einerseits auf der Seite des sogenannten Guten – gegen das Böse. Andererseits sind meine Methoden nicht immer die des Guten. Und ich bin mir stets darüber im Klaren, dass es unmöglich sein wird, das Böse für immer von dieser Welt zu verbannen. Die Goriten haben damals die Augen davor verschlossen, das Ergebnis haben wir hier und heute.“
„Ein Regulativ, eh?“, fragte er - und irgendwie sah er dabei so aus, als würde er neuen Mut schöpfen. „Das bedeutet im Umkehrschluss ja auch, dass nicht nur das Gute obsiegen darf, sondern auch nicht… das sogenannte Böse?“
„Genauso ist es. Leute wie ich haben den Auftrag, dafür zu sorgen. Egal, wie wir uns nennen, ob nun Teufelsjäger oder Geisterjäger oder gar im krassesten Fall Dämonenkiller.“
„Gut gebrüllt, Löwe!“ Es klang, als wollte er sich über mich lustig machen, aber sein Gesicht sprach dabei eine andere Sprache: Es verzog sich schmerzlich.
Ich schöpfte tief Atem.
„Wollen wir jetzt hier herumstehen und stundenlang philosophieren oder würden Sie endlich auf den Punkt kommen? Ich meine: Weshalb gingen Sie das Risiko ein, sich mir zu offenbaren? Auch noch mit Ihrem Namen, falls der überhaupt Ihr richtiger Name ist?“
„Er ist mein richtiger Name, worauf Sie sich verlassen können, Mark Tate. Und ich bin auch genau das, als was Sie mich einschätzen: Ich bin einer Ihrer Todfeinde. Ich würde nicht einen Sekundenbruchteil zögern, Sie zu vernichten, würde es mir einen Vorteil bringen. Ich tu es deshalb nicht, weil Sie diesen verfluchten Schavall haben, mit dem Sie sich erfolgreich gegen eine Attacke von mir wehren könnten. Außerdem tu ich es nicht, weil es niemanden auf dieser Welt gibt, den ich dringender benötige!“
„Aha? Und jetzt verrate ich Ihnen, wieso Sie überhaupt noch existieren: Auch ich würde keinen Sekundenbruchteil zögern, Sie zu vernichten – normalerweise. Aber es ist Ihnen gelungen, mich neugierig zu mache. Mehr noch: Ich glaube, diese Neugierde ist durchaus angebracht.“
Er nickte heftig.
„Ich weiß, was Sie vor Wochen erlebt haben. Ich kenne also auch die Attacken vom sogenannten ‚Zorn Afrikas’ gegen London, mit den vielen Toten. Blutige Übergriffe der grausigen Art – für Ihresgleichen. Für mich jedoch eine Demonstration der Macht, wie sie mir imponiert. Ich weiß auch, dass Sie jemandem wie Edward Harmstorf begegnet sind, in dem ein Dämon sich eingenistet hatte, den er lange Zeit unter Kontrolle hielt, bis er ihn nicht mehr halten konnte… Und ich weiß, was dieser Edward Harmstorf vor seiner endgültigen Vernichtung Ihnen erzählt hat.“
Ich wollte etwas sagen, doch er winkte mal wieder ab und kam mir rasch zuvor:
„Ich weiß, Sie haben ihn nicht vernichtet, sondern haben ihn befreit. Ich kenne die Auslegung von Ihresgleichen. Entschuldigen Sie aber, wenn ich das völlig anders sehe.“
„Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie hinaus wollen“, gab ich zu.
„Also sind auch die sogenannten Kämpfer für das Gute nicht gegen Lügen gefeit.“ Er lachte humorlos. „Denn dies war soeben eine glatte Lüge: Sie wissen sehr wohl, weshalb ich hier vor Ihnen stehe. Es geht um die X-Organisation, von der Sie zum ersten Mal von Edward Harmstorf erfahren haben. Diese jedoch kennt Sie viel besser als Ihnen lieb sein darf. Obwohl die X-Organisation Sie gleichzeitig völlig falsch einschätzt – Sie und Ihre Möglichkeiten. Ich verstehe das nicht so ganz, wenn ich ehrlich sein will, aber ich bin jetzt hier, vor Ihnen, weil ich Ihnen den Vorschlag machen will, diese scheinbare Überlegenheit strategisch auszunutzen!“
„Aha, ausnutzen in Ihrem Sinne, wie ich vermute?“ Ich lächelte unverbindlich. „Sie benötigen mich als Werkzeug – im Konkurrenzkampf gegen jene Organisation, die Sie X-Organisation nennen. Keine besonders intelligente oder gar innovative Bezeichnung.“
„Wäre Ihnen denn ‚Zorn Afrikas’ lieber? Aber das ist sowieso nur eine Facette von vielen dieser Organisation. Sie ist mächtig, viel mächtiger als Ihnen lieb sein kann. Und Sie haben keine andere Möglichkeit gegen die, als mit unsereins zu paktieren. Sonst sind nicht nur Sie verloren, sondern letztlich die Menschheit.“
„Und alle Diener des Bösen, die nicht dieser Organisation angehören, gleich mit?“, vermutete ich.
„Glauben Sie, was Sie wollen, Mark Tate, aber denken Sie dabei stets an das, was Sie selber behaupten: Es darf keinen Überhang des Bösen geben! Das Gleichgewicht der Kräfte muss gewahrt bleiben, sonst gerät die Welt aus den Fugen. Und ich sage Ihnen hier und heute: Es ist längst passiert: Die Welt hat bereits begonnen, aus den Fugen zu gehen. Nur haben die Betroffenen das noch nicht bemerkt. Sowohl die betroffenen Dämonen wie die betroffenen Menschen und sogar die Teufelsjäger halten sich blind gegenüber den Tatsachen. Sie, Mark Tate, sind da keineswegs die Ausnahme.“
Ich betrachtete ihn lauernd. Er hatte das alles mit solchem Eifer von sich gegeben, dass ich beinahe gewillt war, ihm zu glauben.
Aber ich wusste jetzt immer noch nicht, was er eigentlich von mir erwartete.
Und ich hatte keine Lust mehr, ihn noch einmal danach zu fragen.
Das brauchte ich auch gar nicht, denn er rückte endlich mit der Sprache heraus:
„Mark Tate, legen Sie den Schavall ab. Nur so können Sie sich mit mir verbünden. Und gemeinsam werden wir dort ansetzen, wo wir die X-Organisation am empfindlichsten treffen können, nämlich an der Quelle ihrer Macht!“
Quelle ihrer Macht?, echote es in meinem Kopf. Was meinte er eigentlich damit?
Ich ahnte jedenfalls, dass es sehr bedeutend sein musste, und griff wieder nach dem Schavall.
Sollte ich ihn wirklich ablegen? Sollte ich dieses vielleicht für mich tödliche Risiko wirklich eingehen?
Und es gab sogar Schlimmeres, was mich erwarten konnte – Schlimmeres als „nur“ der Tod, wie mich meine Erfahrung lehrte…
*
„Kommen Sie!“, versuchte mich der Fremde zu ermuntern. Ich glaubte inzwischen endgültig nicht mehr, dass es sich wirklich um den jungen Mann handelte, als der er mir erschien. Was verbarg sich hinter dieser Maske? Hatte er den langen Mantel an, um sich vor dem Sonnenlicht zu schützen, weil dieses für ihn zu schädlich war? Dem Gesicht schien es nichts auszumachen. Oder war das nur eine perfekte Maske?
Alles war möglich!
„Sie haben sich doch auch im Fall ‚Zorn Afrikas’ mit dem Bösen verbündet!“, behauptete er.
Ich runzelte unwillkürlich die Stirn.
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich weiß es definitiv. Sonst würde Sie die X-Organisation nicht als so mächtig einschätzen. Sie haben denen vorgegaukelt, dies seien Ihre eigenen Kräfte.“
„Vorhin haben Sie noch behauptet, sie wüssten nicht, wieso ich von denen überschätzt werde“, erinnerte ich ihn.
„Ich habe das behauptet, weil ich es noch nicht zugeben wollte. Es wäre verfrüht gewesen.“
„Aha – und da glauben Sie im Ernst, ich könnte so etwas wie Vertrauen in Sie gewinnen, wenn Sie mich schon von vornherein so belügen?“
„Sie würden mir sowieso niemals trauen, egal, was ich dafür anstellen würde. Weil Sie wissen, wen Sie vor sich haben. Aber ich biete Ihnen einen Deal an - und Sie sind eigentlich nicht in der Lage, diesen abzuschlagen. Seien Sie so mächtig, wie die Sie einschätzen. Aus sich selbst können Sie das nicht sein. Was haben Sie denn noch außer dem Schavall? Glauben Sie wirklich, damit hätten sie eine Chance gegen die? Was würden Sie denn beispielsweise tun, wenn jetzt hier ein Auto vorbei käme mit mehreren Mordschützen an Bord? Wie man es aus alten Gangsterfilmen kennt: Vorbei fahren, anlegen, los ballern, bis sich nichts mehr rührt!“
Unwillkürlich warf ich einen Blick auf die Straße. Um sogleich irgendwie erleichtert aufzuatmen: Gerade kam kein Auto vorbei.
Ich musste dem Typen eigentlich recht geben: Der Schavall hätte mich gegen eine solche Attacke durchaus nicht beschützt.
Er wertete meine Reaktion als Zustimmung.
„Na, sehen Sie!“ Es klang triumphierend aus seinem Munde. „Ohne mich kommen Sie nicht nur gegen die nicht an, sondern Sie werden niemals herausfinden, um wen es sich handelt. Einmal abgesehen davon, dass Sie selbstverständlich auf deren Abschussliste stehen und zwar ganz oben. Dass Sie überhaupt noch leben, verdanken Sie Ihrem Verbündeten im Fall ‚Zorn Afrikas’.“
„Was haben Sie damit zu tun?“, hakte ich prompt nach.
„Gar nichts!“, behauptete er. „Ich weiß auch selber nicht, um welchen Verbündeten es sich handelte. Ich weiß nur eins: Zur Zeit steht er nicht zur Verfügung, aus welchen Gründen auch immer. Für mich war es die einzige Gelegenheit, die mir noch blieb, um mich an Sie zu wenden. Ja, richtig gehört: Nicht nur Sie haben keine andere Wahl mehr, sondern auch ich! Oder glauben Sie, es macht mir Spaß, hier auf offener Straße mit Ihnen zu verhandeln? Einmal abgesehen davon, dass dadurch die Möglichkeit entsteht, dass unsere gemeinsamen Gegner auf mich aufmerksam werden. Damit wäre alles verloren. Wir könnten niemals gemeinsam die Quelle ihrer Macht finden und ausmerzen.“
„Ich verstehe: Ich soll nur Ihr Werkzeug sein, Ihre Marionette, während Sie die Fäden ziehen.“
„Ich biete Ihnen ein Bündnis an, einen Deal. Wir werden gleichberechtigte Partner sein in diesem Bündnis. Keiner wird der Sklave des anderen.“
„Wer es glaubt…“
„Sie sollten es glauben, Mark Tate!“
„Weil mir nichts anderes übrig bleibt?“ Ich schürzte nachdenklich die Lippen. „Und wenn es uns gelingt, was Sie sich gemeinsam mit mir vorgenommen haben…? Ja, was dann? Werden Sie mich dann töten oder was haben Sie sonst mit mir vor?“
„Ich werde Ihnen kein Härchen krümmen, denn dafür sind Sie viel zu wichtig“, behauptete er zu meinem Erstaunen. „Wenn wir erst einmal die Quelle ihrer Macht zum Versiegen gebracht haben – und das können wir nun einmal nur gemeinsam… Ja, dann ist die Gefahr an sich noch lange nicht ganz beseitigt. Wir haben die X-Organisation dann nur entscheidend geschwächt. Und sie wird noch mehr Respekt vor Ihnen haben.“
„Außerdem werden sie mich noch mehr hassen als jetzt!“
„Das geht gar nicht, Mark Tate: Da gibt es keine Steigerung mehr! Sie sind Hauptfeind Nummer eins. Schlimmer kann es für Sie sowieso nicht mehr kommen.“
„Aber Sie werden mich danach zumindest im Stich lassen, mich mir selber überlassen. Allein schon zum Selbstschutz.“
„Schon richtig erkannt, aber es wird dabei nur das eintreten, was jetzt bereits ist: Der Status quo wird für Sie wieder erreicht. Mit dem Unterschied, dass es Ihnen gelungen ist, Ihren Feinden eine empfindliche Schlappe beizubringen. Die Gefahr für Sie selber wird dadurch also geringer, nicht größer.“
Ich lachte heiser. Es war der schiere Galgenhumor, denn ich hatte mich längst entschieden – entgegen jegliche Vernunft!
Ich würde noch nicht einmal meine Freunde von meinem Entschluss in Kenntnis setzen. Einmal abgesehen davon, dass der Fremde vor mir, den ich inzwischen als einen mehr oder weniger mächtigen Dämon einschätzte, damit wohl kaum einverstanden gewesen wäre.
Und er hatte sogar recht damit: Je weniger von unserem Deal wussten, desto größer war überhaupt unsere Chance, gemeinsam etwas ausrichten zu können.
Immer vorausgesetzt, es handelte sich nicht in Wirklichkeit um eine tödliche Falle für mich.
Ich nickte ihm zu.
„Also gut, ich gehe jetzt hinauf in meine Wohnung und lege dort den Schavall ab. Dann komme ich wieder herunter.“
„Ein weiser Entschluss!“, lobte er mich – überaus erleichtert, wie mir schien. „Ich warte auf Sie im Erdgeschoss, im Treppenhaus. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie mich dort nicht sehen werden. Ich werde trotzdem anwesend sein. Und danach werde ich nicht mehr von Ihrer Seite beziehungsweise aus Ihrem Rücken weichen.“
„Wohin wird es dann gehen?“
„Genügt es Ihnen, wenn ich Sie darum bitte: Lassen Sie sich einfach mal überraschen?“
„Ich denke mal, ich habe auch in dieser Hinsicht keine andere Wahl?“
„So ist es.“
Ich wandte mich einfach ab, ohne ein weiteres Wort zu sagen, und betrat das Treppenhaus, das ich vorhin erst verlassen hatte.
Es war noch nicht lange her, doch ich hatte das Empfinden, seitdem sei eine ganze Ewigkeit vergangen.
Es war soviel inzwischen passiert - und es hatte sich soviel verändert für mich, dass mir schier schwindlig wurde.
Immerhin war ich im Begriff, mich dem Wohl und Wehe eines ausgewachsenen Dämons auszusetzen – ich, Mark Tate, den man den Teufelsjäger nannte! Ich war allen Ernstes im Begriff, gemeinsame Sache mit dem abgrundtief Bösen zu machen – und hieß es nicht im Allgemeinen, man solle niemals den Teufel mit dem Belzebub austreiben wollen?
*
Die Hölle aus unvorstellbarer Pein war schlimmer als die wahre Hölle jemals hätte sein können. Doch es gab einen winzigen Funken in dieser Hölle, der vielleicht der Funken der Hoffnung genannt werden konnte. Oder war er nur eine Illusion, die helfen sollte, die Höllenpein zu ertragen?
Gewiss nicht, denn es blieb ihm sowieso nichts anderes übrig, als sie zu ertragen. Er hatte keine andere Wahl. Er war damals in die Falle gegangen – und das hatte er sich selber zuzuschreiben. Er war so dumm gewesen, sich selbst zu überschätzen – sich und seine Möglichkeiten -, dass er nicht im Geringsten auf die Idee gekommen war, etwa einen Fehler zu begehen.
Und dann war jegliche Einsicht zu spät gekommen.
Doch dieses winzige Fünkchen Hoffnung… Es half ihm zumindest, sich zu erinnern, trotz all dieser unsäglichen Qualen, die ihn schreien ließen, ohne jemals auch nur eine Sekunde nach Luft schöpfen zu müssen.
Die Macht war mit ihm, in ihm, um ihn. Doch im gleichen Maße, wie er diese Macht schöpfte, wurde sie ihm wieder entrissen.
Es war dieser Vorgang, der die unendlichen Qualen verursachte. Und es waren diese Qualen, die eine ständige Reaktion seinerseits bewirkten: Er schöpfte immer mehr Macht, bis zum äußersten Limit, versuchte es zumindest, um sich zur Wehr zu setzen. Doch genau das wurde von seinem Gegner ausgenutzt, der die Macht sogleich für eigene Zwecke abzweigte. Eine ewige Gegenwehr gegen die Pein und seinen Verursacher – und gleichzeitig diente diese Schutzreaktion genau jenem Gegner!
Er wäre niemals zuvor auf die Idee gekommen, dass dies überhaupt möglich sein könnte. Und er war völlig unfähig, die eigene Gegenwehr zu unterbinden, obwohl er doch genau wusste, dass sie eben das genaue Gegenteil bewirkte von dem, was sie bewirken sollte. Es war ein unbewusster Vorgang, der sich seines Zugriffs entzog.
Und so schwamm er im ewigen Meer der unvorstellbaren Qualen, so lange es seinem Feind beliebte – so lange dieser eben seinen Nutzen davon hatte!
Dabei hatte alles ganz anders ausgesehen, zuvor. Er war einer der mächtigsten Dämonen gewesen. Mehr noch: Er war einer der ganz wenigen Dämonen gewesen, die in der Lage waren, ihre Macht zu übertragen! Er konnte also zum Beispiel ganz gewollt Jünger von sich erzeugen, die ihm dienten. Er konnte sie quasi aus dem Nichts erschaffen - oder auch aus seiner eigenen Magie, wenn man so wollte. Immer wieder hatte er dies im Verlauf seiner eigenen Geschichte praktiziert.
Ja, er war ein mächtiger Dämon gewesen, doch er hatte im Gegensatz zu vielen seiner Brüder und Schwestern niemals den Anspruch erhoben, die Macht über die Welt an sich zu reißen. Er war keine Konkurrenz zu allen anderen. Deshalb hatte er auch nie das Bestreben gehabt, sich etwa dem Schwarzen Adel anzuschließen, obwohl er ein berechtigtes Mitglied gewesen wäre.
Er, Batic Heil, wie sein menschlicher Name lautete!
Er hatte sich diesen Namen irgendwann selber gegeben – er, der als einer der eigentlich namenlosen Dämonen galt.
Oh, es hatte seine unschätzbaren Vorteile, namenlos zu sein. So lief er niemals Gefahr, dass jemand Macht über ihn erlangte, allein nur in Kenntnis dieses Namens. Der Name indessen, den er sich selber gegeben hatte, reichte nicht dazu, Macht über ihn zu erhalten. Er war nicht viel mehr als Schall und Rauch. Irgendeine Bezeichnung halt, unter dem er in menschlichem Gewand auftauchen konnte, wann immer es ihm beliebte.
Und so war er eines Tages auf einen anderen Dämon getroffen, der zunächst behauptet hatte, ebenfalls nicht dem Schwarzen Adel anzugehören, dafür jedoch Mitglied zu sein bei der Schwarzen Mafia.
Es hatte ihn nun doch ein wenig stutzig gemacht: Wusste er doch, dass die Mitglieder der Schwarzen Mafia zwangsläufig dem Schwarzen Adel angehören mussten, um überhaupt als vollwertige Mitglieder Anerkennung finden zu können.
Der Dämon hatte ihn ausgelacht, als er sein Misstrauen ihm gegenüber offenbart hatte. Er hatte ihm vorgeworfen, sich zu lange von allem abgekapselt zu haben, um überhaupt noch zu wissen, was außerhalb seines Dunstkreises sich abspielte.
Er hatte zugeben müssen, dass der andere recht hatte. Aber sein anfängliches Misstrauen war nur langsam gewichen.
Der Dämon hatte ihm erklärt, selber einst ein Mensch gewesen zu sein. Also ein noch ziemlich junger Dämon, eigentlich seiner gar nicht würdig. Wieso gab er sich mit dem anderen denn überhaupt ab? War er nicht sowieso der Einzelgänger, der sich – wenn überhaupt – nur mit seinesgleichen abgab?
Er war seit vielen Millionen von Jahren existent – so lange schon, dass er sich nicht mehr an seinen Ursprung erinnern konnte. Er wusste nur noch, dass es im Anfang keine Menschen gegeben hatte, sondern nur das Chaos. Daraus erst hatte sich die Natur entwickelt, was er damals neugierig verfolgt hatte. Die Gnadenlosigkeit der Evolution hatte ihn vor allem interessiert. Dieser ständige Ablauf von fressen oder gefressen werden, mit all seinen Facetten, das war genau nach seinem Geschmack gewesen.
Er hatte sich mit der Natur so intensiv beschäftigt, dass er darüber hinaus eben niemals Lust verspürt hatte, in irgendeiner Weise seine Macht ausbauen zu wollen. Er war ein Machtpol, der gewissermaßen in sich selber geruht hatte. Für die schiere Ewigkeit. Dazu hatte er sich entschlossen. Und wenn er Jünger benötigte, konnte er sie sich jederzeit erschaffen, in beliebiger Art und in beliebiger Menge.
Sie waren alle wie er, wenn er es nur wollte. Keiner war wie ein Mensch gewesen, denn diese Wesen hatte es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gegeben.
So hatte er die Jahrmillionen überstanden, hatte sich an seiner eigenen Machtfülle gelabt, ohne sie wirklich jemals auch nur ansatzweise zu nutzen. Es genügte ihm, sich ihrer bewusst zu sein.
Bis eben jener andere Dämon sich gezielt mit ihm beschäftigt hatte.
Ein ehemaliger Mensch? Wie war es ihm überhaupt gelungen, so mächtig zu werden, wie er sich ihm präsentierte?
Nein, er war noch nicht annähernd so mächtig wie er, Batic Heil. Hätte er gewollt, hätte er den anderen mit einem einzigen Handstreich vernichtet, um sich dessen Macht selber einzuverleiben. Aber er wollte ja gar nicht. Im Gegenteil: Es war das erste Mal, dass es einem Dämonenbruder gelang, seine Neugierde zu wecken.
Was wollte er überhaupt von ihm?
Der andere, der ihm nicht seinen Namen hatte verraten wollen, worüber er jedoch großzügig hinweggesehen hatte, war ihm die Antwort nicht lange schuldig geblieben:
„Ich möchte dir die Augen öffnen betreffend die Gegenwart, das Hier und Heute! Schau dich einmal um. Nicht nur in deinem eigenen Dunstkreis. Welch naive Neugierde, die dich leitet. Du labst dich an dem Leid der Opfer, die beliebig auch selber zu Tätern werden können. Du greifst noch nicht einmal ein, obwohl du das problemlos tun könntest. Was bist du nur für ein Dämon, der seine Macht einfach so brachliegen lässt und sich um nichts weiter kümmert als nur um seine eigenen, naiv anmutenden Vergnügungen?“
„Was erlaubst du dir mir gegenüber?“, hatte er sich erzürnt und jetzt tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, den jetzt allmählich lästig werdenden Dämon zu vernichten.
Der andere hatte keinerlei Furcht vor ihm gezeigt.
„Ich weiß, wie sehr du mir überlegen bist, Batic Heil, wie du dich nennst. Allein schon dieser menschlich klingende Name ist Zeuge deiner Naivität. Nein, das ist keine harmlose Tiefstapelei mehr, sondern wirklich die galoppierende Dummheit, wenn du mir diese Bezeichnung erlaubst.“
„Ich erlaube natürlich nicht!“, hatte er gegrollt. Wenn er wollte, konnte er ein Erdbeben erzeugen. Wenn er wollte, konnte er ganze Landstriche unbewohnbar machen. Wenn er wollte…
„Das Dumme ist nur, du willst nichts dergleichen!“, warf ihm der Niederdämon vor, als den er diesen jetzt in seinem Zorn einstufte. „Du willst überhaupt nichts, weil du es nicht kannst. Ja, gewiss, du könntest es, aber du vermagst nicht, über deinen Schatten zu springen. Ich bin dir hoffnungslos unterlegen zwar, aber dennoch bist du mir nicht gewachsen. Du lässt dich von mir beleidigen, weil du gar nicht gewöhnt bist, deine Macht auch nur annähernd einzusetzen. Das ist schlimmer als wärst du nur ein Feigling wie alle anderen. Du bist ein unfähiger Trottel. Du bist der Scharfschütze, der keine Lust hat, abzudrücken, obwohl er in Notwehr handeln müsste. Du bist der Muskelmann, der sich von einem Hänfling so lange schlagen lässt, bis er zu Boden stürzt und sich nicht mehr wehren kann. Du bist der unfähigste Dämon überhaupt, den ich kenne. Ja, ich glaube sogar, du bist der unfähigste Dämon, der jemals existierte. Deine Macht ist nichts, gar nichts, weil sie niemals eingesetzt wird. Du bist sogar zu dumm, dies zu begreifen!“
„Du hast es gewagt – und damit dein Leben verwirkt!“, hatte er gegrollt – und er hatte nun wirklich nicht mehr länger zögern wollen.
„Ja, dies alles ist die Meinung deiner dämonischen Brüder und Schwestern – natürlich nicht meine eigene Meinung. Sonst hätte ich doch niemals gewagt, sie dir gegenüber zu äußern, nicht wahr?“
Diese Worte hatten ihn irritiert einhalten lassen. Was sollte das nun wieder?
Ach, wie naiv war er wirklich gewesen! Wie naiv und leichtgläubig, eines Urdämons wahrlich unwürdig. Er war der Stärkere – einerseits. Aber in Wirklichkeit war er der wesentlich Schwächere. Was nutzte dem Scharfschützen seine Kunst, gepaart mit der tödlichen Waffe, wenn er sie nicht benutzte? Was nutzen dem Muskelmann seine Muskeln, wenn er entspannt seinen Tod erwartete, ohne die geringste Tendenz, etwas dagegen tun zu wollen?
Er war ein Trottel, wahrlich – sogar so trottelig, dass er auf die Falschheit jenes Unterdämons hereingefallen war.
„Du meinst, die anderen reden so über mich?“
„Genauso ist es, Batic Heil. Deshalb bin ich zu dir gekommen. Ich musste dich suchen – und ich habe dich gefunden. Und jetzt bin ich bei dir, um dir die Augen zu öffnen: Du darfst nicht mehr länger dich zurückhalten! Du musst endlich beginnen, dich zu behaupten: Zeige Ihnen, wer du wirklich bist. Nein, du bist kein Trottel, sondern diese sind Trottel, weil sie dich hoffnungslos unterschätzen. Zeige ihnen, wer du bist - und zeige es anhand deiner überlegenen Macht! Du hast sie so lange brach liegen lassen. Sie konnte sich anreichern, zu einer schier unendlich anmutenden Fülle. Damit kannst du all diesen Spöttern ein für allemal das hässliche Maul stopfen. Tu es, Batic Heil. Bitte, tu es, nicht nur meinetwegen, der ich diese Schmach nicht länger ertragen will, sondern vor allem deinetwegen. Und ich bin auch deshalb da, weil ich dir dabei helfen will. Bitte, nimm meine bescheidene Hilfe an. Denn ich kenne all die Spötter und kann dir somit behilflich sein, die Richtigen zu treffen. Du musst sie ja nicht vernichten. Es genügt, wenn du ihnen einen Denkzettel verpasst – so nachhaltig, dass es für alle Ewigkeit reicht und du für immer vor denen deine Ruhe hast. Denn bedenke: Wenn du nichts unternimmst, werden sie immer übermütiger und werden am Ende versuchen, gemeinsam gegen dich vorzugehen. Nur wenn du ihnen rechtzeitig zuvor kommst, kannst du sicher sein, dass das Ergebnis ganz in deinem Sinne ausfällt.“
Ja, das konnte er, dieser namenlose Unterdämon: Ihn überreden, ihn von etwas überzeugen, was nichts weiter war als eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Ein Intrigenspiel, um ihn hereinzulegen. Dazu musste er erst einmal sein Vertrauen gewinnen. Das war ihm bereits gelungen. Ein waghalsiges Manöver zwar. Hätte Batic Heil nur schneller reagiert, hätte er den Namenlosen vernichtet, ehe dieser ihm hätte vorgaukeln können, ganz in seinem Sinne handeln zu wollen.
So aber…
„Ich will dir zeigen, woraus ich meine Macht schöpfe!“, hatte der andere geheimnisvoll getan. Er hatte Batic Heil durch fremdartige Räume geleitet, die nicht von dieser Welt waren. „Ich habe dir erzählt, dass ich einst ein Mensch war. Ich habe eine Maschine erschaffen, die ihresgleichen sucht.“
„Eine Maschine?“
„Ja, sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Ein vielen anderen ebenbürtiger Dämon. Natürlich bei weitem nicht ebenbürtig deinesgleichen, der du zur Elite der Urdämonen zählst, aber ich bin mächtig genug, um mich gegenüber allen anderen zu behaupten.“
„Du hast dich durch eine Maschine vom Menschen in einen Dämon verwandelt?“ Er hatte es gar nicht so recht glauben mögen. Doch seine Neugierde war geweckt.
Und dann hatte er sie gesehen.
Ein irres Gebilde, ohne beschreibbare Form. Da waren überall so eine Art Schläuche gewesen, in denen grünes und rotes Blut geflossen war. Das grüne Blut war das Blut von Dämonen. Wie war der Namenlose daran gekommen?
Die Antwort kam, ohne dass er die Frage hatte stellen müssen:
„Ich musste Menschen opfern, um die Maschine zum Funktionieren zu bringen – und ich musste Dämonen opfern, um mit ihrer Macht die Maschine in diese Sphäre bringen zu können. Das heißt, diese Sphäre gab es vorher gar nicht. Die Maschine selbst hat sie erschaffen, um sich darin für immer einzunisten, unangreifbar, weil unerreichbar, außer für mich. Und die Macht der geopferten Dämonen ist nicht nur der Anker, um sie hier zu halten, sondern auch die Quelle meiner eigenen Macht.“
Erstaunt hatte er die Maschine in Augenschein genommen – und er fand die Behauptungen sogleich bestätigt. Er spürte sehr deutlich, welche Macht von der Maschine auf den Namenlosen überging, wie er daraus schöpfen konnte. Man konnte diese zwar in keiner Weise mit seiner eigenen Macht vergleichen, dafür war sie viel zu winzig und somit unterlegen, aber faszinierend war der Vorgang durchaus.
Und wenn man bedachte, dass es ihm als Mensch gelungen war, sogar Dämonen zu opfern und damit deren Macht zu übernehmen…
Das erzeugte in Batic Heil so etwas wie Hochachtung.
Doch dann tauchte die Frage in ihm auf, was die Vorführung denn eigentlich für einen Sinn habe.
„Zweierlei bezwecke ich damit“, führte der Namenlose ohne Umschweife aus. „Erstens will ich dir damit zeigen, wie sehr ich dir vertraue, auf dass auch du mir vertrauen kannst, wenn ich dir anbiete, in deiner bevorstehenden Machtdemonstration das Werkzeug zu sein. Zweitens tu ich sogar noch mehr als nur dies: Ich biete dir meine eigenen Möglichkeiten unmittelbar selber an: Du, Batic Heil, kannst deine Macht verbinden mit meiner Maschine! Ich weiß, ich liefere mich dir damit vollends aus. Du kannst nach Belieben mit mir verfahren, wenn du es vollbringst. Aber du wirst gleichzeitig auch genau erkennen, was ich erkannt habe. Du wirst wissen, was auch ich weiß. Du wirst deine Feinde kennen und wirst dich an ihnen rächen können, ohne das geringste Risiko eingehen zu müssen. Nichts und niemand wird dir etwas entgegenzusetzen haben. Mit schierer Leichtigkeit wirst du wissen und herrschen, so lange es dir beliebt. Meine Maschine soll dir allein gehören – und somit will ich selber dein Eigentum werden – voller Hochachtung vor dir, mein Herr und Meister Batic Heil!“
Das hatte der Namenlose so überzeugend vorgetragen, dass er es nur allzu gern hatte glauben wollen. Er hatte die Maschine noch einmal eingehend einer Untersuchung unterzogen – und nicht das geringste Risiko für sich gesehen.
Wenn der Namenlose ein sklavisch ergebener Teil seiner Selbst werden wollte, konnte er das getrost haben. Er würde ihn in der Tat versklaven. Doch nur so lange natürlich, wie er ihm von Nutzen war. Dann würde man weitersehen.
Sein Argwohn jedenfalls war völlig ausgeräumt – und sein Entschluss stand fest: Er würde das Angebot ohne Abstriche annehmen…
*
Ich legte den Schavall mitten auf den Tisch. Ein Blick zum Fenster. Es war noch immer heller Tag, doch irgendwie erschien mir auf einmal meine eigene Wohnung seltsam düster. Aber das konnte nur Einbildung sein.
Ich wandte mich zum Gehen.
Bevor ich die Wohnung verließ, die gleichzeitig mein Büro war als Privatdetektiv, schaute ich noch einmal zurück. Mein Blick fiel auf mein Amulett, den Schavall. Irgendwie erschien er verloren, wie er da auf dem Tisch lag.
Als ich mich von ihm abwenden wollte, schien er mir zuzurufen:
„Du machst einen Riesenfehler! Geh nicht ohne mich! Ohne mich hast du keine Chance mehr!“
Ich ließ mich trotzdem nicht aufhalten und machte von außen die Wohnungstür zu.
Für einen Augenblick blieb ich erneut stehen. Ich zögerte, weil ich natürlich nicht hundertprozentig sicher sein konnte, wirklich das Richtige zu tun
War es jemals gut gegangen, einem Dämon zu vertrauen?
Batic Heil?
Ich musste zugeben, noch niemals von ihm gehört zu haben. Auch unterwegs mit dem Fahrstuhl hatte ich mir immer wieder diesen Namen in Gedanken vorgesagt, aber keinerlei Resonanz in mir gefunden.
Ich war eine Art Unsterblicher. Wenn mein Körper starb, wanderte mein Geist weiter, zu einem Neugeborenen. Viele Jahre dauerte es, bis ich mich wieder an die Tatsache erinnern konnte, ein Wiedergeborener zu sein. Dass überhaupt Erinnerungen an frühere Leben in mir entstehen konnten, verdankte ich der Tatsache, dass alle Erinnerungen an alle mindestens tausend gelebte Leben in einer Art Sphärenspeicher erhalten blieben. Eine neutrale Sphäre, die aber leider nur solche Erinnerungen preis gab, die in meinem gegenwärtigen Leben eine wichtige Rolle spielten. Wenn ich also in einem vorherigen Leben mit diesem Batic Heil jemals konfrontiert worden war – in der Regel ja wohl in Todfeindschaft -, würde ich mich jetzt sicher daran erinnern. So war es jedenfalls sonst immer gewesen. Wieso also nicht auch jetzt?
Es gab halt keine solche Erinnerung, musste ich schlussfolgern.
Mit dem Lift stieg ich wieder hinab ins Erdgeschoss. Als sich dort die Lifttür öffnete, schaute ich mich um, konnte aber niemanden sehen.
„Ich bin da, wie versprochen“, ertönte es aus dem Unsichtbaren. Die Stimme war dieselbe. Mit dem Unterschied allerdings: Sie wurde von mir nicht mit den Ohren gehört, sondern klang direkt in meinem Kopf auf. „Du kannst mich nicht sehen, weil ich mich tarne. Niemand kann mich sehen. Nur wenn du jetzt noch den Schavall bei dir getragen hättest…“
„Wenn das Ablegen des Schavalls sich nur nicht als schlimmer Fehler herausstellt!“, murmelte ich skeptisch.
„Wärst du wirklich dieser Meinung, hättest du ihn wohl niemals abgelegt.“
„Vielleicht war das ja auch nur in einem kurzen Anfall von Idiotie?“
„Mit Sicherheit nicht, Mark Tate. Du weißt ganz genau, dass wir keine andere Wahl haben. Ich werde meine Macht dir zur Verfügung stellen – und unsere Gegner werden nicht bemerken, dass diese Macht nicht aus dir selber kommt. Genauso wie es bei deinem Kampf gegen den ‚Zorn Afrikas’ stattfand.“
„Was hast du eigentlich damit zu tun gehabt?“, erkundigte ich mich erneut - lauernd. Ich sprach es nicht laut aus, sondern dachte es nur intensiv. Das war für ihn wie gesprochene Worte, und genauso „hörte“ ich seine ausweichende Antwort:
„Ich hatte gar nichts damit zu tun. Ich blieb sozusagen stiller Beobachter. Aber dadurch wurde ich erst auf dich aufmerksam, Mark Tate. Ich hatte zwar von dir gehört – wie jeder Dämon im Diesseits und im Jenseits, aber ansonsten hatten wir noch niemals miteinander zu tun.“
Also doch: Ich hatte nicht umsonst keinerlei Erinnerungen an ihn, auch nicht aus einem früheren Leben. Dann war wenigstens das einmal geklärt.
„Wie geht es jetzt weiter?“, lenkte ich auf ein wichtigeres Thema.
„Ich habe einen Plan, zugegeben, aber ich werde ihn dir nicht mitteilen, Mark Tate. Zu gefährlich. Falls du versagst, darf der Gegner nichts über mich erfahren.“
„Nun, zumindest deinen Namen wird er dann wissen.“
„Es wird ihm nichts nutzen.“
„Weil er falsch ist?“
„Nein, weil er ihn bereits kennt - sehr gut sogar. Aber es wird ihm wie gesagt nichts nutzen – und ich kann wieder abtauchen.“
„Das verstehe ich nicht: Wieso sollte der Plan dich gefährden? Ist das nicht doch nur ein Vorwand, um mich im Ungewissen zu lassen?“
„Logisch, dass du misstrauisch bist, Mark Tate. Es liegt in der Natur der Sache begründet, denn eigentlich sind wir erklärte Todfeinde. Aber die Not hat uns zusammenfinden lassen. Du musst mir vertrauen. Es bleibt dir nichts anderes übrig. Ich muss meinerseits ja auch dir vertrauen, obwohl es mir durchaus ziemlich schwer fällt, wie ich dir verraten darf.“
Ich beließ es dabei. Es brachte ja nichts, sinnlos mit ihm zu diskutieren. Dabei hätte ich zumindest erfahren müssen, ob ich nun das Haus wieder verlassen sollte und wohin mich dann meine Schritte lenken mussten.
Ich ging nach draußen, in der Hoffnung, rechtzeitig von ihm eine Ansage zu erhalten.
Draußen schaute ich umher. Ich konnte nichts entdecken, was auf ihn hinwies. Er war tatsächlich völlig unsichtbar. Hätte er nicht auf seine Art zu mir gesprochen, hätte ich vermuten müssen, er sei verschwunden. Ich spürte ihn noch nicht einmal!
Kopfschüttelnd wandte ich mich in Richtung meines Autos. Der alte, klapprige Minicooper, der allem Anschein nach Mühe hatte, sich aus eigener Kraft überhaupt noch bewegen zu können, mir aber trotzdem treue Dienste leistete, wartete am Straßenrand. Es gab zwar Garagen, die zu den Apartments hier gehörten, doch sie waren alle belegt. Schon in der Vergangenheit war ich sowieso die meiste Zeit außerhalb gewesen. Ich hatte deshalb eigentlich nie eine Garage benötigt. Und so lange ich hier, vor dem Haus, am Straßenrand noch ein Plätzchen fand…
Ich fingerte meine Wagenschlüssel hervor und schloss auf. Dabei lauschte ich in mich hinein.
Seltsam, der Dämon hatte nichts dagegen einzuwenden. Aber er meldete sich auch nicht mehr. Hieß das, es war in seinem Sinne, dass ich einstieg, um wegzufahren?
Er hielt sich auch noch zurück, als ich den Motor gestartet hatte und mich umschaute, um mich in den fließenden Verkehr einzufädeln.
Ich fuhr einfach los, ohne spezielles Ziel. Dabei vermied ich es, in die Nähe von Mays Haus zu kommen. Meine Lebensgefährtin May war zwar sowieso nicht daheim, sondern in ihrer Konzernzentrale, in der sie in letzter Zeit fast ausschließlich zu finden war, doch ich wollte einfach vermeiden, dass sie in irgendeiner Weise in die Sache mit hineingezogen wurde. Niemand sollte die Suppe auslöffeln, die ich mir leichtsinnigerweise selber eingebrockt hatte.
Mit jedem Meter, den ich mich durch den dichten Verkehr quälte, sank meine Zuversicht. Ich war kaum noch überzeugt davon, das Richtige getan zu haben. Hier saß ich nun, ich Trottel, meines einzigen wirksamen Schutzes, nämlich des Schavalls, beraubt. Der lag daheim auf dem Tisch.
Dann hatte ich endgültig die berüchtigte Schnauze voll. Ich bog bei nächstbester Gelegenheit ab, um in der Seitenstraße zu wenden. Als ich auf die Hauptstraße wieder einbog, dann nur deshalb, weil ich zurückfahren wollte zu meiner Wohnung. Der Schavall sollte nicht mehr länger auf mich warten müssen. Ich würde ihn wieder anlegen. Egal, was dieser Batic Heil nun davon halten mochte und was nicht. Wenn er mich so hin hielt, hatte er es nicht anders verdient. Was war das denn überhaupt für eine Zusammenarbeit, bei der der eine überhaupt nicht wusste, um was es ging, und ihm auch noch jeglicher Hinweis versagt blieb?
Ich hatte mich inzwischen regelrecht in Zorn gesteigert und verwünschte im Stillen den Dämon, der mich dermaßen an der Nase herumgeführt hatte. Dabei hoffte ich, dass meine Reue nicht schon zu spät kam, dass ich überhaupt noch eine Chance hatte, wieder an meinen Schavall heran zu kommen.
Kaum hatte ich das gedacht, da flüsterte die Stimme von Batic Heil in mir:
„Der Tanz beginnt. Fahre einfach weiter. Lasse dir nichts anmerken. Deine Richtungsänderung hat sie ein wenig irritiert. Aber es hätte nicht besser kommen können. Dadurch schnappt die Falle nicht zu. Sie müssen improvisieren. Das gibt uns noch ein paar Sekunden.“
„Ein paar Sekunden? Bis zu was?“, rief ich alarmiert und schaute nach vorn.
Ich konnte nichts Verdächtiges erkennen.
Unwillkürlich fasste ich nach meinem Schavall vor der Brust, aber die Stelle, wo er normalerweise hing, war leider leer.
Ich fühlte mich auf einmal irgendwie nackt und hilflos – und vor allem chancenlos.
„Keine Bange, ich bin ja bei dir!“, kam es süffisant von dem Dämon.
„Du hast meine Gedanken belauscht!“, warf ich ihm vor.
„Natürlich habe ich das. Warum sollte ich nicht? Sind wir nicht Verbündete in einer gemeinsamen Sache?“
„Ja, sind wir - leider!“, murmelte ich zerknirscht vor mich hin.
Ich konnte mir schier die Augen aus dem Kopf schauen, ohne etwas Verdächtiges erkennen zu können.
Was hatte er überhaupt gemeint?
Wie wollte der Gegner gegen mich vorgehen?
Diese Frage erübrigte sich im nächsten Moment, denn vor mir entstand eine rabenschwarze Nebelbank aus dem Nichts.
Sie wurde nicht nur von mir entdeckt, sondern auch von anderen Autofahrern.
Ich hörte quietschende Reifen. Metall traf auf Metall, weil Nachfolgende nicht rechtzeitig bremsen konnten.
Auch ich wollte natürlich bremsen, um nicht in diese rabenschwarze Nebelbank hinein fahren zu müssen. Obwohl meine Chance ziemlich klein war, den Wagen rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Dafür war die Nebelbank bereits zu nah.
„Nicht bremsen!“, warnte Batic Heil sogleich in meinem Innern. „Gib Vollgas!“
Mir blieb nichts anderes übrig, als auf ihn zu hören, obwohl ich den Sinn nicht einsehen konnte.
Mit voller Beschleunigung raste ich mitten in die Finsternis hinein, die mich schlagartig verschlang…
*
Nach Abwägen von allem, wie er meinte, entschloss er sich dazu, nicht länger zu zögern. Er näherte sich bereitwillig der Maschine.
„Wie soll es geschehen?“, erkundigte er sich dabei, ohne sich weiter auf den Unterdämon zu konzentrieren. Er konzentrierte stattdessen alle seine Sinne auf die Maschine. Er spürte ihre pulsierende Macht. Sie war wie das Herz eines übermächtigen Dämons, das nur für einen schlug, nämlich für jenen Unterdämon.
Und künftig auch für ihn? Oder sogar nur noch für ihn?
Die Vorstellung erregte ihn regelrecht. Nein, er hatte gewiss keine Einwände mehr.
„Du muss dich einfach nur mit der Maschine verbinden!“, führte der Unterdämon bereitwillig aus.
Genau das hätte ihn stutzig machen müssen. Wieso sollte er sich mit der Maschine eigentlich verbinden, um aus ihr jene Kräfte schöpfen zu können? Wieso konnte der Unterdämon Kräfte daraus schöpfen, ohne sich damit zu verbinden?
Nun, er hätte misstrauisch werden müssen, wurde es jedoch nicht. Leider.
Als er nahe genug der Maschine war – oder des Gebildes, das von dem Unterdämon Maschine genannt wurde - erkannte er eine Lücke.
„Zwänge dich hinein, gehe auf in der Maschine, werde eins mit ihr, spüre ihre Unbändigkeit, ihre Überlegenheit, schöpfe aus ihrer Macht, werde zum dämonischen Übergott!“, ermunterte ihn der Unterdämon kreischend vor Begeisterung.
Eine Begeisterung allerdings, die nicht ihm, Batic Heil, galt, sondern sich selber – sich und seiner eigenen Genialität, in der er sich dünkte, weil er einen so mächtigen Konkurrenten wie Batic Heil auszutricksen im Begriff war.
Und er, Batic Heil, war in der Tat so vertrottelt durch sein Millionen von Jahre andauerndes Einzelgängerdasein, dass er auch jetzt nicht im Geringsten misstrauisch wurde.
Ganz im Gegenteil: Voll freudiger Erwartung, von der Begeisterung des Unterdämons regelrecht angestachelt, schlüpfte er in diese Lücke, die wie für ihn geschaffen war.
Es war wie das Eintauchen in ein warmes, angenehmes Schlammbad.
Ein Schlammbad allerdings, das schlagartig seine Temperatur erhöhte - um das schier Tausendfache!
Schleunigst wollte er sich wieder daraus befreien, nun doch über die plötzliche Änderung erschrocken.
Es ging nicht! Seine schwarzmagischen Kräfte versagten.
Er verwandelte sich in seine menschliche Gestalt – in jene Gestalt, unter der er als Batic Heil unter Menschen zu wandeln beliebte. In der Hoffnung, wenn er sich in einen Menschen verwandelte, dann eher eine Chance zu haben, wieder zu entrinnen, denn er bemerkte, dass seine schwarzmagischen Energien die Sache sogar noch verschlimmerten, anstatt ihm die Befreiung zu ermöglichen.
In seiner menschlichen Gestalt war er gewissermaßen neutraler.
Aber hatte ihm der Unterdämon nicht auch erzählt, er habe Menschen opfern müssen, um die Maschine überhaupt zum Funktionieren zu bringen? Danach erst hatte er auch Dämonen geopfert.
Dämonen geopfert? War er, Batic Heil, denn nun einer der nächsten Dämonen, die auf diese Weise geopfert werden sollten?
Er bäumte sich auf, mobilisierte jetzt doch wieder all seine Macht, die sich in den letzten Jahrmillionen angestaut hatte, trotz seiner jetzigen menschlichen Gestalt. Damit wurde er tatsächlich zu so etwas wie ein dämonischer Gott. So hätte er die Welt aus den Angeln heben können.
Hätte!
Aber es klappte nicht, weil die Kräfte sogleich abgeleitet wurden, so wie sie entstanden.
Er versuchte es abermals, doch die einzige Reaktion war diesmal der Beginn unsäglicher Schmerzen.
Jedes Quäntchen Energie, das er aufwendete, schmerzte ihn, sobald es abgeführt wurde.
Er begriff die Maschine schlagartig. Er erkannte ihren Sinn: Sie war die Quelle der Macht – einer Macht, die nicht nur aus sich selber schöpfte, sondern die sich die Macht anderer zunutze machte. Die Macht von denjenigen zum Beispiel, die geopfert worden waren. Sie waren alle in die Falle des Unterdämons gegangen. Mit ihrer Hilfe hatte sich dieser vom Menschen erst in den Unterdämon verwandeln können.
Und er, Batic Heil, war sozusagen die Hauptsache in diesem grausigen Spiel!
Er war der absolute Höhepunkt, auf den der Unterdämon mit akribischer Geduld und mit noch mehr Ehrgeiz hingearbeitet hatte.
„Ich habe einen Namen!“, grollte der Unterdämon mächtig – so mächtig, wie er vorher noch nicht einmal annähernd gewesen war, und Batic Heil spürte, dass diese Macht auch noch anwuchs, mit jedem Aufbäumen, mit jedem Bemühen, sich wieder aus der Falle zu befreien. Und er konnte dieses Aufbäumen gegen die Maschine nicht mehr unterdrücken. Es war eine automatische Reaktion, eine Art Schutzmechanismus. Bei einem Menschen hätte man es Selbsterhaltungstrieb genannt. Aber er war ein mächtiger Dämon. Er erzeugte enorme Energien zur Befreiung, die jedoch sogleich von dem Unterdämon abgezweigt wurden, um ihn mächtiger zu machen als selbst Batic Heil jemals gewesen war.
„Es dient einem guten Zweck – sozusagen!“, höhnte der Unterdämon. „Und merke dir meinen Namen, denn den gibt es tatsächlich. Man nennt mich schlicht Mister X! Ich bin der wahre Kopf der X-Organisation. Mein Netz ist weit gespannt – weltweit, um genauer zu sein. Und nun habe ich endlich die Macht, die ich benötige, um mich zum unumschränkten Herrscher über diese Welt zu machen. Nicht nur über die Welt der Menschen, sondern auch über die der Geister und Dämonen. Ja, selbst das Zwischenreich der Dämonen wird mir nicht auf Dauer widerstehen können. Ich werde mir dies alles einverleiben, denn ich mutiere dank dir und meiner genialen, einzigartigen Maschine zum mächtigsten Wesen aller Zeiten, vor dem am Ende sogar der Teufel selbst kapitulieren muss.“
Ein grollendes Gelächter erfolgte, das dazu geeignet war, ganze Welten zu erschüttern.
Und Batic Heil schrie. Er schrie nur noch und vergaß darüber, sein vergebliches Bemühen zu unterdrücken, aus dieser Falle jemals wieder zu entrinnen. Weil eben auch das Unterdrücken vergeblich gewesen wäre.
Dass er sich überhaupt noch an die größte Niederlage seines Daseins erinnern konnte, lag ausschließlich an jenem vergleichsweise winzigen Fünkchen Hoffnung.
Hoffnung aber worauf?
Er wusste es nicht mehr, ohne jedoch diese Hoffnung zu verlieren. Egal worauf…
*
Der schwarze Nebel blieb nicht undurchdringlich. Ich spürte nicht, dass mein Fahrzeug davon gebremst wurde. Es stieß gewissermaßen ins Leere.
Im nächsten Augenblick schienen feurige Krallen nach ihm zu greifen, um mich doch noch aufzuhalten.
Ich spürte den dadurch entstehenden Bremseffekt, blieb aber mit dem Fuß immer noch auf dem Gaspedal und drückte dieses durch bis zum Anschlag.
Der Motor röhrte, um gegen den Druck anzukämpfen.
Ich war jedenfalls nicht mehr auf dieser Straße. Soviel stand fest. Ich war irgendwie in einer eigenen Sphäre, die jedoch Mühe hatte, den Wagen zu bändigen, in dem ich saß. Und zunächst musste dies geschehen, wie es schien, ehe man sich meiner widmen konnte.
Jetzt verstand ich den Rat des Dämons. Jetzt hatte dieser einen Sinn.
Aber der Motor des viel zu schwachen Minicoopers würde dem Gegendruck nicht mehr länger standhalten können.
Und schon sah ich über dem Dach eine weitere Klaue, die wie das Maul eines mächtigen Krans anmutete, wie man sie von Schrottpressen kannte. Damit wurden die zu verschrottenden Autos gepackt, um sie wie Spielzeuge in den nimmersatten Schlund der Schrottpresse zu stopfen.
„Jetzt!“, befahl der Dämon in meinem Innern. Ich verstand nicht, was er wollte, bis es aus mir heraus schoss. Es war ein Gleißen und Gluten. Es ging durch das Metall des Fahrzeuges hindurch, als sei dieses gar nicht vorhanden – und es fegte alles dort draußen hinweg, als sei dies ebenfalls gar nichts.
Ich schrie unwillkürlich auf.
„Ja, gut so!“, lobte mich der Dämon enthusiastisch - und dann entstand außerhalb des Fahrzeuges eine Art schillernde Blase, die sich jedoch nicht lange manifestiert. Sie platzte auf einmal und zerfetzte dabei die Finsternis des schwarzen Nebels.
„Vollbremsung!“, befahl mir der Dämon.
Ich gehorchte mehr unbewusst - und somit schnell genug, indem ich blitzschnell den Fuß vom Gaspedal nahm und auf die Bremse trat.
Gottlob hatten die Fahrer der nachfolgenden Fahrzeuge rechtzeitig die schwarze Nebelbank gesehen und bereits abgebremst. Ich war jetzt wieder in der Wirklichkeit. Von der Nebelbank fehlte jegliche Spur. Der Dämon hatte sie mit einer Leichtigkeit vernichtet, die mich im Nachhinein doch sehr wunderte.
War ich denn keine Sekunde lang wirklich gefährdet gewesen?
„Keine Sekunde lang!“, bestätigte er, weil er mal wieder meine Gedanken belauscht hatte.
Kein Wunder, dass er das konnte. Er hatte sich irgendwie mit mir verbunden. Sonst wäre er ja im Auto gewesen, also entweder neben mir oder hinter mir. Er war jedoch nirgendwo zu sehen. Ich spürte ihn noch nicht einmal. Obwohl er eben wahrscheinlich in mir selber hockte. Er war einfach da und nur, wenn er sich mit seiner Gedankenstimme bemerkbar machte, wurde ich seiner gewahr.
„Gewonnen!“, kreischte es jetzt in meinem Kopf. „Ich habe es gewusst!“
„Wirklich gewusst?“, zweifelte ich. „Jetzt durchschaue ich endlich deinen Plan und ich begreife, wieso du mir nichts davon erzählt hast. Du hast den Gegner auf mich aufmerksam gemacht. Du hast ihm klar gemacht, was wir vorhaben, nämlich die Quelle der Macht direkt anzugehen. Zwar habe ich nicht die blasseste Ahnung, wie das überhaupt geschehen könnte, aber du hast es zumindest geschafft, mich zur Zielscheibe zu machen.“
„Das warst du vorher schon“, belehrte er mich. „Insofern hat sich nichts geändert. Nur, dass der Gegner jetzt endlich tätig wurde und nicht mehr länger zögert. Aber nur so konnte ich abschätzen, wozu er fähig ist.“
„Na, ganz so überzeugend war dieser Angriff ja wohl nicht.“
„Es war ja auch nur eine Improvisation, wenn man so will. Man hatte eine andere Falle für dich entstehen lassen – in der Richtung, in die du ursprünglich gefahren bist. Wie schon erwähnt: Dein Richtungswechsel hat den Gegner irritiert. Er musste schnell handeln. Wenn du erst einmal dich wieder in deiner Wohnung verkrochen hast, hat der Gegner keinen Zugriff mehr.“
„Höchstens über weltliche Kämpfer!“, murmelte ich nachdenklich vor mich hin und gab schnell wieder Gas, um den Verkehr nicht noch länger zu blockieren. Hinter mir wurde geblinkt und gehupt. Aber ich ignorierte es einfach, beschleunigte weiter, bis ich die normale Fließgeschwindigkeit für den Hauptverkehr erreicht hatte.
Es ging immer noch in Richtung nach Hause, obwohl mir das zu der Zeit gar nicht bewusst wurde. Aber eigentlich war diese Richtung nicht besser und nicht schlechter als jede andere.
„Sie werden es wieder versuchen!“, vermutete ich laut.
„Das werden sie in der Tat! Aber jetzt weiß ich sie einzuschätzen. Du wirst sehen, es wird mir sogar noch leichter fallen, den Angriff abzuwehren. Und sie ahnen noch nicht einmal etwas von meinem Vorhandensein. Sie sind fest davon überzeugt, es sei deine eigene Macht, Mark Tate. Glaube mir, besser könnte es für dich gar nicht mehr kommen.“
„Ja, klar, gib du mir nur den nötigen Mut. Ich vertraue dir trotzdem nicht, Batic Heil, oder wie immer du dich auch nennen magst.“
„Im Grunde genommen ist mein Name egal, Mark Tate. Genauso wie deiner. Wir sind beide nur winzige Räder in einem Geschehen von wahrhaft universaler Bedeutung. Obwohl du das noch immer nicht begriffen hast. Irgendwie enttäuschend für mich, wo ich doch soviel unternommen habe, um dir dies alles klar zu machen.“
„Wie geht es weiter?“, rief ich missmutig dazwischen.
„Fahre einfach quer durch die Stadt. Wenn wir uns bewegen, ist es leichter, einen Angriff abzuwehren.“
„Tatsächlich?“
„Ja, denn das hat einen Grund: Sie können nicht ihre Kräfte auf einen einzelnen Punkt konzentrieren. Es ist wie das Erzeugen einer Momentaufnahme. Sie müssen die Fahrt, deine Bewegung, stoppen, um auf dich in vollem Maße einwirken zu können. Aber es darf uns nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der nächste Angriff heftiger erfolgen wird.“
Er hatte kaum ausgesprochen, als sich direkt vor mir der Asphalt öffnete - zu einem rauchenden Krater. Ein Loch, das keinen Boden hatte und direkt in die Hölle zu führen schien.
Ehe ich überhaupt auch nur im Geringsten reagieren konnte, stürzte der Minicooper mitsamt mir hinter dem Steuer in diesen feurigen Schlund hinein.
Der Dämon in mir schrie indessen wie wahnsinnig: „Gib Gas! Gib Gas!“
Ich tat es, während ich rasend schnell hineinfiel. Der Bug des Wagens zeigte nach unten. Ich umklammerte mit aller Macht das Lenkrad, als könnte mir das etwas nutzen.
Der Motor heulte schrill und protestierend gegen diese Überbeanspruchung.
Offensichtlich drehte er leer. Es gab keinen Widerstand mehr. Wie denn auch, im freien Fall geradewegs hinunter in die unterste Hölle hinein?
*
„Gib Vollgas!“, kreischte der Dämon unablässig in meinem Innern.
Ja, was glaubte er denn, was ich die ganze Zeit über schon sowieso tat?
Und da tauchte unter mir die unterste Stelle des vorher bodenlos erschienenen Schachtes auf: Brodelnde Lava! Das glutflüssige Innere der Erde nur oder doch schon der äußere Bereich der wahren Hölle?
Als hätte das einen Unterschied für mich bedeutet, wenn ich mit dieser Geschwindigkeit hineinstürzte...
„Vollgas!“, kreischte der Dämon, obwohl ich eher geneigt war, mit dem Fuß auf die Bremse zu treten. Doch was hätte das überhaupt genutzt? Ob ich nun Gas gab und dabei den Motor im Leerlauf und mit frei in der Luft rotierenden Rädern aufheulen ließ oder ob ich auf die Bremse latschte – im freien Fall?
Aber ich gehorchte. Eben weil es für mich sowieso keinen Unterschied mehr machte.
Nur noch Sekundenbruchteile bis zum Aufprall. Wie viele tausend Grad heiß war das glutflüssige Erdinnere? Wie lange würde ich überleben? Wie viele Sekundenbruchteile? Würde ich noch etwas spüren können?